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Zukunft Bildungslandschaft?! Mehr Kinder- und Jugendorientierung, Beteiligungskultur und Teilhabegerechtigkeit
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Zukunft Bildungslandschaft?! Mehr Kinder- und Jugendorientierung, Beteiligungskultur und Teilhabegerechtigkeit

Tagung, 16./17. Mai 2019 in Berlin

veröffentlicht:

In den letzten 15 Jahren hat sich in Bildungslandschaften viel getan. Bildungslandschaften sind vielerorts Teil der politischen und pädagogischen Infrastruktur. Aber: Werden sie ihrem Anspruch gerecht, für Kinder und Jugendliche ihnen gemäße Bildungsangebote zu schaffen und strukturell zu vernetzen?

Dieser Frage geht das Forschungsprojekt „Lokale Bildungslandschaften im empirischen Blick. Die kulturelle Kinder- und Jugendbildung im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe“ (2017–2019) nach, das durch die Stiftung Deutsche Jugendmarke gefördert wurde. Auf einer Fachtagung der Projektpartner – der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) mit der Universität Kassel, Fachgebiet „Erziehungswissenschaft, Soziale Arbeit & außerschulische Bildung“ – zum Abschluss des gemeinsamen Forschungsprojektes wurden dessen Ergebnisse und weitere wissenschaftliche Erkenntnisse sowie Erfahrungen von Verbänden und Verwaltung, miteinander erörtert:

  • Inwieweit können Bildungslandschaften ein Zukunftsmodell sein, um Kindern und Jugendlichen ihnen gemäße Bildungsbiografien und -angebote zu ermöglichen?
  • Welche Formen von Bildungsnetzwerken sind besonders anschlussfähig an die Prinzipien der non-formalen Bildung wie Persönlichkeitsentwicklung, Partizipation, Emanzipation, Diversität, Subjekt- und Stärkenorientierung?
  • Welche Bedeutung haben innerhalb der Bildungslandschaften die Akteure der Kinder- und Jugendhilfe insgesamt und der kulturellen Kinder- und Jugendbildung im Besonderen?
  • Wie können die Akteure Bildungslandschaften bestmöglich in ihren Zielen für Kinder und Jugendliche unterstützen?

Diese Fragen diskutierten 110 Vertreter*innen der Wissenschaft, aus Verbänden und Kommunen, von Stiftun-gen und aus der Praxis der Kinder- und Jugendarbeit. Im Folgenden finden Sie Zusammenfassungen der Beiträge und Diskussionen.

Tagungsbericht „Zukunft Bildungslandschaft?! Mehr Kinder- und Jugendorientierung, Beteiligungskultur und Teilhabegerechtigkeit“, Tagung, 16./17. Mai 2019 in Berlin

Begrüßung und Einführung

Prof.in Dr.in Susanne Keuchel, BKJ, und Prof. Dr. Werner Thole, Universität Kassel

Die beiden Partner der Tagung und des Forschungsprojektes betonten im Rahmen der Eröffnung, dass es bei dem Praxisforschungsprojekt um eine (selbst-)kritische Analyse gehe. Das Konzept „Bildungslandschaft“ sei dahingehend zu reflektieren, was wirklich erreicht wurde und ob der Weg für die Kulturelle Bildung ein tragfähiger ist – konzeptionell und strukturell. Als Teil der Kinder- und Jugendarbeit sehe sich die BKJ in der Verantwortung, hier den Diskurs mit anderen Bereichen der Kinder- und Jugendarbeit voranzubringen. Neben inhaltlichen Fragen und der jugendpolitischen Perspektivierung ginge es auch um die Vernetzung von Praxis und Forschung.

Vorträge, Gesprächsrunden, Keynotes

Ausgehend von einer zentralen Frage – „Was macht Bildungslandschaften kinder- und jugendgerecht?“ – stellte Prof.in Dr.in Gunda Voigts zunächst dar, dass Kinder- und Jugendarbeit gemeinsam mit der (Ganztags-)Schule nach wie vor neben der Familie eine große Rolle im Aufwachsen spielen. An diesen außerschulischen Orten, zu denen Kulturelle Bildung zentral zähle, seien die Kinder und Jugendlichen Gestalter*innen und Akteur*innen. Nicht zuletzt der subjektbezogene Blick (der Kinder- und Jugendarbeit) „auf Bildungsprozesse im Lebenslauf relativiert die Bedeutung formaler Bildungsinstitutionen und öffnet ihn für neue und andere Lernorte und Bildungsgelegenheiten.“ (12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung 2005)

Gerade im Zuge der Diskussion um Ganztagsschule und Bildungslandschaften sei relevant, ob es der Kinder- und Jugendarbeit gelungen sei, sich ausreichend Entgrenzungstendenzen zu entziehen, d. h. sich mit einem klaren Profil in die Debatte einzubringen und sich nicht vereinnahmen zu lassen. Kritisch sei nicht die Ganztagsschule an sich, sondern die Verdichtung der Lernzeiten und Steigerung der Bildungsansprüche an junge Menschen in Schule. Dabei hat sich – vor dem Hintergrund ihrer Ziele – die Ganztagsschule als bisher gering wirksam gezeigt.

