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Kulturelle Schulentwicklung

Glossar: Kulturelle Schulentwicklung

Teilhabegerechtigkeit, Ästhetisches Lernen, Anerkennungskultur und Schularchitektur sind nur einige Schlüsselbegriffe, die im Kontext kultureller Schulentwicklung häufig fallen. Die Verankerung von Kultureller Bildung in der Schule ist eine Querschnittsaufgabe, die viele Bereiche, Professionen und Themenfelder betrifft.

Das Glossar gibt einen Überblick über die wichtigsten Begriffe und Themen, die im Rahmen von kultureller Schulentwicklung relevant sind. Die Texte ermöglichen eine schnelle Begriffsklärung, beziehen die Themen anschließend auf die Arbeit in Kulturschulen bzw. auf Prozesse kultureller Schulentwicklung und verweisen auf weiterführende Literatur.

Anerkennung und Wertschätzung

Der Mensch ist ein soziales Wesen, was insbesondere heißt, dass er seine Individualität und Persönlichkeit bei aller Autonomie und Selbstbestimmung nur in einem sozialen Kontext entwickeln kann. Dies bedeutet wiederum, dass er nicht nur ein Mitglied und Teil unterschiedlichster sozialer Gruppen ist, sondern dass es auch nicht unwichtig ist, wie die anderen Gruppenmitglieder auf ihn reagieren: Es gibt einen engen Zusammenhang von dem Bild, das der*die Einzelne sich von sich macht, und dem Bild, das andere von ihm*ihr haben und ihm*ihr zurückspiegeln.

In den letzten Jahren hat es sich durchgesetzt, dass solche Prozesse mit dem Begriff der Anerkennung beschrieben werden. Dies ist in der Sozialphilosophie insbesondere durch die Arbeiten von Axel Honneth der Fall. Das Konzept wird aber auch in pädagogischen Kontexten genutzt, die das Ziel einer umfassenden Persönlichkeitsentwicklung verfolgen. Für Persönlichkeitsentwicklung spielt nämlich die Erfahrung von (positiver) Anerkennung eine zentrale Rolle. Eine entsprechende Anerkennungskultur signalisiert den Kindern und Jugendlichen Respekt und Achtung ihrer Lebensumstände und wirkt sich positiv auf ihr Selbstbild, ihre Motivation und ihre Bildungsprozesse aus. Ein sorgsamer Umgang mit Beteiligungswillen und Meinungen der Kinder und Jugendlichen von Seiten der Lehrer*innen und pädagogischen Fachkräfte sind dabei wichtige Voraussetzungen (siehe: Teilhabe und Partizipation).

Das Anliegen ist es, in der Familie, in der Kindertagesstätte, in der Jugendarbeit und in der Schule einen Beitrag dazu leisten, dass die Kinder und Jugendlichen selbstbewusst und souverän ihr Projekt des guten Lebens realisieren können (siehe: Glück, Lebenskunst, Wohlergehen). Neben dem notwendigen Wissen müssen Kindern und Jugendlichen dort Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten vermittelt werden, was etwa durch das Erleben einer Wertschätzung durch andere entstehen kann. In aktuellen Persönlichkeitstheorien wird von der Erfahrung der Selbstwirksamkeit gesprochen, was bedeutet, dass sich ein solches Selbstvertrauen dann einstellt, wenn die Wirksamkeit des eigenen Handelns erlebt werden kann. Anerkennung und Wertschätzung sind also wichtige Prinzipien, wenn es darum geht, das Bildungsziel eines „starken Subjekts“ zu verfolgen. Weitere kulturpädagogische Bildungsprinzipen, wie Stärkenorientierung, Transparenz, Partizpation und Fehlerfreundlichkeit, unterstützen dies. Dies bedeutet, den Blickwinkel zu verändern: nicht zu fragen, was eine Person nicht kann, sondern zu sehen, welche Fähigkeiten und Stärken sie zeigen und wie viel sie wann zu tun oder zu leisten in der Lage ist.

Eine Kulturschule hat genau dies zum Ziel. Im Anschluss an Kant kann dies auch mit dem Begriff der Mündigkeit beschrieben werden, bei dem es zum einen um eine umfassende Entwicklung aller Dimensionen der Persönlichkeit geht, wobei diese Persönlichkeit auch handlungsfähig im sozialen Kontext sein soll. Im Rahmen einer ästhetischen Praxis, so wie sie im Mittelpunkt einer Kulturschule steht, gibt es vielfältige Möglichkeiten, in diesem Sinne den Prozess der Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen (siehe ästhetisches Lernen).

Dementsprechend sollten Schulen, die sich auf den Weg zu einem anderen Lernen machen, auch nach alternativen Formen der Anerkennung von Kompetenzen suchen. In Schulen mit kulturellem Profil wird Anerkennungskultur durch die gezielte Wahl entsprechender Rückmeldeformate noch erweitert, z. B. im Rahmen von Lernportfolios. Eine weitere Möglichkeit des anerkennenden Feedbacks bietet der „Kompetenznachweis Kultur“.

Zum Weiterlesen
Hüther, Gerald: Für eine neue Kultur der Anerkennung. Plädoyer für einen Paradigmenwechsel in der Schule. Vortrag.

Ästhetisches Lernen

Das zentrale Prinzip einer Kulturschule ist das Prinzip des Ästhetischen. Dies ist nicht nur eine Aufgabe für die künstlerischen Fächer, sondern für alle Qualitätsbereiche von Schule. Es ist beim Verständnis des ästhetischen Lernens nützlich, an die Herkunft des Begriffs zu erinnern: Aisthesis bedeutet im Griechischen „sinnliche Erkenntnis”. Es geht also – entgegen einigen neueren Debatten in der Ästhetik, die sich gegen den Erkenntnischarakter von Kunst wehren – in der Tat um Erkenntnis, wobei die Sinne als Quelle von Erkenntnis, gegenüber dem Verstand, rehabilitiert werden. In diesem Sinne hat Alexander Baumgarten in der Mitte des 18. Jahrhunderts „Ästhetik“ als neue philosophische Disziplin begründet. Heute ist es sinnvoll, die von Meike Aissen-Crewett vorgeschlagene Unterscheidung zu nutzen: nämlich aisthetisches und ästhetisches Lernen zu unterscheiden. Denn bspw. in der Spielpädagogik ist natürlich ein gezielter Umgang mit der Sinnlichkeit des Menschen zentral, ohne notwendigerweise die in der Ästhetik – durchaus kontrovers – diskutierten Gestaltungsprinzipien für sich in Anspruch zu nehmen.

Die zentrale Rolle der Sinne verweist zudem auf den in den letzten Jahren zu neuen Ehren gekommenen „Körper“ oder Leib. In der Erziehungswissenschaft ist eine Folge der postmodernen Neuentdeckung des Körpers der Versuch, den Lernbegriff, der bislang stark von der Lernpsychologie dominiert wurde, als genuin pädagogische Kategorie neu zu entdecken. In diesem Kontext ist es v. a. das Lernen mit allen Sinnen, das mimetische, performative oder leibliche Lernen, das gerade in kulturpädagogischen Ansätzen die zentrale Rolle spielt – ohne das Kognitive dabei vernachlässigen zu wollen. Es geht um (ästhetische) Erfahrungen, die durch pädagogische Inszenierungen ermöglicht werden sollen. Dabei kommen Begriffe wie etwa der des Habitus, z. B. im Anschluss an Pierre Bourdieu, ins Spiel, wobei neben den intentionalen Lernprozessen das informelle Lernen en passant eine wichtige Rolle spielt.

Zum Weiterlesen
Aissen-Crewett, Meike (1998): Grundriß der ästhetisch-aisthetischen Erziehung. Potsdam.

Fuchs, Max (2011): Kunst als kulturelle Praxis. Eine Einführung in die Ästhetik und Kunsttheorie für die Praxis. München: Kopaed.

Fuchs, Max (2012): Die Kulturschule. München. S. 125 ff.

Fuchs, Max/Braun, Tom (2018): Kulturelle Unterrichtsentwicklung. München: Kopaed.

Göhlich, Michael/Zirfass, Jörg (2007): Lernen. Ein pädagogischer Grundbegriff. Stuttgart.

Außerunterrichtliche Angebote

Außerunterrichtliche Aktivitäten und Angebote haben an Schulen eine lange Tradition: Arbeitsgemeinschaften, Theateraufführungen, Schülercafés, Sportfeste, Konzerte, Praktika oder Exkursionen waren schon (fast) immer wichtige Bestandteile des Schullebens. Neben dem Fachunterricht als Kern von Schule (formale Bildung) stellen die außerunterrichtlichen Angebote eine zweite wichtige Säule schulischer Arbeit dar (non-formale Bildung).

Umfang und Einbettung außerunterrichtlicher Angebote unterscheiden sich je nach Schulmodell: An offenen und teilgebundenen Ganztagsschulen nehmen die Schüler*innen i. d. R. verbindlich an außerunterrichtlichen Angeboten teil, zu denen sie sich für ein Schul(halb)jahr angemeldet haben. Es gibt aber auch Arbeitsgemeinschaften und Angebote, die im Ganztag häufig freiwillig bleiben. An Halbtagsschulen sowie an offenen Ganztagsschulen werden die außerunterrichtlichen Angebote meist nur von einem Teil der Schülerschaft genutzt, der freilich wechseln kann. An gebundenen Ganztagsschulen dagegen kommen außerunterrichtliche Angebote hinzu, die obligatorisch sind.

Bei außerunterrichtlichen Angeboten handelt es sich – ähnlich dem Fachunterricht – um intentionale Lernsettings, die im Organisationsrahmen einer Schule von Fachkräften konzipiert und durchgeführt werden, z. B. Arbeitsgemeinschaften und Projekttage. Vom Unterricht unterscheiden sich außerunterrichtliche Angebote in der Regel durch folgende Kennzeichen:

  • Sie können nicht nur von Lehrkräften, sondern auch von anderen (in der Regel) pädagogisch geschulten Personen durchgeführt werden.
  • Sie finden häufig im Rahmen von Kooperationen mit außerschulischen Trägern, Einrichtungen oder Einzelpersonen statt.
  • Sie unterliegen im Allgemeinen keinen curricularen Vorgaben.
  • Sie werden häufig auch mit altersgemischten Gruppen durchgeführt.
  • Eine Leistungsbewertung über Noten findet nicht statt.
  • Im Vordergrund stehen die Entwicklung und Förderung von fachübergreifenden Kompetenzen, wie z. B. Teamfähigkeit, Kreativität, Lernen lernen oder Präsentationsfähigkeit, sowie erziehungsergänzende Aspekte, u. a. Wertevermittlung, soziale Integration.

Außerunterrichtliche Angebote bieten Schulen aufgrund dieser Merkmale vielfältige Möglichkeiten zur Etablierung einer ganzheitlichen Lehr- und Lernkultur und spielen deshalb eine wichtige Rolle im Rahmen der kulturellen Schulentwicklung. Mehr noch als im herkömmlichen Unterricht können die Bildungsprinzipien der Kulturellen Bildung wie Interessenorientierung, Partizipation, Stärkenorientierung, Fehlerfreundlichkeit oder Selbstwirksamkeit hier umgesetzt werden. Schulen, die sich auf den Weg machen, ein kulturelles Profil zu entwickeln, können daher gerade ihre außerschulischen Angebote nutzen, um Bildungsprozesse mit Kunst und Kultur nachhaltig zu initiieren. Diese Schulen erweitern in der Regel systematisch ihre künstlerisch-kulturellenAnbebote außerhalb des Unterrichts. Dabei arbeiten sie im Rahmen von Kooperationen eng mit außerschulischen Partnern aus dem Bereich der Kulturellen Bildung zusammen, u. a. Künstler*innen, Kulturpädagog*innen, Trägern und Einrichtungen der Kulturellen Bildung. So wird es auch möglich, einzelne außerunterrichtliche Angebote dauerhaft außerhalb der Schule durchzuführen. Durch die regelmäßige Nutzung von außerschulischen Lernorten gelingt es, den Schüler*innen vielfältige Erfahrungen an unterschiedlichsten Lernorten zu ermöglichen. Durch die Zusammenarbeit von außerschulischen Partnern und Lehrkräften können künstlerisch-kulturelle Ganztagsangebote so angelegt werden, dass sie systematisch mit den innerschulischen Aktivitäten verknüpft werden und sich inhaltlich und konzeptionell auf den Fachunterricht beziehen. Mit den ihnen eigenen kreativen Denkweisen, Werkzeugen und Methoden können die künstlerisch-kulturellen Aktivitäten der außerunterrichtlichen Angebote in den Unterricht hineinwirken und auf diese Weise ein wichtiges Element der kulturellen Schulentwicklung darstellen.

Zum Weiterlesen
Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit NRW“ (Hrsg.) (2013): Kulturelle Bildung im offenen Ganztag – Strukturen, Arbeitsweisen und Gelingensbedingungen im Primarbereich. Werkbuch.05.01. Remscheid

Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit NRW“ (Hrsg.) (2013): Kulturelle Bildung im gebundenen Ganztag – Strukturen, Arbeitsweisen und Gelingensbedingungen in der Sekundarstufe I. Werkbuch.05.02. Remscheid.

Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit NRW“ (Hrsg.) (2014): Lernen mit Kunst und Kultur – Methoden kultureller Bildung im Fachunterricht. Werkbuch.06. Remscheid.

Bildung für nachhaltige Entwicklung

Die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsthemen wie Klima- und Umweltschutz, lebenswerten Städten oder weltweit gerechteren Handelsbedingungen gewinnt immer mehr an Bedeutung, um für künftige Generationen einen lebenswerten Planeten zu erhalten.

Genau diesen Fokus hat die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), der es um Lehr- und Lernformate in formaler und non-formaler Bildung geht, die sich dezidiert mit Nachhaltigkeitsthemen, insbesondere mit den 2016 in Kraft getretenen UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs), beschäftigen und zu einem Bewusstseinswandel beitragen sollen. Bildung für nachhaltige Entwicklung ist ein erklärtes Ziel in Schule. So hat die Kultusministerkonferenz im Juni 2007 zwei grundlegende Initiativen zur Bildung für nachhaltige Entwicklung vorgestellt. „Zum einen hat sie gemeinsam mit der Deutschen UNESCO-Kommission eine Empfehlung zur ‚Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Schule‘ verabschiedet […], deren Ziel es ist, das Verständnis junger Menschen für die komplexen Zusammenhänge zwischen Globalisierung, wirtschaftlicher Entwicklung, Konsum, Umweltbelastungen, Bevölkerungsentwicklung, Gesundheit und sozialen Verhältnissen im Unterricht zu fördern. Zum anderen hat die Kultusministerkonferenz einen gemeinsam mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erarbeiteten umfangreichen ‚Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung‘ vorgestellt, der als Grundlage für die Entwicklung von Lehrplänen genutzt werden kann, konkrete Empfehlungen gibt und Material für den Unterricht anbietet“. Seit 2016 ist eine aktualisierte und überarbeitete Auflage des Orientierungsrahmens für den Lernbereich „Globale Entwicklung“ im Cornelsen-Verlag erschienen.

Dass Nachhaltigkeitsthemen gerade für Jugendliche von äußerster Relevanz sind, zeigen aktuelle Jugendumfragen wie „du EUROPA wir“ von 2017 oder die „Fridays for Future“-Demonstrationen. Jugendliche beschäftigen sich mit ihrer Zukunft und der Zukunft der Welt, in der sie leben, sorgen sich um deren Fortbestand und um ein friedliches Miteinander.

Die Kulturelle Bildung hat zunächst keinen spezifischen Fokus auf bestimmte Themensetzungen. Wenn sich in der Kulturellen Bildung für die Bearbeitung eines Themas entschieden wird, kann dies grundsätzlich eines aus dem Feld sämtlicher Themen sein, für die sich Kinder und Jugendliche interessieren oder die sich auf deren eigene Lebensrealitäten beziehen. Ein Thema kann dabei aus ganz verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden, wobei die Ergebnisoffenheit bzw. die Selbsterfahrungen von großer Bedeutung sind. Gleichwohl bietet sich auch in der Kulturellen Bildung aufgrund der oben benannten Interessenslage von Jugendlichen häufig auch die Beschäftigung mit Nachhaltigkeitsthemen an.

Darüber hinaus haben beide Bildungsansätze – Bildung für nachhaltige Entwicklung und Kulturelle Bildung – weitere Gemeinsamkeiten, die für kulturelle Schulentwicklung impulsgebend und verbindend sind. So möchten beide Selbstwirksamkeit ermöglichen und Gestaltungskompetenzen fördern, für gesellschaftliche Zusammenhänge sensibilisieren sowie das eigene Urteilsvermögen stärken. Über die Kulturelle Bildung und die Künste kann daher also auch ein niedrigschwelliger, motivierender, kreativer und individueller Zugang zu allen Nachhaltigkeitsthemen geschaffen werden. In diesem Sinne können die SDGs in einem ergebnisoffenen künstlerischen Prozess aufgegriffen werden, wobei sich an den Interessen der Beteiligten und an den für sie relevanten Themenfeldern orientiert wird. Beide Bildungsansätze stehen nicht im Widerspruch zueinander und können sich durch gutes „Finetuning“ ergänzen. Gerade im schulischen Kontext kann damit Bildung für nachhaltige Entwicklung um ein komplettes Set an spannenden Zugängen und Ansätzen bereichert werden. Innovative, neue Formate entstehen – für eine intensive, ganzheitliche, selbstgesteuerte und weitreichende Lernerfahrung zu Nachhaltigkeitsthemen und den SDGs.

An Schulen sind solche Ansätze von großer Bedeutung, da Bildung für nachhaltige Entwicklung mittlerweile immer weiter verankert wird und ab 2020 sogar verpflichtend in den Unterricht eingebaut werden muss. 2017 hat die Kultusministerkonferenz zur Situation und zu Perspektiven der Bildung für nachhaltige Entwicklung den Anspruch formuliert, dass bis 2030 alle Lernenden in die Lage versetzt werden sollen, die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung, u. a. durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung, zu erwerben.

Zum Weiterlesen
Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (o. J.): Plattform „Künste bilden Umwelten“.

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (2013): Planungstool „Künste bilden Umwelten“. Potenziale Kultureller Bildung für Zukunftsgestaltung. Remscheid.

Deutscher Bundesjugendring/Werkstatt Mitwirkung (2017): „du EUROPA wir“. Europäische Jugendziele.

Engagement Global gGmbH (o. J.): Plattform Engagement Global.

Engagement Global gGmbH (2016): Orientierungsrahmens für den Lernbereich Globale Entwicklung im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung. Im Auftrag der Kultusministerkonferenz und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Kultusministerkonferenz (2017): Zur Situation und zu Perspektiven der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Bericht der Kultusministerkonferenz vom 17.03.2017.

Kuturagenten für krative Schulen Hamburg (o. J.): Zwischen Eidelstedt und Kampala. Projekt im Rahmen von „Kulturagenten für kreative Schulen Hamburg“.

Bildungslandschaften

Die Entwicklung von sogenannten „lokalen Bildungslandschaften“ ist seit einigen Jahren eines der zentralen Themen im Diskurs um die Verbesserung von Bildungs- und Teilhabechancen. Ähnlich wie „Ganztagsbildung“ bettet sich der Diskurs um Bildungslandschaften seit dem Jahrtausendwechsel in bildungs- und jugendpolitische (Reform-)Bemühungen ein, um dem PISA-Schock und sich verändernden gesellschaftlicher Anforderungen an Bildung zu begegnen. Viele Kommunen sahen zudem im Thema Bildung ein attraktives Zukunftsthema für ihre Region.

Zunächst prägte der 12. Kinder- und Jugendbericht den Begriff „lokale Bildungslandschaften“, der die Zusammenführung der formalen und non-formalen Bildungsangebote innerhalb eines ganzheitlichen kommunalen oder regionalen Handlungskonzeptes meint. Es folgte 2007 die „Aachener Erklärung“ des Deutschen Städtetages, die mehr Handlungsspielraum für kommunale Mitgestaltung von Bildungslandschaften forderte. Mit dem Begriff Bildungslandschaften wird seitdem vieles gefasst und verstanden. I. d. R. handelt es sich um bildungspolitische Ansätze und Strategien , mit denen versucht wird, Bildung im kommunalen Raum durch Kooperationen und in gemeinsamer Verantwortung vieler Institutionen und Akteure, und z. T. auch mit entsprechenden inhaltlichen Zielen und Konzepten, besser zu fördern.

