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Fachbeitrag

Kultur + Schule – Qualität durch kulturelle Schulentwicklung!

20.11.23

Wie kann kulturelle Schulentwicklung gelingen und was braucht es, um eine Kulturschule zu gestalten? Insbesondere der Ganztag bietet dafür viele Möglichkeiten.

Von Kerstin Hübner

Kerstin Hübner koordiniert das Netzwerk Forschung Kulturelle Bildung. Zuvor hat sie den Arbeitsbereich „Kooperation, Bildung, Innovation“ der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung geleitet. Ihre Schwerpunkte sind Kooperationen, Bildungslandschaften und Zivilgesellschaft.

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Die Grundschule Hardt in Schwäbisch Gmünd, das Lessing-Gymnasium in Hoyerswerda, die Gesamtschule Else Lasker-Schüler in Wuppertal, die Max-Kirmsse-Förderschule in Idstein ... Was haben diese Schulen gemeinsam? Sie sind nicht nur Ganztagsschulen, sondern sie haben ein kulturelles Profil. Sie sind Kulturschulen.

Kunst und Kultur sind fest in der Schule verankert und dies unabhängig davon, ob sie sich einen kulturellen Schwerpunkt setzen: Die künstlerischen Schulfächer, kreative Arbeitsgemeinschaften und kulturelle Projekttage sind in jeder allgemeinbildenden Schule unerlässlich, denn zur Allgemeinbildung gehört immer auch Kulturelle Bildung. Dass Kunst und Kultur Schulalltag und -leben darüber hinaus besonders bereichern, erfahren Schüler:innen, Lehrkräfte und Eltern täglich: in Theater- und Museumsbesuchen, in Konzerten von Schulchören und Big Bands, in Zirkuswochen, im Schüler:innen-Radio, in der kreativen Schulhofgestaltung usw. Für jede Schule bestehen hier viele Gestaltungsmöglichkeiten, damit alle Kinder und Jugendlichen Zugang zu Kultureller Bildung finden.

Zugang zu Kultureller Bildung wirkt besonders gut und nachhaltig, wenn Schulentwicklung systematisch verankert ist und vorangebracht wird, Instrumente der Qualitätssicherung implementiert und dabei die Potenziale von Kunst und Kultur mit schulinternen Expert:innen und Kooperationspartnern gehoben und genutzt werden. Ganztagsschulen bieten hier besondere Möglichkeiten, weil sie formale und non-formale Angebote miteinander verbinden und informelle Räume Kultureller Bildung öffnen, weil sie mehr Zeitfenster für Kulturelle Bildung zur Verfügung haben und weil sie auf vielfältige Kooperationen bauen.

1. Kulturelle Schulentwicklung – Ein Spezialfall

Für kulturelle Schulentwicklung können im Grundsatz alle vorhandenen Konzeptionen und Theorien der Schulentwicklung angewandt werden, weil sie eine spezifische Form von Schulentwicklung ist. Sie hat zum Ziel, in einer Schule ein kulturelles Profil so zu entwickeln, dass sie sich als eine „Kulturschule“ verstehen kann. Eine Kulturschule ist eine Schule, die als ästhetischer Erfahrungsraum gestaltet wird. Im Hinblick auf die Schüler:innen geht es also darum, dass der alte reformpädagogische Grundsatz eines Lernens mit Kopf, Herz und Hand realisiert wird (Fuchs/Fischer/Gördel 2019) – und dies mit den Kräften der Künste und ästhetischen Praxen. Schule als ein solches Haus zu gestalten bedeutet, ästhetisches Lernen umfassend im Lehrplan und Schulalltag zu verankern. Dass damit unweigerlich Qualitätsfragen verbunden sind, liegt auf der Hand.

Schulentwicklung bewegt sich nach einem gängigen Konzept insbesondere im Systemzusammenhang von Unterrichtsentwicklung, Organisationsentwicklung und Personalentwicklung. Dies trifft auf die kulturelle Schulentwicklung zu, die es durch ihre ästhetische Dimension ermöglicht, „bestimmte Facetten des Entwicklungsprozesses in besonderer Weise zu unterstützen“ (Fuchs/Bösel-Fuchs, 2017, S.15).

In der letzten Zeit hat sich als Schwerpunkt einer kulturellen Schulentwicklung herausgestellt, den Kernbereich von schulischer Arbeit, nämlich den Unterricht, verstärkt in den Mittelpunkt des Interesses zu setzen (Fuchs/Braun 2018).