Notwendig sei aus ihrer Sicht – auf Grundlage des 15. Kinder- und Jugendberichts – die Perspektive von Jugendlichen als Akteur*innen, auch im Rahmen von Bildungslandschaften. Das Jugendalter dürfe demnach nicht als Phase der Integration junger Menschen in festgeschriebene gesellschaftliche Strukturen und Institutionen missverstanden werden und nicht institutionell überformt werden. Die Lebensphase Jugend müsse vielmehr die Option eröffnen, Bestehendes infrage zu stellen, um damit wichtige Veränderungsimpulse zu ermöglichen. Voraussetzung dafür ist, junge Menschen als kompetente Akteur*innen in dieser Gesellschaft zu akzeptieren. Das gelingt nur durch Partizipation von Kindern und Jugendlichen und ein neues Verhältnis zu Erwachsenen, die ihre Gestaltungsmacht reduzieren müssten.

Ina Bielenberg, Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB)
Tom Braun, Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ)
Peter Lautenbach, Deutsche Sportjugend (dsj)
Lisi Maier, Deutscher Bundesjugendring (DBJR)

In einer Gesprächsrunde wurden die Aspekte der Bildungslandschaften aus unterschiedlichen Perspektiven der Kinder- und Jugendbildung in den Blick genommen.

Alle Beteiligten betonten ihre Grundlage für Bildungslandschaften: einen ganzheitlichen Bildungsbegriff. Lisi Maier vom DBJR wies dennoch darauf hin, dass nicht alles unter den Bildungsbegriff untergeordnet werden könne und entsprechend auch Bildungslandschaften nicht die einzige Perspektive im Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen sei – es gehe der Jugend(verbands)arbeit um Bildung, aber um noch viel mehr. Peter Lautenbach (dsj) führte ergänzend aus, dass mit dem regelrechten Hype um „Bildungslandschaften“ die Hoffnung verbunden sei, den Begriff Bildung aus dem reinen Schulsetting herauszulösen. Leider hätten sich diese Erwartungen nicht erfüllt. Diese habe in der Folge sogar dazu geführt, dass Bildungslandschaft im Bereich der Jugendarbeit heute einen eher negativen „Touch“ hätte.

Tom Braun (BKJ) setzte dem entgegen, dass er sich wehre, den Begriff der Bildungslandschaften preiszugeben. Seine Forderung vielmehr: die Konzepte müssten weiterentwickelt werden! Lisi Maier warf diesbezüglich die Frage auf, ob sich die Träger und Akteure der außerschulischen Bildung nicht zu sehr auf Schule konzentrieren würden und ob Bildungsnetzwerke nicht anders gedacht werden sollten. Auch diesen Punkt hob Peter Lautenbach hervor, da viele außerschulische Akteure nur als Dienstleister und nicht als Gestalter eingebunden seien.

Alle Beteiligten der Gesprächsrunde betonten, dass eine zentrale Herausforderung sei, mehr Partizipationsmöglichkeiten innerhalb der Bildungslandschaften zu sichern. Die Akteure vor Ort seien mit zu vielen Ansprüchen konfrontiert und sehr alleine gelassen – hier gelte es, im Verbund der Jugendarbeit und auch von Bundesebene den Rücken zu stärken. Schon viel früher hätten Koalitionen außerhalb der Schule gebildet werden und die Kommunen als Partner der Jugendarbeit verstanden werden müssen. Dabei gehe es im Zuge dieser Koalitionen aber weniger um die Institutionen, als vielmehr um die Kinder und Jugendliche und die Vertretung ihrer Interessen.

Die Teilnehmer*innen des Gesprächs zeigten sich skeptisch und selbstkritisch der aktuellen Praxis von Bildungslandschaften gegenüber. Sie teilten jedoch die Grundhaltung und Hoffnung, dass sich die Bildungslandschaften noch wandeln könnten – hin zu mehr Freiräumen und mehr Partizipation.

Ziel des Forschungsvorhabens war es, einen empirischen Überblick über bestehende Bildungslandschaften zu gewinnen, um in einem nächsten Schritt Modelle von Bildungslandschaften zu typisieren und Formen des Einbezugs der Kulturellen Bildung und der Kinder- und Jugendhilfe zu untersuchen. In einem dritten Schritt sollten Formate und Umsetzungspraxen lokaler Bildungslandschaften inhaltlich beschrieben werden.

Zunächst stellten die Forscher*innen ihre Arbeitsdefinition von Bildungslandschaften vor: „Netzwerke aus verschiedenen professionellen Akteuren, die mindestens formale und non-formale Orte der Bildung, des Lernens, der Betreuung und Erziehung in einem geografisch begrenzten Ort kohärent miteinander zu verschränken versuchen, um das Bildungssystem in einem territorial begrenzten Gebiet zu optimieren. Je nach räumlicher Dimensionierung können regionale, kommunale und lokale Bildungslandschaften unterschieden werden.“

Dabei entschieden sie sich bewusst für eine Definition, die auf inhaltlich-konzeptionelle Aspekte verzichtet.

Im weiteren Verlauf gingen die Referierenden auf die (Selbst-)Darstellungen von Bildungsnetzwerken, wie sie sich im Internet in einer Vollerhebung recherchieren ließen, ein. Die Mehrzahl der 497 im Rahmen der Internetrecherche gefundenen Bildungsnetzwerke, wurden dabei durch entsprechende Bundes- oder Landesprogramme initiiert (ca. 82 Prozent). Die am häufigsten anzutreffenden Bildungsnetzwerks-Typen sind auf formal-struktureller Ebene solche, die als Kern der Koordination eine Lenkungsgruppe unter Beteiligung oder Leitung von Kommune oder Landkreis vorsehen.