Spätestens seit dem Aachener Kongress des Deutschen Städtetags 2007 haben viele Städte den Anspruch formuliert, Gestalter lokaler Bildungslandschaften zu sein und die Vielfalt und Potenziale der örtlichen Einrichtungen und Akteure in planvollen Handlungsmodellen zu verzahnen. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung hat eine Definition erarbeitet, die sich als Orientierungsrahmen auch innnerhalb der Kulturellen Bildung durchgesetzt hat. Demnach sind lokale Bildungslandschaften langfristig angelegte, professionell gestaltete, auf gemeinsames, planvolles Handeln abzielende, kommunalpolitisch gewollte Netzwerke zum Thema Bildung, die ausgehend von der Perspektive des lernenden Subjekts formale Bildungsorte und informelle Lernwelten umfassen und sich auf einen definierten lokalen Raum beziehen. (Durdel/Bleckmann 2009)

Kulturelle Bildung hat viele Anknüpfungsstellen in Bildungslandschaften: Sie kann in Kindertageseinrichungen und Schulen ebenso wie in Einrichtungen der Jugend- oder Sozialarbeit, in Kultur- und Kunstinstitutionen, in Einrichtungen der politischen und Umweltbildung oder im öffentlichen Raum stattfinden und zu spezifischen Qualitäten von Bildungslandschaften beitragen: Subjektorientierung, Zugangsgestaltung, Kinder- und Jugendgerechtigkeit, Sozialraum- und Lebensweltorieniterung. Sie wird zudem durch verschiedenste Fachkräfte angeboten bzw. unterstützt. Diese unterschiedlichen Akteure gilt es nicht nur zu vernetzen, sondern in einen gemeinsamen Konzeptdiskurs zu bringen, der die Potenziale und Strukturbedingungen der Kulturellen Bildung aktiv einbindet. Bildungslandschaften verzahnen die Ressorts Jugend, Kultur und Schule innerhalb einer Kommune und fügen sie zu einem sinnvollen Gesamtkonzept zusammen. In vielen Städten sind aus dieser Idee heraus auch „Kommunale Gesamtkonzepte für Kulturelle Bildung” entstanden.

Für Schulen auf dem Weg zu einem Kulturprofil bieten lokale Bildunglandschaften wertvolle Möglichkeiten, die eigenen Aktivitäten bestmöglich im lokalen (Bildungs-)raum zu verzahnen. Innerhalb von lokalen Bildungslandschaften bleibt die Zusammenarbeit zwischen Schulen und kultureller Kinder- und Jugendbildung bzw. Kultureinrichtungen nicht punktuell und willkürlich, sondern sichert den Aktivitäten einen festen Platz innerhalb des Bildungsnetzwerkes. Dies ist besonders mit Blick auf die Nachhaltikeit der Angebote sowie die strukturelle Verankerung bzw. Verstetigung innerhalb der Kommune oder Region von großer Bedeutung. Denn die Entwicklung lokaler Bildunslandschaften geht im Idealfall auch mit der Unterstützung und Förderung von Seiten der kommunalen Verwaltung (Schulämter, Kulturämter, Jugendämter) einher. Lokale Bildungslandschaften bieten so die strukturellen und inhaltlichen Voraussetzungen dafür, dass Lernen alle Bildungsangebote innerhalb eines lokalen Raumes zusammenwachsen und interagieren können.

Zum Weiterlesen
Bleckmann, Peter/Durdel, Anja (Hrsg.) (2009): Lokale Bildungslandschaften. Perspektiven für Ganztagsschulen und Kommunen. Wiesbaden.

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (Hrsg.) (2017): Themenheft Kommune. Kommunal. Lokal. Regional - Bildungsbündnisse vor Ort vernetzen und verankern. Berlin.

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (Hrsg.) (2011): Lokale Bildungslandschaften. Magazin Kulturelle Bildung. Nr. 8. Remscheid.

Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (Hrsg.) (2012): Wie geht’s zur Bildungslandschaft? Die wichtigsten Schritte und Tipps. Ein Praxishandbuch. Klett Kallmeyer.

Kelb, Viola (Hrsg.) (2014): Gut vernetzt?! Kulturelle Bildung in lokalen Bildungslandschaften. Schriftenreihe Kulturelle Bildung. Band 38. München: Kopaed.

Demokratiebildung und Erinnerungskultur

Von Stina Freund

Mündig für Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Gerechtigkeit, wirtschaftliche Sicherheit und Frieden einzutreten, ist grundsätzlich übergeordnetes Ziel, denen alle Unterrichtsfächer verpflichtet sind, so die Kultusministerkonferenz. Gerade vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftspolitischer Herausforderungen im Umgang mit Rechts oder der Aufgabe Schüler*innen diverser religiöser, kultureller und/oder sprachlicher Hintergründe dabei zu unterstützen, sie zu selbstbestimmten und selbstwirksamen Mitgliedern unserer Gesellschaft heranwachsen zu lassen, stehen Lehrkräfte ebenso wie Multiplikator*innen aus der non-formalen (kulturellen) Bildungsarbeit vor der Herausforderung, zielgerichtet adäquate Bildungsformate zur Demokratiebildung zu entwickeln und durchzuführen.

Erinnerungskultur ist ein Teilbereich von Demokratiebildung. Im Spannungsfeld verschiedener möglicher Deutungen von Geschichte geht es dabei gleichermaßen um den Erwerb von historischem Bewusstsein, von Wissen, von Empathie, um die Entwicklung einer demokratischen Grundhaltung und die Förderung von Urteilsvermögen und Handlungskompetenz. In diesem Prozess spielen individuelles und gesellschaftliches, kultursensibles und multiperspektivisches sowie reflexives Erinnern eine wichtige Rolle.

Der politischen wie der Kulturellen Bildung ist trotz Unterschiede gemein, dass sie Gespräche zwischen Heranwachsenden und Lehrkräften über Kulturhintergründe und Bedeutungen zugunsten der Persönlichkeitsentwicklung anregen möchten. Die Frage, die sich deshalb immer wieder bei der Nutzung von Formaten Kultureller Bildung – Medien gehören hier selbstverständlich dazu – stellt, ist, wie respekt- und pietätsvoll Sensibilität geweckt und emotionaler Zugang ermöglicht werden können, ohne reißerisch und oberflächlich zu werden. Bildungsprozesse und demokratisches Bewusstsein zu initiieren, Werte und Haltungen zu stärken, wenn Ereignisse „weit“ weg erscheinen, ist komplex und herausfordernd. Ansätze und Methoden der Kulturellen Bildung können in diesem Zusammenhang Impulse liefern, um temporäre, aber auch kulturelle Grenzen in einer (inter)nationalen transkulturellen Gesellschaft durchlässiger werden zu lassen und Erinnerungsarbeit zielgruppenadäquat und nachhaltig wirken zu lassen.

Erinnerungskultur für die Zukunft zu betreiben, ist auch eine der fächer- und schulformenverbindenden Querschnittsaufgaben von Schulen sowie außerschulischen Akteur*innen und Bildungseinrichtungen. Gerade wenn die temporäre Distanz zwischen dem Heute und Früher wächst, das heißt dem historischen Ereignis, den es in Erinnerung zu bewahren gilt, drohen Stimmen der Zeitzeugen leiser zu werden. Dann können ästhetische Projekte, Museen und das Internet einen wichtigen Beitrag gegen das Vergessen leisten. Neben Gedenkstätten, Archiven oder kulturellen Bildungsorten wie Museen, bietet das WorldWideWeb als Wissensspeicher, Raum für Kommunikation und Interaktion, die zum alltäglichen Hier und Jetzt von Kindern und Jugendlichen gehören.

Digitale Medien sind längst etablierte (kreative) Ausdrucksformen von Kindern und Jugendlichen. Für die Querschnittsaufgabe der erinnerungskulturellen Arbeit in Schulen bedeuten digitale Medien, Social Media-Entgrenzung Projekte und Formate in ihrer zeitlichen, räumlichen und sprachlichen wertvolle Potenziale für die nationale sowie internationale (kulturelle) Bildungsarbeit, die es in der synergetischen Verbindung historisch-politischer, medialer, pädagogischer und künstlerisch-kulturpädagogischer Expertise in Kooperation zu verbinden gilt.

Die Herausforderung, die sich für Lehrer*innen und Lernende gleichermaßen stellt, ist, dass die Zeitzeugen zunehmend ableben und als authentische Vermittler*innen nicht mehr zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass auch unter den Lehrkräften immer weniger eine Generation in den Familien erleben durften, die als Zeitzeugen der ersten Generation angehörten. Lehrende stehen damit selbst, wie ihre Schüler*innen vor der Frage nach Strategien einer vitalen Erinnerungspraxis. Regressive gesellschaftspolitische Stimmen machen umso mehr deutlich, dass gemeinsame Werte und Demokratiebildung stets durch Argumentation und Reflexion aktiv gelebt werden müssen.

Wie erhitzt die Debatten um Perspektivenvielfalt und freie Meinungsäußerung auch um nicht verhandelbare demokratische Grenzen sind, wird nicht nur in Politik, Medien, Gesellschaft und in Schule deutlich, sondern auch in der Kunst selbst, wenn Ästhetik immer wieder diskursiv zum Gegenstand von Hinterfragung wird. Trotz aller berechtigter Kritik an medialen Erinnerungsformaten, so sollte der konstruktive Mehrwert in der fachlichen Diskussion nach kritischer Untersuchung überwiegen, denn es müssen empathische Wahrnehmungsräume und Gefühle geweckt werden; Ausdrucks- und Austauschformen, insbesondere auch medialer Art, tragen dabei unverkennbare Potenziale die Selfie-Generation zu sensibilisieren und zu empowern. Schule und Akteure*innen der Kulturellen Bildung können hier anknüpfen und die Neugier der Schüler*innen über ihnen alltägliche Medien für die scheinbar so weit entfernten Erlebnisse Fremder wecken, die, näher betrachtet, emotional gar nicht so fremd erscheinen.

Zum Weiterlesen
Kultusministerkonferenz (o. J.): Demokratiebildung. Website der Kultusministerkonferenz.

Thiemeyer, Thomas/Feldmann, Jackie/Seider, Tanja (Hrsg.) (2018): Erinnerungspraxis zwischen gestern und morgen: Wie wir uns heute an NS-Zeit und Shoah erinnern. Ein deutsch-israelisches Studienprojekt. Tübingen: Tübinger Vereinig. f. Volkskunde.

Ganztag

Unter den zentralen Schlagwörtern, die im Bildungsbereich Konjunktur haben, befindet sich weiterhin und zuletzt mit zunehmender Relevanz der Begriff Ganztag. Dass „Ganztag“ eine solch große Bedeutung hat, begründet sich zum einen darin, dass mit der Entwicklung von Ganztagsschulen (und von Bildungslandschaften) spätestens seit 2002 viele gesellschaftliche und Bildungsziele verbunden wurden und werden. Ganztag sollte vieles lösen: Probleme der Bildungs- und Teilhabegerechtigkeit aufgrund eines hochselektiven Schulsystems, Probleme der Leistungsfähigkeit des Bildungssystems in Bezug auf die Qualifizierung für den Arbeitsmarkt oder auch Vereinbarkeitsprobleme von Familie und Beruf.

In der Öffentlichkeit wie in der Fachdebatte wird der Begriff Ganztag vornehmlich mit Ganztagsschule bzw. mit dem schulischen Angebot am Nachmittag verbunden. Ganztagsbildung aber nimmt in einem weiten Verständns den „ganzen Tag“ in den Blick: Dabei geht Ganztagsbildung in erster Linie nicht von den Institutionen aus, sondern von den Individuen (Schüler*innen) und ihren individuellen Bildungsinteressen und -prozessen, die in formalen, non-formalen und informellen Settings Raum finden. Das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen zu unterstützen, ihnen (Frei-)Räume für Bildung und Entwicklung zu eröffnen, liegt in den Händen vieler Akteure. Diese Idee, der Verbindung unterschiedlicher Erfahrungswelten, ist ein Orientierungsrahmen auch für einen engeren Ganztagsbegriff, d. h. die Konzeption der Ganztagsschule.

Denn: Unterschiedliche Bildungsinstanzen, wie z. B. Familien und Freund*innen, außerschulische Orte der Freizeitgestaltung sowie natürlich Schulen, Kindertagesstätten und Träger des Ganztags teilen sich diese Verantwortung. So vielfältig die Lebenswelten und Interessen von Kindern und Jugendlichen sind, so vielfältig sind auch ihre Bildungsprozesse – umso wichtiger ist es, dass ihnen gemäße Bildungsangebote in großer Vielfalt und unterschiedlicher Form unterbreitet werden – gerade auch dann, wenn sich Kinder und Jugendliche zunehmend länger im schulischen Kontext bewegen. Hier setzt die Kritik an der Fokussierung auf den schulischen Rahmen an, welche vernehmlich die Träger der Jugendarbeit einbringen: die zunehmende Pädagogisierung und Institutionalisierung des Aufwachsens, die sich zudem im Bildungsgeschehen auf Ökonomisierung und Qualifizierung ausrichtet, wird durch die Ganztagsschule verschärft. Kinder und Jugendliche haben immer weniger selbstbestimmte Räume, die sie wiederum in ihrer Selbstbestimmung unterstützen.

Die Investitionen in Ganztagsschulen ermöglichten es gleichwohl, Betreuungs- und Bildungsangebote auszubauen, neue pädagogische Konzepte zu entwickeln, Qualitätsprozesse anzustoßen und Kooperationen von Schulen mit einer Vielzahl an außerschulischen Trägern auf den Weg zu bringen.

Ganztagsbildung folgt konzeptionell und strukturell spezifischen Parametern, die für Ganztagsschulen – mit Kulturprofil – einen wichtigen Planungsrahmen ihrer eigenen Konzepte und Vernetzungsbemühungen bieten.

Kinder- und jugendgerecht sollten Ganztagsschulen sein und damit anregende Lebensorte, in denen sich Kinder und Jugendliche ihren Rechten, individuellen Interessen und Entwicklungsaufgaben nach entsprechend entfalten können, in denen sie aber auch gesellschaftliche Anforderungen und die Mitgestaltung einer Welt von morgen vorbereitet werden. Bildung sollte dabei nicht auf (ökonomische) Verwertbarkeit fokussiert werden, sondern vielmehr „Lebenskunst“ und -kompetenzen erfahrbar machen.

Ein dezentraler Ganztag ist geprägt von einer Vielfalt der Orte und Angebote. Schule ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Akteur und Bildungsort, aber eben nicht der einzige. Sie ist Teil einer vielfältigen Bildungslandschaft. Diese Akteure, Orte und Angebote, zu denen (Ganztags-) Schulen sich vernetzen, z. B. Einrichtungen der Jugendarbeit, der Kulturarbeit, der Sozialarbeit etc., haben ihren eigenständigen Charakter. Schüler*innen sollten diese unterschiedlichen Orte kennenlernen und sie sich selbst erobern.

Kooperative Ganztagsbildung geht davon aus, dass Ganztagsbildung neue und nachhaltige Kooperationskulturen mit Fachkräften und Einrichtungen erfordert. (siehe Kooperation)

Rhythmisierte Ganztagsschulen berücksichtigen, dass jede*r eigene Lernzeiten, eigene Lerntempi, eigene Aufmerksamkeitsspannen, eigene Bedürfnisse hat. (siehe Rhythmisierung)

Schulen mit Kulturprofil sind i. d. R. Ganztagsschulen und nutzen die damit verbundenen Möglichkeiten, für ihr Profil das Angebotsspektrum zu erweitern und konzeptionelle Impulse zu erhalten. Sie integrieren Kulturelle Bildung in alle Bereichen der Ganztagsschule: Über den künstlerischen Fachunterricht und den Wahlpflichtbereich hinaus zeigt ein Blick auf die Einbindung und Rolle der Kulturellen Bildung an Schulen, dass es eine lange Tradition außerunterrichtlicher Angebote gibt – vom klassischen Schulchor oder Schulorchester bis hin zu Arbeitsgemeinschaften im Bereich Theater, Tanz oder auch Literatur.

Laut der Schulleitungsbefragung 2014/2015 der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (vgl. StEG-Konsortium 2015) unterbreiten 93 Prozent der Ganztagsgrundschulen, 97 Prozent der Ganztagsgymnasien und 90 Prozent aller anderen Ganztagsschulen der Sekundarstufe I „musisch-künstlerische“ Angebote (StEG-Konsortium 2015: 77). Damit sind sie praktisch an allen Ganztagsschulen vorhanden.

Zu diesen Angeboten Kultureller Bildung gehörten (2009), je nach Schulform und Klassenstufe unterschiedlich stark ausgeprägt (Spektrum in Klammern):

  • Computer/Video/Medien mit – (30 bis 40 Prozent)
  • (Gesellschafts-) Spiele (13 bis 38 Prozent)
  • Musik (Instrument, Band, Chor) (18 bis 25 Prozent)
  • Basteln/Werken/Handwerken (11 bis 36 Prozent)
  • Kultur/Tanz/Theater (15 bis 20 Prozent)

Diese Zahlen zeigen sich über die letzten Jahre hinweg relativ stabil.

Summiert man dabei die drei im Engeren musisch-künstlerischen Kategorien, d. h. die musikalische, die bild-künstlerische und die darstellende (Teilnahme an einem der Angebote Musik, Basteln/Werken, Tanz/Theater), so besuchen in der 5. Klasse 43 bis 49 Prozent, in der 7. Klasse 35 bis 38 Prozent und in der 9. Klasse etwa 25 bis 27 Prozent der Ganztagsschüler*innen regelmäßig ein musisch-künstlerisches Angebot. Sichtbar wird dabei die aktuell noch deutliche gymnasiale Orientierung von Kultureller Bildung.

Alle Angebote im Unterricht oder im außerunterrichtlichen Bereich können sowohl von der Schule allein als auch in Kooperation mit außerschulischen Partnern realisiert bzw. von diesen Expert*innen unterstützt werden.

Zum Weiterlesen
Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit NRW“ (Hrsg.) (2013): Kulturelle Bildung im offenen Ganztag - Strukturen, Arbeitsweisen und Gelingensbedingungen im Primarbereich. Werkbuch.05.01. Remscheid.

Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit NRW“ (Hrsg.) (2013) : Kulturelle Bildung im gebundenen Ganztag - Strukturen, Arbeitsweisen und Gelingensbedingungen in der Sekundarstufe I. Werkbuch 05.01. Remscheid.

Braun, Tom/Hübner, Kerstin (Hrsg.) (2019): Perspektive Ganztag?! Ganztägige Bildung mit Kultureller Bildung kinder- und jugendgerecht gestalten. München: Kopaed.

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (2018): Zukunft Ganztag? Bildung kinder- und jugendgerecht gestalten. Stellungnahme der Fachorganisationen kultureller Kinder- und Jugendbildung.

StEG-Konsortium (Hrsg.) (2015): Ganztagsschule 2014/2015. Deskriptive Befunde einer bundesweiten Befragung.

Züchner, Ivo (2014): Kulturelle Bildung in der Ganztagsschule. Empirische Ergebnisse der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG). In: Wissensplattform Kulturelle Bildung Online.

Züchner, Ivo (2019): Ganztagsschule und kulturelle Jugendbildung. Zur Bedeutung Kultureller Bildung für jugendgerechte Ganztagsschulen. In: Braun, Tom/Hübner, Kerstin (Hrsg.): Perspektive Ganztag?! Ganztägige Bildung mit Kultureller Bildung kinder- und jugendgerecht gestalten. München: Kopaed. S. 145–153.

Glück, Lebenskunst, Wohlergehen („Well-Being“)

Die drei in der Überschrift genannten Begriffe haben gemeinsam, dass sie die Qualität des individuellen Lebens charakterisieren. Sie stammen aus unterschiedlichen Kontexten und werden zurzeit in verschiedenen Arbeitsfeldern verwendet.

„Glück“ ist der traditionsreichste der Begriffe. Seine Diskussion lässt sich bis in die Frühzeit der systematischen Philosophie zurückverfolgen und steht in den Ethiken der großen griechischen Philosophen, v. a. in der Nikomachischen Ethik des Aristoteles, im Mittelpunkt. Dieser historische Hinweis ist deshalb wichtig, weil er zeigt, dass Philosophie als Selbstreflexion des Menschen letztlich immer dessen existentielle Lage („Was kann ich wissen? Was soll ich tun?“ etc.) als zentrales Problem erfasst. Es geht um die nach wie vor wichtige, vielleicht sogar zentrale Frage nach „dem guten Leben in einer wohlgeordneten Gesellschaft“. Wichtig ist die genaue Formulierung dieser Fragestellung, weil es weder um den*die isolierte*n Einzelne*n noch allein um abstrakte Strukturen, die den*die Einzelne*n ignorieren, geht, sondern um eine Zusammenführung der individuumsbezogenen und gesellschaftlichen Perspektive. Diese respektiert, dass jede*r sein*ihr Leben selbst führen muss, dass dies aber nur unter bestimmten Rahmenbedingungen gelingen kann und sich Individualität nur im sozialen Kontext herausbildet.

„Lebenskunst“ wurde – von esoterischen Verwendungsweisen abgesehen – erlangte mit dem (Spät-)Werk von Michel Foucault mit seinen starken Bezügen zu Friedrich Nietzsche Prominenz. Es geht um eine Wiederaufnahme des traditionellen Themas der griechischen Philosophie, um die „Sorge um sich“ und um Wege, wie diese Sorge ganz konkret realisiert werden kann.