Kulturelle Unterrichtsentwicklung bedeutet, dass immer wieder ästhetische Dimensionen (innerhalb) des eigenen Faches aufgezeigt und genutzt werden. Es bedeutet zudem, dass regelmäßig ästhetisch-künstlerische Methoden bei der Unterrichtsgestaltung angewendet werden – auch im nichtkünstlerischen Unterricht. Es existieren zahlreiche Beispiele, in denen Expert:innen aus den Bereichen Tanz, bildende Kunst, Medien, Theater und Musik zeigen, wie ihre spezifischen Methoden zum Beispiel in Chemie, Biologie, Mathematik fächerübergreifend genutzt werden können. (BKJ o. J.)

Kulturelle Unterrichts- und Personalentwicklung gehören eng zusammen (Fuchs/Braun 2018). Schulen mit einem kulturellen Profil können im Rahmen ihrer autonomen Spielräume solche Lehrkräfte einstellen, die das Profil der Schule unterstützen wollen. Fort- und Weiterbildungen sollten den Entwicklungsprozess begleiten. Zudem können sich Lehrkräfte unterschiedlicher Fächer über kreative Unterrichtsmethoden austauschen oder solche gemeinsam entwickeln. (BKJ 2019, S.27) Expert:innen können eingestellt bzw. gewonnen werden, die das kulturelle Profil durch ihre (etwa künstlerische) Expertise unterstützen.

Um Schulen im Rahmen der kulturellen Organisationsentwicklung von innen heraus weiterzuentwickeln, braucht es eine gemeinsame Prozessplanung. Dazu gehören Strategie-Prozesse, z. B. die Klärung und Vereinbarung mittelfristiger Ziele für Kulturelle Bildung und die Wahl der konkreten Konzepte und Methoden, um diese Ziele zu erreichen. Auch Strukturen müssen geschaffen werden: eine Kultur(steuer)gruppe, eine Funktionsstelle für eine:n Kulturkoordinator:in, ein Kulturfahrplan (siehe unten) etc. (BKJ o. J.)

2. Kulturelle Bildung – eine komplexe Qualitätsherausforderung

Kulturelle Bildung ist nicht ein einzelnes Unterrichtsfach, sondern realisiert sich als Querschnittsaufgabe von Fachunterricht, außerunterrichtlichen, offenen Angeboten und informellen Kontexten. Dass die Unterrichtsqualität eine wesentliche Rolle spielt, wurde bereits betont. Unter der Perspektive der Qualität sind aber weitere Bereiche von Schule zu betrachten, die hier beispielhaft aufgeführt werden:

  • Ein wichtiges (Qualitäts-)Merkmal Kultureller Bildung ist ihre Vielfalt. Sie bezieht sich einerseits auf die unterschiedlichen Sparten. Musik, Theater, Bildende Kunst, Tanz, Medien, Zirkus, Spiel und Literatur stehen für sehr verschiedene Methoden und Erfahrungen. Aber auch die Zugänge sind zu differenzieren: Der Fokus kann auf die eigene und aktive kreativ-künstlerische Gestaltung, auf rezipierend-reflektierende Ansätze mit Kunstwerken oder auf die kommunikativ-soziale Auseinandersetzung mit Kulturen gelegt werden. Qualitätskonzepte in kulturellen Schulentwicklungsprozessen berücksichtigen diese Vielfalt.
     
  • Kulturelle Schulentwicklung setzt immer intensive Kooperationsbeziehungen zu Akteur:innen im Sozialraum voraus: Kultureinrichtungen, kulturelle Bildungseinrichtungen, Träger der Jugendkulturarbeit, Kulturvereine und Künstler:innen gehören dazu. Gemeinsam mit diesen Expert:innen gestalten Lehrer:innen und Ganztagspädagog:innen in Tandems Unterricht, Projekte, Exkursionen und Arbeitsgemeinschaften. Oftmals eröffnen diese Partner zusätzliche Räume und Angebote für Kulturelle Bildung. Kooperationsqualität ist daher ein entscheidender Aspekt zur Gestaltung Kulturellerer Bildung inkl. der Entwicklung multiprofessioneller Zusammenarbeit.
     