Folgende formale Typen wurden sichtbar:

  • Basis-Modelle kommunal gesteuerter Bildungsnetzwerke – wie Bildungsnetzwerke mit Fokus auf öffentliche Träger; multidimensionale, zivilgesellschaftlich ergänzte Bildungsnetzwerke; „Meta-Netzwerke“, schulfokussierte Bildungsnetzwerke
  • Zivilgesellschaft fokussierende Bildungsnetzwerke – z. B. Kiez-/Quartiersbezogene Bildungsnetzwerke, Interessenverbände der ortansässigen Unternehmen, von Stiftungen initiierte Netzwerke
  • „Netzwerke ohne Netzwerkbildung“ – zeigen sich in fehlender Gesamtkonzeption und/oder mangelnden Angaben zu beteiligten Akteuren außerhalb der Steuerungsebene und oder einer Bildungsberichterstattung ohne Hinweise auf gemeinsam erarbeitete Zielvorstellungen

Die Beteiligung von Kultureller Bildung und Kinder- und Jugendarbeit stellt sich wie folgt dar: In 59 Prozent der Netzwerke sind Akteure aus der Kinder- und Jugendarbeit benannt. Akteure von Jugendkunst- und Musikschulen sowie weitere kulturell-ästhetische Projekte sind in 35 Prozent der Netzwerke vertreten.

Als Themenschwerpunkte von Bildungslandschaften werden am häufigsten „Frühe Bildung und Übergangsgestaltung Kita-Grundschule (66 Prozent)“ genannt, an 20. Stelle steht die Demokratieförderung mit 8 Prozent. Der „Nutzen“ von Bildungslandschaften in Hinsicht auf Übergänge und Employability spielen insgesamt eine sehr wesentliche Rolle. Die Kulturelle Bildung als dezidierter Schwerpunkt zeigt sich in 20 Prozent der Bildungslandschaften präsent. Insgesamt zeigen sich Verbindungen zwischen der partizipativen Orientierung von Bildungslandschaften (17 Prozent) mit der Beteiligung von Trägern der Kulturellen Bildung und der Kinder- und Jugendarbeit. Ein ähnlicher leichter Zusammenhang lässt sich hinsichtlich Sozialraumorientierung feststellen.

Eine inhaltlich-thematische Cluster- und Typenbildung bringt insgesamt vier Typen hervor, wobei der Begriff der Lebenswelt hier genutzt wird, um die Typen zuzuspitzen:

  • Bildungsnetzwerke in lebensweltergänzender Dimensionierung: Hier steht der „Nachteilsausgleich“ für Kinder aus bildungsbenachteiligten Familien bzw. aus strukturschwachen Regionen mit dem Ziel der Verbesserung des formalen Bildungserfolgs durch zusätzliche Lern- und Bildungsangebote im Vordergrund, ein erster Typ solle demnach Zugänge zu Qualifizierungsformaten sichern, ein zweiter individuelle Potenziale fördern.
  • Bildungsnetzwerke in lebensweltunterstützender und -ersetzender Dimensionierung: Diese Bildungsnetzwerke dienen als Mittel zur Bearbeitung (kumulativer) Belastungskonstellationen von Familien und Kindern zur Verringerung von Exklusion und deren Folgen. Während der dritte Typ vor Risiken schützen soll, versucht der vierte Typ Ressourcen zu erweitern

Als Abschluss wurde mithilfe eines Beispiels herausgestellt, wie sich Vernetzung und die Motivation dazu in den letzten zehn Jahren verschlechtert hätten. Zudem sähen sich die Akteure in diesem Beispiel einer Bildungslandschaft mit der Herausforderung konfrontiert, Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen im Portfolio von Bildungsnetzwerken – wieder – Möglichkeiten des Erwerbs von Bildung und nicht nur von direkt verwertbaren oder sogar zertifizierten Kompetenzen zu eröffnen. Bildungslandschaften seien gefordert, neue Sichtweisen und Deutungen anzuregen und zugleich Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu ermutigen, Mündigkeit zu artikulieren, um das Selbst und die Welt zu gestalten.

„Wenn Begriffe aus dem Gartenbau Einzug halten in die Pädagogik, dann wird’s kritisch…“ – so läutete Prof. Dr. Stephan Maykus mit einem Zitat aus einer Tagung in Hamburg ein und zeigte eine kritisch-distanzierte Haltung zum Thema „Bildungslandschaft“: Er plädierte dafür, unterschiedliche Dinge auch unterschiedlich zu benennen und getrennt voneinander zu betrachten und versuchte damit Bildungsnetzwerke zu entlasten: Es wären zu viele Begrifflichkeiten miteinander verbunden worden, die im Grunde nicht zusammengehören würden. Bildungslandschaften könnten beispielsweise die Schulentwicklung nicht ersetzen!

