In den PISA-Studien wird neben den drei Kernkompetenzen Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften jeweils eine weitere Kompetenz getestet. Bei der aktuellen Befragung ist es das kreative Denken. Das gelte als Voraussetzung, um mit Veränderungen umgehen zu können – in allen Lebensbereichen. Kreatives Denken, so heißt es, könne künftige kreative Leistungen besser vorhersagen als Intelligenz. Und: Kreativität könne trainiert werden.
Aufgaben, mit denen das kreative Denken getestet wurden, waren beispielsweise, zu überlegen, wie das Bewusstsein über die Bedeutung von Bienen gestärkt werden kann sowie das Ausdenken eines Dialogs für einen Comic. Abgefragt wurden auch kreativitätsbezogene Merkmale der Schüler*innen: ihre Selbstwirksamkeitserwartungen hinsichtlich kreativen Denkens, die kreativen Aktivitäten innerhalb und diejenigen außerhalb der Schule, ihre Offenheit für kreatives Denken und ihre Offenheit für Ästhetik (Kunst, Musik). Auf Schulebene wurde nach dem kreativen Schulklima und dem kreativen Potenzial der Schüler*innen gefragt.
Deutschland schneidet in der Sonderauswertung zum kreativen Denken durchschnittlich ab im Vergleich zu den OECD-Staaten, ähnlich wie Spanien, Frankreich, die Niederlande und Israel. 78 Prozent der Jugendlichen in Deutschland bringen mindestens jene Voraussetzungen mit, um im späteren Berufsleben kreativ denken zu können. Die aktuelle Auswertung zeigt, dass die Fähigkeit zum kreativen Denken insbesondere in Deutschland wesentlich mit den drei Kernkompetenzen zusammenhänge.
Offenheit für intellektuelle Herausforderungen, neue Erfahrungen oder ästhetische Empfindungen sowie kreative Aktivitäten und Selbstwirksamkeitserfahrungen seien per se wichtige förderliche Faktoren für die Entwicklung kreativen Denkens (Diedrich/Patzl/Todtenhöfer/Lewalter 2024f:4), heißt es im Bericht.
In der Pressemitteilung des Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) an der Technischen Universität München (TUM) anlässlich der Veröffentlichung der Ergebnisse heißt es, es gehe im Kern darum, ob und wie sich Jugendliche eine originelle Idee ausdenken, andere Ideen weiterentwickeln oder mehrere Ideen zur gleichen Frage haben könnten. Das sei relevant, um, soziale und naturwissenschaftliche Probleme zu lösen und sich schriftlich und visuell auszudrücken.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger betonte in der Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), dass kreatives Denken eine der Zukunftskompetenzen sei, um das eigene Leben und die Gesellschaft mitgestalten zu können. Aufgrund der attestierten Zusammenhänge mit den drei Kernkompetenzen bleibe die Sicherung dieser eine wichtige bildungspolitische Aufgabe, heißt es. Christine Streichert-Clivot, Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und Ministerin für Bildung und Kultur des Saarlandes, formuliert in derselben Mitteilung ergänzend: „Rechnen, Lesen, Schreiben, sind wichtige basale Kompetenzen: Kreative Fähigkeiten und der Umgang mit der digitalen Welt müssen zukünftig noch hinzukommen. Ungewöhnlich denken, Einfallsreichtum und Innovationen werden die Antworten auf die Herausforderungen der Transformation sein müssen, damit Kinder und Jugendliche ein selbstbestimmtes und glückliches Leben führen können.“ Programme wie „Schule macht stark“ und „Leistung macht Schule“ sowie das Startchancen-Programm würden die „kreativen Bereiche“ stärken, wird betont.
Über das kreative Denken und die Förderung in den Kernfächern hinaus, so lässt sich aus Perspektive der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) formulieren, ist die Kreativität im umfassenden Sinne zu fördern. In den Angeboten der Kulturellen Bildung entstehen Räume für Perspektivwechsel, fürs Experimentieren, für das sinnliche Erfahren, das Erproben, Erlernen und Vertiefen, für Selbstwirksamkeitserfahrungen und für Gemeinschaft, unter anderem nach den Prinzipien von Freiwilligkeit, Partizipation und Diversität. Junge Menschen werden hier ermutigt, Visionen zu entwickeln und im alltäglichen Leben gesellschaftliche Entwicklungen mitzugestalten. Die außerschulischen Angebote der kulturellen Kinder- und Jugendbildung, jene, die in Kooperation mit Schule stattfinden sowie die künstlerischen Schulfächer leisten hierfür einen wichtigen Beitrag.
Quellen
Diedrich, Jennifer; Patzl, Sabine; Todtenhöfer, Pia; Lewalter, Doris (2024): Kreatives Denken in Deutschland und im internationalen Vergleich. Kurzbericht der Ergebnisse der innovativen Domäne aus PISA 2022. Waxmann.
Pressemitteilung des BMBF: „Kreatives Denken bei Schülerinnen und Schülern in Deutschland gut ausgeprägt – Innovative Erhebung der PISA-Studie 2022” (18.06.2024)
Pressemitteilung des Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) an der Technischen Universität München (TUM): „PISA-Studie: Jugendliche in Deutschland beim kreativen Denken im Mittelfeld” (18.06.2024)
Nachricht „Bundesverband Musikunterricht und Verband deutscher Musikschulen wehren sich gegen Reduzierung der künstlerischen Schulfächer“ (04.03.2024)
Nachricht „Deutscher Musikrat zur PISA-Studie: ‚Künstlerische Schulfächer stärken!‘“ (11.12.2023)
Nachricht „Aufruf für Kampagne #BildungIstMehralsPISA: Zivilgesellschaftliche Akteure sind wichtige Bildungspartner“ (07.12.2023)