Zur Nachahmung empfohlen: kreative Unterrichtspraxis und Kooperationen
Interview mit Julia Heisig und Heide Schönfeld
Interview mit Julia Heisig und Heide Schönfeld
Heide Schönfeld hat vom 1.8.2011 bis zum 30.11.2019 als Projektmanagerin für das Projekt „Kunstlabore“ der MUTIK gGmbH gearbeitet.
Julia Heisig hat vom 1.2.2016 bis zum 30.11.2019 als Projektmanagerin für das Projekt „Kunstlabore“ der MUTIK gGmbH gearbeitet.
Julia Heisig: In der kulturellen Bildungslandschaft gibt es sehr viele Modellprojekte, die über einen Zeitraum X gefördert und durchgeführt werden, die dann in der Regel mit einer Abschlussdokumentation oder einem Film enden. Für die Entwicklung von „Kunstlabore“ haben wir uns über diese Einzelprojekte hinaus die Frage gestellt: Wie können wir Materialien, Formate und Herangehensweisen künstlerischer Arbeit in Schulen aus fünf Sparten digital zur Nachnutzung zur Verfügung stellen? Immer mit dem Ziel, noch mehr Kulturelle Bildung und künstlerische Projekte an Schulen zu etablieren.
Julia Heisig: Pro Sparte bestehen die Labore, also das Kunstlabor Bildende Kunst, das Kunstlabor Theater, das Kunstlabor Tanz usw. eigentlich immer aus den Künstlern und Künstlerinnen und aus den Schulen, die daran beteiligt sind, aus den Schülerinnen und Schülern, den Lehrer*innen und aus den Leuten, die in der Schule mit eingebunden sind, z. B. Sozialarbeiter*innen. Zusammengearbeitet haben wir mit Partner*innen aus fünf Kunstsparten (1), die alle aus der Praxis kommen und – ganz wichtig –, die auch schon wirklich lange künstlerisch in Schulen arbeiten. Es ging uns darum, Methoden und Herangehensweisen zu zeigen, die sich bewährt haben und durch langjährige Erfahrung mittlerweile eine hohe Qualität haben. In den Laboren wurden diese Prozesse erprobt, reflektiert, diskutiert, angepasst und schließlich mit Fotograf*innen, Filmer*innen und Prozessbegleiter*innen dokumentiert und aufgearbeitet, sodass die Materialien für die Website entstehen konnten. Seitens MUTIK haben wir alle Beteiligten – die Partnerorganisationen mit Künstler*innen, Tänzer*innen, Kulturvermittler*innen, Musiker*innen, Literaturvermittler*innen, Theaterpädagog*innen und die Schulen mit den Lehrer*innen – immer wieder zusammengebracht, den Austausch befördert und die Materialentwicklung gesteuert. Das war wichtig, denn wann tauschen sich schon mal das Literaturprojekt und das Tanz- oder Theaterprojekt intensiv spartenübergreifend aus und vergleichen ihre Ansätze, ihre Herangehensweisen?
Heide Schönfeld: MUTIK hat dafür einen übergreifenden Gesamtprozess entwickelt und implementiert. Wir haben in mehrere Phasen gearbeitet: In der Entwicklungsphase ging es darum, die eigene Arbeit in den Laboren zu beobachten, zu reflektieren, gemeinsam zu schauen mit uns, aber eben auch spartenübergreifend mit den anderen Künstlern. Wir haben gefragt: Welche Formate eignen sich besser für den Transfer als andere? Welche künstlerischen Strategien und Herangehensweisen gibt es, die auch transferfähig sind? Und wie lassen sich diese Arbeitsweisen, Formate und Methoden in digitalem Material darstellen, sodass sie für andere auch nachvollziehbar sind. Im zweiten Schritt ging es dann darum, Prototypen zu entwickeln und damit in Schulen zu gehen, die bisher noch nicht zum jeweiligen Netzwerk gehören, um dort das Ganze anhand des Materials auszuprobieren und die Praxistauglichkeit zu testen.
Julia Heisig: Es soll möglichst konkretes Material sein – für alle, die etwas selber machen möchten. Es ist eine Webseite entstanden, die sich theoretisch jeder angucken und auf die alle zugreifen können. Neben Filmen, Fotos, Erfahrungsberichten und Beschreibungen gibt es ganz viel Downloadmaterial, wie Leitfäden, Projektkonzepte oder bestimmte Methoden. Zum Teil können die Lehrer*innen die Ansätze alleine umsetzen, z. B. die Ansätze im Kunstlabor Literatur, meistens ist es jedoch in Zusammenarbeit mit einem Künstler oder eine Künstlerin gedacht. Genau wie die ganze Seite, steht alles unter freien Lizenzen. Jeder kann damit weiterarbeiten, ohne dass er Angst haben muss: ist jetzt irgendwie ein Copyright drauf und darf ich das überhaupt weitergeben.
