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Aus der Praxis

Spielen, probieren und wild improvisieren

„Spielplatz Kunst“ − ein Projekt von spielmitte e. V., Halle/Saale

27.07.22

Junge Menschen brauchen Begegnungsorte zum Austausch und für ihre Interessen. Ein Hallenser Kinder- und Jugendtheater schafft mit der Förderung „Aufholpaket Kulturelle Bildung“ Experimentier- und Entfaltungsräume für Kinder und Jugendliche − und den notwendigen Ausgleich zur Pandemie-Erfahrung.

Von Christiane Walde

Sie sitzen zusammen und überlegen, wie sie die nächste Szene umsetzen. Die Spielleitung schlägt ein paar Übungen vor. Es folgen Improvisationen und spielerische Erprobungen. Feste Texte werden nicht benötigt, stattdessen werden Mimik, Gestik, Bewegung und Interaktion geschult. Für ein halbes Jahr traf sich der spielklub jede Woche in der Innenstadt von Halle zum freien Spiel. „Hier wird Theater gespielt, probiert und wild improvisiert“, hieß es in der Einladung. Das freie Kinder- und Jugendtheater spielmitte e. V. hat durch die Förderung „Aufholpaket Kulturelle Bildung“ verschiedene offene Formate umgesetzt, um Kindern und Jugendlichen niedrigschwellig und unverbindlich die Gelegenheit zu geben, sich im Theaterspiel und in kreativen Werkstätten auszuprobieren.

Ich möchte definitiv weiter machen, weil es mir richtig viel Spaß gemacht hat und ich mich auch wohl gefühlt hab. Ich habe viel übers Improvisieren und auch übers Überwinden gelernt. Jetzt weiter zu machen, kann einem nur guttun.

spielklub-Teilnehmer

Mitten in der Pandemie, im März 2022, setzten sie ihr Programm unter dem Titel „Spielplatz Kunst“ an. Das Konzept ist mehrteilig: Es gab eine offene Kunstwerkstatt, in der u. a. mit dem Alltagsmaterial Pappe kreativ gearbeitet wurde, und es gab zwei Theatergruppen, die spielklubs. „Wir hatten schon lange die Idee, mit wöchentlichen, offenen Werkstätten zu arbeiten. Die Nachfrage nach unseren festen, kontinuierlich arbeitenden Theatergruppen ist groß. Aber sie bieten eher weniger die Möglichkeit, einfach nur reinzuschnuppern, um festzustellen, ob das Theaterspielen etwas für einen ist. Mit dem offenen Angebot wollten wir auch Kinder und Jugendliche erreichen, die nicht nur aufgrund des Engagements ihrer Eltern von uns erfahren“, sagt die Ansprechpartnerin für das Projekt Lisa Böttinger vom Verein spielmitte.

Mit Theaterspiel stärken

spielmitte e. V. besteht seit 2012 und ist inzwischen ein wichtiger theaterpädagogischer Akteur der Stadt Halle. Hervorgegangen ist er aus dem Theaterjugendklub des damaligen Kinder- und Jugendtheaters Thalia. Das Theater will explizit ein Ort sein, der junge Menschen über einen langen Zeitraum in ihrer Entwicklung begleitet und bestärkt, der ihre Lebenswirklichkeiten einbezieht und eine lebendige Auseinandersetzung mit ihren Fragen sucht. Mit der Theaterarbeit will der Verein Kindern- und Jugendlichen Impulse geben: „Das Theaterspiel ist unglaublich bereichernd. Es ist persönlichkeitsbildend und bietet eine tolle Möglichkeit, sich zu entfalten. Auch das Emanzipatorische daran gefällt mir. Die Kinder und Jugendlichen lernen sich selbst und ihre Möglichkeiten kennen und wachsen dabei über sich selbst hinaus. Das hat viel Potenzial“, so Lisa Böttinger.

