Zukunftsorientierung im Museum heißt Nachhaltigkeit partizipativ gestalten
kubi im Gespräch mit Carola Rupprecht und Jakob Ackermann, Bundesverband Museumspädagogik e. V.
kubi im Gespräch mit Carola Rupprecht und Jakob Ackermann, Bundesverband Museumspädagogik e. V.
Von Franziska Sternsdorf
Jakob Ackermann, M. A., ist Vorsitzender des Landesverbands Museumspädagogik Bayern e. V. und Sprecher der Fachgruppe Bildung für nachhaltige Entwicklung im Bundesverband Museumspädagogik. Seit 2012 ist er Museumspädagoge am Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim.
Carola Rupprecht ist seit 2012 Leiterin der Abteilung Bildung und Vermittlung im Deutschen Hygiene-Museum Dresden. Sie war im Modellprojekt „Kulturelle Bildung – Lernen im Museum“ aktiv und ist Sprecherin der BNE-Fachgruppe im Bundesverband Museumspädagogik.
Carola Rupprecht: Das Thema Nachhaltigkeit ist für Museen kein neues Thema, aber wir haben wahrgenommen, dass es in den letzten Jahren eine ganz neue Bedeutungsdimension bekommen hat, weil es nicht mehr nur auf ökologische Fragen beschränkt ist. Bildung für nachhaltige Entwicklung ist vielmehr ein gesamtgesellschaftlicher Bildungsansatz. Mit der Gründung der Fachgruppe möchten wir herausfinden, was die Museen zur Umsetzung dieses Bildungsansatzes beitragen können.
Wir erfahren BNE in der Museumsarbeit mit Kindern und Jugendlichen grundsätzlich besonders wirksam, wenn Museumspädagogik als Bildung und Vermittlung emanzipatorisch empowernd ist und ganz konstruktiv mit den Kindern an ihrer Lebenswelt und der Zukunft arbeitet.
Jakob Ackermann
Jakob Ackermann: Nachhaltigkeit und BNE werden zur Realisierung der globalen Nachhaltigkeitsziele zunehmend top down an den Bildungs- und Kulturbereich herangetragen, weil es einen gesellschaftlichen Kulturwandel braucht, um hier Fortschritte zu machen. In der Museumswelt und unserem Verband gibt es aber auch viele Akteur*innen, die sich bottom up für ökologische oder soziale Nachhaltigkeit engagieren. Deshalb suchen wir nun nach konkreten Anschlussmöglichkeiten und überlegen, wie wir unsere Formate, Methoden, Inhalte und die Arbeit mit Kooperationspartnern entsprechend gestalten können. Im Austausch mit anderen Verbänden und Arbeitskreisen planen wir bis Ende 2022 ein Konzeptpapier zu verfassen, wie wir als Bundesverband Museumspädagogik unsere Rolle zur Umsetzung der Sustainable Development Goals (SDGs) verstehen.
Carola Rupprecht: Bei der Tagung haben wir die Kernfragen der Fachgruppe aufgegriffen: Was zeichnet Bildung für nachhaltige Entwicklung aus und in welchem Verhältnis steht sie zur Kulturellen Bildung? Ist das schon BNE, was wir machen oder fehlt da noch etwas? Museen gehen sehr unterschiedlich an das Thema heran, z. B. durch das inhaltliche Aufgreifen ökologischer und sozialer Fragen. Aber auch das SDG 4 „Hochwertige Bildung“ ist sehr anschlussfähig in der Museumsarbeit. Insofern stellt sich nicht nur die Frage nach den Inhalten, die transportiert werden sollen, sondern auch danach, wie die Vermittlung gestaltet werden soll. Inklusive und partizipative Vermittlungsansätze sind gefragt, um neue Perspektiven auf Museumsinhalte zu gewinnen und Museen als Orte zu gestalten, in denen wir über die Herausforderungen der Gegenwart nachdenken können.
Jakob Ackermann: Wir haben auf der Tagung festgestellt, dass Museen bereits didaktisch über sehr viele Möglichkeiten verfügen, um die Förderung von Gestaltungskompetenz in den Mittelpunkt ihrer Bildungsarbeit zu stellen, was ja ein Hauptziel von BNE ist. Inhaltlich finden sich meist einfach Bezüge – entscheidend ist aber, wie die Formate zukunftsgewandt und aktivierend gestaltet werden können, egal ob Führung, Ausstellung oder Mitmachaktion. Gemeinschaftlich mit den Nutzer*innen der Museen fragen wir: Wie können wir uns als Teile der Gesellschaft an Veränderung beteiligen?