Bildungsnetzwerke sollten konkreter als das benannt werden, was sie i. d. R. sind: Bildungssteuerung und Bildungsmanagement, in denen die Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen nicht vorgesehen ist. Dies sei zu unterscheiden von der wichtigen Frage: „Wie können die Themen und Interessen der Kinder und Jugendlichen Eingang halten?“ Kommunale Partizipationsstrategien seien hierfür entscheidend. Diese Partizipationsmöglichkeiten sollten strukturell im Gemeinwesen abgesichert sein, womit auch für die Kulturelle Bildung ein Maßstab entstehen würde. Kulturelle Bildung solle aber nicht nur Akteur im Gemeinwesen sein, sondern sie biete ein pädagogisches Konzept an.

Die Bildungslandschaftsidee wiederum müsse, um ihre Bildungsziele zu erreichen, mit der Gestaltung der pädagogischen Organisation (in der Schule ebenso wie in den Jugendeinrichtungen etc.) verbunden werden.

Nach Ansicht von Maykus seien Bildungslandschaften leider „sozialarbeitisiert“ worden und eine kommunale Verfremdung der Bildungslandschaftsidee hätte sich vollzogen. Dies könnte sich in den Forschungsergebnissen der Universität Kassel herauslesen lassen. Er rief die Jugendarbeit und Kulturelle Bildung auf, sich nicht heimlich in Sozialarbeit und Frühen Hilfen zu verstecken, sondern selbstbewusst zu differenzieren und zu präzisieren, um auf dieser Grundlage Konzepte der Kulturellen Bildung an die Rahmenbedingungen von Bildungslandschaften vor Ort anzupassen.

Aus Sicht der Kommunen und Landkreise bezog sich Martin Schenkelberg auf die Querschnittsaufgabe der Kommunen und betonte, dass diese ein umfassendes Begriffsverständnis von Kultureller Bildung hätten, in der Umsetzung jedoch durch begrenzte Ressourcen, die ihnen von den Ländern zur Verfügung gestellt werden, sehr eingeschränkt seien. Alle Beteiligten in den Kommunen würden aber gerne alle Bereiche und Möglichkeiten abdecken – so wie es Kommunen wichtig ist, dass alle Kinder und Jugendlichen Zugang zu Bildung haben.

Auch würden in den Kommunen alle Bereiche der Bildung in den Blick genommen werden (formal, non-formal, informell). Eine Realisierung dieser Bereiche in ausgewogener Form sei schwierig, weil Schule aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen immer stärker im Fokus sei. Um Bildung in den Fokus zu rücken, braucht es starke politische Aushandlungsprozesse in den Kommunen und Kreisen und die Bürgermeister*innen und Landrät*innen als Fürsprecher*innen.

Die Zusammenarbeit in Bildungslandschaften ist eine große Herausforderung: nicht nur sei es strukturell komplex, wenn Kommunen und Zivilgesellschaft auf Augenhöhe zusammenarbeiten möchten, sondern auch die Kooperation von Schule, Jugendhilfe und Kultureller Bildung würde durch große strukturelle Unterschiede erschwert. Zusätzlich sei es nicht ganz einfach, sich als Träger der Jugendhilfe im Vergleich in Bildungsnetzwerken zu behaupten. Im Bereich der Kulturellen Bildung gäbe es eine stärkere Formenvielfalt. Umso wichtiger sei es, dass sich die Kommunen diesen Strukturen gegenüber öffnen und sie einbeziehen.

Kulturelle Bildung in Bildungslandschaften – wenn es hier um die Verankerung geht, sei zunächst zu beachten, dass Kulturelle Bildung eine Querschnittsaufgabe sei, welche an verschiedenen Orten und von verschiedenen Ressorts gefördert werden würde. Dabei bedeute nach Erfahrung der Träger Kultureller Bildung ressortspezifische Arbeit schnell auch Abgrenzung von Zuständigkeiten. Ein Gegenmodell wären die gemeinschaftliche Betrachtung und der Versuch, Synergieeffekte zu schaffen.

Kommunale Gesamtkonzepte für Kulturelle Bildung seien ein gelungenes Beispiel, Kulturelle Bildung in Bildungslandschaften profilgebend einzubringen. Die wissenschaftliche Bestandsaufnahme „Quo Vadis: Empirische Analyse von kommunalen Gesamtkonzepten für Kulturelle Bildung“ aus 2012, die von Prof.in Dr.in Susanne Keuchel durchgeführt wurde, hätte wichtige Anknüpfungspunkte zu den bereits auf der Tagung präsentierten Ergebnissen hervorgebracht: Es müsse beispielsweise ein Freiraum geschaffen werden für Kommunikation und zum Experimentieren, was entsprechende Ressourcen voraussetzt.

Zudem gäbe es weitere Herausforderungen für die (Kulturelle) Bildung und Bildungslandschaften:

  • Lebenslange Biografieverläufe: Viele Programme und Konzepte hörten jedoch bei 16 Jahren auf. Heterogenität und populistische Strömungen: Bildungslandschaften müssten sicherstellen, Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Wertekonstellationen zu erreichen.
  • Partizipation: Die Logik der Projektförderung gehe immer von sehr konkreten Zielen aus und schränke durch die Anforderungen an Genauigkeit echte Partizipation ein.
  • Postdigitale Zeiten: Kommunen und Träger denken Bildungslandschaften analog, es braucht hier neue Konzepte, die digitale Bildungsräume schaffen bzw. aufgreifen.

