
Positionen
Große Herausforderungen gemeinsam bewältigen
Bildungslandschaften haben enormes Potenzial: Sie können etwa mehr Bildungs- und Teilhabechancen schaffen, Freiräume ermöglichen und Diskriminierung bzw. Polarisierung etwas entgegensetzen. Sie können in Kommunen nicht nur die einzelnen Menschen in ihrer Bildungsbiografie unterstützen, sondern auch große gesellschaftliche oder lokale Themaen anpacken. Aber: Wo viele Beteiligte zusammenkommen, gibt es verschiedene Sichtweisen, Haltungen und Ziele, die sich bei der Konzeption und nicht zuletzt bei der Umsetzung als Hürden darstellen können. Daraus entstehen zentrale Spannungsfelder.
Spannungsfelder und Positionen
Gemeinsamen Bildungsbegriff schärfen.
Paradoxerweise setzen sich Kommunen und Akteure für ihre Bildungslandschaften vielfach nicht mit grundsätzlichen Fragestellungen eines modernen Bildungs- und Pädagogikverständnisses auseinander. Oft haben sie daher einen unklaren oder engen Bildungsbegriff. Kulturelle Bildung und Kulturarbeit können und sollten sich hier für eine fachlich-pädagogische Konturierung von Bildungslandschaften einbringen und sich mit ihrer kritischen Perspektive dafür einsetzen, dass Bildung nicht auf formale Bildung oder die Bewältigung von Bildungsketten verengt wird. Zugleich sollten „Bildungslandschaften“ nicht vereinnahmt werden für bspw. sozialpolitische oder ökonomische Zwecke. Hier ist es für Akteur*innen der Kulturellen Bildung hilfreich, aufgrund ihres jugendpolitischen und bildungsbezogenen Selbstverständnisses zu analysieren und zu bewerten, inwieweit sich dieses in den Zielen, Strategien und Maßnahmen in Bildungslandschaften spiegelt.
Chancengerechtigkeit zur Grundlage machen.
Manchmal sind Bildungslandschaften weiterhin am Leistungsprinzip, also am Aufstiegsversprechen "Bildung durch Selbstoptimierung", an Effektivität und Effizienz orientiert. Träger Kultureller Bildung haben eine kritische Haltung diesen neoliberalen und ökonomisierten Tendenzen unserer Gesellschaft gegenüber. Sie fordern vielmehr, dass sich die Rahmenbedingungen verbessern müssen, in denen Menschen leben und sich bilden. Mit dieser Haltung setzen sie sich für eine Ausrichtung auf Gerechtigkeit ein. Bildungslandschaften müssten dabei stärker dem Motto folgen: „Ungleiches nicht gleich behandeln“, das heißt, es braucht mehr Differenzierung unterschiedlicher Adressat*innen in Bildungslandschaften und insbesondere mehr Investitionen für jene, die im Bildungsbereich, aber auch durch unsere Sozialsysteme und Gesellschaft benachteiligt werden. Dazu braucht es auch den Diskurs und Konzepte, welche Angebote Menschen Empowerment ermöglichen und Lebenskompetenz vermitteln.
Stigmatisierung und Diskriminierung entgegenwirken.
Wenn Bildungslandschaften nicht sensibel mit den Lebensbedingungen und Erfahrungen der Einwohner*innen umgehen und keine gesellschaftspolitische Grundhaltung vertreten, laufen sie Gefahr, dass sie Risikolagen individualisieren sowie Quartiere und Regionen als „Brennpunkte“ manifestieren. Vielmehr müssten Bildungslandschaften stattdessen den gesamtgesellschaftlichen, ökonomischen und sozialpolitischen Kontext von Bildung und die diesbezüglichen Ausgangsbedingungen vor Ort reflektieren.
Bildungslandschaften bieten hierfür eine Chance, neue Haltungen und Konzepte zu entwickeln – unter der Bedingung, dass die vielfach proklamierte Verantwortungsgemeinschaft aller Verantwortungsträger für diese Auseinandersetzung zum Tragen kommen. Das heißt, sie benötigen einen kritischen und tiefergehenden Blick von Kommunen und Träger, um eigene Barrieren und Ausschlüsse zu beleuchten und zugleich eine sozialräumliche und sozialpolitische Perspektive, die über die eigene Institutionen und deren Vernetzung hinausreicht.
Beteiligung sowie Kinder-, Jugend- und Bürger*innen-Orientierung als leitendes Prinzip stärken.
Das inhaltliche Konzept vieler Bildungslandschaften folgt nicht den Entwicklungsherausforderungen und Bedürfnissen, die ihre Adressat*innne - bspw. Kinder und Jugendliche - haben, sondern vornehmlich anderen Logiken, z. B. dem Thema „Bildungsketten“. Entsprechend geringer berücksichtigt werden Kinderrechte als leitende Prinzipien. Bildungsmaßnahmen – Angebote, Träger und Vernetzung – sollten dahingehend geprüft bzw. ausgerichtet werden, dass sie kinder- und jugendgerecht sind bzw. den Bildungsinteressen von Erwachsenen oder Menschen im hohen Alter entsprechen.
Vielfach fehlen auch Beteiligungs- und Gestaltungsmodelle für Kinder und Jugendliche, für ihre Eltern oder für Erwachsene. Hier bieten Formate der Beteiligung in der Kulturellen Bildung und die enge Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendarbeit, mit Bürgerräten, mit Vereinen etc. Möglichkeiten, partizipative Zielbestimmungen und Umsetzungsstrategien von Bildungslandschaften neu zu definieren.
Strukturen und Ressourcen sichern.