Das „Wohlergehen“ (Well-Being) ist zurzeit vor allem im Kontext der Jugend- und Sozialarbeit ein Thema. Auch hier lassen sich Traditionen identifizieren, die etwa mit der Thematisierung der Lebensqualität in den 1970er Jahren, z. B. durch Willy Brandt, einen ersten Höhepunkt haben. Dahinter steckte eine manifeste Krise des westlichen Modernisierungspfades („Grenzen des Wachstums“, Club of Rome), die dazu führte, dass eine rein quantitative Betrachtung individueller Lebensqualität (Lebensstandard als Bruttosozialprodukt pro Kopf) zur Erfassung von Lebenszufriedenheit nicht mehr als hinreichend angesehen wurde. Die heutige Konjunktur von „Wohlergehen“ erhielt starke Impulse etwa durch den 13. Kinder- und Jugendbericht des Bundes (KJB) mit seinem Schwerpunkt Gesundheit (Leitung: Heiner Keupp). Seither ringt man darum, die Gesundheitsdefinition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) – Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit – präziser zu fassen, u. a. zu definieren, was dieses „Mehr“ ist, das Gesundheit von der Abwesenheit von Krankheit bestimmt. Zu diesem Diskurs-Kontext gehört die seit den 1990er Jahren mit dem ersten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung und dem 10. Kinder- und Jugendbericht des Bundes erneut auf die Tagesordnung gesetzte Debatte über Kinderarmut. Allerdings zeigen aktuelle Verwendungsweisen des Wohlergehenskonzeptes, dass man ähnliche Probleme wie bei der WHO-Definition von Gesundheit hat. Das „Wohlergehen“ wird nämlich in jugendpolitischen Kontexten häufig bloß als Beseitigung von Ursachen individuellen Leidens (Armut, Gewalt etc.) definiert, sodass sich die Frage stellt, ob Wohlergehen nicht ebenfalls mehr ist als die Abwesenheit einschränkender Rahmenbedingungen.

Es fließen also philosophische, v. a. moral-philosophische und ethische, psychologische, sozialwissenschaftliche und sozialpolitische Argumentationen in dieser Debatte zusammen. Pädagogisch relevant werden diese Debatten dort, wo sie sich mit der normativen Frage des Entwicklungszieles von Pädagogik und mit Kriterien und Gelingensbedingungen des Aufwachsens befassen. Eine Sensibilisierung für anthropologische Grundlagen der Pädagogik (etwa durch die „Schwache Anthropologie“ von Amartya Sen und Martha Nussbaum und dem darauf aufbauenden Capability-Ansatz) gehört zu dieser Sensibilisierung dazu oder ist zumindest hilfreich bei der Klärung der normativen Grundlagen. Dies zeigt sich etwa daran, dass Amartya Sen an der Entwicklung des Human Development Indexes (HDI) der United Nation Development Organisation (UNDP) mitgewirkt hat, der in seinem Verständnis von Lebensqualität neben ökonomischen Indikatoren auch kulturelle und gesundheitliche Aspekte mit einbezieht. Hilfreich sind auch Konzepte, wie sie von Heiner Keupp und Mitarbeiter*innen im genannten 13. Kinder- und Jugendbericht genutzt werden: die Salutogenese von Antonowski oder das Konzept der 5 C der „Positiven Jugendentwicklung“ (Charakter, Vertrauen, Bindung, Fürsorge/Mitgefühl, Kompetenz).

Für den schulischen Bereich (und ebenso für außerschulische Lernorte) formulierten die Expert*innen des Zentrums für eigenständige Jugendpolitik (2013) folgende Dimensionen, die wichtige Elemente des subjektiven Wohlbefindens von Jugendlichen beschreiben:

  • subjektive Zuversicht und sichere Zukunftsperspektiven,
  • Erfahrungen, die Selbstwirksamkeit ermöglichen,
  • Qualität von Beziehungen,
  • freie Räume und frei verfügbare Zeit,
  • Wahlmöglichkeit und Entscheidungsfähigkeit,
  • faire Zugänge zu Lern- und Bildungsorten.

Für die kulturelle Bildungsarbeit und speziell für die kulturelle Schulentwicklung sind die genannten Debatten ausgesprochen anschlussfähig. Der Capability-Ansatz wurde bereits in den frühen 1990er Jahren von der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung genutzt und das Thema Lebenskunst wurde – freilich zunächst ohne Bezug auf Foucault – als explorativer Zugang zur Bildungsfrage seit Mitte der 1990er Jahre sowohl in der praktischen Arbeit als auch in den Versuchen einer theoretischen Grundlegung der Kulturpädagogik ausgelotet. Durch eine Orientierung der Schulentwicklungsprozesse an den kulturpädagogischen Bildungsprinzipien oder mittels der Expertise von außerschulischen Fachkräften Kultureller Bildung durch Kooperationen können die sechs Dimensionen subjektiven Wohlbefindens umgesetzt werden.

Auch die Aktivitäten von Kulturschulen und eine entsprechende kulturelle Schulentwicklung schließen an diese konzeptionellen Grundlagenarbeiten an: Es geht um ein gehaltvolles Konzept von Bildung als Lebenskunst, zu dem auch und gerade die Schule einen Beitrag leisten muss. Dazu zählen auch Selbstwirksamkeitserfahrungen und Freiräume, Beziehungsgestaltung und Zugänge, die besondere Qualitäten Kultureller Bildung darstellen. Dies kann v. a. durch die systematische Einbeziehung Kultureller Bildung in alle Schulbereiche gelingen. Von der Formulierung eines Leitbildes „Kulturschule“ über die Präzisierung des dazu notwendigen Umsetzungsverfahrens („Prinzip Ästhetik“ als Basis) bis hin zu Fragen einer (neuen) Professionalität der Lehrkräfte lassen sich Orientierungen in den Grundlagenarbeiten der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung zur Lebenskunst finden, die sich wiederum durch die hier angesprochenen Entwicklungen präzisieren und konkretisieren lassen. Unterstützt wird diese Ausrichtung durch eine Erziehungswissenschaft, die den Anspruch auf Glück auch und gerade für die Schule proklamiert (Burow 2010).

Zum Weiterlesen
Burow, Olaf-Axel (2010): Positive Pädagogik: Sieben Wege zu Lernfreude und Schulglück. Weinheim und Basel: Beltz.

Fuchs, Max/Taube, Gerd/Braun, Tom (2017): Handbuch Das starke Subjekt. Schlüsselbegriffe in Theorie und Praxis. Schriftenreihe Kulturelle Bildung. Vol. 50. München: kopaed.

Geschäftsstelle „Zentrum für die Entwicklung einer Eigenständigen Jugendpolitik und den Aufbau einer Allianz für Jugend“/AGJ (Hrsg.) (2013): Das Wohlbefinden Jugendlicher in Schule und außerschulischen Lern- und Bildungsorten. Empfehlungen der Expertinnen- und Expertengruppe des Zentrums Eigenständige Jugendpolitik.

Inklusion

Inklusion bedeutet, an allen gesellschaftlichen Orten Voraussetzungen zu schaffen, die jeden Menschen von Anfang an und unabhängig von individuellen Fähigkeiten, ethnischer wie sozialer Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Alter willkommen heißen. Dies beinhaltet, dass jeder Mensch die Möglichkeit erhält, sich vollständig und gleichberechtigt an allen gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen (vgl. www.aktion-mensch.de). Inklusion bedeutet eine konsequente Orientierung auf Vielfalt (Diversity) als menschlichen Normalfall in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens.

Für die pädagogische Praxis ist mit Inklusion daher die Erweiterung der auf die Lernleistungen des Individuums fokussierten Perspektive hin zu einer systemischen Einbettung und Reflexion des individuellen Bildungsprozesses verbunden.

„Anerkennung von Individualität in der Gemeinsamkeit“ (GEW 2003: 20) lautet die Orientierung der Inklusionspädagogik. Damit sind weitreichende Folgen sowohl für die professionelle Organisation von Bildungsprozessen als auch für die der Bildungsinstitutionen selbst verbunden. Denn wer Individualität und Gemeinsamkeit zugleich ermöglichen will, kommt nicht umhin eine grundlegende Debatte um die Definition von Normalität bzw. den Umgang mit Unterschiedlichkeit zu führen (zum Begriff Inklusion: Boban/Hinz 2004, nach Burow 2011: 208). Dies stellt besonders die Schule als auf Vergleichbarkeit und Bewertbarkeit ausgerichteter Lern- und Bildungsort vor Herausforderungen.

Die UNESCO skizziert für Bildung aus Perspektive der Inklusion einen bildungspolitischen Wirkungszusammenhang. Er mündet in dem intrinsisch motivierten Einsatz der Zivilgesellschaft, d. h. ihrer Einrichtungen und Individuen, für die fortlaufende Förderung von Inklusion. Dies bedarf zum einen rechtlicher und infrastruktureller Voraussetzungen. Zum anderen ist die Sicherung und Ausgestaltung dieser Voraussetzungen gleichermaßen auf die aktive Teilhabe aller angewiesen. (DUK 2009: 15)

Für den schulischen Bereich ist besonders auf die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung (2006) hinzuweisen. Alle Vertragsstaaten sind aufgefordert, erhebliche Anstrengungen im Schulbereich zu unternehmen. Die Bundesländer sind demnach verpflichtet, ihre Schulgesetze anzupassen und Voraussetzungen für den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne besonderen Förderbedarf zu schaffen (vgl. www.aktion-mensch.de) (siehe Subjektorietierung und individuelle Förderung).

Die Individualität und die Unterschiedlichkeit der Kinder und Jugendlichen sollte die Grundlage des kulturellen Schulentwicklungsprozesses bilden. Die Vielfalt der Persönlichkeiten ist nicht nur eine Bereicherung der kulturellen Bildungsarbeit, sondern vielmehr Voraussetzung für Dialog und Begegnung sowie gemeinsame Aushandlungsprozesse im Rahmen der Schulentwicklung. Dazu braucht es eine Kultur der Offenheit und Wertschätzung sowie die Fähigkeit, unterschiedliche Perspektiven nachvollziehen und sich auf sie einlassen zu können (siehe Teilhabe und Partizipation).

Kulturelle Schulentwicklung (siehe Kulturelle Schulentwicklung) kann in diesem Sinne zu mehr Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe beitragen. Mit ihr kann eine Schule dem Auftrag der UN-Kinderrechtskonvention gegenüber den einzelnen Schüler*innen sowie der Gesellschaft gerecht werden. Denn: Individuelle Sichtweisen auf die Welt sowie das Spiel mit der Vielfalt persönlicher Arten und Weisen, sich mitzuteilen, sind unverzichtbare Grundlagen aller künstlerischen Prozesse. Die Anerkennung von Diversität ist ein grundlegendes Prinzip Kultureller Bildung – ebenso wie die Erfüllung des Auftrags, inklusiv zu wirken. Die kulturpädagogischen Methoden bzw. der „andere” Blick auf die Stärken von Kindern und Jugendlichen unterstützen dabei (siehe Kompetenznachweis Kultur). Es liegt deshalb nahe, die Verbindung von Kultureller Bildung und Schule auf ihr Potenzial für einen wertschätzenden Umgang mit Vielfalt (Diversität) und individueller Förderung in Schulen zu beleuchten. Schulen mit einem künstlerisch-kulturellen Profil stehen vor der Chance und der Herausforderung, die Anerkennung und Wertschätzung der individuellen Sichtweisen, Bedürfnisse und Handlungsmöglichkeiten ihrer Schüler*nnen als Grundlage ihrer Profilentwicklung zu nehmen. Eine Kulturschule sollte im Sinne der Kulturellen Bildung daher immer eine vom Gedanken der Inklusion geleitete Schule sein.

Zum Weiterlesen
Boban, Ines/Hinz, Andreas (2003): Index für Inklusion. Lernen und Teilhabe in Schule der Vielfalt entwickeln. [Zugriff: 30.11.2019].

Boban, Ines/Hinz, Andreas (2004): Qualität des Gemeinsamen Unterrichts (weiter-) entwickeln – Inklusion. Deutsches Down-Syndrom InfoCenter (2004): „Leben mit Down-Syndrom”. Zeitschrift. Ausgabe Nr. 45.

Braun, Tom (2012): Inklusion als systematischer Ansatz einer kulturellen Schulentwicklung. In: Stutz, Ulrike (2012): Kunstpädagogik im Kontext von Ganztagsbildung und Sozialraumorientierung. München: kopaed-Verlag.

Burow, Olaf-Axel (2011): Positive Pädagogik. Weinheim: Beltz.

Deutsche UNESCO-Kommission (DUK) (2010): UNESCO-Weltbericht Bildung für Alle. Ausgeschlossene einbinden. Bonn.

Deutsche UNESCO-Kommission (DUK) (2009): Inklusion: Leitlinien für die Bildungspolitik. Bonn.

Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) (2003): Gemeinsamen Unterricht entwickeln. Beschluss des GEW- Hauptvorstandes vom 28. Februar 2003. Frankfurt am Main.

Sliwka, Anne/Klopsch, Britta (2011): Neue Schulkultur(en) entwickeln. Diversität, Lernen und Teilhabe in einer guten Schule. In: Braun, Tom (Hrsg.) (2011): Lebenskunst lernen in der Schule. Mehr Chancen durch Kulturelle Schulentwicklung- München: Kopaed-Verlag. S. 285–300.

World Conference on Education for All. Meeting Basic Learning Needs (1990): World Declaration for All and Framework for Action to Meet Basic Learning Needs. New York: Inter-Agency Commission for the World Conference of Education for All.

Jugendarbeit

Einrichtungen und Angebote der Kinder- und Jugendarbeit übernehmen eine bedeutsame Rolle bei der Gestaltung des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen. Neben Schule, Beruf, Familie, Peergruppen und Medien ist die Jugendarbeit ein eigenständiges Bildungs- und Sozialisationsfeld. Die Trägerstrukturen übernehmen spezifische pädagogische Aufgaben. Grundlage bilden die Zieldimensionen, wie sie im §11 des SGB VIII, dem Kinder- und Jugendhilfegesetz, beschrieben sind: die persönliche und soziale Entwicklung junger Menschen zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu fördern

Auf Basis von spezifischen Bildungsprinzipien wie Freiwilligkeit der Teilnahme sowie Lebenswelt- und Interessenorientierung (siehe auch „kulturpädagogische Bildungsprinzipien”) geht es um kulturelle, soziale, politische und inklusive Bildung, um die Schaffung einer Anerkennungskultur und repressionsarmer Lernsituationen, in denen Kinder und Jugendliche – ohne Selektionsdruck – experimentieren und auch Fehler machen können. Im Mittelpunkt stehen Partizipation und Selbstorganisation der Kinder und Jugendlichen.

Die pädagogische Arbeit in den Jugendfreizeiteinrichtungen und Jugendverbänden ist in erster Linie auf die sozialen und emotionalen Dimensionen der Persönlichkeitsentwicklung gerichtet. Jugendarbeit stellt Begegnungs- und Experimentierfelder bereit, die den Erwerb lebenspraktischen Wissens und von Fertigkeiten sowie Schlüsselkompetenzen wie soziale Sensibilität und Ich-Stärkung, und Diversitätskompetenzen ermöglichen. Bildung in der Jugendhilfe steht für den Erwerb von Lebenskompetenzen. Ziel ist es, die Kinder und Jugendlichen stark zu machen für ein befriedigendes und selbstbestimmtes Leben, ihre Fähigkeit zur Entfaltung von Identität und ihre Beteiligungskompetenz zu stärken.

Jugendarbeit beininhaltet eine spezifische pädagogische Professionalität, deren Ziel Selbstbildung, Emanzipation und Mündigkeit von Kindern und Jugendlichen ist. Das spezifische pädagogische Profil der ehren- und hauptberuflichen Fachkräfte erfordert ein breites pädagogisches Methodenrepertoire, Zielgruppenkenntnisse, Erfahrungen mit Prozessen der Benachteiligung und des Ausschlusses sowie Kompetenzen in den Inhalten der Arbeit.

Inhaltlich beziehen sich die Angebote entsprechend des Kinder- und Jugendhilfegesetzes auf die Bereiche Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, Kultur und Medien, Spiel und Sport. Methodisch wird ein breites Spektrum von offenen Formen bis zu verbindlichen Kursen angeboten. Immer wird ein konstruktiv spielerischer, forschender und experimenteller Zugang zu den Themen ermöglicht. Alle Angebote werden in der Regel in kleinen Gruppen realisiert. Projekte und Einrichtungen der Jugendarbeit sind Orte der weitgehenden Selbstgestaltung und der Selbststeuerung, in denen z. T. auf andere Art und Weise erfahren, gelernt und erprobt/angewendet wird als in formalen Bildungssettings.

Die Prinzipien und Ansätze der Jugendarbeit sind in hohem Maße kompatibel mit den Zielen kultureller Schulentwicklung. Deshalb empfiehlt es sich, Träger und Einrichtungen der Jugendarbeit systematisch in den Schulentwicklungsprozess miteinzubeziehen. Die im Kontext von Ganztagsschulen häufig etablierten Kooperationsmodelle können hier eine wertvolle Grundlage bieten. Verbindlich geregelte Kooperationen von Einrichtungen der Jugendhilfe mit Kulturschulen dienen Zielsetzungen wie der Etablierung einer Anerkennungs- und veränderten Lernkultur, der Angebotserweiterung und Qualitätsentwicklung im Schulalltag sowie der Schaffung von Freiräumen für mehr Partizipation und Persönlichkeitsbildung mit Kultureller Bildung. Kulturelle Schulentwicklung sollte strukturpolitisch deshalb immer im Querschnitt der relevanten Bereiche Jugend(arbeit), Kultur und Schule verortet und umgesetzt werden.

Zum Weiterlesen
Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit NRW“ (Hrsg.) (2016): Kulturelle Bildung in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit – Impulse für Profilbildung, Kooperationen und Projektentwicklung. Werkbuch.07. Remscheid.

Braun, Tom/Hübner, Kerstin (2019): Perspektive Ganztag?! Ganztägige Bildung mit Kultureller Bildung kinder- und jugendgerecht gestalten. Schriftenreihe Kulturelle Bildung. Vol. 65. München: kopaed.

Deutscher Bundestag (2017): 15. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland.

Kommunale Gesamtkonzepte für Kulturelle Bildung

„Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf.” Zwei zentrale Aussagen lassen sich aus dem Sprichwort ableiten: 1. (Kulturelle) Bildung auf Schule zu reduzieren, wird dem Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen nicht gerecht. 2. (Kulturelle) Bildung findet vornehmlich vor Ort statt und lokale Akteure übernehmen dafür gemeinsam Verantwortung. Dieser Idee folgen Bildungslandschaften, an denen Kulturelle Bildung partizipiert, die aber natürlich eine Vielfalt von Bildungsthemen und –zielen berücksichtigen. Weil es zum Thema „Kulturelle Bildung” spezifischer Konzepte und Vernetzungsstrukturen bedarf, haben sich auch Kommunale Gesamtkonzepte für Kulturelle Bildung – eigenständig oder als Teil von Bildungslandschaften – etabliert.

Herausragende Gesamtkonzepte entwickelten sich zunächst in München und Hamburg, weitere Städte folgten diesen Beispielen. Grundlegend ist die Überzeugung, dass Kooperation und Kommunikation der Akteure vor Ort wichtige Grundlagen sind, um das Handlungsfeld erfolgreich zu gestalten und zur Stärkung der Kulturellen Bildung beizutragen. Zur nachhaltigen Förderung Kultureller Bildung ist die Schaffung von Strukturen eine wichtige Voraussetzung zur Unterstützung der Zusammenarbeit aller Akteure der Kulturellen Bildung. Kommunale Gesamtkonzepte unterstützen die Zusammenarbeit im Arbeitsfeld der Kulturellen Bildung „vor Ort”. Schulen und Kindertageseinrichtungen, Kultur- und Bildungseinrichtungen in öffentlicher oder freier Trägerschaft, Künstler*innen und Kulturpädagog*innen werden vernetzt, die Zusammenarbeit von Schul-, Jugend- und v. a. auch dem Kulturressorts intensiviert. Die 2007 von der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen ins Leben gerufene Landesoffensive „Kommunale Gesamtkonzepte für kulturelle Bildung“ hat mit ihrem Förderwettbewerb bspw. die Bildung von Gesamtkonzepten in diesem Bundesland maßgeblich befördert und qualifiziert. Kommunen, die planvoll an der Qualität der kulturellen Bildungsprozesse arbeiten, werden mit einem Preisgeld ausgezeichnet, das für die Umsetzung von Vorhaben und Maßnahmen zur Profilierung und Weiterentwicklung des kommunalen Konzepts einzusetzen ist.