Aus ihrer Sicht sollten nicht nur die Entscheidungsträger in Bildungslandschaften sondern auch die Träger der Kulturellen Bildung mehr Mut haben! Autonomie, Inklusion oder die gleichberechtigte Gestaltung von formaler und non-formaler Bildung wären Visionen.

Der zweite Tag der Fachtagung wurde durch Rainer Wiebusch eröffnet, der die Jugendstrategie des Bundes vorstellte und damit auch für Bildungslandschaften Impulse gab, die Perspektive von Kindern und Jugendlichen systematisch stärker einzubeziehen. Der Brückenschlag zwischen Politik und Jugend ist die zentrale Herausforderung für das Handeln in dieser Strategie, die noch bis Ende des Jahres durch einen Kabinettsbeschluss untermauert werden soll: Es sei wichtig, Jugend wahrzunehmen – und dies in gemeinsamer Verantwortung. In der Strategie des Bundes seien die interministerielle Arbeitsgruppe Jugend und eine externe Prozessbegleitung von entscheidender Bedeutung. Notwendig sei zudem die Unterstützung auf höchster Ebene, in diesem Fall der Bundesjugendministerin Franziska Giffey. In der Interministeriellen Arbeitsgruppe sind fast alle Ressorts vertreten, zudem wird die Arbeit durch einen zivilgesellschaftlichen Beirat begleitet. Die Interministerielle Arbeitsgruppe folgt zentralen Prinzipien: Jugend beteiligen, Jugend sichtbarer machen und gemeinsam Verantwortung für Jugend übernehmen. Ein vielversprechendes Instrument ist der Jugend-Check aller Gesetzesvorhaben der Bundesregierung.

Prof. Dr. Gerhard de Haan stellte in seiner Keynote erste Ergebnisse einer Delphi-Studie des Instituts Futur zu Bildungslandschaften vor. Befragt wurden im Jahr 2018 Expert*innen aus Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft, Bildung und anderen Feldern mit Verantwortung für das Themenfeld Bildungslandschaften nach ihren Wünschen und Erwartungen bezüglich Bildungslandschaften bis 2030. Die Expert*innen wurden zu neun Themenbereichen befragt, u. a. zu Zielen von Bildungslandschaften, Koordination und Steuerung einer Bildungslandschaft, Zusammenarbeit der Akteure, Partizipation von Bürger*innen bis hin zur Entwicklung und Etablierung von Bildungslandschaften.

Im Rahmen der Befragung wurde die Differenz zwischen Wünschen und der erwarteten Realitäten deutlich. So würde sich gewünscht, dass Bildung 2030 weniger als schulisches Lernen verstanden würde oder die Förderung des individuellen Potenzials und die Befähigung zu einer gelingenden Lebensführung würde von den Befragten als sehr relevant eingestuft. Verwirklicht sehen das Expert*innen weniger. Dennoch ergebe sich nach Ansicht von Prof. de Haan daraus viel Potenzial, weil Wünsche einen hohen Motivationsfaktor darstellen. Personen mit hoher (d. h. langjähriger) Expertise und aus dem Bereich Verwaltung/Politik zeigten sich optimistischer als die anderen Befragten.

Auf Grundlage der Ergebnisse gab de Haan wichtige Hinweise für die weitere Beurteilung von Bildungslandschaften: Bildungsreformen bräuchten generell von der Idee bis zur Umsetzung etwa 30 Jahre, entsprechende Zeiträume müssten auch für Bildungslandschaften eingeplant werden. Aus den Ergebnissen lasse sich schließen, dass Kommunen in ihren Möglichkeiten massiv gestärkt werden und ihre Koordination durchlässiger und optimierter gestalten müssten. Aber auch die Akteure der non-formalen Bildung fühlten sich tendenziell benachteiligt und müssten gestärkt werden.

Als kurzes Fazit spricht sich de Haan für eine Zukunft von Bildungslandschaften aus: „Bildungslandschaften haben viel stärker das Individuum und dessen Interessen im Blick, sie sind als Arenen der Partizipation angelegt. Bildungslandschaften stehen vor großen, aber überwindbaren Herausforderungen und werden sich wahrscheinlich als neues Bildungsmodell durchsetzen.“

Ergebnisse der Studie des Delphi-Studie des Instituts Futur der Freien Universität/Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie Berlin sind ab Herbst 2019 zugänglich.

In seinem Beitrag gab Prof. Dr. Ivo Züchner einen Einblick in die Rolle der Kulturellen Bildung in verschiedenen Bildungsräumen, die Jugendliche nutzen, um daraus Erkenntnisse für Bildungslandschaften abzuleiten. Er betonte, dass laut empirischer Forschung die Jugendphase die Zeit ist, in der sich Menschen am meisten mit Kunst und Kultur als Rezipient*innen und Gestalter*innen beschäftigen und ausprobieren. Besonders die Rolle von non-formalen Settings hob er hervor.