Folglich ging es in der Kunstwerkstatt und in den beiden spielklubs auch viel ums Zuhören. In den spielklubs war nicht vorgesehen, auf eine Aufführung hinzuarbeiten. Dadurch sollten die Teilnehmer*innen möglichst frei ins Spiel kommen können und sich zwanglos dem Theaterspiel annähern. Die Teilnehmer*innen entwickelten sich zu einer eingeschworenen Gemeinschaft. Eine Gruppe erarbeitete sogar noch eine kleine Präsentation. Sie wird nach dem offenen Projekt als feste Theatergruppe weitermachen. Und auch aus dem zweiten spielklub werden einige in eine vorhandene Gruppe übergehen. Ein Teilnehmer berichtet begeistert: „Ich fand es generell richtig cool, dass spielmitte neue Angebote hat und ich fand es einfach richtig gut, wie es umgesetzt wurde. Ich möchte definitiv weiter machen, weil es mir richtig viel Spaß gemacht hat und ich mich auch wohl gefühlt hab. Ich habe viel übers Improvisieren und auch übers Überwinden gelernt. Jetzt weiter zu machen, kann einem nur guttun.“

Mit dem Thema Angst auseinandersetzen

In der Gruppe Kunstwerkstatt arbeiteten die acht bis 16-jährigen Werkstattteilnehmer*innen zum Thema „Angst“ und entwickelten aus den entstandenen Arbeiten eine Ausstellung. „Das Thema hört sich vielleicht etwas negativ an. Aber die Gruppe war sich da recht schnell einig und hat sich sehr konzentriert mit dem Thema auseinandergesetzt“, fasst Lisa Böttinger zusammen. Die tiefgründige Auseinandersetzung ist für die Erziehungswissenschaftlerin trotz der Schwere des Themas ein wichtiger Erfolg für das Projekt, denn die offene Kunstwerkstatt lief anfangs eher schleppend an. „Die Kinder und Jugendlichen hatten viele Termine und waren zum Teil überfordert. Aufholen wird von ihnen auf allen Ebenen verlangt, sodass wir mit unserem offenen Programm wenig Verbindlichkeit erzeugen konnten“, sagt Lisa Böttinger. Das änderte sich mit der Zeit. Der Verein möchte die offenen Werkstätten auch in Zukunft beibehalten und weiterentwickeln. „Wir sehen, dass die jungen Menschen solche Orte brauchen. Besonders nach der Pandemie. Das Aufholpaket hat hier wichtige Unterstützung geleistet. Es ist wichtig, dass die Projekte langfristig angelegt sind und wir nicht nur mit kurzfristigen Angeboten helfen“, beschreibt Lisa Böttinger, und fügt hinzu: „Man merkt an den Kindern und Jugendlichen, dass sie noch Zeit brauchen, um die Pandemie zu verarbeiten und dass sie wirklich verheerende Auswirkungen auf die Psyche von jungen Menschen hatte.“

Den Teilnehmerkreis weiter öffnen

Kinder- und Jugendtheater kann viel bewirken, ist sich Lisa Böttinger sicher. Die Kinder und Jugendlichen arbeiten gemeinsam in den Gruppen, gelangen darüber in einen offenen Austausch und erleben gegenseitige Unterstützung. Diese positiven Erfahrungen waren auch feststellbar, als sie das Projekt noch kurzfristig erweitert haben: In einem Hort im Stadtteil Glaucha boten sie ab April wöchentlich Theaterworkshops an. „Die Grundschulkinder machten begeistert mit. Am Ende haben wir ganz ambitioniert sogar Romeo und Julia aufgeführt. Diese Arbeit würden wir gern verstetigen“, so Lisa Böttinger.