Die Vernetzung von außerschulischen Angeobten der Kulturellen Bildung mit Schulen spielt in den kommunalen Gesamtkonzepten für Kulturelle Bildung eine wichtige Rolle. In Bezug auf Kooperationen und die Öffnung der Schule in den Sozialraum wirken sich die kommunalen Gesamtkonzepte dementsprechend begünstigend auf die kulturelle Schulentwicklung einzelner Schulen aus. Die im Rahmen der Gesamtkonzepte oftmals innerhalb der Kommunalverwaltung eingerichteten Koordinations- und Vernetzungssellen können für Schulen auf der Suche nach geeigneten Bildungspartnern eine wichtige Schnittstelle darstellen. Auch der Kontakt und der fachliche Austausch zu anderen Schulen wird im Rahmen von kommunalen Gesamtkonzepten häufig erleichtert bzw. befördert (z. B. durch „runde Tische”).

Zum Weiterlesen
Arbeitsstelle Kulturelle Bildung NRW (o. J.): Beispiele Kommunale Gesamtkonzepte. Website.

Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit NRW“ (Hrsg.) (2012): Vom Pilotprojekt zur nachhaltigen Struktur. Kulturelle Bildung in kommunalen und regionalen Bildungsnetzwerken. Werkbuch 04. Remscheid.

Berliner Denkwerkstatt Kulturelle Bildung (2014): Positionen zur Weiterentwicklung des Berliner Rahmenkonzepts Kulturelle Bildung. Im Auftrag der der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft und der Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten Berlin.

Freie und Hansestadt Hamburg Kulturbehörde (Hrsg.) (2004): Rahmenkonzept Kinder- und Jugendkulturarbeit in Hamburg.

Keuchel, Susanne/Hill, Anja (2012): Quo Vadis? Empirische Analyse von Kommunalen Gesamtkonzepten zur Kulturellen Bildung. Evaluation im Auftrag der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung.

Landeshauptstadt München Kulturreferat (Hrsg.) (2019): Konzeption Kulturelle Bildung für München. Fortschreibung 2019.

Stadt Dortmund Kulturbüro, Kontaktstelle Kulturelle Bildung (Hrsg.) (2016): 10 Jahre Kommunales Gesamtkonzept: Kulturelle Bildung in Dortmund. Bilanz und Perspektiven. Dortmund.

Kompetenznachweis Kultur

Der Kompetenznachweis Kultur ist ein Bildungspass. Er wird an Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 12 und 27 Jahren vergeben, die aktiv an künstlerischen und kulturpädagogischen Angeboten teilnehmen. Er ist ein Nachweis darüber, welche individuellen personalen, sozialen, methodischen und künstlerischen Kompetenzen sie dabei gezeigt und weiterentwickelt haben – unter dem Motto: „Stärken sichtbar machen”.

Der Kompetenznachweis Kultur wird mit den Jugendlichen gemeinsam entwickelt. Zwischen den Anleitenden, also den Künstler*innnen und Kulturpädagog*innen, sowie den Jugendlichen entsteht ein zeitlich begrenzter, intensiver Austausch über die individuellen Stärken, über Lernerfahrungen und Wirkungen des eigenen künstlerischen Tuns. Indem die Jugendlichen sich ihrer Fähigkeiten und Stärken bewusst werden und lernen, diese zu formulieren, stärkt der gesamte Prozess ihr Selbstbewusstsein.

Damit bietet der Kompetenznachweis Kultur Anerkennung und individuelle Förderung. Die bisherigen Erfahrungen dokumentieren, dass die erhöhte Aufmerksamkeit für die individuellen Stärken und Kompetenzen und die beobachtende und reflektierende Auseinandersetzung darüber die Jugendlichen individuell fördert.

Die Fachkräfte, die den Kompetenznachweis Kultur in ihrer Arbeit mit den Jugendlichen anwenden, gewinnen Sicherheit über die Wirkung ihrer Arbeit. Die fachliche Diskussion über die Bildungswirkungen der eigenen Arbeit stärkt die Einsicht der Fachkräfte, einen wichtigen Beitrag zur Bildung der Jugendlichen zu leisten. Den Jugendlichen ihre Fähigkeiten und ihr Engagement „offiziell“ bestätigen zu können, ist motivierend für die Fachkräfte. Darüber hinaus belegt der Kompetenznachweis Kultur die positiven Wirkungen kultureller Bildungsarbeit. Er bietet Einrichtungen und Vereinen eine gute Möglichkeit, ihre Bildungsleistungen zu präsentieren. So gesehen stellt der Kompetenznachweis Kultur auch eine Antwort auf aktuelle bildungspolitische Herausforderungen dar.

In schulischen Projekten kann der Kompetenznachweis Kultur durch die kulturpädagogischen Fachkräfte des Kooperationspartners vergeben werden. Aber auch für Lehrer*innen ist es möglich, sich als Berater*in für den Kompetenznachweis Kultur weiterbilden zu lassen und diesen selbst zu vergeben. Mittlerweile gibt es Schulen, die zugunsten des dialogischen Prozesses rund um den Kompetenznachweis Kultur auf eine Benotung in Teilen des Schulalltags verzichten wollen. V. a. der Wunsch nach individueller Förderung der Schüler*innen ist hier Motor, neue Wege der Lernreflexion zu erproben. Individuell zu fördern bedeutet auch, die unterschiedlichen Interessen und Fähigkeiten wahrzunehmen und entsprechend vielfältige Settings des Lernens bereitzustellen. Die vier Schritte des dialogischen Verfahrens von der Praxisanalyse über Beobachtung und Dialog bis hin zur Beschreibung liefern den notwendigen systematischen und praxisorientierten Rahmen hierfür. Voraussetzung für eine gelingende Nutzung des Kompetenznachweises Kultur in der Schule ist die Bereitschaft zum genauen Blick auf den einzelnen Jugendlichen, eine Vielfalt von kulturpädagogischen/künstlerischen Lern- und Lehrformen zuzulassen, die die Jugendlichen unterschiedlich ansprechen und fordern.

Im Rahmen kultureller Schulentwicklung kann der Kompetenznachweis Kultur ein wertvolles Instrument darstellen, um mehr Kompetenzorientierung im Unterricht und im außerschulischen Bereich umszusetzen und insgesamt eine Kultur der Anerkennung zu befördern. Er kann dabei helfen, jenseits von Bewertungen durch Schulnoten den Blick für Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung zu schärfen und damit Kultureller Bildung an Schulen zu mehr Stellenwert und Akzeptanz zu verhelfen.

Zum Weiterlesen
Kompetenznachweis Kultur (o. J.): Website. www.kompetenznachweiskultur.de

Schorn, Brigitte/Timmerberg, Vera (2008): Neue Wege der Anerkennung von Kompetenzen in der Kulturellen Bildung. Der Kompetenznachweis Kultur in Theorie und Praxis. Schriftenreihe Kulturelle Bildung. Vol. 15. München: kopaed.

Kompetenzorientierung

Kompetenzen umfassen nach Franz Weinert (2001) erlernbare Fähigkeiten, Fertigkeiten sowie Bereitschaften, um bestimmte Probleme zu lösen. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen Fachkompetenzen, überfachlichen Kompetenzen (z. B. Denkvermögen, Teamfähigkeit, Argumentationsfähigkeit, Problemlösefähigkeit, Präsentationsfähigkeit) und selbstregulativen Kompetenzen (Wert- und Handlungsorientierung, Moral, Ethik). Überfachliche und selbstregulative Kompetenzen werden in der Schule in fachlichen Zusammenhängen erworben und oft als Aspekte von Fachkompetenzen beschrieben.

Kompetenzen zeigen sich in der Performanz. Das bedeutet: Sie zeigen sich in der Art und Weise bzw. im Grad, wie eine Anforderungssituation erfolgreich bewältigt wird. Kompetenzen sind somit Dispositionen zur erfolgreichen und verantwortlichen Lösung von Problemen durch Denkoperationen, den Einsatz von Techniken und Kommunikation und/oder die Durchführung von Handlungen.

Kompetenzorientierung hat in der Bildungspolitik an Bedeutung gewonnen: Nach dem sogenannten PISA-Schock im Jahr 2001 hat die Ständige Konferenz der Kultusminister (KMK) weitreichende Beschlüsse zur Qualitätssicherung und -entwicklung des Bildungswesens in Deutschland gefasst. Die Beschlüsse stützen sich auf eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in Auftrag gegebene Expertise mit dem Titel „Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards“ (Klieme-Expertise 2003). Im Mittelpunkt dieser Entwicklung steht die Einführung von bundesweit einheitlichen Bildungsstandards für verschiedene Fächer (Deutsch, Mathematik, Fremdsprachen, Naturwissenschaften) und Schulabschlüsse. Die Länder setzen die Bildungsstandards in fachbezogene Kernlehrpläne um, wobei viele Länder weitergehen und Kernlehrpläne für alle Fächer und Lernbereiche entwickeln. Damit verbunden ist ein weitreichender Paradigmenwechsel von der Inputorientierung der alten Lehrpläne zur Outputorientierung in den neuen Kernlehrplänen. Die bis dahin übliche Input-Steuerung schulischer Lehr- und Lernprozesse über die Vorgabe detaillierter Inhalte für den Unterricht (und ihrer methodischen Umsetzung) wurde dabei ersetzt durch eine Orientierung an den Ergebnissen der unterrichtlichen Arbeit, dem sogenannten Output. Die erwarteten Ergebnisse wurden in Form überprüfbarer Kompetenzerwartungen in den Kernlehrplänen konkretisiert. Es wird also nicht mehr primär vorgeschrieben, welche Inhalte im Unterricht durchzunehmen sind, vielmehr legen die Kernlehrpläne fest, über welche Kompetenzen die Schüler*innen am Ende eines Bildungsabschnitts verfügen sollen.

In den Kernlehrplänen sind überwiegend Fachkompetenzen ausgewiesen. Diese sind in der Regel an Inhalte geknüpft und basieren damit auf dem Aufbau von Fachwissen, das zur Bewältigung von fachlichen Anforderungssituationen genutzt wird. Kompetenzorientierter Unterricht stellt aber nicht mehr allein die Inhalte in den Vordergrund, sondern richtet sich auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schüler*innen aus. Der Aufbau von Wissen wird hier in systematischer Weise mit der Möglichkeit verknüpft, Wissen in Form von intelligentem Wissen selbsttätig anzuwenden. Kompetenzorientierter Unterricht stellt daher vielfältige Lernarrangements bereit, die es den Schüler*innen ermöglichen, Kompetenzen aktiv zu erwerben und in Anforderungssituationen anzuwenden (Situiertes Lernen). Dabei hat kompetenzorientierter Unterricht immer auch individuelle Diagnostik und Förderung im Blick (siehe Subjektorientierung und individuelle Förderung).

Die Verantwortung für das Erreichen der Kompetenzen der Schüler*nnen liegt in der Hand der Schulen, die weitreichende Freiräume für ihre innerschulische Lernplanung und pädagogische Arbeit erhalten. Kernlehrpläne verzichten deshalb auf Hinweise zur methodisch-didaktischen Unterrichtsgestaltung. Diese obliegt allein den Fachlehrkräften bzw. Fachgruppen, welche auf Basis der Kernlehrpläne fachbezogene schulinterne Lehrpläne erstellen. So werden Schulen verstärkt zu eigenständigen Schulen. Die Planung des Unterrichts orientiert sich am angestrebten Ergebnis, dem Output, der in Kernlehrplänen in Form von Kompetenzerwartungen festgelegt ist.

Damit eröffnen die Entwicklungen hin zu mehr Kompetenzorientierung einerseits gerade den an Kultureller Bildung orientierten Schultypen viele Möglichkeiten, ein eigenständiges (kulturelles) Schulprofil zu entwickeln (siehe Kulturschule) – insbesondere auch auf der Unterrichtsebene (siehe kulturelle Unterrichtsentwicklung und ästhetisches Lernen). Neben den durch die Kernlehrpläne festgelegten Verbindlichkeiten bieten sich den Schulen zahlreiche Freiräume in der inhaltlichen wie auch in der methodisch-didaktische Schwerpunktsetzung und Umsetzung der Kernlehrpläne. Anderseits kann Kulturelle Bildung mit ihren handlungsorientierten Ansätzen grundsätzlich dazu beitragen Kompetenzorientierung umzusetzen.

Für Schulen bietet dies eine Reihe von Möglichkeiten, ihr kulturelles Profil im Unterricht aller Fächer zu schärfen. Den einzelnen Fachkonferenzen obliegt hier die Aufgabe, den Fachunterricht entsprechend nach ästhetischen Prinzipien und mit kulturpädagogischen Prinzipien zu konzipieren und zudem Unterrichtsvorhaben festzulegen, die nach Möglichkeit künstlerisch-kulturell orientiert sind. Dabei kann die Entwicklung von sogenannten Kompetenzrastern bei der Planung des Unterrichts helfen, die angestrebten Kompetenzen zu verdeutlichen. So bildet Kompetenzorientierung eine wichtige Grundlage, wenn (Kultur)schulen unter dem Motto „Anders Lernen” ganzheitliche Bildung und Subjektorientierung umsetzen wollen.

Zum Weiterlesen
Klieme, Eckhard (2004): Was sind Kompetenzen und wie lassen sie sich messen? In: Zeitschrift für Pädagogik. Interkulturalität und Internationalität im Curriculum. 50. Jahrgang/Nr. 6/2004. S. 10–13.

Klieme, Eckhard et al. (2003): Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Eine Expertise. Hrsg. V. Bundesministerium für Bildung und Forschung. Berlin.

Lersch, Rainer (2010): Didaktik und Praxis kompetenzfördernden Unterrichts (Kurzfassung). In: Zeitschrift Schulpädagogik – heute. Nr. 1/2010.

Sekretariat der Kultusministerkonferenz der Länder (KMK)/Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) (Hrsg.) (2010): Konzeption der Kultusministerkonferenz zur Nutzung der Bildungsstandards für die Unterrichtsentwicklung. Bonn, Berlin: Carl Link/Wolters Kluwer.

Stute, Dirk/Wibbing, Gisela (2014): Kulturelle Bildung als Baustein der Unterrichtsentwicklung. In: Wissensplattform Kulturelle Bildung Online.

Weinert, Franz (Hrsg.) (2001): Leistungsmessungen in Schulen.

Kooperationen

Spätestens seit Beginn der Ganztagsschulentwicklung gewinnt die Kooperation von Schulen und außerschulischen Partnern an Bedeutung – auch im Bereich der Kulturellen Bildung. Die Partner sind hier v. a. außerschulische Bildungseinrichtungen, Kulturinstitutionen und –vereine, Jugendkultureinrichtungen oder freischaffende Kulturpädaog*innen und Künstler*innen. Das Spektrum reicht von Museen, Theatern, Bibliotheken über Jugendkunstschulen und Musikschulen, Medienwerkstätten und Zirkusinitiativen bis hin zu soziokulturellen Einrichtungen und Jugendkulturzentren.

Der Begriff Kooperation entstammt dem Lateinischen und bedeutet „Zusammenarbeit, Zusammenwirken“. Kooperationen sind dann sinnvoll, wenn eine Aufgabe zu herausfordernd ist, als dass sie von einem einzelnen Akteur – einer Institution oder einer Person – allein bewältigt werden könnte. In der Regel kooperieren zwei oder mehrere Partner miteinander, wenn sie gemeinsame oder sich ergänzende – zumindest sich nicht widersprechende – Ziele verfolgen und der erhoffte Nutzen der Kooperation größer ist als der Aufwand bzw. größer ist als der Nutzen, den jede*r Beteiligte für sich allein erreichen kann. Kooperation beruht auf Austausch mit anderen und darauf, dass Kooperationspartner Ziele und eben diesen Nutzen aufeinander abstimmen.

Die Kooperationsziele liegen meist auf mehreren Ebenen: Einerseits geht es darum, ein attraktives und umfassendes (ganztägiges) Bildungsangebot bereitzustellen. Andererseits ist es möglich, kulturelle Bildungs- und Teilhabemöglichkeiten zu verbessern. Kooperationen sollen demnach befördern, dass informelle, non-formale und formale Bildungsprozesse verbunden und sozialraum- und lebensweltorientierte Konzepte sowohl in außerschulischen als auch in schulischen Bildungsbereichen gestärkt werden.

Um Kindern und Jugendlichen gerechte kulturelle Bildungschancen zu ermöglichen, ist es wichtig, dass außerschulische und schulische Bildungsträger sich nicht nur innerhalb ihrer jeweiligen Systeme bewegen, sondern sich mit ihren jeweiligen Kompetenzen füreinander öffnen, miteinander abstimmen und zusammenarbeiten. Jugendarbeit, Schulen und Kulturarbeit haben je ganz eigenständige Ansätze, die sich in unterschiedlichen Prinzipien, Methoden und Haltungen zeigen und sich gerade in Kooperationen gegenseitig befruchten. Durch die Zusammenarbeit wird diesen verschiedenen professionellen Perspektiven und Zugängen Rechnung getragen. Je besser vernetzt die Angebote sind und je selbstverständlicher sie inhaltliche, methodische und räumliche Brücken zu anderen Lebens- und Bildungsbereichen schlagen, desto leichter ist es für Kinder und Jugendliche, an Kultureller Bildung nicht nur teilzuhaben, sondern Kunst und Kultur als durchgängiges Lebensprinzip verstehen zu lernen.

Die empirische Forschung bestätigt, dass kulturelle Teilhabemöglichkeiten v. a. in Kooperationen von Schulen mit außerschulischen Partnern erweitert werden und dass außerschulische Kulturelle Bildung und „Dritte Lernorte“ neben formalen Bildungseinrichtungen und der Familie wichtige Impulse für Bildung setzen, Interessen ausbilden bzw. Freiräume ermöglichen. Künstlerisch-kulturelle Projekte eröffnen Zugänge zu Kunst und Kultur, v. a. denjenigen Kindern und Jugendlichen, denen sich außerhalb der Schule kaum Gelegenheit dazu bietet.

Eine nachhaltige Zusammenarbeit von Schulen im Rahmen kultureller Schulentwicklung mit Partnern der Kulturellen Bildung eröffnet vielfältige Perspektiven und unterstützt sowohl Organisations-, Unterrichts- wie auch Personalentwicklung:

  • Organisationsentwicklung: Zusammenarbeit mit Partnern verändert Strukturen in der Schule. Das Schulleben wird durch Kooperationen bereichert und die Integration der Schule in regionalen Bildungsnetzwerken gestärkt.
  • Unterrichtsentwicklung: Künstler*innen und Kulturpädagog*innen vermitteln spezifische künstlerische und ästhetische Kompetenzen und erweitern das Methodenrepertoire. Künstlerisch-kulturelle Projekte schaffen Möglichkeiten, Unterrichtsthemen aufzugreifen und in einer vertiefenden Auseinandersetzung mit den verschiedenen Kunst- und Kulturformen alters- und/oder fächerübergreifend zu bearbeiten.
  • Personalentwicklung: Kooperationen ermöglichen es, dass Lehrer*innen von und mit den Partnern lernen (Fortbildung). Zugleich werden multiprofessionelle Teams möglich.

Um Kooperationen in Schulen mit Kulturprofil zu unterstützen, braucht es nicht nur den Rückenhalt der Leitungsebene, die Einbindung in Gremien und die Sicherung finanzieller Ressourcen, sondern auch personelle Unterstützung. Unterstützend können Kulturbeauftragte wirken bzw. Bildungsbüros und Netzwerkstellen in den Kommunen genutzt werden.

Wenn außerschulische und schulische Akteure kooperieren, ist dies bereichernd und herausfordernd zugleich. Alle Beteiligten müssen bereit sein, über den eigenen Tellerrand zu schauen und sich zu verändern. Die unterschiedlichen Akteure vertreten eigenständige Aufträge, Prinzipien, Kompetenzen und Qualitäten. Beide Seiten sollten sich bewusst sein, dass Kooperation nicht bedeutet, über vorhandene Unterschiede hinweg zu sehen, sondern aus der Eigenständigkeit heraus im Miteinander etwas Neues entstehen zu lassen. Wie Kooperationspartner ihre Angebote didaktisch und thematisch ausrichten, welchen methodischen Prinzipien sie folgen und wo die Aktivitäten stattfinden sollten, dafür gibt es kein Patentrezept. Richtschnur sollten immer die jeweiligen Zielgruppen und die damit verbundenen Ziele sein: Wenn es notwendig und sinnvoll erscheint, dann finden Kooperationsangebote in der Schule und im Unterricht oder in enger Verbindung zum Unterricht statt, wenn es passend und erforderlich ist, am „Dritten Ort“ und in der Freizeit.

Zum Weiterlesen
Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) (2015): Kulturelle Bildung ist Koproduktion. Außerschulische und schulische Kulturelle Bildung wirksam entfalten. Positionspapier. Remscheid.

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) (2018): Kooperationen für Kulturelle Bildung – Eine Starthilfe. Berlin.