Mit Bezug zum 15. Kinder- und Jugendbericht verwies er auf die Bedeutung kulturell-ästhetischer Aktivitäten im Jugendalter mit Blick auf die Kernherausforderungen des Jugendalters – Qualifizierung, Verselbstständigung und Selbstpositionierung, Auseinandersetzung und Identifizierung mit Inhalten mit Erwerb von:

  • Handlungsfähigkeit
  • Identitätsarbeit durch verschiedenste Ausdrucksmöglichkeiten als Selbstpositionierung
  • Erfahrungen sozialer Zugehörigkeit durch Engagement und konkrete Einbindung in Verein/Chor/Band/Tanzgruppe etc. – auch Erfahrungen von Verantwortungsübernahme für andere
  • Selbstwirksamkeitserfahrungen in der Durchführung und Darstellung künstlerischer Aktivitäten
  • Selbstpositionierung über Etablierung und Erprobung von eigenen Stilen (Musik, Kleidung, …)
  • Anregungen vielfältiger Selbstreflexion und besondere Partizipations-/Selbstbestimmungserfahrungen

Daraus folgernd skizzierte Dr. Züchner mögliche „Aufträge“ an Träger kultureller Jugendbildung in kommunalen Bildungslandschaften: Die Träger sollte advokatorische Verantwortung übernehmen und partizipatorische Mitwirkung gestalten, was bedeutet, Bildungslandschaften mit Kindern und Jugendlichen denken und diese einbeziehen. Auch sei der Blick insbesondere auf die Förderung selbstorganisierter/informeller Aktivitäten und Orte zu richten. Zudem gelte es, den sozialpolitischen/integrativen Auftrag der kulturellen Jugendbildung zu reflektieren, um sich als ein sozial- und bildungspolitischer Akteur im Kontext sowie kommunaler Zivilgesellschaft zu verorten.

Zwei jugendliche Perspektiven – eine stärker aus der Erfahrungen schulischer Entwicklungen, eine mit dem Schwerpunkt außerschulischer Erfahrungen – zeigten auf, was Jugendlichen in Hinsicht auf Bildung und Entwicklung wichtig ist.

Celina Schultz berichtete, wie sehr sie an ihrem „Ort“, dem Theater X Berlin die Augenhöhe schätze, mit der junge Erwachsene und Jugendliche selbstorganisiert zusammenarbeiten. Die Jugendlichen seien dort Entscheider*innen und Schaffende zugleich. Die Arbeit und die Menschen im Theater X hätten aus ihr einen viel offeneren und selbstbewussteren Menschen gemacht. Während für sie Schule einseitiges Lernen bedeutete, seien ihrer Erfahrung nach außerschulische Lernorte vielfältiger und spannender. Der Blick würde geweitet und ginge weit über schulische Standards hinaus. Zwar gäbe es viele Workshops und Veranstaltungen in der Schule, es sollten aber noch viel mehr Überschneidungen mit außerschulischen Angeboten ermöglicht werden.

Tim Möcks verwies als Schulsprecher darauf, dass Teilhabe und Mitbestimmung vom eigenen Engagement, aber ebenso von der Schulleitung abhängen. Möglichkeiten der Teilhabe und Mitbestimmung gäbe es nicht nur über die Sprecherstrukturen, sondern auch durch viele Arbeitsgemeinschaften. So könne Schule viele Möglichkeiten zur Selbstgestaltung, zu Gerechtigkeit und zu freier Entfaltung bieten, sofern Schule und Politik – und auch die Schüler*innen – dies wollen. Er betonte, dass Schule mehr auf das Leben vorbereiten sollte. Nicht zuletzt deshalb brauche Schule auf jeden Fall außerschulische Partner, da die Schulen das Bildungsangebot allein nicht leisten können. Schule müsse bunter und gemischter werden – auch mit Lehrer*innen, die unterschiedliche Orientierungen und Herkünfte hätten, wie es z. T. stärker bei den Partnern der Schule der Fall sei.

Auf die Frage, wie ein Bildungsort zum Wohlfühlen – wie er also jugendgerecht – gestaltet sein sollte, antwortete Celina Schultz: „Es müsste alles so sein wie beim Theater X. Es bringt einem auf interessante Weise bei, wie das Leben ist. Jeder hat etwas zu sagen. Wir können Erfahrungen reinbringen, wir können Erwachsene korrigieren. Wir Jugendlichen haben da auch unsere Hand mit drüber.“ Dabei sollten Erwachsene die Rolle von Unterstützer*innen einnehmen und den Jugendlichen das Gefühl geben wichtig und ein Teil vom Ganzen zu sein.

Themenrunden

Inputgeber*innen: Dr.in Stefanie Kiwi Menrath, Universität Hildesheim; Claudia Linsel, Paritätischer Wohlfahrtsverband

Die Themenrunde war ausgerichtet auf die Potenziale und Grenzen von außerschulischen Akteure in Bildungslandschaften. Diese bewegen sich dort in verschiedenen Spannungsfeldern, insbesondere aufgrund des weiten Bildungsverständnisses, das sie ihrer Arbeit zugrunde legen. Dr.in Stefanie Kiwi Menrath trug zunächst zu der Bedeutung von Freiräumen und kulturell-ästhetischer Bildung für Kinder und Jugendliche vor, während Claudia Linsel anschließend die Verbandsperspektive auf Kinder- und Jugendarbeit einbrachte. Im Anschluss an die Inputvorträge gab zunächst Uwe Kramer Einblicke in seine Perspektive aus der Kinder- und Jugendarbeit.