Auch ukrainische Flüchtlinge hat spielmitte e. V. versucht mit seinem Programm im Frühjahr zu erreichen. Flyer wurden übersetzt und in Flüchtlingsunterkünften ausgelegt. „Die Nachfrage war erstmal nicht da, sie hatten zu dieser Zeit mit anderen Themen und Fragen zu tun. Aber wir bleiben dran und überlegen uns, wie wir sie einbeziehen können. Wir versuchen den Teilnehmerkreis immer weiter zu öffnen und so noch mehr Kindern und Jugendlichen die positive Erfahrung des Theaterspiels zu ermöglichen.“

Wir sehen, dass die jungen Menschen solche Orte brauchen. Besonders nach der Pandemie. Das Aufholpaket hat hier wichtige Unterstützung geleistet. Es ist wichtig, dass die Projekte langfristig angelegt sind und wir nicht nur mit kurzfristigen Angeboten helfen.

Lisa Böttinger

Gemeinsam mit ihren Mitgliedern fördert die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) im „Aufholpaket Kulturelle Bildung“ Projekte, die Gemeinschaftserlebnisse ermöglichen, Freude bringen, Ankommen ermöglichen und kulturelle Teilhabe und Engagement unterstützen. Diese Förderung wird durch das Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ der Bundesregierung aus Mitteln des Kinder- und Jugendplanes des Bundes ermöglicht.

Zitiervorschlag

BKJ: Spielen, probieren und wild improvisieren
https://www.bkj.de/weitere-themen/wissensbasis/beitrag/spielen-probieren-und-wild-improvisieren/
Remscheid und Berlin, .

Förderung im „Aufholpaket Kulturelle Bildung“ der BKJ in Kooperation mit BKJ-Mitglied:

Bundesarbeitsgemeinschaft Spiel und Theater

Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Spiel und Theater ist der Dachverband für die Theaterarbeit mit und von Kindern und Jugendlichen in der Bundesrepublik Deutschland. Kindern und Jugendlichen ermöglicht der Verband in vielfältigen Formaten bundesweit und auf internationaler Ebene künstlerisch-ästhetische Theaterpraxis, -reflexion, -organisation und -innovation. Die dachverbandliche Ausrichtung der Theaterarbeit orientiert sich wesentlich an aktuellen Herausforderungen in sozialen Kontexten und wirkt auf mehreren Ebenen: Struktur, Subjekt, Gesellschaft. Das beinhaltet die Umsetzung von Recht auf Teilhabe und Kulturelle Bildung, gesellschaftliches Mitwirken und Gerechtigkeit. Den Mitgliedsverbänden gibt die BAG Spiel und Theater über die Praxis-Theorie-Reflexion Impulse für fachliche Qualifizierung und innovative Weiterentwicklung der Angebotsstruktur. Für Multiplikator*innen bietet sie Aus- und Weiterbildung sowie transnationale und interdisziplinäre Projekte und Vernetzung.

Grundlegende Orientierung des Dachverbands ist die Beförderung von Demokratie, das zivilgesellschaftliche Mandat und die Vertretung des „Internationalen Übereinkommens über das Verhalten und zur Ethik von Theaterpädagoginnen und Theaterpädagogen“ (ÜVET).

Aktivitäten

Die BAG Spiel und Theater ist Zentralstelle für den Kinder- und Jugendplan/BMFSFJ, ConAct (Koordinierungsstelle Deutsch-Israelischer Jugendaustausch) und die Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch (DRJA).

Publikationen

Zeitschrift für Theaterpädagogik
erscheint zweimal jählrich
www.bag-online.de/zeitschrift-fuer-theaterpaedagogik

Ömer Adıgüzel, Ute Handwerg, Gerd Koch (Hrsg.) (2014): Theater und community – kreativ gestalten! Drama ve Toplum – Yaratıcı Biçim Vermerk! Deutsch-Türkische Kooperationen in der Kulturellen Bildung / Kültürel Eğitim Alanında Türk-Alman İş Birliği. Schriftenreihe Kulturelle Bildung. München: kopaed.

Kontakt

Bundesarbeitsgemeinschaft Spiel und Theater e. V.
Simrockstraße 8
30171 Hannover
Telefon +49 (05) 11 - 45 81 799
Fax: +49 (0) 511 - 45 83 105
Mail info(at)bag-online.de
Web www.bag-online.de

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