Bildungslandschaften sind hochkomplexe Systeme, die auf allen Ebenen Zeit für Konzeptions-, Implementierungs- und Veränderungsprozesse sowie nachhaltige Perspektiven benötigen. Vielfach sind sie aber stark abhängig nicht nur vom persönlichem Engagement von Akteuren im Jugend-, Bildungs- und Kulturbereich, sondern auch von finanziellen Ressourcen und Schwerpunktsetzungen in den Kommunen und in der Landes- und Bundespolitik. Nachhaltige Entwicklungsstrategien heißt hier vor allem, die öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Trägerstrukturen vor Ort gleichermaßen zu sichern. Die Entwicklung verlässlicher Vernetzungs- und Entscheidungsstrukturen braucht ebenso Raum wie der Aufbau einer Kultur des Vertrauens, der Beteiligung und Anerkennung – mit Unterstützung durch Koordinations- und Moderationsstellen in den Quartieren, Kommunen bzw. Regionen, wie sie vielfach erprobt sind.
Zeitgemäße Governance-Strategien etablieren.
In Bildungslandschaften ist die Steuerung über (staatliche) Programme bzw. über die Kommunen weit verbreitet und schafft eine Top-down-Orientierung: „von oben nach unten“. Diese (politische) Verantwortungsübernahme ist absolut wichtig und notwendig, weil Bildung eine öffentliche Aufgabe ist und weil Kommunen viel Erfahrung im Bildungsmanagement haben und Steuerungsverantwortung tragen.
Zugleich sind das Subsidiaritätsprinzip in Bildungslandschaften und die systematische Beteiligung der Zivilgesellschaft unerlässlich, um Bildungslandschaften nicht nur mit einem kinder- und jugendgerechten Bildungskonzept und auf Beteiligung zu fundieren, sondern auch die damit verbundenen vielschichtigen Zieldimensionen zu erreichen. Nur so gelingen die Unterstützung der einzelnen Personen und ein gesellschaftlicher Wandel.
Analog-digitalen Bildungsraum gestalten.
Was in der aktuellen Umsetzung von Bildungslandschaften noch auffällig fehlt, was aber der gesellschaftlichen Realität heute viel mehr entspricht, ist ein Konzept, das sich als analog-digitaler Erfahrungs- und Bildungsraum versteht und zeigt. Die Relevanz der analog-digitalen Schnittstellen nimmt zu und fordert dazu heraus, Bildung und ihre Landschaften konzeptionell und strukturell weiterzudenken. Das bisherige konventionelle Verständnis von Bildungslandschaften mit seinem an konkrete Orte und lokale Träger gebundenen Netzwerk lässt sich auf diese postdigitale Realität nicht unmittelbar übertragen. Daraus ergibt sich ein Reflexions-, Entwicklungs- und Gestaltungsauftrag – bildungs-, jugend- und kulturpolitisch – für die Trägerlandschaft, bei der gerade die Kulturelle Bildung mit ihren bereits vielfältigen Erfahrungen und Erkenntnissen im Bereich der Digitalität als Vorreiter wirken kann.
Gesamtkonzepte Kultureller Bildung weiterentwickeln.
Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Fachlichkeiten und Zugänge erscheint es weiterhin sinnvoll, kommunale Gesamtkonzepte zur Kulturellen Bildung zu erarbeiten, diese aber als Teil von Bildungslandschaften zu konzipieren. Kommunale Gesamtkonzepte koordinieren ein abgestimmtes und gemeinsames Vorgehen von Politik und Verwaltung in Kultur und Bildung. Darin können gemeinsame Ziele und Strategien verabredet, Programme und Maßnahmen abgestimmt, organisatorische Voraussetzungen in der kommunalen Verwaltung und bei den Trägern geschaffen, Austausch und Vernetzung gesichert sowie Ressourcenvereinbarungen festgelegt werden. Daran beteiligt werden müssen die verschiedenen Fachbereiche (insbesondere Bildung, Kultur, Jugend), die Stellen der Länder, Schulen, Kindertageseinrichtungen und öffentliche/freie Kultureinrichtungen und Vereine sowie weitere Partner aus der Zivilgesellschaft.
Bildungslandschaften - nicht ohne Kooperation, Zivilgesellschaft, Multiprofessionalität und Qualität!
Kommunale Bildungslandschaften folgen, ebenso wie Kulturelle Bildung, spezifischen Leitmotiven und Handlungsprinzipien, um Kooperationen zum Thema Bildung in den kommunalen Strukturen fest zu verankern: Das gelingt nämlich nur durch die Kooperation von Ressorts und Trägern, durch die Zusammenarbeit der öffentlichen Hand mit Zivilgesellschaft sowie von unterschiedlichen Professionen, die gemeinsam die Qualität von Bildungslandschaften sichern.
Grundlagen sind Gelingensbedingungen von Kooperationen wie politische Akzeptanz, Wahrnehmung und Wertschätzung, aber es braucht auch Formate wie Steuerungsgruppen, Arbeitskreise und Fortbildungen sowie Vernetzungsveranstaltungen, Transparenz der Prozesse und Verlässlichkeit. Neben Zeit und Geduld bedarf es außerdem funktionierender Kommunikationsstrukturen. Es ist sinnvoll, ein datenbasiertes Bildungsmanagement aufzubauen und Kulturelle Bildung einzubeziehen, um diese Kooperations-, Koordinations- und Steuerungsaufgaben umsetzen zu können. Es geht darum, eine Haltung zu entwickeln, die kommunales Bildungsmanagement als Daueraufgabe begreift – mit flexiblen Strukturen und neuen Arbeitsweisen, das auf dynamische Entwicklungen, neue Herausforderungen und sich verändernde Rahmenbedingungen angemessen reagieren kann.
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Kooperation und Bildung
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