Heide Schönfeld: Die Plattform kann aber niemanden davon befreien, Zeit und Engagement aufzubringen. Die Akteure müssen trotzdem eine Eigenleistung vollbringen, eine eigene Idee entwickeln, damit das Material für sie von Nutzen ist. Künstlerisches Arbeiten ist eben nicht etwas, das ich mal schnell mit in die Freistunde oder in die Vertretung nehmen und nur mit einem Arbeitsblatt umsetzen kann. Es bedeutet immer einen gewissen Mehraufwand und es braucht ein Interesse, das zu tun. Ich erinnere mich an eine Lehrerin im Labor Literatur, die sagte: „Ja, natürlich ist es mehr Aufwand. Aber wenn ich hinterher sehe, was dabei rauskommt, dann lohnt sich dieser Aufwand um so vieles, dass ich es auf jeden Fall wieder tun würde.“ Letztendlich geht es darum, Bildung anders zu denken.
Julia Heisig: Mit den Kunstlaboren wollen wir nicht Schulkultur per se verändern. Das wäre ein anderer Fokus. Wir wollen zeigen: Fangt mal an. Macht mal. Es muss nicht unbedingt gleich ein komplexer Prozess wie kulturelle Schulentwicklung sein, sondern es sind einzelne Dinge, die möglich sind. Ich würde sagen, wenn die Schulentwicklung das große Ganze ist, dann haben wir mit der Lupe auf diesen Aspekt geguckt: Wie funktioniert eigentlich künstlerisches Arbeiten zwischen Künstler*innen, Schüler*innen und Lehrer*innen? Und natürlich gibt es O-Töne von Schüler*innen, die beweisen, was die Projekte bei ihnen bewirken: sie sind selbstbewusster und können im Team besser agieren.
Heide Schönfeld: Unser Partner für zeitgenössischen Tanz, TanzZeit, arbeitet mit einigen Schulen bereits längerfristig zusammen. Dort ist Tanz mittlerweile auf ganz vielen Ebenen implementiert. Dadurch verändert sich dann auch Unterricht: Physikunterricht oder Englischunterricht wird mit künstlerischen, in dem Fall mit tänzerischen Mitteln gemacht. Oder: Im Kunstlabor Bildende Kunst gab es in einem Format eine Künstlerin, die ein Atelier an einer Schule hatte. Allein, dass es diesen Raum gab, hat die Schule verändert. Schüler*innen sind am Nachmittag dort freiwillig hingekommen, weil sie ihre eigenen Ideen verwirklichen konnten, weil die Künstlerin ihre Ideen aufgegriffen und sie unterstützt hat. Lehrer*innen sind in das Atelier gekommen, um zu fragen, ob sie nicht zusammen im Physikunterricht das Thema Lichtbrechung und Prismen bearbeiten wollen.
Wenn es solche Räume länger gibt, dann kann das eine Schule auf jeden Fall verändern, auf andere Fächer übergreifen, einen anderen Bezug der Jugendlichen zur Schule herstellen, einfach, weil sie sich da selber mit ihren Interessen und ihren Talenten viel aktiver einbringen können und gesehen werden.
Kunstlabore war bis Ende 2019 eine digitale Plattform für kreative Bildung in Schulen. Sie verfügte über Unterrichtsmaterialien, Checklisten für Kooperationen zwischen Schule und Kultur, Video-Tutorials und Erfahrungsberichte aus der Praxis. Sie richtete sich an Lehrer*innen, Kulturschaffende und alle Interessierten an qualitätsvoller kreativer Bildung. Alle Informationen können noch abgerufen werden.
(1) Die Materialien sind in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen aus fünf Kultursparten entstanden: Das Kunstlabor Bildende Kunst „KLAUS – das Kunstlabor an und mit Schulen“ von der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz; das „Kunstlabor Literatur“ von der Gemeinschaft zur Förderung von Kinder- und Jugendliteratur e. V.; das „Kunstlabor Musik“ vom Zukunftslabor der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen; das „Kunstlabor Tanz“ von TanzZeit e.V.; das „Kunstlabor Theater“ von der BürgerStiftung Hamburg und dem Land Hamburg, vertreten durch die Behörde für Schule und Berufsbildung und die Behörde für Kultur und Medien.
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