Es entstand hierüber wie auch über die Inhalte der vorausgegangenen Inputs eine Diskussion in der Themenrunde, die im Kern um den Bildungsbegriff kreiste, aktuelle Schwierigkeiten im Umgang mit diesem kritisch betrachtete und mögliche Lösungen eruierte. Der Umgang mit dem Begriff „Bildung“ sei im Kontext von Kinder- und Jugendarbeit, insbesondere in der Arbeit in Netzwerken und der Kommunikation mit Adressat*innen immer noch schwierig, da die erste Assoziation immer noch „Bildung = Schule“ laute. Bildung bliebe stark mit dem dortigen Wissens- und Kompetenzerwerb verknüpft. Dies werde dadurch verstärkt, dass Kooperationen außerschulischer Akteure mit Schule aus Wahrnehmung der Teilnehmer*innen dazu führten, dass auch deren Inhalte „verschulten“. Dabei sei das, was Kinder- und Jugendarbeit nach ihren pädagogischen Prinzipien (Freiwilligkeit, Lebensweltorientierung, Partizipation etc.) intendiert und umsetzt, ihrem Verständnis und dem der Teilnehmer*innen der Runde nach, ebenso Bildung bzw. könne Bildung sein, werde aber „von außen“ oft nicht als solche wahrgenommen.

Aufgrund der Diskussion entsprechender Schwierigkeiten und Herausforderungen wurden mögliche Lösungen vorgeschlagen und diskutiert: Die Kinder- und Jugendarbeit könne weiter mit dem Bildungsbegriff operieren und sich für einen weiten Begriff dessen einsetzen. Dabei riskiere sie aber womöglich die Reduktion ihrer pädagogischen Arbeit auf ein schulisches, kompetenzorientiertes Bildungsverständnis, was aktuell oft beobachtet werde. Sie könne möglicherweise – andererseits – den Bildungsbegriff in der Kommunikation nach außen bzw. in ihrer Außendarstellung aufgeben und stattdessen neue oder andere Begriffe finden, um ihre Arbeit zu beschreiben und deren Wert zu verdeutlichen.

Inputgeber*innen: Dr.in Anika Duveneck, Freie Universität Berlin; Patrick Probst und Andrea Filsinger, Jugendamt Offenbach

Zu Beginn der Runde gab Dr.in Anika Duveneck einen kurzen Einblick in ihre Forschung vornehmlich zur Bildungslandschaft „Rütli-Campus“. Sie definierte, dass alle ihr bekannten Bildungslandschaften das Ziel haben, Teilhabe zu ermöglichen und Bildungsgerechtigkeit zu schaffen. Dies gelänge aber, so verdeutlichen Forschungsergebnisse, nicht immer. Im Gegenteil: Bildungslandschaften reproduzierten oft Bildungsungleichheiten und soziale Segregation aufgrund von Wettbewerbsbedingungen und gesellschaftlichen sowie strukturellen Ausschlüssen. So könnten z. B. Bildungslandschaften ungewollt zur Gentrifizierung eines benachteiligten Stadtteils beitragen. Dies bestätigte auch die Praxisexpertin Ariane Jedlitschka, die aus ihrer Praxis bei Helden wider Willen e. V. berichtete und einen Einblick in die Kulturelle Bildung in Leipzig gibt. Diese würden sogar nach vielen engagierten und erfolgreichen Projekten mit der Community aus dem Stadtteil verdrängt.

Eine weitere wichtige Aussage aus Dr.in Anika Duvenecks Input, die diskutiert wurde, war, dass es aus ihrer Sicht nicht vorrangig um die Haltung in Bildungslandschaften ginge, sondern um die Ressourcenverteilung. Denn es würden derzeit häufig eher privilegierte Familien der Mittelschicht in Quartieren adressiert. Wie sich die Ressourcenlage (anders) darstellen kann, verdeutlichte der Beitrag von Patrick Probst und Andrea Filsinger vom Jugendamt in Offenbach: Die Stadt investiere trotz schlechter finanzieller Verhältnisse im Vergleich zu anderen Städten viel in die (kommunale) Jugendarbeit und ermögliche mit den Einrichtungen interessante partizipatorische Projekte. Ziel sei es, mit diesem konstruktiven Ansatz ein Kippen der sozialen Lage der Kinder und Jugendlichen zu verhindern.

Inputgeber: Matthias Laurisch, Deutsche Bläserjugend e. V.

Mit dem „Subjekt im Zentrum“ stand die Frage im Mittelpunkt, was ein kinder- und jugendgerechtes Profil von Bildungslandschaften auszeichnet. Es wurde argumentiert, dass es wichtig wäre Diskursräume und Orte der Aushandlung und Generationsbegegnung zu schaffen – denn vielen Erwachsenen fehle es an „Partizipationskompetenz“. Weiter sollten Bildungslandschaften das „lebenslange Lernen“ in den Fokus rücken. Daher gelte es, nicht nur alle Akteure im Netzwerk anzusprechen und zu bedienen, sondern die Kooperationen mit den Jugendlichen gemeinsam zu beleben. Demnach sei auch auf der Netzwerkebene immer auf die Augenhöhe zu achten– und alle Partner sollten sich mit ihren Stärken einbringen. Orte und vorhandene Netzwerke sollten genutzt werden, um (anzu-)erkennen, um die Schaffung von Doppelstrukturen zu verhindern.