Carola Rupprecht: Der sogenannte Whole Institution Approach ist wichtig, denn es ist unglaubwürdig in Bildungsangeboten eine nachhaltige Entwicklung zu thematisieren, ohne dabei auch die eigene Institution in den Blick zu nehmen. Dabei wird jedoch schnell deutlich, dass es eine Reihe von Zielkonflikten gibt. Baue ich z. B. eine Klimavitrine, damit das Exponat die besten Bedingungen hat und erhöhe damit aber die CO2-Bilanz? Oder hole ich die beliebten Leihgaben, mit denen ich viele Besucher erreiche, aber erzeuge eine große Reisetätigkeit? Hier sind Aushandlungsprozesse notwendig und eine Reflexion darüber, wie Museen ihre spezifischen Potenziale am besten für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen können.
Jakob Ackermann: Dabei ist uns auch wichtig, dass nicht nur ökologische Aspekte in den Blick genommen werden, sondern dass auch soziale Nachhaltigkeit sowie lokale und globale Perspektiven in der Institution ganzheitlich aufgegriffen werden. Was passiert u. a. mit dem ständig weiter Sammeln von Exponaten? Können wir z. B. durch Raum- oder Speicherbeschränkungen nachhaltiger sammeln? Wieviel Mobilität ist für unsere Arbeit notwendig? Solche Aushandlungen können als Vorbild für die notwendigen Diskussionen in der Gesellschaft dienen.
Jakob Ackermann: Wir erfahren BNE in der Museumsarbeit mit Kindern und Jugendlichen grundsätzlich besonders wirksam, wenn Museumspädagogik als Bildung und Vermittlung emanzipatorisch empowernd ist, also ganz konstruktiv mit den Kindern an ihrer Lebenswelt und der Zukunft arbeitet. Der „Leitfaden Bildung und Vermittlung im Museum gestalten“, den wir mit dem Deutschen Museumsbund zusammen veröffentlicht haben, greift das auch auf.
Carola Rupprecht: Es gibt viele unterschiedliche BNE-Angebote in zahlreichen Museen. Besonders spannend finden wir z. B. die Arbeit des Historischen Museums Frankfurt oder des Salzburg Museums, die beide neue partizipative Vermittlungsansätze entwickelt haben. Auf unserer Jahrestagung wurde auch thematisiert, dass sich Jugendliche im Bereich Nachhaltigkeit oft gut auskennen, aber selbst nicht entsprechend handeln. Als Museen sollten wir versuchen diese Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln zu verringern, indem wir junge Menschen nicht als Einzelpersonen, sondern als Peergroup ansprechen und einen Gestaltungsspielraum für Selbstwirksamkeit und gemeinsame Veränderung sichtbar machen.
Jugendliche kennen sich im Bereich Nachhaltigkeit oft schon gut aus, aber handeln nicht unbedingt danach. Als Museen sollten wir versuchen diese Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln zu verringern, indem wir junge Menschen nicht als Einzelpersonen, sondern als Peergroup ansprechen und einen Gestaltungsspielraum für Selbstwirksamkeit und gemeinsame Veränderung sichtbar machen.
Carola Rupprecht
Jakob Ackermann: Es gibt bereits bei den meisten Museen einschlägige Kooperationspartner, z. B. den Bund Naturschutz oder die Geflüchtetenhilfe, aber auch enge Abstimmungen mit Trägern der jeweiligen Kommunen, u. a. bei Stadtmuseen, die ihre Rolle für die Stadtgesellschaft reflektieren. Museen nehmen sich auch zunehmend selbst als Akteur wahr. In der Museumswelt wird breit diskutiert, inwiefern Museen ihre Stimme erheben können und auch sollten. Ihnen wird in der Gesellschaft ja eine hohe Deutungshoheit zugesprochen. Das spiegelt sich dann auch in Fachgruppen und Initiativen auf lokaler und europäischer Ebene wider, z. B. die „Happy Museums – Nachhaltigkeit konkret!“ oder „Making museums matter“. Auch mit Fridays for Future wird zusammengearbeitet und es gibt ein Spin-Off „Museums for Future“. Etienne Denk, ein Sprecher von Fridays for Future, hat in der Rückschau auf unsere Jahrestagung gesagt: „Das Toolkit, das Museen haben, ist der Traum eines jeden Communicators“ (2022). Das deckt sich sehr mit unserer Perspektive und wir arbeiten daran, das auch selbstbewusst für uns übersetzen zu können.
Quelle
Denk, Etienne (2022): In: Standbein Spielbein – Museumspädagogik aktuell. Heft 117. Zeitschrift. hrsg. v. Bundesverband Museumspädagogik.
Der Beitrag ist erstveröffentlicht in: Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (2022): Nachhaltigkeit – schaffen wir das, erschaffen wir was?, kubi – Magazin für Kulturelle Bildung. No. 22-2022. Berlin. S. 50 – 53.
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