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Interview

Kinder und Jugendliche vor Gewalt auch im digitalen Raum schützen

08.11.23

Ein Schutzkonzept, das Handlungssicherheit für Akteur*innen geben möchte, muss den digitalen Raum einbeziehen. Warum ist das so wichtig und wie ist dieser Raum zu greifen? Im Gespräch wird deutlich, wie sich die kulturelle Kinder- und Jugendarbeit diesen Fragen nähern kann.

Im Gespräch mit Uschi Tepaße und Maren Ranzau

Uschi Tepaße ist Vorsitzende des Fachausschusses Prävention und Kindeswohl der BKJ. Sie ist hauptberuflich als Geschäftsführende Bildungsreferentin der LAG Zirkuspädagogik NRW tätig. Für die BAG Zirkuspädagogik ist sie im Fachausschuss aktiv.

Maren Ranzau ist stellv. Vorsitzende des Fachausschusses Prävention und Kindeswohl der BKJ. Sie ist stellv. Geschäftsführerin der Landesvereinigung Kulturelle Bildung Hessen e. V. und koordiniert das Förderprogramm Kulturkoffer.

Wir können Kinder nicht schützen, aber wir können uns für ihren Schutz einsetzen. Fakt ist: Kinder und Jugendliche sind im digitalen Raum unterwegs. […] Wir schauen hin und geben Werkzeuge zur Prävention, ggf. auch zur Intervention, an die Hand.

Maren Ranzau und Uschi Tepaße

2020 wurde das erste dachverbandliche Schutzkonzept der BKJ beschlossen. Dies war ein Meilenstein für die Kulturelle Bildung und hat ein wichtiges Thema im Sinne der Kinderrechte ins Rollen gebracht. Wie ist der Prozess im Verband bis zur Verabschiedung des Schutzkonzepts gelaufen?

Im Frühjahr 2018 traf sich der BKJ-Fachausschuss „Prävention und Kindeswohl“ zum ersten Mal mit dem konkreten Auftrag aus der Mitgliederversammlung der BKJ, ein dachverbandliches Schutzkonzept zu erstellen. Vertreter*innen aus den unterschiedlichsten Organisationen und Sparten beteiligten sich an der Formulierung des Schutzkonzeptes. Hervorzuheben ist, dass unabhängig des Wissensstandes zum Thema „Prävention und Kindeswohl“ das Engagement jeder*s einzelnen Teilnehmer*in bei der Erarbeitung des Schutzkonzeptes sehr hoch war. Der Prozess stand dabei jederzeit im Vordergrund. Daraus resultierend war die Verabschiedung durch die BKJ-Mitglieder zwei Jahre später tatsächlich ein großer Meilenstein.

Noch im Jahr 2021 gab es […] nur wenige Organisationen und Einrichtungen, die sich mit dem Thema „Prävention und Kindeswohl“ beschäftigt bzw. schon ein Schutzkonzept erstellt haben. […] jetzt, Ende 2023 […] können wir sehen: Das Thema ist in der Kulturellen Bildung gesetzt!

Maren Ranzau und Uschi Tepaße

Wo steht die kulturelle Kinder- und Jugendarbeit jetzt, Ende 2023, mit dem Thema – wieviel Verantwortungsbewusstsein für den Schutz junger Menschen wurde in den Strukturen geschaffen?

Die Prioritätensetzungen und letztlich auch Ressourcen, die für dieses Thema zur Verfügung stehen, sind sehr unterschiedlich. Noch im Jahr 2021 gab es ‒ festgestellt durch ein Stimmungsbild während der BKJ-Mitgliederversammlung ‒ nur wenige Organisationen und Einrichtungen, die sich mit dem Thema „Prävention und Kindeswohl“ beschäftigt bzw. schon ein Schutzkonzept erstellt haben. Als wir das Stimmungsbild jetzt, Ende 2023 nochmal wiederholt haben, können wir sehen: Das Thema ist in der Kulturellen Bildung gesetzt!

Was glauben Sie, ist im Vorgehen bei der verbandlichen Auseinandersetzung besonders wichtig?

Besonders wichtig ist der informelle Austausch, der zu jedem Fachausschuss gehört. Hier werden in einem geschützten Rahmen Fallbeispiele besprochen, über Hürden diskutiert und sich gegenseitig, bei persönlichen Anliegen, Hilfestellungen gegeben. Die Sensibilisierung in der Breite ist uns ein besonderes Anliegen.

Was ist Ihnen als gutes Beispiel aus der Praxis und den Strukturen im Gedächtnis geblieben?

Als gute Beispiele aus der Praxis können wir die Wimmelbilder der LAG Zirkuspädagogik NRW und der Deutschen Bläserjugend nennen. Wimmelbilder werden seit vielen Jahren in der Prävention eingesetzt: Sie können eine Hilfestellung für Akteur*innen sein, um ins Gespräch zu kommen. Die Kinder und Jugendlichen wiederum werden animiert, über die dargestellten Szenen zu sprechen und diese zu reflektieren.