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) (2019): Kulturelle Schulentwicklung. Mit Kunst und Kultur Schule gestalten. Arbeitshilfe. Kapitel 3 Kulturelle Schulentwicklung koproduktiv gestalten: Kooperationen zwischen Schule und Kultur. Berlin/Remscheid. S. 91–121.

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) (o. J.): Preisträgerporträts im MIXED UP Bundeswettbewerb für kulturelle Bildungspartnerschaften. Website.

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) (o. J.): Praxisbeispiele Künste öffnen Welten. Website im BKJ-Förderprogramm Künste öffnen Welten.

Kulturbeauftragte

siehe Strukturen und Instrumente

Kulturelle Bildung

Rap-Songs, Kinofilme, Bücher, Computerspiele ... Täglich beschäftigen sich Kinder und Jugendliche mit ästhetischen, kulturellen und künstlerischen Phänomen und bringen damit sich und ihr Lebensgefühl zum Ausdruck. Schon dadurch „passiert“ Kulturelle Bildung ganz nebenbei. Dabei beschränkt sich Kulturelle Bildung nicht auf das Zuhören, Zuschauen oder Lesen. Wer sich selbst künstlerisch ausprobiert, kann eigene Fähigkeiten entdecken, Haltungen und Visionen entwickeln, sich eine eigene Meinung bilden und diese mitteilen – ob mit der Band oder dem Chor, der Smartphone- oder der Filmkamera, per Graffiti, auf der Internet-Plattform oder auf der Theaterbühne.

Kulturelle Bildung geschieht überall dort, wo sich Kinder und Jugendliche mit Kunst, Kultur und Ästhetik auseinandersetzen oder sich kreativ betätigen: inner- und außerhalb des Schulgebäudes, im Unterricht, im Ganztag oder in der Freizeit. Kulturelle Bildung ist lebensweltorientiert, Jugend- und Alltagskulturen zählen wie das Spiel auch dazu. In der Schule findet Kulturelle Bildung auf vielfältige Weise statt: In den künstlerischen Schulfächern wie auch in anderen Unterrichtsfächern und weit darüber hinaus – in Projekten, außerschulischen Angeboten, Schulfesten etc. Diese unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Angebote werden nicht nur von Lehrer*innen angeboten und durchgeführt. Vielfach unterstützen außerschulische Fachkräfte und kulturelle Bildungspartner.

Kulturelle Bildung folgt einem weiten Bildungsverständnis: Es geht darum, dass Kinder und Jugendliche ihre gesamte Persönlichkeit (nicht „nur“ ihre Kompetenzen) entwickeln können und all ihre Kräfte angeregt und gefördert werden. Entsprechend bezieht sich Kulturelle Bildung auf emotional-affektive (Herz), kognitiv-intellektuelle (Kopf), körperlich-sinnliche (Hand/Sinne) und sozial-kulturelle Prozesse. Dieses Bildungsverständnis besagt zudem, dass sich Kulturelle Bildung auf dem Prinzip des Sich-Bildens gründet.

Der Begriff Kulturelle Bildung umfasst einen zweiten zu definierenden Teil: Kultur. Das Profil von Kultureller Bildung ist davon bestimmt, dass der Bildungsprozess und damit die Methoden und Inhalte an die Künste oder an kulturelle und ästhetische Ausdrucksformen gebunden sind. Kulturelle Bildung ist letztlich ein Lernen in, mit und durch die Künste und Ästhetik, zu denen auch Alltags- und Jugendkulturen zählen. Dieser Kulturbegriff bleibt nicht bei den „Schönen Künsten“ stehen, sondern bezieht die Vielfalt der Kulturformen und Alltagskulturen, Spiel und Medien, Kultur als Lebensweise und das Lernziel Lebenskunst ein.

Der Begriff der Kulturellen Bildung ist vergleichsweise neu. Er wurde erst gegen Ende der 1960er Jahre in die pädagogische Fachsprache aufgenommen und sollte den älteren Begriff der musischen Bildung ersetzen, dies zunächst v. a. im Bereich der Jugendhilfe. Insbesondere im außerschulischen Bereich hat sich auf dieser Grundlage die pädagogische Einzeldisziplin Kulturpädagogik mit einer Reihe von pädagogischen Prinzipien entwickelt (siehe kulturpädagogische Bildungsprinzipien). Bedeutungszuwachs hat dieses in Deutschland vergleichsweise gut ausgebaute außerschulische pädagogische Feld spätestens mit der Einführung der Ganztagsschule erhalten, da ein wesentliches Gestaltungselement ganztägiger Bildungsprozesse darin besteht, dass die Schule ihre Kooperationen mit außerschulischen Trägern aus der Jugendhilfe und auch aus dem Kulturbereich deutlich verstärkt.

Im Konkreten sind die Angebote und Projekte Kultureller Bildung u. a. in den folgenden Sparten zu finden: Musik und Rhythmik, Theater und Tanz, Spiel und Zirkus, Bildende Kunst, Design und Architektur, Kunst mit digitalen Medien, Computerspiele, Fotografie, Film, Erzählkunst, Kreatives Schreiben und Literatur. Wichtig ist dabei die globale Perspektive, d. h. die Sparten und Ästhetiken umfassen unterschiedlichste Kulturen bzw. Kulturkreise.

Auch die Angebotsformen sind vielfältig. So gibt es kurzfristige Workshops oder langfristige Kurse, Projekte über mehrere Tage oder Wochen, Angebote in der Unterrichts- oder in der Freizeit, Ferienfreizeiten oder internationale Jugendbegegnungen. Auch der Besuch von Aufführungen, Konzerten, Lesungen oder Ausstellungen gehört zum Spektrum Kultureller Bildung.

Dieser Vielfalt entsprechend unterschiedlich sind die Orte der Kulturellen Bildung. Die Angebote bzw. die Praxis finden statt:

  • in Institutionen mit eigenen Räumen (z. B. Museen, Theater, Musikschulen, Jugendkunst-schulen, Bibliotheken, Opern- und Konzerthäuser),
  • in kultur- bzw. medienpädagogischen Einrichtungen, Soziokulturellen Zentren, Bürger- und Vereinshäusern, Religionsgemeinschaften und Gedenkstätten,
  • als mobile Angebote und oft auch im öffentlichen Raum, in Einrichtungen der Jugendarbeit und eben in Schulen oder auch Kindertageseinrichtungen.
  • Kulturelle Bildung ist auch in der selbstorganisierten Praxis von Kindern und Jugendlichen und in kulturellen Aktivitäten in der Familie und im Freundeskreis verortet.

Die Praxis Kultureller Bildung wird von unterschiedlichen Professionen und Akteur*innen angeboten bzw. unterstützt: Kultur- und Medienpädagogen*innen, Kulturvermittler*innen und -manager*innen, Lehrer*innen und Erzieher*innen, Jugend- und Sozialarbeiter*innen, Künstler*innen und Kunst-/Kulturschaffende, Ehren- und Hauptamtliche, Freischaffende und Selbstständige und natürlich Freunde und Familienmitglieder. Es gibt öffentliche, freie und private (d. h. auch kommerzielle) Akteure.

Zum Weiterlesen
Bockhorst, Hildegard/Reinwand-Weiss, Vanessa-Isabelle/Zacharias, Wolfgang (Hrsg.) (2012): Handbuch Kulturelle Bildung. Schriftenreihe Kulturelle Bildung. Vol. 30. München: kopaed.

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) (2019): Erklärfilm „Kulturelle Bildung – Was ist das?“

Kulturelle Organisationsentwicklung

siehe Kulturelle Schulentwicklung

Kulturelle Personalentwicklung

siehe Kulturelle Schulentwicklung

Kulturelle Schulentwicklung

Schule ist einem ständigen Wandel unterworfen: Das Umfeld, die Anforderungen, die Schüler*innen ändern sich kontinuierlich. Die Schule muss sich diesen veränderten Bedingungen immer wieder neu anpassen. Schulentwicklung bedeutet demnach die systematische Weiterentwicklung von Schule mit dem übergeordneten Ziel, die Qualität von Schule zu verbessern. In Anlehnung an Per Dalin wird unter Schulentwicklung „ein bewusst gestalteter systematischer Entwicklungsprozess unter Mitwirkung aller an der Schule beteiligter Akteursgruppen“ (Fuchs/Bösel-Fuchs 2017: 12) verstanden. „Es geht dabei nicht bloß um einzelne Facetten des Schullebens, sondern die Schule als Ganzes soll in diesen Gestaltungsprozess einbezogen werden“ (ebd.). Dabei ist es wichtig, Schulentwicklung als dauerhaften Prozess zu begreifen, der nicht irgendwann ein Ende hat. Systematische Schulentwicklung strebt eine stärkere Profilierung und Konturierung einer Schule an. Indem Strukturen verändert werden, wird einerseits die Profilierung zu einem nachhaltigen, von Einzelpersonen unabhängigen Prozess und werden andererseits Einzelpersonen entlastet bzw. vor Überlastung geschützt.

Kulturelle Schulentwicklung als Prozess bezieht sich auf die klassischen Phasen des Qualitätszyklus der Schulentwicklung. Egal aus welcher Perspektive kulturelle Schulentwicklung betrachtet wird bzw. in welchem Bereich Veränderungen stattfinden, ob im Unterricht, beim Personal oder der Organisation, systematische und bewusste Schulentwicklung findet dann statt, wenn die typischen Phasen eines Organisationsentwicklungsprozesses Schritt für Schritt durchlaufen und reflektiert warden: Ausgangssituation analysieren, Ziele setzen, Entscheidungen und Beschl+sse treffen, Maßnahmen planen, Maßnahmen umsetzen, Maßnahmen evaluieren und reflektieren. Dieser Prozess ist nicht linear zu verstehen, sondern er verläuft eher zyklisch oder spiralförmig, mit Rückkoppeungsschlaufen zwischen den einzelnen Phasen.

Vertiefend wird der Qualitätszyklus in der BKJ-Arbeitshilfe „Kulturelle Schulentwicklung. Mit Kunst und Kultur Schule gestalten” (2019: 34) behandelt. Dort sind die Besonderheiten jeder Phase beschrieben und mit (möglichen) Werkzeugen untersetzt.

Schulentwicklung bewegt sich in nach einem gängigen Konzept insbesondere in dem  Systemzusammenhang von Unterrichtsentwicklung, Organisationsentwicklung und Personalentwicklung. „Kulturelle Schulentwicklung” bezeichnet den Prozess der Schulentwicklung, be idem ein kulturelles Profil der Schule erarbeitet wird. Bei diesem Prozess können im Grundsatz alle vorhandenen Konzeptionen und Theorien der Schulentwicklung angewandt werden, wobei die im Zentrum stehende ästhetische Dimension einer Kulturschule gute Möglichkeiten bietet, bestimmte Facetten des Entwicklungsprozesses in besonderer Weise zu unterstützen“ (vgl. Fuchs/Bösel-Fuchs: 15).

Kulturelle Unterrichtsentwicklung

Bei Helmke (2009) werden unter Unterrichtsentwicklung alle Aktivitäten und Initiativen der Schule verstanden, die sich auf die Qualitätssicherung und -entwicklung des Unterrichts und das dafür notwendige professionelle Wissen und Können beziehen, also auf die Veränderung der Lehr-/Lernmethoden und Lehr-Lern-Szenarien, die Effektivierung der Klassenführung, die Stärkung (didaktischer, fachlicher, diagnostischer) Kompetenzen oder die Optimierung des Lehrmaterials mit dem Ziel, die Wirksamkeit des Unterrichts zu steigern. Unterrichtsentwicklung bezieht sich aber ebenso auf die organisatorischen Rahmenbedingungen und Strukturen, die verändert werden müssen, um Unterrichtsentwicklung zu betreiben, d. h. z. B. auf Absprachen zum pädagogischen Konzept der Schule, die Unterrichtslänge, die Rhythmisierung des Schulalltags oder die Zusammenarbeit im Kollegium.

Bastian (2007: 36ff.) entwickelt dazu ein Verständnis von Unterricht als Zusammenspiel einer didaktischen, institutionstheoretischen und professionstheoretischen Perspektive. Unterrichtsentwicklung (als Teil der Schulentwicklung) muss daher diese drei Perspektiven in den Blick nehmen:

Die didaktische Perspektive von Unterricht meint die Organisation und Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen, was eine Zieldimension, eine Inhaltsdimension, den sozialen Handlungsvollzug und die Vermittlungsfunktion beinhaltet.

Die institutionstheoretische Perspektive berücksichtigt, dass die Schule als Institution den Rahmen für das unterrichtliche Geschehen vorgibt. Dies bedeutet insbesondere, dass der*die Lehrende in seiner Person auch als Vertreter*in einer gesellschaftlichen Institution in Erscheinung tritt.

Die professionstheoretische Perspektive zielt auf die Fähigkeit des Lehrenden zur Planung, Organisation, Gestaltung und Reflexion des Unterrichts, was ausdifferenziert wird in Teilkompetenzen wie Erziehen, Diagnostizieren, Beurteilen, Evaluieren und die Weiterentwicklung von Schule.

In der didaktischen Perspektive bedeutet dies auf der Ebene der Inhalte, dass immer wieder ästhetische Dimensionen (innerhalb) des eigenen Faches aufgezeigt und genutzt werden. Es bedeutet zudem, dass regelmäßig ästhetisch-künstlerische Methoden bei der Unterrichtsgestaltung angewendet werden. Auch hinsichtlich der Anwendung ästhetischer Methoden im nichtkünstlerischen Unterricht sind in den letzten Jahren Erfahrungen gesammelt worden. Es existieren zahlreiche Beispiele, in denen Expert*innen aus den Bereichen Tanz, bildende Kunst, Medien, Theater und Musik zeigen, wie ihre spezifischen Methoden zum Beispiel in Chemie, Biologie, Mathematik fächerübergreifend genutzt werden können (siehe Ästhetische Lernkultur sowie Kompetenzorientierung).

Im Hinblick auf die Institution heißt das für Kulturschulen, dass die Berücksichtigung einer ästhetischen Dimension im Unterricht dadurch unterstützt wird, dass die Schule als Ganzes als ästhetischer Erfahrungsraum konzipiert ist. Dies bedeutet, dass sowohl die Schule als Gebäude und als gegenständlicher Raum, die zeitlichen Abläufe im Schulalltag als auch die Schulkultur nach ästhetischen Prinzipien gestaltet werden. Ein entsprechender Unterricht gliedert sich daher organisch in die gesamte kulturelle Schulgestaltung ein, und zwar so, dass die ästhetische Dimension eine wichtige Rolle in allen Fächern spielt (siehe kulturelle Organisationsentwicklung, Rhythmisierung, Strukturen und Instrumente sowie Schulkultur).

In professionstheoretischer Perspektive heißt dies, dass Lehrer*innen in der Lage sind, bei ihrer Unterrichtsgestaltung ästhetische und künstlerische Praktiken sinnvoll anzuwenden (siehe kulturelle Personalentwicklung).

In lerntheoretischer Hinsicht werden solche Ansätze dadurch unterstützt, dass im Rahmen der Entwicklung eines ganzheitlichen Lernbegriffs die sinnliche Seite des Lernens systematisch einbezogen wird. Dirk Stute und Gisela Wibbing (2014) formulieren die folgenden Grundlinien einer kulturellen Unterrichtsgestaltung (siehe Ästhetisches Lernen sowie Kompetenzorientierung):

  • „Die inhaltlichen Ergänzungen der Vorgaben in den Kernlehrplänen können in jedem Fach so vorgenommen werden, dass nach Möglichkeit Fachinhalte ausgewählt werden, die in einem künstlerisch-kulturellen Kontext stehen.
  • Wie erwähnt sollten Fachinhalte im kompetenzorientierten Unterricht in Anwendungs- bzw. Performanzsituationen situiert und angewendet werden. In einer Schule mit kulturellem Profil können diese Performanzsituationen in allen Fächern so oft wie möglich unter Nutzung kulturpädagogischer Methoden und ästhetisch-künstlerischer Ansätze erfolgen.
  • Bei der Schaffung von eigenen Lerngelegenheiten zur Förderung überfachlicher Kompetenzen sollten in allen Fächern nach Möglichkeit künstlerisch-kulturelle Aktivitäten – nach Möglichkeit in Form von Praxisphasen – im Vordergrund stehen.
  • Durch die Aufhebung des 45 Minutentaktes wird es möglich, im Unterricht auch umfangreichere fachliche Anwendungssituation mit künstlerisch-kulturellem Hintergrund durchzuführen und die Ergebnisse nach Möglichkeit auch zu präsentieren.
  • Sowohl die fachlich orientierten Anwendungssituationen als auch die Lerngelegenheiten zur Förderung überfachlicher Kompetenzen könnten in vielen Fächern so konzipiert werden, dass sie außerunterrichtlichen künstlerisch-kulturellen Projekten zuarbeiten oder sogar in diese integriert werden. Dadurch würden die Grenzen zwischen außerunterrichtlichen und unterrichtlichen Aktivitäten, zwischen formaler und nonformaler Bildung verschwimmen.
  • In allen Fächern sollten Performanzsituationen konzipiert werden, in denen die Schüler*innen auch von Fachkräften der kulturellen Bildung, von Künstler*innen und/oder von Kulturschaffenden begleitet und beraten werden. Diese Fachkräfte können zusätzlich auch außerunterrichtliche Angebote und Projekte an der Schule leiten, so dass an einer Schule mit Kulturprofil multiprofessionelle Teams zusammenarbeiten.
  • So oft wie möglich sollten fächerübergreifende Projekte durchgeführt werden.
  • In allen Fächern sollten Anforderungssituationen und Projekte konzipiert und durchgeführt werden, die außerunterrichtlichen Lernorte im Rahmen des Unterrichtsgangs systematisch zu nutzen.
  • Grundsätzlich sollten bei der Unterrichtsgestaltung Konzepte und Grundprinzipien der Kulturellen Bildung Berücksichtigung finden.“

Kulturelle Organisationsentwicklung

Nach Rolff (2013) ist Organisationsentwicklung ein Ansatz, eine Organisation von innen heraus weiterzuentwickeln. Planung und Ausführung gehören bei Organisationsentwicklung zusammen. Durch gemeinsame Planung kann sich ein Kollegium selbst mobilisieren und motivieren. Gemeinsame Prozessplanung ist die Basis einer sich selbst entwickelnden Schule.

Das Konzept der Organisationsentwicklung wurde inzwischen zum Konzept des Change Managements weiterentwickelt, welches drei Phasen unterscheidet:

Strategie, d. h. die Klärung und Vereinbarung mittelfristiger Ziele und die Wahl des Zugangs zur Zielerreichung (Konzepte, Methoden ...). Im Rahmen der kulturellen Schulentwicklung wird das gesamte Kollegium an der inhaltlichen und strukturellen Ausgestaltung eines kulturellen Schulprofils beteiligt.

Struktur, d. h. die dauerhafte, nachhaltige Basis für die Umsetzung, z. B. durch feste Teams, neue Organisationsformen des Innenaufbaus der Organisation usw. Im Rahmen der kulturellen Schulentwicklung kann geklärt werden, ob eine Steuergruppe, die sich aus allen beteiligten Lernangeboten/Lernbereichen konstituiert, für diesen Bereich eingerichtet wird, um den gesamten Prozess mit folgenden Schritten zu steuern:

1. Zielvereinbarungen für das laufende Schuljahr im Einklang mit dem Schulprogramm

2. Jahresplanungen für die Schule und die Jahrgänge

  • Sicherstellen der Kontinuität von kulturellen Projektdurchführungen    Festlegen von Meilensteinen
  • Verknüpfendes Handeln aus den verschiedenen Fachbereichen im Sinne von synergetisch wirkenden „Kreativen Feldern

3. Inhaltliche Arbeit

  • Curriculare Entwicklung der Fächer
  • Kommunikation, Prozess- und inhaltliche Entwicklung mit den außerschulischen Partnern

4. Öffentlichkeitsarbeit

  • Partizipation der Eltern
  • Planung öffentlicher Veranstaltungen
  • Öffnung in den Sozialraum

Zu überlegen ist in dem Zusammenhang, ob eine Funktionsstelle für eine*n Kulturkoordinator*in eingerichtet wird, der*die alle kulturellen Aktivitäten und Informationen bündelt, die Fachkonferenzen informiert, den Kontakt zu den außerschulischen Kunst- und Kulturinstitutionen pflegt usw.

Kulturelle Personalentwicklung

Personalentwicklung versucht die Entwicklungsinteressen einer Organisation mit den Entwicklungsinteressen der einzelnen Organisationsmitglieder abzustimmen. Dazu gehört zunächst die Ermittlung des Anforderungsprofils einer Schule (z. B. durch Erstellung des Leitbildes und Personalbedarfsplans sowie des Potenzials der Lehrer*innen). Personalentwicklung in der Schule beinhaltet neben der Stellenbesetzung v. a. Fortbildung bezogen auf die in der Unterrichtsentwicklung und den Fachteams gesetzten Ziele sowie  auf individuelle Bedarfe, Teamentwicklung, Supervision, Trainings aller Art, Jahresgespräche, gegenseitige Hospitation und die Selbstevaluation des Handelns von Lehrer*innen bzw. Schulleiter*innen.