  • Das Prinzip der Ästhetik und die Kulturelle Bildung in allen Bereichen von Schule in den Mittelpunkt zu stellen, bedeutet, dass das Schulgebäude als gegenständliche Umgebung in einer Weise gestaltet ist, dass sich alle Kinder und Erwachsenen, die sich in dieser Umgebung befinden, wohlfühlen können – im Gebäude und auf dem Schulhof. Kulturelle Bildung braucht zudem ganz spezifische Räume und Ausstattung/Materialien und benötigt neben der Schule auch immer wieder die Erfahrungen am Dritten Ort. Diese Qualitätsanforderungen gilt es stets mitzudenken.
     
  • Kulturelle Bildung in der Schule zu verankern heißt zudem eine besondere Gestaltung der Schulkultur, also eine Achtsamkeit im Hinblick auf das soziale Leben in der Schule, z. B. durch Rituale im Alltag und durch kulturelle Highlights im Schuljahr, und eine zeitliche Umgestaltung der Abläufe.

3. Instrumente zur Qualitäts- und kulturellen Schulentwicklung

Zur Bewältigung dieser Aufgaben stehen Schulen auf dem Weg zu einem Kulturprofil eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, die sich in der Praxis vielerorts bereits bewährt haben:

Kultur(steuer)gruppe: In dieser Gruppe werden die vielfältigen kulturellen, kreativen und schulischen (methodische, inhaltliche und organisatorische) Kompetenzen durch Repräsentant:innen der Schulleitung, des Lehrerkollegiums, der Schülerschaft, der Kooperationspartner etc. gebündelt. Steuergruppen werden in Schulen für einen bestimmten Zeitraum eingerichtet, um Veränderungsprozesse vorzubereiten, zu planen, durchzuführen und zu begleiten. Sie erhalten einen klar formulierten Auftrag mit einem Mandat der Gesamtkonferenz der Schule, in dem die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Steuergruppe festgelegt sind.

Kulturbeauftragte: Neben der Unterstützung der Schulleitung und der Einrichtung einer Kultur(steuer)gruppe hat es sich bei der Umsetzung von kultureller Schulentwicklung bislang als wirksam erwiesen, dass es eine Ansprechperson für die Maßnahmen der Kulturellen Bildung und für die kulturellen Schulentwicklungsprozesse innerhalb der Schule gibt, die entsprechende Verantwortung übernimmt. Ein:e solche:r Kulturbeauftragte:r ist auch Ansprechperson für außerschulische kulturelle Bildungspartner der Schule und vermittelt diese an interessierte Kolleg:innen. In der Regel sind dies Mitglieder des Lehrerkollegiums, im Einzelfall andere pädagogische Fachkräfte aus dem Schulkollegium. Sie werden in ihrer Aufgabe durch die Schulleitung durch regelmäßige Planungsgespräche sowie möglichst durch Entlastungsstunden unterstützt.

Kulturfahrplan: Der Kulturfahrplan formuliert das kulturelle Profil einer Schule als Basis des gemeinsamen Handelns. Er ist ein Steuerungs- und Planungsinstrument, das ausgehend von einer Standortbestimmung die Schulen unterstützt, eine langfristige Vision hinsichtlich Kultureller Bildung zu entwickeln sowie konkrete Entwicklungsziele und die nötigen Umsetzungsmaßnahmen zu formulieren. Er ermöglicht so einen systematischen Planungsprozess und ein Qualitätsmanagement, um Angebote Kultureller Bildung langfristig zu verankern und qualitativ weiterzuentwickeln. Das Verfahren beginnt mit der Bestandsaufnahme, geht über die Visionsfindung bis hin zur Zielformulierung – als gemeinsamer, offener und kooperativer Prozess der Schulgemeinschaft. Für die Entwicklung des Kulturfahrplans braucht es verantwortliche Personen und die Zustimmung der Schulleitung sowie den Beschluss der Schulkonferenz.

Qualitätstableau kulturelle Schulentwicklung: Diese Übersicht komprimiert alle beteiligten Lernfelder, Akteure und Handlungsanforderungen, die zu berücksichtigen sind, damit Kulturelle Bildung im Kern von Schule verankert werden kann. Das Tableau macht sichtbar, wie das Lernen des Individuums mit den Voraussetzungen verzahnt sind, die im Handeln der Länder und Kommunen ebenso wie in der Organisation der Einzelschule, des Unterrichts sowie in der Zusammenarbeit mit dem sozialräumlichen Umfeld geschaffen werden. Ebenso verdeutlicht das Tableau, dass Kulturschulen in systemischen Netzwerkbeziehungen zu zahlreichen Bildungspartnern des regionalen Umfeldes stehen.