Gerade, im November 2023, hat die BKJ eine überarbeitete Version des dachverbandlichen Schutzkonzepts mit Präventionsthemen im digitalen Raum veröffentlicht. Warum war die Überarbeitung notwendig und mit welchen Fragen haben Sie sich dafür beschäftigt?

Spätestens seit der Pandemie ist klar, dass der digitale Raum Teil unseres Lebens ist. Daher war die Überarbeitung des Schutzkonzepts in dieser Hinsicht mehr als notwendig. Der erste Schritt war, uns Expertise in Form eines Impuls-Referats zu holen. Hier wurde besonders deutlich, dass sich Kinder und Jugendliche explizit Hilfe in brenzlichen Situationen wünschen. Als nächstes haben wir versucht, den digitalen Raum zu fassen. Als „Non-Digital-Natives“ ist das gar nicht so einfach, zu begreifen, dass die Grenzen zwischen analog und digital fließend sind. Es ist sehr viel zielführender einen Raum zu definieren und sich nicht an einzelnen Tools abzuarbeiten. Daraus ergibt sich, dass mit der gleichen Logik und den gleichen Leitfragen wie im analogen Raum gearbeitet werden kann.

Der digitale Raum kann besonders für junge Menschen identitätsstiftend sein. Sind die empowernden Potenziale von Digitalität für junge Menschen mit den vielschichtigen Gefahren von Cybermobbing bis hin zu sexuellen Übergriffen überhaupt in Einklang zu bringen?

Wir können Kinder nicht schützen, aber wir können uns für ihren Schutz einsetzen. Fakt ist: Kinder und Jugendliche sind im digitalen Raum unterwegs. Es ist allerdings der ausdrückliche Wunsch von Kindern und Jugendlichen, dass Erwachsene ansprechbar sowie sprachfähig sind. Wir schauen hin und geben Werkzeuge zur Prävention, ggf. auch zur Intervention, an die Hand. Für Akteur*innen ist es wichtig zu wissen, dass wenig Transparenz, fehlende Kontrolle sowie fehlende Zuständigkeiten Schlupflöcher für Täter*innen bieten.

Unser Wunsch ist, alle Arten von Kindeswohlgefährdungen einzudämmen und Betroffene bestmöglich zu unterstützen.

Maren Ranzau und Uschi Tepaße

Was empfehlen Sie Fachkräften verschiedener Ebenen und Tätigkeitsbereiche, die sich mit dem Thema Kindeswohl beschäftigen wollen? Gibt es einen allgemeingültigen „ersten Schritt“?

Der erste Schritt sollte immer das Gespräch sein. Miteinander reden auf allen Ebenen und mit allen gemeinsam. Auf Augenhöhe. Das Thema „Prävention und Kindeswohl“ ist für viele Menschen angstbesetzt. Unserer Erfahrung nach ist es erleichternd, sich diesem Thema über Austausch und Gespräche zu nähern. Eine typische Aussage nach einer themenrelevanten Fortbildung ist: „Ich hatte ein wenig Angst vor der Fortbildung. Aber wie gut, dass wir drüber geredet haben. Jetzt habe ich eine Idee davon, was wir zukünftig tun können“.

Ab Anfang 2024 wird die BKJ im Rahmen des neues Förderprojekts „Start2Act“ Bedarfe und Leerstellen aufgreifen und eine Vielzahl an Weiterbildungs- und Vernetzungsmöglichkeiten für die Prävention von (sexualisierter) Gewalt ermöglichen. Wo sehen Sie die größten Bedarfe und was wäre Ihr Wunsch für das Feld der Kulturellen Bildung in den kommenden drei Jahren der Projektlaufzeit?

Individuelle Unterstützung für einzelne Organisationen bei der Erstellung eines Institutionellen Schutzkonzeptes erscheinen uns unabdingbar. Auch die fortlaufende Weiterbildung einzelner Akteur*innen halten wir für wichtig. Dieser Prozess ist vergleichbar mit der wiederholten Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs.

Netzwerkarbeit ist eine gute Chance, nicht nur innerhalb der Kulturellen Bildung, sondern auch beim Austausch mit verwandten Disziplinen wie Sport und politische Bildung sowie mit Jugendämtern. Zudem ist das Verschränken der Expertisen wichtig, damit Präventionsarbeit ineinandergreift. Prävention kann die Dauer von (sexualisierter) Gewalt abkürzen oder beenden. Unser Wunsch ist, alle Arten von Kindeswohlgefährdungen einzudämmen und Betroffene bestmöglich zu unterstützen.

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Zitiervorschlag

BKJ: Kinder und Jugendliche vor Gewalt auch im digitalen Raum schützen
https://www.bkj.de/grundlagen/wissensbasis/beitrag/kinder-und-jugendliche-vor-gewalt-auch-im-digitalen-raum-schuetzen/
Remscheid und Berlin, .

  • Prävention/Kinderschutz

BKJ-Inhalt

Typo: 796

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