Im Zuge der Autonomisierung von Schule hat die einzelne Schule immer größere Möglichkeiten, selbst über die Einstellung von Lehrkräften zu entscheiden. Dies bedeutet insbesondere, dass die Schule bei der Auswahl von Lehrkräften darauf achten kann, dass die neuen Lehrer*innen das Konzept einer Kulturschule mittragen und sich dafür auch engagieren wollen. Durch einen entsprechenden Ausschreibungstext, bei dem das Kulturkonzept der Kulturschule vorgestellt wird, kann bereits Einfluss auf die Bewerberlage ausgeübt werden. Durch die Möglichkeit einer Kapitalisierung von Lehrerstellen, also frei werdende Mittel, können Expert*innen eingestellt warden, die das kulturelle Profil durch ihre (etwa künstlerische) Expertise unterstützen können.

Für die Personalentwicklung einer Kulturschule sind zudem Fort- und Weiterbildungen im Bereich der Kulturellen Bildung besonders wichtig. Im Rahmen dessen können Lehrkräfte aller Fächer selbst eigene Erfahrungen mit künstlerisch-ästhetischen Zugängen sammeln, kulturelle Zugänge und Methoden kennenlernen, ausprobieren und sich aneignen. In der Praxis zeigt sich immer wieder, das Skeptiker*innen am besten durch das eigene Tun und Ausprobieren überzeugt werden können.  

Zum Weiterlesen
Bohl, Thorsten/Helsper, Werner/Holtappels, Heinz Günter/Schelle, Carla (Hrsg.) (2010): Handbuch Schulentwicklung. Theorie - Forschungsbefunde – Entwicklungsprozesse. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) (2019): Kulturelle Schulentwicklung. Mit Kunst und Kultur Schule gestalten. Arbeitshilfe. Kapitel 2 Kulturelle Schulentwicklung umsetzen. Der Qualitätszyklus. Berlin/Remscheid. S. 33–77.

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) (2019): Kulturelle Unterrichtsentwicklung durch Organisations- und Personalentwicklung. Werkzeug.

Fend, Helmut (2008): Schule gestalten. Systemsteuerung, Schulentwicklung und Unterrichtsqualität. 1. Aufl. Wiesbaden.

Fuchs, Max/Bösel-Fuchs, Anette (2017): Kulturelle Schulentwicklung: Eine Einführung. Weinheim/Basel: Beltz-Juventa.

Fuchs, Max/Braun, Tom (Hrsg.) (2018): Kulturelle Unterrichtsentwicklung. Weinheim/Basel: Beltz-Juventa.

Fuchs, Max/Gördel, Bettina-Maria/Fischer, Bianca (Hrsg.) (2019): Kulturelle Schulentwicklung gestalten. Konzept, theoretische Hintergründe und Praxismaterialien zur Implementierung. Schulmanagement-Handbuch Band 162. Oldenbourg Verlag.

Helmke, Andreas (2009): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. 1. Aufl. Selze-Velber.

Rolff, Hans-Günter (2013): Schulentwicklung kompakt. Modelle, Instrumente, Perspektiven. Weinheim und Basel: Beltz.

Stute, Dirk/Wibbing, Gisela (2014): Kulturelle Bildung als Baustein der Unterrichtsentwicklung. In: Wissensplattform Kulturelle Bildung Online.

Kulturelle Unterrichtsentwicklung

siehe Kulturelle Schulentwicklung

Kulturfahrplan

siehe Strukturen und Instrumente

Kulturpädagogische Bildungsprinzipien

Kulturelle Bildungsarbeit verbindet Prinzipien aus dem pädagogischen Kontext, aus der Jugendarbeit und der künstlerischen Arbeit. Aus dieser Verbindung entsteht nicht nur der spezifische Charakter dieser Arbeit, sondern auch eine kreative, offene und mehrdimensionale Lehr-Lern-Kultur, die individuelle und gemeinschaftliche Prozesse gleichermaßen unterstützt.

Künste und kulturelle Ausdrucksformen als Ausgangspunkt und Bezugsrahmen
Kunstwerke, künstlerische Prozesse und Methoden bilden den Ausgangspunkt für Selbstbildungsprozesse, die auf ästhetischer Wahrnehmung und Erfahrung basieren. Dabei wird nicht streng getrennt zwischen Rezeption und eigener künstlerischer Tätigkeit. Beide Elemente bedingen sich wechselseitig und treten in einen Dialog. Wichtig ist zudem der Prozess der Reflexion.

Orientierung an den Persönlichkeiten: Stärken, Interessen und Lebenswelten
In der kulturellen Bildungspraxis stehen die Stärken der Beteiligten im Fokus und bilden die Grundlage des gemeinsamen (künstlerischen) Prozesses. Es geht also nicht darum, was jemand (noch) nicht gut kann, sondern darum, wohin er*sie sich ausgehend von seinen*ihren Potenzialen entwickeln möchte. Kinder und Jugendliche sollen die Möglichkeit erhalten, sich mit Inhalten und künstlerischen Ausdrucksformen zu beschäftigen, die sie besonders interessieren, bewegen oder faszinieren. Das bedeutet auch, aktuell relevante Themen und eigene (jugend-)kulturelle Ausdrucksformen aufzugreifen. Ein grundlegendes Prinzip der Kulturellen Bildung besteht zudem darin, die Lebenswelten der Beteiligten zum Ausgangspunkt des gemeinsamen Prozesses zu machen. Die stärkste Antriebsfeder kultureller Praxis ist die intrinsische Motivation – motiviert durch viele und umfassende Gelegenheiten, eigene Themen, Erfahrungen und Fragen einzubringen.

Selbstwirksamkeit und Handlungsorientierung
Durch die Erkundung und Erprobung der eigenen Ausdrucksmöglichkeiten, durch Mitbestimmung und öffentliche Präsentationen erleben sich Kinder und Jugendliche in der Kulturellen Bildung als Handelnde, was sie in ihrer Überzeugung stärken kann, schwierige Anforderungen aus eigener Kraft zu meistern. Damit Selbstwirksamkeit erlebbar wird, muss selbstbestimmtes und reflektiertes Handeln möglich sein. Daher spielt die Tätigkeit, das konkrete Tun eine zentrale Rolle in der Kulturellen Bildung.

Partizipation, Selbstbestimmung und Freiwilligkeit
Können Kinder und Jugendliche selbstbestimmt entscheiden und getroffene Entscheidungen mitverantworten, dann werden Selbstwirksamkeitserfahrung und Demokratielernen möglich. Die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen sollten als Expert*innen ihrer Bildungsprozesse und Interessen viele und umfassende Gelegenheiten bekommen, das Projektkonzept, den Projektverlauf, die konkreten Themen, Fragestellungen und die künstlerische Arbeit im Projekt mitzugestalten. Kulturelle/künstlerische Prozesse bieten Methoden, um die Teilnehmer*innen dazu anzuregen, Positionen zu entwickeln und zu artikulieren.

Kulturelle Bildungsarbeit will das Subjekt ernst nehmen und berücksichtigt, dass kreative Prozesse „unter Zwang“ oft nicht gelingen, aber auch ein nachhaltiger Bildungserfolg oder die Lernmotivation stark davon abhängen, dass sich Kinder und Jugendliche bewusst und i. d. R. freiwillig für Angebote entscheiden.

Selbst-Bildung – nicht nur für den Kopf
Kulturelle Bildungspraxis ermöglicht Erfahrungen, die emotional-affektive, kognitiv-intellektuelle, körperlich-sinnliche und sozial-kulturelle Prozesse umfassen und verbinden. Sie greift den umfassenden Charakter künstlerischer Auseinandersetzung auf, der sich auszeichnet durch einen dynamischenWechsel von z. B. geistiger und körperlicherAktivität, von sprachlicher und nicht-sprachlicher Interaktion, von Sinneseindrücken auf der einen und analytischer Durchdringung auf der anderen Seite.

Diversität und Inklusion
Die Individualität und die Unterschiedlichkeit der beteiligten Kinder und Jugendlichen bildet eine Grundlage des gemeinsamen künstlerischen Prozesses. Die Vielfalt der Persönlichkeiten ist eine Bereicherung der kulturellen Bildungsarbeit und Voraussetzung für mehrperspektivischen Dialog sowie gemeinsame Aushandlungsprozesse. Eine Kultur der Offenheit und Wertschätzung für unterschiedliche z. B. kulturelle, soziale und religiöse Hintergründe, für die Bedürfnisse der Geschlechter und unterschiedlicher Altersgruppensollte gepflegt werden. Kulturelle Bildungsarbeit berücksichtigt damit nicht nur die individuellen Bedürfnisse jede*r Einzelnen, sondern lässt ein neues gemeinsames (inklusives) Ganzes entstehen.

Als weitere Prinzipen können genannt werden: Prinzip des selbstgesteuerten Lernens in Gruppen, Fehlerfreundlichkeit oder das Prinzip der Öffentlichkeit und Anerkennung. Diese Prinzipien sind allesamt anschlussfähig an zeitgemäße pädagogische und didaktische Prinzipien in Schule und Unterricht, wie die Verknüpfung von Theorie und Praxis, Handeln und Reflexion, Aktivität und Muße, Spiel und Ernst, Schonraumlernen und Realraumlernen, curricularen Zielen und Schülerinteressen.

Zum Weiterlesen
Braun, Tom/Schorn, Brigitte (2012): Ästhetisch-kulturelles Lernen und kulturpädagogische Bildungspraxis. In: Bockhorst, Hildegard/Reinwand-Weiss, Vanessa-Isabelle/Zacharias, Wolfgang (Hrsg.) (2012): Handbuch Kulturelle Bildung. München: kopaed. S. 128–134.

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) (2020): Gute Praxis machen – Prinzipien der Kinder- und Jugendkulturarbeit.

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) (o. J.): Aufwachsen mit Kunst, Kultur und Spiel. Qualitätsmerkmale für die Kulturelle Bildung.

Kulturschule

Eine Kulturschule ist eine Schule, die als ästhetischer Erfahrungsraum gestaltet wird. Im Hinblick auf die Schüler*innen geht es also darum, dass der reformpädagogische Grundsatz eines Lernens mit Kopf, Herz und Hand, wie von Johann H. Pestalozzi Anfang des 19. Jahrhunderts proklamiert, realisiert wird. Es geht um Schulen, die berücksichtigen, dass der Mensch mit allen Sinnen lernt, in denen beachtet wird, dass die Atmosphäre und der Umgang miteinander eine wichtige Rolle im Lernprozess der Schüler*innen spielen. Eine Schule, so formulierte es die Bildungskommission Nordrhein-Westfalen (1995), kann als Haus des Lernens verstanden werden. Eine Kulturschule ist in diesem Sinne ein Haus des ästhetischen Lernens, wobei sich dieses ästhetische Lernen nicht bloß auf die in allen Bundesländern vertretenen künstlerischen Schulfächer oder auf einzelne Arbeitsgemeinschaften bezieht: Es soll vielmehr als organisierendes Prinzip für die gesamte Gestaltung der Schule dienen.

In diesem Sinne kann Kulturschule als eine Schule definiert werden, in der in allen Bereichen, die der jeweils gültige Referenzrahmen für Schulqualität aufführt, das Prinzip Ästhetik eine wichtige Rolle spielt. Dies bedeutet etwa, dass das Schulgebäude entsprechend gestaltet ist (Fuchs 2012). Es bedeutet, dass die künstlerischen Fächer lehrplangerecht und fachkompetent unterrichtet werden und dass es ein gutes Angebot entsprechender außerunterrichtlicher Aktivitäten gibt. Eine Kulturschule hat zudem regelmäßige Kontakte zu außerschulischen Kulturpartnern wie Kultureinrichtungen oder Künstler*innen. Insbesondere bemüht sich eine Kulturschule, ästhetisch-künstlerische Arbeitsformen auch in nichtkünstlerischen Fächern anzuwenden.

Der Prozess einer entsprechenden systematischen, planmäßigen und nachhaltigen Entwicklung eines so verstandenen kulturellen Profils der Schule wird kulturelle Schulentwicklung genannt (siehe kulturelle Schulentwicklung).

Zum Weiterlesen
Braun, Tom/Fuchs, Max/Kelb, Viola (2010): Auf dem Weg zur Kulturschule. Bausteine zu Theorie und Praxis der Kulturellen Schulentwicklung. Schriftenreihe Kulturelle Bildung. Vol. 17. München: kopaed.

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (Hrsg.) (2017): Kulturelle Schulentwicklung: Schlüsseltexte zu Theorie und Praxis. Aufsatzsammlung. Remscheid.

Fuchs, Max (2012): Die Kulturschule. Konzept und theoretische Grundlagen. Schriftenreihe Kulturelle Bildung. Vol. 32. München: kopaed.

Fuchs, Max/Bösel-Fuchs, Anette (2017): Kulturelle Schulentwicklung: Eine Einführung. Weinheim/Basel: Beltz-Juventa.

Künstlerische Fächer

Die fachbezogene, inhaltliche Gliederung schulischer Bildung vollzieht sich üblicherweise über Fächer (Schulfächer, Unterrichtsfächer) oder Fächerverbünde (Lernbereiche), die im Fächerkanon einer Schulform bzw. Schule zusammengefasst werden. Gesetzlich erlassene Stundentafeln regeln dabei sowohl die Art der zu unterrichtenden Fächer (bzw. Fächerverbünde) als auch die Anzahl an Wochenstunden, mit denen ein Fach (bzw. ein Fächerverbund) in den Jahrgangsstufen einer Schulform unterrichtet wird. Art und Umfang der Unterrichtsfächer können zwischen den einzelnen Schulformen und Schulen (je nach Profilbildung) in den 16 Bundesländern stark variieren, zumal der Begriff „Fach“ neben den klassischen Unterrichtsfächern (wie Deutsch, Englisch, Geschichte, Mathematik etc.) auch berufliche Fachrichtungen (z. B. Sozialpädagogik, Elektrotechnik) und sonderpädagogische Fachrichtungen (z. B. Förderschwerpunkt Sehen, Förderschwerpunkt Hören, Sprachförderung) umfasst. Über die Schulfächer (bzw. Fachrichtungen/Fächerverbünde) wird demnach die inhaltliche Struktur eines schulischen Bildungsgangs organisiert.

Aus dem Bereich der Kunstsparten haben sich heutzutage insbesondere die Bildende Kunst und die Musik im Fächerkanon der meisten Schulformen mehr oder weniger fest etabliert. Entweder als ordentliches Unterrichtsfach oder im Rahmen von Fächerverbünden sind die Fächer Kunst und Musik in den Jahrgangsstufen 1 bis 9 (bzw. 10) in den meisten Stundentafeln der unterschiedlichen Schulformen in den Bundesländern verankert. Wie andere Unterrichtsfächer auch, sind künstlerische Fächer im Rahmen der allgemeinen Schulorganisation dabei in der Regel von folgenden Merkmalen gekennzeichnet:

  • Ausweisung in der gesetzlichen Stundentafel,
  • inhaltliche Legitimation über Lehrpläne,
  • Entwicklung einer fachbezogenen Didaktik,
  • fachbezogene Spezialisierung der Lehrerausbildung und -fortbildung,
  • fachbezogene Ausstattung der Schulen (Fachräume, Sammlungen, Fachliteratur, Medien, etc.),
  • Vorhandensein von Lern- und Arbeitsmitteln für Schüler*nnen und Lehrer*nnen (z. B. von Schulbuchverlagen) und
  • Bewertung von fachbezogenen Schülerleistungen in Schulzeugnissen.

Zwischen den einzelnen Bundesländern und auch Schulen variieren die Ausrichtungen und Fachbezeichnungen von weiteren künstlerischen Fächern stark. Daher können hier nur typische künstlerische Unterrichtsfächer (bzw. Lernbereiche) angegeben werden. Dazu gehören u. a. die Fächer Darstellendes Spiel/Theater, Textilgestaltung oder der Lernbereich Darstellen und Gestalten (z. B. in Nordrhein-Westfalen und Thüringen). Immer öfter werden künstlerische Fächer auch in Fächerverbünden unterrichtet (z. B. „Mensch, Natur und Kultur” an der Grundschule bzw. „Musik-Sport-Gestalten” an der Werkrealschule und der Hauptschule in Baden-Württemberg).

Neben den klassischen Fachausrichtungen haben heutzutage alle künstlerischen Sparten an Bedeutung für die Schulbildung gewonnen. So gibt es an vielen Schulen Klassen mit künstlerischem Profil, sog. Profilklassen oder -zweige (u. a. Musikklassen, Filmklassen, Tanzklassen, Medienklassen, Kunstklassen).

Hauptanliegen der künstlerischen Fächer ist die Ausbildung künstlerischer und ästhetischer Kompetenzen und die Einführung in künstlerisches Denken und Handeln. Neben kunstpraktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten geht es in den künstlerischen Fächern auch um Kompetenzen in den Bereichen der Kunstrezeption und der Reflexion über künstlerische Phänomene. Eine Erziehung und Bildung in den Künsten (education in the arts) geht dabei einher mit einer Bildung durch die Künste (education through the arts), bei der Transfereffekte durch die Auseinandersetzung mit Kunst zum Tragen kommen.

An einer Kulturschule ist die Absicherung der künstlerischen Schulfächer von enormer Bedeutung. Dazu zählt, dass Kunst und Musik sowie Theater oder Gestaltungsfächer in den Stundentafeln nicht nur auf dem Mindestniveau fest verankert sind und durch ausgebildete Fachlehrer*innen angeboten werden, sondern auch, dass die Möglichkeiten im Stundenkontingent ausgeschöpft werden, hier zusätzliche Stunden anzubieten. Eine wichtige Rolle spielt auch, in diesen Unterricht externe Expert*innen der Kulturellen Bildung zu integrieren bzw. außerschulische Orte der Kulturellen Bildung zu nutzen (Unterricht am anderen Ort). Sinnvoll ist es zudem, dass Brücken in das außerunterrichtliche Angebot, z. B. zu künstlerischen Arbeitsgemeinschaften geschlagen werden bwz. die Expertise der künstlerischen Fachlehrer*innen in Projekttage und Exkursionen einfließt. In Kulturschulen haben sich vielfach Profilklassen (Theaterklassen, Bläserklassen) entwickelt, welche die Möglichkeiten von (Wahlpflicht-)Fächern ausschöpfen. Und: Gerade künstlerische Schulfächer bieten sich an, umm fächerübergreifend zu arbeiten.

Zum Weiterlesen
Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit NRW“ (Hrsg.) (2014): Lernen mit Kunst und Kultur - Methoden kultureller Bildung im Fachunterricht. Werkbuch.06. Remscheid.

Fuchs, Max/Braun, Tom (Hrsg.) (2018): Kulturelle Unterrichtsentwicklung. Weinheim/Basel: Beltz-Juventa.

Qualitätstableau kulturelle Schulentwicklung

siehe Strukturen und Instrumente

Rhythmisierung

Rhythmisierung spielt für Kulturschulen in Bezug auf Zeitstrukturmodelle und der internen Lehr-und Lernstruktur eine zentrale Rolle. Rhythmisierung bedeutet eine durchdachte Verteilung der Unterrichtsfächer, der Unterrichtsmethoden und -formen  sowie von Unterricht und Pausen unter der Berücksichtigung neurobiologischer und physiologischer Aspekte des Lernens von Kindern und Jugendlichen. Der Tagesablauf trennt daher zwischen unterschiedlichen Lernformen und zwischen Anspannungs- und Entspannungsphasen.

Im Hinblick auf die halb- oder ganztägige Organisation von Schule wird unterschieden zwischen dem Takt und der Rhythmisierung. Der Takt bezieht sich auf die zeitliche Strukturierung des Schultages. Dazu gehören die Verteilung der Unterrichtsstunden, abwechselnde Unterrichtsformate, die Reihenfolge der Fächer, die zeitliche Dauer einer Unterrichtsstunde von 40‘- bis zu 120‘-Einheiten, die Dauer von Pausen, der Beginn und das Ende des Schultages sowie offener Anfang und ein offenes Ende.

Mit Rhythmisierung ist die interne Lernstruktur innerhalb der vorgegebenen Unterrichtsblöcke gemeint. Dabei geht es zum einen um die äußere Rhythmisierung. Sie äußert sich im Wechsel der Lehr-und Lernformen, wie z. B. Stationenlernen, Gruppenarbeit, frontaler Unterricht u. v. m. Der zweite Aspekt – innere Rhythmisierung – wiederum bezieht sich auf das individuelle Lernen des*der Schüler*in. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass jeder Mensch über einen eigenen Rhythmus verfügt, durch den individuelle Lernprozesse gesteuert werden. Dies beeinflusst das eigene Lerntempo, die eigenen Lernwege, Lernstrategien und die Kommunikationsbereitschaft und -fähigkeit zu anderen Kindern.