Eine wichtige Frage, wenn es um Jugendbeteiligung gehe, sei: „Geht es den jungen Menschen gut?“ Es sei daher wichtig, sich immer wieder bewusst zu werden, dass es um die Kinder und Jugendlichen geht – nicht nur darum die Strukturen zu erhalten. Wahlmöglichkeiten seien für Jugendliche und junge Erwachsene wichtig und relevant.

In der Gesprächsrunde wurde ein Blick auf Bildungslandschaften im ländlichen Raum gelenkt und wie an dieser Stelle spezifische Formate gestärkt werden sollten (Familienkonferenz, Jugendkulturfestival, Jugendparlament etc.).

Inputgeber*innen: Jennifer Hübner, Jugendamt Neukölln – Programm „Bezirkliche Netzwerke kultureller Kinder- und Jugendbildung“ Berlin; Sibylle Keupen, Bundesverband der Jugendkunstschulen und kulturpädagogischen Einrichtungen e. V. (bjke)

Bildungslandschaften scheinen mit Blick auf die Inputs und Diskussion in der Runde derzeit ein Sammelbecken an unterschiedlichen Konzepten und Bildungsbegriffen zu sein, Ziele und Agenden differieren stark. Daher sei es entscheidend zu klären, wer sich warum, wozu und für wen vernetzen will. Ein erster Eindruck ist, dass Bildungslandschaften politisch stark vereinnahmt würden und es stellt sich die Frage, wer also die Deutungsmacht besitzt: Wem gehört die Bildungslandschaft?

Die einführenden Beiträge und anschließende Diskussion zeigten eindrücklich, dass das komplexe Feld der Bildungslandschaften als diffus-vielfältig bewertet wird. Deutlich wurde, dass Bildungslandschaften mehrdimensional denkende Personen und Einrichtungen braucht. Sie haben das Potenzial, Menschen unterschiedlicher Professionen zusammenzubringen, neue Orte und kreative Räume zu denken und so Perspektivwechsel anzuregen.

Die Teilnehmenden waren sich einig darin, dass in einer Bildungslandschaft unbedingt mit vorhandenen Vorurteilen gegen „die veränderungsresistente Verwaltung“ oder „die unflexible Schule“ aufgeräumt werden müsse. Stattdessen sollte das gemeinsame Anliegen, kulturelle Freiräume für Kinder und Jugendliche zu schaffen, ins Zentrum sämtlicher Netzwerkaktivitäten gestellt und die unterschiedlichen Kompetenzen stärker als komplementär betrachtet werden.

Fazit und Verabschiedung

Peter Kamp, Vorstandsmitglied der BKJ

Zum Ende der zweitägigen Fachveranstaltung beschrieb Peter Kamp zusammenfassend, dass aus der Studie, den Inputs und Diskussionen hervorgegangen sei, dass Bildungslandschaften eine differenzierte Betrachtung benötigten. Gerade folgende Bildungslandschaften seien für Jugendarbeit und Kulturelle Bildung bei näherer Betrachtung aussichtsreicher als andere:

  • die nicht nur eine horizontale, sondern eine vertikale Perspektive haben, die demnach eine multidimensionale Struktur aufweisen
  • welche systematisch die Kinder- und Jugendarbeit und dabei auch die zivilgesellschaftlichen Träger verankern
  • die sich über ihre Zieldefinitionen klar sind und diese nicht überfrachten
  • die sich ihres Gestaltungsauftrags, ihrer Wirkungsmechanismen und ihrer Steuerungsfunktionen, aber auch ihrer Grenzen bewusst sind.

Die BKJ wird sich bei aller berechtigten Kritik weiter für Bildungslandschaften einsetzen – aber nur für solche, die kinder- und jugendgerecht gestaltet sind und durch welche kulturelle Teilhabe verwirklicht würde. Das setzt voraus, die Lebens- und Bildungswelten junger Menschen an den unterschiedlichen Orten zu integrieren, aber auch gute pädagogische Konzepte und nicht-institutionalisierte Räume. Hierzu seien nicht nur Kooperationen, sondern auch Investitionen notwendig. Der Gestaltungsauftrag für die Träger der kulturellen Kinder- und Jugendbildung liege nun darin, ein breitenwirksames Gesamtkonzept zu entwickeln. Dabei müsse zusammengewirkt werden: Kinder- und Jugendarbeit, Politik und Verwaltung, Verbände und Fachpraxis.

Weitere Informationen

Die Fachtagung war eine Veranstaltung der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) mit der Universität Kassel, Fachgebiet „Erziehungswissenschaft, Soziale Arbeit & außerschulische Bildung“. Sie bildete den Abschluss des gemeinsamen Forschungsprojekts „Lokale Bildungslandschaften im empirischen Blick. Die kulturelle Kinder- und Jugendbildung im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe“ (2017–2019), das durch die Stiftung Deutsche Jugendmarke gefördert wird. Die Veranstaltung wurde ermöglicht durch Mittel der BKJ, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit dem Kinder- und Jugendplan des Bundes zur Verfügung stellt, und durch Beiträge der Teilnehmer*innen.

Die Ergebnisse des Projektes werden in einem Forschungsbericht aufbereitet und im Rahmen einer Arbeitshilfe zugänglich gemacht.