Selbstevaluation kultureller Schulentwicklung und Kulturkooperationen: Dieses Tool umfasst vier Selbstevaluationsbögen inklusive Nutzungshinweisen und Informationen zur Auswertung (Ergebnisschirm). Mittels der Bögen, die von jeder Schule individuell angepasst werden können, können von (vier) unterschiedlichen Personengruppen (Schüler:innen, Schulleitung, Eltern, Kooperationspartner) Rückmeldungen und Bewertungen zur Umsetzung Kultureller Bildung eingeholt, diese miteinander in Relation gesetzt und zu einem Gesamtbild eines aktuellen Ist-Standes zusammengeführt werden. Zunächst werden die Ergebnisse in einzelnen Gruppen reflektiert, dann aber in der gesamten Schulgemeinschaft diskutiert, um gemeinsam Ziele und Handlungsschritte abzuleiten.

Typenmodell kultureller Schulentwicklung: Dieses Modell beschreibt vier Typen von Schulen hinsichtlich der Ausprägung ihres kulturellen Profils: die kulturaktive Schule, die Schule mit partieller bzw. mit intensiver kultureller Schulentwicklung und die kooperative Kulturschule. Das Typenmodell dient der Bestandsaufnahme und lässt damit erkennen, in welchem Entwicklungsstadium sich eine Schule befindet. Mithilfe einer zusätzlichen Checkliste können sich Schulen selbst verorten. Daraus lassen sich im nächsten Schritt längerfristige Entwicklungsziele sowie mittel- und kurzfristige Zwischenziele setzen und Maßnahmen für Aktivitäten festlegen.

Qualitätsdimensionen für Kooperationen von Kultur und Schule: Dieses Instrument umfasst Leit- und Reflexionsfragen in zentralen Qualitätsbereichen, um die Strukturen und Prozesse von Kooperationen zu analysieren und zu diskutieren. Für Kooperationsteams aus Kultur und Schule geht es auf Grundlage der Qualitätsdimensionen darum:

  • gute Konzepte und Rahmenbedingungen für eine qualitätvolle kulturpädagogische, künstlerische und/oder ästhetische Praxis zu schaffen;
  • ein kooperatives Projektmanagement umzusetzen, also eines, das die Qualitätsdimensionen gemeinsam bewältigt;
  • in einem solchen Prozess die Kooperation selbst immer zum Gegenstand zu machen

Diese und weitere Werkzeuge, welche die BKJ mit ihren Mitgliedern und Partnern erarbeitet hat, finden sich in der Arbeitshilfe Kulturelle Schulentwicklung (BKJ 2019) oder vertiefend unter www.bkj.de/kulturelle-schulentwicklung/werkzeuge/

Literatur

Braun, Tom (2013/2012): Kulturelle Schulentwicklung. www.kubi-online.de/index.php/artikel/kulturelle-schulentwicklung (Zugriff am: 15.06.2022)

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) (2019): Kulturelle Schulentwicklung. Mit Kunst und Kultur Schule gestalten. Arbeitshilfe. Berlin/Remscheid. www.bkj.de/publikation/kulturelle-schulentwicklung/ ( Zugriff am 15.06.2022)

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) (o. J.): Glossar Kulturelle Schulentwicklung. www.bkj.de/kulturelle-schulentwicklung/glossar/  (Zugriff am 15.06.2022)

Fuchs, Max/Bösel-Fuchs, Anette (2017): Kulturelle Schulentwicklung: Eine Einführung. Weinheim/Basel: Beltz-Juventa.

Fuchs, Max/Braun, Tom (Hrsg.) (2018): Kulturelle Unterrichtsentwicklung. Weinheim/Basel: Beltz-Juventa.

Fuchs, Max/Gördel, Bettina-Maria/Fischer, Bianca (Hrsg.) (2019): Kulturelle Schulentwicklung gestalten. Konzept, theoretische Hintergründe und Praxismaterialien zur Implementierung. Schulmanagement-Handbuch Band 162. München: Oldenbourg.

Dieser Fachbeitrag wurde erstveröffentlicht in der Zeitschrift „Die Ganztagsschule“ des Ganztagsschulverbands e. V., Heft 2022.

Literaturempfehlung

Zitiervorschlag

BKJ: Kultur + Schule – Qualität durch kulturelle Schulentwicklung!
https://www.bkj.de/internationales/wissensbasis/beitrag/kultur-schule-qualitaet-durch-kulturelle-schulentwicklung/
Remscheid und Berlin, .

  • Schule

BKJ-Inhalt

Typo: 246

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