Das Wissen um die Bedeutung von innerer und äußerer Rhythmisierung hat in vielen Schulen zur Veränderung des Zeittaktes geführt, weg von der 45-Minuten- hin zu einer mindestens 60-Minuten-Unterrichtsstunde.

Im Zusammenhang mit der kulturellen Schulentwicklung spielt die Rhythmisierung eine wichtige Rolle, sie kann eine strukturelle Unterstützung geben, indem zeitliche Ressourcen sowie organisatorische Gestaltungsfreiheiten ermöglicht werden. Dazu gehören offene Studienzeiten im Unterrichtsalltag, eine Balance zwischen Kopf, Herz und Hand in der Kulturellen Bildung genauso wie die Möglichkeit verschiedene Lernorte zu nutzen. Der Stundenplan ermöglicht Arbeiten in Projektphasen und die Möglichkeit der Umsetzung künstlerischer Vorhaben im fächerübergreifenden Unterricht. Im Sinne eines umfassenden Bildungskonzepts rhythmisieren und integrieren Unterricht und kulturelle Angebote einander ergänzend als gleichberechtigte Lernformen den Alltag.

Zum Weiterlesen
Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit NRW“ (Hrsg.) (2013): Kulturelle Bildung im gebundenen Ganztag – Strukturen, Arbeitsweisen und Gelingensbedingungen in der Sekundarstufe I. Werkbuch.05.02. Remscheid.

Kummer, Nicole (2006): Rhythmisierung neu denken. In: Fachzeitschrift „Lernende Schule”. Ganztagsschule. Nr. 35/2006. Friedrich-Verlag.

Wiarda, Jan-Martin/Tutmann, Linda (2012): Raushalten und Mitmischen. Wissenschaftler versuchen herauszufinden, was vernünftige Eltern und gute Lehrer ausmacht. In: Zeit Online vom 23. August 2012. erschienen in DIE ZEIT Nr. 35/2012.

Schularchitektur und Raumausstattung

Die architektonische Gestaltung und Ausstattung einer Schule ist für den Lernerfolg von besonderer Bedeutung. Expert*innen sprechen sogar vom Raum als drittem*r Pädagog*in. Schließlich führen der Ausbau von Ganztagsschulen und Ganztagsangeboten und die zunehmende Mitwirkung außerschulischer Partner aus Jugendhilfe, Kultur und Sport dazu, dass sich die Anforderungen an die Schule als Ort des Lebens und des Lernens verändern.

Der Bau und die Gestaltung von Schulbauten sind Gegenstand umweltpsychologischer Forschung. Wissenschaftliche Untersuchungen befassen sich seit den 1960er Jahren mit dem Zusammenhang zwischen Architektur und der Lernbereitschaft von Schüler*innen. Untersuchte Aspekte reichen von Design und Ausstattung bis zur Auswirkung der Schulgröße. Die Ergebnisse der umweltpsychologischen Forschung stellen einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Lerneffizienz, der Lernbereitschaft und
-intensität und der baulichen Gestaltung fest. Schulgebäude wirken in unterschiedlichster Weise auf die verschiedenen Sinnensysteme der Kinder. Bewusst oder unbewusst erfährt das Gehirn der Schüler*innen eine ständige Stimulierung durch Gerüche, akustische Reize, taktile und visuelle Phänomene. Schüler*innen, die sich in einem Gebäude wohl fühlen, sind eher geneigt, dem Unterricht zu folgen bzw. ihn aktiv zu gestalten, als wenn sie sich unwohl fühlen (vgl. Rittelmeyer 1994; Borrelmann/Walden 2002). Dies bewirkt positive Veränderungen im Lern- und Sozialverhalten der Kinder, auch einen Rückgang an Konflikten und aggressivem Verhalten.

Eine Schule auf dem Weg zum kulturellen Schulprofil wird vor dem Hintergrund umweltpsychologischer Erkenntnisse auch den räumlichen Gegebenheiten eine besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen. Die Schule ist sich bewusst, dass das Gebäude und seine Räume Botschaften im Hinblick auf den Respekt und die Wertschätzung gegenüber den Nutzer*innenn ausstrahlen, ohne dass sie einen menschlichen Mittler bräuchten. Eine Schule mit kulturellem Profil ermöglicht den Schüler*innen und allen an Schule Tätigen auch durch die Raumkonzeption und -gestaltung Sicherheit und Orientierung. V. a. in Ganztagsschulen, in denen Kinder viele Stunden im Klassenverband und in Gruppen verbringen, muss auch dem Bedürfnis nach Privatheit im räumlichen Angebot entsprochen werden. Es ist wichtig, auf dem Schulgelände und wenn möglich auch in den Klassenräumen Zonen zu schaffen, die den Rückzug von kleineren Gruppen oder sogar von einzelnen Schüler*innen ermöglichen (Borrelbach/Walden 2002: 62).

Eine Schule mit Kulturprofil ermöglicht den Kindern und Jugendliche die aktive Aneignung der „Lernumwelt Schule“. Im Optimalfall können sich die späteren Nutzer*innen ihre Räumlichkeiten schon durch die Beteiligung an der Planung aneignen. Dies wird in den seltensten Fällen möglich sein. Aber Aneignung ist auch mehr als selbst gemalte Bilder an die Wände zu hängen. Die Räume einer Schule mit kulturellem Profil bieten Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten, ermöglichen eine Inbesitznahme.

Die Aneignung des Schulgebäudes und seiner Räume wird in der Schule mit kulturellem Schwerpunkt durch künstlerisch-kreative Gestaltungsprojekte unterstützt. Überall können die Schüler*innen ihre Spuren hinterlassen – nicht durch heimlich gesprühte Graffitis oder Ritzzeichnungen in den Tischkanten – sondern durch gemeinsam entwickelte und umgesetzte kreative Objekte. Gemeinsam mit Künstler*innen ist es möglich, gemeinsame Gestaltungen zu entwickeln, die professionellen Standards entsprechen und die ein positiv prägender Rahmen für schulisches Leben und Arbeiten sind. (vgl. Reeh 2008)

Die Ausstattung einer Schule mit Räumen für künstlerisch-kulturelle Bildung ist abhängig von den Angeboten in den einzelnen Gestaltungsformen. Die Räumlichkeiten sollten den pädagogischen Ansprüchen, aber v. a. auch den methodischen Erfordernissen entsprechen. Dieser Grundsatz bezieht sich sowohl auf die Räumlichkeiten, das Inventar, als auch die Verbrauchsmaterialien.

Zum Weiterlesen
Borrelbach, Simone/Walden, Rotraut (2002): Schulen der Zukunft. Gestaltungsvorschläge der Architekturpsychologie. Heidelberg.

Flade, Antje (1996): Kriminalität und Vandalismus. In: Kruse, Lenelis/Graumann, Carl-Friedrich/Lautermann, Ernst-D. (Hrsg.) (1996): Ökologische Psychologie. Ein Handbuch in Schlüsselbegriffen. Weinheim.

Hammerer, Franz/Renner Clara (2006): Lernen als räumliche Erfahrung – wie Leben und Lernen in der Schule durch architektonische Gestaltung gestützt werden kann. In: „Montessori Österreich“. Organ des Montessori Österreich – Bundesbandes. Nr. 23. Heft 1/2006. S. 10–15.

Reeh, Ute (2008): Schulkunst  –  Kunst  verändert  Schule. Weinheim, Basel: Beltz.

Rittelmeyer, Christian (1994): Schulbauten positiv gestalten. Wie Schüler Farben und Formen erleben. Wiesbaden: Bauverlag.

Rittelmeyer, Christian (2004): Zur Rhetorik von Schulbauten. Über die schülergerechte Gestaltung des architektonischen Ausdrucks. In: DDS – Die deutsche Schule. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Bildungspolitik und pädagogische Praxis. Heft 96/2003. S. 201–208. 

Schulkultur

Geht es um Schule als Ganzes, so wird diese Ganzheit in der Dimension der Schulkultur vertreten. „Schulkultur könnte zunächst verstanden werden als das gelebte Selbstverständnis der an einer Schule beteiligten Menschen, das einerseits von deren Aktionen geschaffen wird, das andererseits bildend auf die Persönlichkeiten und die Strukturen zurückwirkt“ (Braun 2017: 19).

Schulkultur ist somit ein integrativer Teil von Schule und kann auch zum Gegenstand von Schulentwicklungsprozessen gemacht werden, der zielgerichtet verändert wird. Unabhängig davon, ob Schulkultur expliziter Gegenstand von Schulentwicklung ist oder nicht, wird sie bei Schulentwicklungsprozessen immer von Veränderungen betroffen sein. Darauf weisen auch die Dimensionen von Schulkultur hin, so wie sie bspw. der Referenzrahmen Nordrhein-Westfalen aufführt: Demokratische Gestaltung, Umgang mit Heterogenität, schulinterne Kooperation, gestaltetes Schulleben, Gesundheit und Bewegung, externe Kooperation und Vernetzung und Gestaltung des Schulgebäudes und Schulgeländes. „Die Frage, wie es einer Schule gelingen kann, die ästhetisch-kulturelle Dimension und damit die Wahrnehmungs- und Gestaltungsfähigkeit der in einer Schule handelnden Menschen in allen Bereichen des Schullebens in den Mittelpunkt zu stellen, führt daher nicht nur zu einer Auseinandersetzung mit der Struktur und den Rahmenbedingungen der Einzelschule, sondern es ist ihre Schulkultur, die in den Mittelpunkt rückt“ (Braun 2017: 19).

Schulkultur ist also ein unabschließbarer, fortlaufender Aushandlungsprozess, der zu unterschiedlichen „Ergebnissen“ führt, wie etwa der Organisation des Stundenplans,
der eingerichteten Gremien oder die formalen Wege der Mitbestimmung von Eltern  und Schüler*innen betrifft. „Ergebnisse” der Schulkultur sind aber auch Haltungen, Werte und alltägliche Rituale. Schulkultur ist eine fortlaufende und im Zusammenspiel von organisierter Ordnung, akkteursgruppenspezifischen Interessen, individuellen Interessenlagen, dem sozialräumlichen und dem architektonischen Setting sowie der (tradierten) Schulidentität in der Regel unbewusste Form der Organisationsentwicklung einer Schule. Will eine Schule sich auf die Suche nach neuen Möglichkeiten für eine ästhetisch-künstlerische Lernkultur machen, dann gilt es, die unbewusste Schulkultur in einen bewussten und für alle Akteure transparent gestalteten Prozess der Profilentwicklung zu überführen. Es sind vier Felder, die für diesen Prozess einer kulturellen Schulentwicklung ausschlaggebend sind: der schulische Vermittlungsauftrag, die Interessen der schulischen Akteursgruppen und Individuen sowie die organisierte Ordnung der Schule. Die Möglichkeiten ästhetisch-künstlerischer Praxis stellen das vermittelnde Feld dar. Es ist Weg und Ziel zugleich. Durch eine bewusste Planung und gesteuerte Gestaltung dieses künstlerischen Feldes können neue Lern- und Bildungsräume entstehen, in denen sich die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen den schulischen Handlungsrahmen entsprechend ihrer Funktionen und Verpflichtungen aber auch als Individuen selbstbewusst aneignen können.

Welche Lernräume für das schulische Setting mit ästhetisch-künstlerischer Praxis verbunden sind, verdeutlicht sich im Rückgriff auf Anne Bamfords („The Wow-Factor“) Unterscheidung von „Education in the arts“ und „Education through the arts“. Es ist jedoch sinnvoll, diese beiden Dimensionen um zwei zu erweitern. So sprechen etwa Ludwig Stecher und Hermann Josef Abs, beide Universität Gießen, im Mercator-Forschungsprojekt zum Modellprogramm „Kulturagenten für kreative Schulen“ außerdem von „Education for the arts“ und „School change by the arts“:
Für Schulen auf dem Weg zu einem kulturellen Profil bietet der künstlerische Umgang mit Zeichen und Symbolen, Räumen und Rollenzuschreibungen wichtige Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung sowie die Identitätsbildung ihrer Schulgemeinschaft. Kulturschulen schaffen künstlerisch-kulturelle Situationen, in denen die Schulgemeinschaft sich als ein Handlungsfeld erfährt, dem zahlreiche bisher unergriffene Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Fortwährende Aufgabe einer Kulturschule ist es deshalb auch, die tägliche performative Hervorbringung der Schulrealität durch die sich in ihr bewegenden Menschen in den Blick der betreffenden Schulgemeinschaft zu rücken. Die vielfältigen ritualisierten Handlungen im Schulalltag bieten hierfür eine breite thematische Ausgangsbasis.

Zum Weiterlesen
Braun, Tom (2017): Kulturschule und Schulkultur – Raum schaffen für ästhetisches Lernen. In: Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (Hrsg.) (2017): Kulturelle Schulentwicklung: Schlüsseltexte zu Theorie und Praxis. Aufsatzsammlung. Remscheid. S. 19–24.

Fuchs, Max/Gördel, Bettina-Maria/Fischer, Bianca (Hrsg.) (2019): Kulturelle Schulentwicklung gestalten. Konzept, theoretische Hintergründe und Praxismaterialien zur Implementierung. Schulmanagement-Handbuch Band 162. Oldenbourg Verlag.

Helsper, Werner/Böhme, Jeanette/Kramer, Rolf-Torsten/Lingkost, Angelika (2001): Schulkultur und Schulmythos. Gymnasien zwischen elitärer Bildung und höherer Volksschule im Transformationsprozess. Rekonstruktionen zur Schulkultur I. Opladen: Leske und Budrich.

Steuergruppe Kultur

siehe Strukturen und Instrumente

Strukturen und Instrumente

Schulen auf dem Weg zu einem kulturellen Schulprofil stehen vor zahlreichen Anforderungen. Soll künstlerisch-kulturelle Praxis in alle Bereiche des Schullebens Eingang finden, dann müssen die individuellen und institutionellen Routinen sowohl in der Unterrichtsgestaltung als auch in den organisatorischen Rahmenbedingungen wie auch in der professionellen Selbstwahrnehmung der aktiv am Schulleben beteiligten Fachkräfte systematisch weiterentwickelt werden (siehe kulturelle Schulentwicklung). Die zentralen Herausforderungen in der Entwicklung und Umsetzung eines künstlerisch-kulturellen Schulprofils liegen daher

  • in der systematischen Feststellung des Ist-Standes Kultureller Bildung in der Schule,
  • in der Identifizierung der zentralen Interessengruppen,
  • in der Identifizierung der bestehenden Schulidentität bzw. des bestehenden Schulmythos,
  • in der Gewinnung der wichtigsten Schlüsselpersonen (Individuell und Funktion),
  • in der Kommunikation des Mehrwerts einer Verankerung Kultureller Bildung in der Schule für alle Akteure und Akteursgruppen,
  • in der Entwicklung einer Vision für ein künstlerisch-kulturelles Schulprofil,
  • in der Entwicklung eines passgenauen Fahrplans für die Planung und Umsetzung eines künstlerisch-kulturelles Schulprofils,
  • in der Kommunikation mit und in der Einbindung von außerschulischen Kulturpartnern sowie
  • in der fortlaufenden Evaluation und Fortschreibung des künstlerisch-kulturelles Schulprofils.

Zur Bewältigung dieser Aufgaben stehen Schulen auf dem Weg zu einem Kulturprofil eine Reihe von Strukturmodellen und Instrumenten zur Verfügung, die sich in der Praxis vielerorts bereits bewährt haben (vgl. NRW-Studie Kreativpotentiale, Abschlussbericht).

Kulturbeauftragte
Entscheidet sich eine Schule für die Entwicklung eines kulturellen Schulprofils, sollte sie (je nach Größe der Schule) mindestens eine*n „Kulturbeauftragte*n” benennen. In der Regel sind dies Mitglieder des Lehrerkollegiums. Sie werden in ihrer Aufgabe durch die Schulleitung durch regelmäßige Planungsgespräche sowie möglichst durch Entlastungsstunden, ggf. im Rahmen einer Beförderungsstelle, unterstützt. Auch andere pädagogische Fachkräfte aus dem Schulkollegium können mit der Aufgabe eines*einer Kulturbeauftragten betraut werden. Hier muss von der Schulleitung besondere Sorgfalt auf die Einbindung und Anerkennung des*der Kulturbeauftragten im Kollegium verwendet werden. Kulturbeauftragte in der Schule haben demnach umfassende Aufgaben und benötigen Kenntnisse und Fähigkeiten sowohl in der Grundlagen der Schulentwicklung und Moderation als auch in der Kulturellen Bildung und bzgl. der regionalen Kulturlandschaft. Für die außerschulischen Kooperationspartner der Schule fungieren sie als Schnittstelle und sind wichtige Ansprechpartner*innen.

Steuergruppe Kultur
Schulen, die für sich ein kulturelles Schulprofil erarbeiten wollen, sollten eine Steuergruppe einrichten. In dieser Gruppe werden die vielfältigen kulturellen, kreativen und schulischen (methodische, inhaltliche und organisatorische) Kompetenzen durch Repräsentant*innen der Schulleitung, des Lehrerkollegiums, der Schülerschaft, der Kooperationspartner etc. gebündelt. Vielfach heißen diese für die Umsetzung von Kultureller Bildung beauftragten Gruppen daher Steuergruppe Kultur, oder aber, wenn sie in Ergänzung zu einer Steuergruppe existieren, die für die Schulentwicklung im Allgemeinen zuständig ist, Kultur(steuer)gruppe.

Steuergruppen werden in Schulen für einen bestimmten Zeitraum eingerichtet, um Veränderungsprozesse vorzubereiten, zu planen, durchzuführen und zu begleiten. Sie erhalten einen klar formulierten Auftrag mit einem Mandat der Gesamtkonferenz der Schule, in dem die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Steuergruppe festgelegt sind.

Folgende Aufgaben können für die Anbahnung, Planung, Umsetzung und Prozessbegleitung von Veränderungen auf eine Steuergruppe, hier v. a. einer Kultur(steuer)gruppe, übertragen werden:

  • sie erarbeitet Strategien für die systematische und nachhaltige Implementierung Kultureller Bildung und kultureller Schulentwicklung,
  • sie erstellt einen zeitlich abgestimmten Projektplan, der die Umsetzung der festgelegten Ziele sichert, z. B. über einen Kulturfahrplan,
  • sie stellt sicher, dass Entwicklungsprozesse auf der Grundlage eines partizipativen, transparenten und dialogischen Prozesses entstanden sind und dem Prinzip des Ästhetischen folgen,
  • sie koordiniert alle Maßnahmen, die zum Erreichen der Ziele notwendig sind,
  • sie berät bei der Umsetzung der Maßnahmen,
  • sie bereitet Entscheidungen für die Lehrer- und Schulkonferenz vor und trifft Entscheidungen innerhalb ihres Entscheidungsrahmens,
  • sie setzt Impulse, z. B. auch für kreative Umsetzungswege und/oder die Partnerschaft mit kulturell-künstlerischen Expert*innen,
  • sie gewährleistet Transparenz und klare Kommunikationswege,
  • sie kommuniziert den Stand des Entwicklungsprozesses nach außen wie nach innen und entwickelt dazu ein Kommunikationskonzept (Wie wird welche Personengruppe informiert? Wie häufig werden die unterschiedlichen Personengruppen informiert?),
  • sie ist verantwortlich für die Evaluation der Maßnahmen und für deren Auswertung.

Bei der Besetzung der Kultur(steuer)gruppe kann dem Prinzip der Partizipation Rechnung getragen werden, indem alle wichtigen Personengruppen mit beteiligt werden, d. h. Schulleitung, Fachlehrer*innen künstlerischer und nicht-künstlerischer Fächer, Pädagog*innen (des Ganztags), Eltern, Schüler*innen, Vertreter*innen kultureller Bildungspartner.

Kulturfahrplan
Der Kulturfahrplan formuliert das kulturelle Profil einer Schule als Basis des gemeinsamen Handelns – ausgehend von einer Standortbestimmung über die Entwicklung einer langfristigen Vision hinsichtlich Kultureller Bildung bis hin zur Formulierung von konkreten Entwicklungszielen mit den dazu nötigen Umsetzungsmaßnahmen. Er legt dies über mehrere Schuljahre hinweg fest. Ein Kulturfahrplan bündelt demnach alle Ideen und Erfahrungen, entwickelt Ziele und Maßnahmen und bringt eine strukturelle Verankerung der Kulturellen Bildung im Schulalltag mit sich. Er ermöglicht so einen systematischen Planungsprozess und ein Qualitätsmanagement, um Angebote Kultureller Bildung langfristig zu verankern und qualitativ weiterzuentwickeln.

Grundlage für die Entwicklung können Zukunftswerkstätten, Workshops oder pädagogische Tage sein. Für die Entwicklung des Kulturfahrplans braucht es verantwortliche Personen, die den Kulturfahrplan gemeinsam erstellen und regelmäßig überprüfen, beispielsweise die Kultur(steuer)gruppe an der Schule. Unabdingbar sind das „grüne Licht“ von der Schulleitung und der Beschluss der Gesamtlehrerkonferenz. Der Beschluss der Schulkonferenz ebnet den Weg zur Arbeit mit dem Kulturfahrplan.

Der Aufbau des Kulturfahrplans folgt der Zieloperationalisierung. Ausgehend von Leitzielen und untergeordneten Teilzielen werden die einzelnen konkreten Maßnahmen mittels der SMART-Formel beschrieben. Ziele müssen demnach spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und terminierbar sein. Damit diese keine „frommen Wünsche“ bleiben, sind zu jeder Maßnahme Indikatoren zu benennen, an denen sich ablesen lässt, ob und inwieweit die Ziele und Maßnahmen erreicht bzw. umgesetzt wurden.
 
Qualitätstableau kulturelle Schulentwicklung
Das Qualitätstableau kulturelle Schulentwicklung der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung bietet eine komprimierte Übersicht zu allen beteiligten Lernfeldern, Akteuren und Handlungsanforderungen, die zu berücksichtigen sind, damit Kulturelle Bildung im Kern von Schule verankert werden kann. Das Tableau macht die Verzahnung des Lernens des Individuums mit den Voraussetzungen sichtbar, die im Handeln der Länder und Kommunen ebenso wie in der Organisation der Einzelschule, des Unterrichts sowie in der Zusammenarbeit mit dem sozialräumlichen Umfeld geschaffen werden. Das Qualitätstableau verdeutlicht, dass eine Verankerung von Kultureller Bildung in Schule

  • vor dem Hintergrund des subjektorientierten „Lernziels Lebenskunst“ gestaltet werden muss und
  • dieses Ziel ein Zusammenwirken aller Ebenen braucht.

Ebenso macht das Tableau deutlich, dass Kulturschulen in systemischen Netzwerkbeziehungen zu zahlreichen Bildungspartnern des regionalen Umfeldes stehen. Denn eine einzelne Schule allein kann das „Lernziel Lebenskunst“ nicht vermitteln. Sie braucht langfristige und nachhaltige Kooperationen mit Trägern und Einrichtungen der Kulturellen Bildung, mit weiteren Schulen und Kindertagesstätten sowie mit Partnern der Kinder- und Jugendhilfe.

Zum Weiterlesen
Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) (2019): Kulturelle Schulentwicklung. Mit Kunst und Kultur Schule gestalten. Arbeitshilfe.

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) (2019): Qualitätstableau kulturelle Schulentwicklung. Werkzeug.

Haan de, Gerhard/Edelstein, Wolfgang/Eikel, Angelika (2007): Steuergruppe bilden. In: Haan de, Gerhard/Edelstein, Wolfgang/Eikel, Angelika (2007): Qualitätsrahmen Demokratiepädagogik. Demokratische Schulprogrammentwicklung – Konzept und Verfahren. Heft 4. Weinheim und Basel: Beltz.

Huber, Stephan (2011): Handbuch für Steuergruppen: Grundlagen für die Arbeit in zentralen Handlungsfeldern des Schulmanagements. Carl Link Verlag.

Humpert, Markus (o. J.): Klären und Unterstützen. Die Aufgaben einer Steuergruppe.

Plattform Kulturagenten für kreative Schulen: Hrsg. v. Forum K&B gGmbH. www.publikation.kulturagenten-programm.de/onlinepublikation.html

Subjektorientierung und individuelle Förderung

Unsere freiheitliche und demokratische Grundordnung kann nur getragen werden von starken Subjekten, die sich kompetent und selbstbewusst in die Gestaltung der Gesellschaft einmischen. Andererseits ist es genau eine solche Gesellschaftsordnung, die die Rahmenbedingungen dafür bereitstellt und auch bereitstellen muss, dass sich solche starken Subjekte entwickeln können (vgl. Taube 2017). Selbst wenn bekannt ist, dass sich Individualität und Subjektivität nur in sozialen Kontexten entwickeln kann, es sich also nicht um ein isoliertes Individuum handelt, muss jede*r Einzelne sein*ihr Leben selbst leben und kann es nicht delegieren (Gerhardt 2000).

Das öffentlich getragene Bildungs- und Erziehungssystem und insbesondere die Schule müssen daher einen Beitrag dazu leisten, dass sich die Heranwachsenden in entsprechender Weise entwickeln. Ein solches Bildungsziel findet sich nicht bloß im Paragraf 1 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes („Entwicklung einer gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“), es wird so auch in den Zielparagrafen der Schulgesetze der Länder formuliert: Die Entwicklung der Persönlichkeit der Heranwachsenden, das Subjekt also, muss im Mittelpunkt pädagogischer Maßnahmen stehen.

Allerdings spricht man zurecht auch von gesellschaftlichen Funktionen, die die Schule hat. Denn die Absolvent*innen der Schule sollen in der Lage sein, durch eine eigene Arbeit ihren Lebensunterhalt sichern zu können, sie sollen sich an der politischen Gestaltung der Gesellschaft beteiligen, souverän in ihren sozialen Kontexten agieren können und nicht zuletzt die Möglichkeiten des Kulturbereichs für sich nutzen. Helmut Fend (2009) spricht in diesem Kontext von den Funktionen der Qualifikation, der Legitimation, der Selektion und Allokation und nicht zuletzt der Enkulturation.

Man muss allerdings sehen, dass die pädagogische Funktion der Persönlichkeitsentwicklung und die genannten Anforderungen der Gesellschaft an die Schule nicht immer widerspruchsfrei und harmonisch miteinander in Einklang zu bringen sind. Zudem ist die Schule eine Institution mit einer eigenen Handlungslogik, mit spezifischen Entwicklungsangeboten, aber auch mit Einschränkungen und Anforderungen. Man weiß, dass sich Handlungslogik in der Institution verselbstständigen kann, was zulasten der Entwicklungspotenziale der darin agierenden Menschen geht. Der Psychologe Klaus Holzkamp (1993) spricht daher im Anschluss an die Machtstudien von Michel Foucault von einer „disziplinären Einkreisung des Subjekts in der Schule“. Dieses Ausbalancieren von institutionellen und gesellschaftlichen Anforderungen auf der einen Seite und den Ansprüchen auf Subjektivität (der Schüler*innen sowie der Lehrer*innen) auf der anderen Seite ist also eine ständige Herausforderung für alle pädagogischen Institutionen und nicht zuletzt für die Schule.

Kulturelle Bildungsarbeit bietet hier eine gute Möglichkeit, nicht bloß reflexiv mit dieser ambivalenten Situation umzugehen, sondern sie ist in besonderer Weise geeignet, starke Subjekte, von denen oben die Rede war, entwickeln zu helfen. Insbesondere bietet kulturelle Bildungsarbeit die Möglichkeit, dass sich jede*r, der*die daran beteiligt ist, mit eigenen Fähigkeiten, Interessen und Kompetenzen auf dem je individuellen Niveau einbringen kann. Kulturelle Bildungsarbeit ist in diesem Sinne eine Integration von individueller Aktivität in einen sozialen Kontext. Dies bedeutet insbesondere, dass jede*r Einzelne spezifische Entwicklungs- und Fördermöglichkeiten in einer solchen kulturellen Praxis geboten bekommt. Dies gilt für fachübergreifende Projekte, die gemeinsam gestaltet werden und bei denen jede*r eine spezifische, auf ihn*sie zugeschnittene Aufgabe bekommen kann. Es gilt aber auch für die Integration kulturpädagogischer Methoden in den Fachunterricht (Fuchs/Braun 2018). Eine besondere Chance bietet dabei der Kompetenznachweis Kultur.

Zum Weiterlesen
Braun, Tom (Hrsg.) (2011): Lebenskunst lernen in der Schule. Mehr Chancen durch Kulturelle Schulentwicklung. Schriftenreihe Kulturelle Bildung. Vol. 23. München: kopaed.

Fend, Helmut (2009): Schule gestalten. Wiesbaden.

Fuchs, Max/Braun, Tom (Hrsg.) (2018): Kulturelle Unterrichtsentwicklung. Weinheim/Basel.

Gerhardt, Volker (2000): Individualität. Das Element der Welt. München.

Holzkamp, Klaus (1993): Lernen. Frankfurt am Main.

Taube, Gerd/Fuchs, Max/Braun, Tom (Hrsg.) (2017): Handbuch Das starke Subjekt. Schlüsselbegriffe in Theorie und Praxis. Schriftenreihe Kulturelle Bildung. Vol. 50. München: kopaed.

Teilhabe und Partizipation

Teilhabe ist in den letzten Jahren geradezu zu einem Leitbegriff in der Politik geworden. Ein Grund dafür ist darin zu sehen, dass die deutsche Gesellschaft Probleme mit gerechter Teilhabe hat. Grundsätzlich kann zwischen sozialer, politischer, ökonomischer und kultureller Teilhabe unterschieden werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass die genannten Teilhabeformen eng miteinander zusammenhängen. Um Teilhabe zu verbessern, unterscheidet der Sozialpolitikforscher Franz Xaver Kaufmann vier Stellschrauben: eine geografische Bedingung (Erreichbarkeit), eine rechtliche Bedingung (etwa bei politischer Teilhabe die Wahlberechtigung von Zuwander*innen), eine ökonomische Bedingung (z. B. Eintrittskosten) und Bildung. Andererseits kann Bildung erst durch Teilhabe an entsprechenden Aktivitäten entstehen. Bildung und Teilhabe bedingen also einander und liegen daher auf derselben kategorischen Ebene. Sichtbar wird Teilhabeungerechtigkeit in Hinblick auf Bildung, indem PISA regelmäßig zeigt, dass etwa 20 Prozent der getesteten Jugendlichen nur die unterste Kompetenzstufe beim Lesen erreichen. Ökonomische Teilhabe wird durch eine Vielzahl von Armutsrisiken verhindert, wie sie z. B. der Armuts- und Reichtumsbericht aufzeigt. Probleme mit der kulturellen Teilhabe sind u. a. dort erkennbar, wo Nutzerstudien zeigen, wie klein der Anteil der Bevölkerung bei der Nutzung von (öffentlich geförderten) Kultur- und kulturellen Bildungseinrichtungen ist.

Dass es sich bei diesen Problemlagen nicht um Marginalien handelt, ist daran zu erkennen, dass es bei dem politischen Ziel der Sicherstellung von (allen Formen der) Teilhabe um das am höchsten abgesicherte Ziel politischen Handelns geht: Es ist ein Menschenrecht, das nicht bloß in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, sondern auch in den darauf aufbauenden völkerrechtlich verbindlichen Konventionen (Pakt für soziale, ökonomische und kulturelle Rechte, Kinderrechtskonvention, Behindertenkonvention, UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt etc.) gefordert wird. Gerade in der Kulturpädagogik muss aufgrund des engen Zusammenhangs von Bildung und Teilhabe die Verbesserung der Teilhabe im Sinne einer größeren Teilhabegerechtigkeit ein zentrales Ziel sein, zumal sich hier besondere Möglichkeiten anbieten, Teilhabe zu verbessern. Dies gilt insbesondere für Kulturschulen. Da Schulen alle Kinder und Jugendlichen erreichen, ergeben sich durch die Entwicklung eines kulturellen Profils in der Schule ein selbstverständlicher Umgang der Kinder und Jugendlichen mit ästhetischen Ausdrucksformen und eine entsprechende kulturelle Kompetenz. Dies wirkt sich langfristig auf ihre (kulturelle) Teilhabe bis in ihr Erwachsenenalter sowie die nächste Generation aus – v. a. dann, so zeigen Ergebnisse des 2. Jugend-KulturBarometers, wenn schulische Angebote mit außerschulischen Freizeitangeboten verbunden werden.

Für die Schule bedeutet dies bspw., dass möglichst viele Formen von Partizipation praktiziert werden müssen. Insbesondere sind die Schüler*innen an dem Schulentwicklungsprozess zu beteiligen („partizipative Schulentwicklung“). Nützlich sind auch die Arbeitshilfen, die in den Projekten zu einer demokratischen Schule entwickelt worden sind. Auch im Unterricht sollte inzwischen ein partizipativer Lehrstil Standard sein, wobei natürlich die Anforderungen des Lehrplans Grenzen setzen.

Zum Weiterlesen
Becker, Helle (2014): Kulturelle Bildung in Jugendarbeit und Schule – Partizipation ist ein Schlüsselthema. Onlinemagazin Kultur macht Schule. hrsg. v. Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung.

Fuchs, Max (2012): Kulturelle Bildung als Menschenrecht. In: Bockhorst, Hildegard/Reinwand-Weiss, Vanessa-Isabelle/Zacharias, Wolfgang (Hrsg.) (2012): Handbuch Kulturelle Bildung. Schriftenreihe Kulturelle Bildung. Vol. 30. München: kopaed.

Fuchs, Max (2019): Das gute Leben in einer wohlgeordneten Gesellschaft. Bildung zwischen Kultur und Politik. Weinheim/Basel: Beltz-Juventa.

Maedler, Jens (Hrsg.) (2008): TeileHabeNichtse. Chancengerechtigkeit und kulturelle Bildung. Schriftenreihe Kulturelle Bildung. Vol. 4. München: kopaed.

Typen kultureller Schulentwicklung

Schulen, die sich auf dem Weg zum Kulturprofil befinden, stehen an unterschiedlichen Punkten im Prozess, der jeweils auch andere nächste Schritte nach sich zieht. Dazu ist es hilfreich, ein Modell zu nutzen, um einerseits bereits vorhandene Ressourcen und Potenziale sichtbar zu machen und zum anderen Entwicklungspotenziale aufzuzeigen. Als ein solches Modell wurden Typen kultureller Schulentwicklung (Fuchs/Gördel/Kelb 2019) entwickelt. Das Modell eignet sich als Orientierungshilfe sowohl für Schulen, die am Anfang kultureller Schulentwicklung stehen, als auch für bereits erfahrene Schulen.

Die „Typen” sind verdichtete Abbildungen einer vielfältigen Realität. Sie können unterstützen, Realitäten zu strukturieren und Komplexität zu reduzieren und können in der Praxis bei der eigenen Orientierung und Verortung helfen. Die Typen sollen dabei helfen, den eigenen Standort zu bestimmen und von dort aus längerfristige Entwicklungsziele sowie mittel- und kurzfristige Zwischenziele zu setzen.
 
Das Modell unterscheidet vier Typen: Kulturaktive Schule (Typ A), Kulturelle Schulentwicklung partiell (Typ B), Kulturelle Schulentwicklung intensiv (Typ C), Kooperative Kulturschule (Typ D). Die Typen beschreiben Strukturen und Prozesse kultureller Schulentwicklung auf dem Weg hin zu einer Kulturschule. Dazu machen sie Aussagen zu Strukturen und Prozessen in vier Gestaltungsbereichen: unterrichtliche und außerunterrichtliche Aktivitäten, Organisation und Kooperation, Personal und Haltung sowie Schulkultur.

In diesen Gestaltungsbereichen bauen die vier Typen aufeinander auf. Das heißt, der jeweils nachfolgende Typ weist neben neuen Struktur- und Prozessmerkmalen auch die des vorgenannten Typs auf. Daher sind die vorangegangenen Merkmale jeweils als Mindestvoraussetzung für die nächste Stufe zu betrachten.

Zum Weiterlesen
Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) (2019): Kulturelle Schulentwicklung. Mit Kunst und Kultur Schule gestalten. Arbeitshilfe.

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) (2019): Typenmodell kultureller Schulentwicklung. Werkzeug.

Fuchs, Max/Gördel, Bettina-Maria/Kelb, Viola (2019): Typenmodell kultureller Schulentwicklung. In: Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) (2019): Kulturelle Schulentwicklung. Mit Kunst und Kultur Schule gestalten. Arbeitshilfe. S. 47.

Überfachlichkeit und MINT

Die Rede von den „Zwei Kulturen“ geht auf den Physiker und Schriftsteller Charles Percy Snow und sein gleichnamiges Buch aus dem Jahr 1963 zurück. Snow beklagte, dass sich die naturwissenschaftliche und die literarische Kultur einander verständnislos gegenüberstehen. In der deutschen geistesgeschichtlichen Tradition ist an den Philosophen und Pädagogen Wilhelm Dilthey zu erinnern, der am Ende des 19. Jahrhunderts einen wichtigen Beitrag dazu geleistet hat, dass es eine solche scharfe Trennung gibt. Seine These: Die Natur erklären wir, das Seelenleben verstehen wir. Er wehrte sich gegen einen grassierenden Positivismus, der aufgrund der Erfolge der Naturwissenschaften nunmehr auch auf die Geisteswissenschaften übertragen werden sollte. Als geisteswissenschaftliche Methode entwickelte er die Hermeneutik. Diese Trennung hatte durchaus gravierende Folgen. Zum einen verschärfte sie den Gegensatz zwischen dem (deutschen) auf das Geistige bezogenen Kulturbegriff und dem (französischen und englischen) Begriff der Zivilisation, der die Naturwissenschaften und insbesondere die Technik mit einbezog.

Diese Problematik ist bis heute aktuell und betrifft die ästhetische Bildung und damit auch die Kulturschule in mehrfacher Hinsicht. Zum einen betrifft es die Dominanz einer nur noch quantitativ vorgehenden Wissenschaft, wobei man weiß, dass insbesondere ästhetische Praktiken und ihre pädagogischen Wirkungen nur begrenzt auf diese Weise untersucht werden können. Zum anderen betrifft es das Verhältnis der naturwissenschaftlichen und der kultur- und geisteswissenschaftlichen Fächer in der Schule. Wenn eine Kulturschule auch im Kernbereich von Schule, nämlich im Unterricht, das Prinzip Ästhetik anwenden will, was bedeutet, dass künstlerisch-kreative Methoden auch in den naturwissenschaftlichen Fächern angewendet werden sollen, dann muss dieser behauptete Gegensatz zwischen den beiden Kulturen überwunden werden.

In der Tat kann gezeigt werden, dass in einer historischen Perspektive ein solcher Gegensatz nicht existiert hat. Vielmehr sind viele naturwissenschaftliche Glanzleistungen bei führenden Repräsentant*innen immer in Verbindung mit einem ästhetischen Denken und einer ästhetischen Praxis entstanden. Man denke nur an die bedeutenden Persönlichkeiten der Renaissance und der frühen Naturwissenschaften, die eine solche Trennung von Kunst und (Natur-)Wissenschaft überhaupt nicht verstanden hätten.

Auch im Hinblick auf ein angemessenes Verständnis von Lernen gibt es inzwischen zahlreiche Erfahrungen, die belegen, dass mit einer Einbeziehung künstlerisch-kreativer Methoden in der Mathematik oder in den Naturwissenschaften das Lernen und Lehren in diesen Bereichen verbessert werden kann. Wir brauchen uns nur daran zu erinnern, dass der erste und primäre Zugang des Menschen zur Welt ein sinnlicher Zugang ist, der – wie es etwa der Physikdidaktiker Martin Wagenschein immer wieder gezeigt hat – auch wesentlich für das naturwissenschaftliche Erkennen ist.

Zum Weiterlesen
Bock, Stephan (2019): Kulturelle Unterrichtsentwicklung = Besser Lernen mit allen Sinnen. Onlinemagazin Kooperationen und Bildungslandschaften. Ausgabe Juni 2019. hrsg. v. Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ).

Fuchs, Max (2018): Zusammenführen, was zusammengehört: Der naturwissenschaftlich-mathematische und der ästhetische Blick auf die Welt. Vortrag bei der Veranstaltung „ARTübergreifend“ am 05. Dezember 2018 in der Junior-Uni in Wuppertal. hrsg. v. Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ).


Als Autor*innen haben am Glossar mitgewirkt

Braun, Tom; Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung
Freund, Stina; Staatlich anerkannte Bühnendarstellerin, derzeit Fachlehrerin an einer Grundschule mit Leitung des Fachbereichs Kunst
Fuchs, Max; Universität Duisburg-Essen
Gördel, Bettina-Maria, Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ)
Hübner, Kerstin, Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ)
Kelb, Viola
Liebig, Volkmar; Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ)
Münter, Ulrike; Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ)
Norrenbrock, Maria; Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ)
Schorn, Brigitte; Arbeitsstelle Kulturelle Bildung NRW
Schuh, Tobias; Arbeitsstelle Kulturelle Bildung NRW
Stute, Dirk; Arbeitsstelle Kulturelle Bildung NRW
Wibbing, Gisela; Arbeitsstelle Kulturelle Bildung NRW
Witt, Kirsten; Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ)

Unter Mitwirkung von: Fischer, Bianca; Freund, Lena-Marie; Prautzsch, Susanna M.; Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ)

Das Glossar ist nicht statisch, es wird regelmäßig überarbeitet. Stand: Oktober 2019.

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