Wenn das Kind nicht zur Kultur kommt, kommt die Kultur zum Kind
„Together inclusive – Der Kulturtreff vernetzt ländliche Strukturen“, Stiftung des Beda-Instituts für Europäische Kulturbildung, Bitburg
„Together inclusive – Der Kulturtreff vernetzt ländliche Strukturen“, Stiftung des Beda-Instituts für Europäische Kulturbildung, Bitburg
Er ist einer der gemeindereichsten Landkreise Deutschlands, aber auch der am dünnsten besiedelte: der Eifelkreis Bitburg-Prüm. Seine weitläufigen Landschaften, Naturparks und kleinen Dörfer sind ein Paradies für Naturliebhaber*innen. Doch für Kinder und Jugendliche bedeutet das Leben auf dem Land oft eines: wenig bis gar kein Zugang zu kulturellen und kreativen Angeboten. Jugend- und Kulturzentren sind rar, öffentliche Verkehrsmittel – Fehlanzeige. Gerade für geflüchtete Familien im gesamten Eifelkreis Bitburg-Prüm sind die Entfernungen in der ländlichen Region ohne Mobilität eine besondere Herausforderung. Dies gilt auch für die Kinder und Jugendlichen der umliegenden Förderschulen. Die Lösung? Die Kultur direkt dorthin zu bringen, wo junge Menschen sind – in ihr Dorf, ihre Schule, ihre Umgebung. Vor diesem Hintergrund hat die Stiftung des Beda-Instituts für Europäische Kulturbildug in Bitburg das Bündnis „Together inclusive – Der Kulturtreff vernetzt ländliche Strukturen“ initiiert.
Das Bündnis wurde von Projekten der Kulturellen Bildung inspiriert, die die Stiftung bereits seit 2015 mit verschiedenen Kooperationspartnern umsetzt. In Workshops und Kursen bringen Kinder und Jugendliche gemeinsam Theaterstücke auf die Bühne, machen Musik, tanzen, malen oder experimentieren in der Natur. Dabei spielen Status, Herkunft, Religion, familiärer Hintergrund oder eine Beeinträchtigung keine Rolle. „Die Kinder und Jugendlichen helfen sich intuitiv gegenseitig, egal ob jemand im Rollstuhl sitzt oder sich sprachlich oder emotional unsicher fühlt“, berichtet Ingeborg Trappe-Butzbach, Vorstandsvorsitzende der Stiftung des Beda-Instituts. „Methodisch starten wir Projekte ‚ohne Worte‘. Die Kinder nutzen Mimik, Gestik, Bewegung – und plötzlich verstehen sich alle. Diese Methode eröffnet gerade Kindern mit Fluchterfahrung oder Beeinträchtigung große Chancen, sich zu öffnen. Kunst ist ein wunderbares Medium, um Barrieren zu überwinden.“
Die positiven Erfahrungen mit Projekten für Kinder in besonderen Lebenslagen motivierten die Stiftung, erprobte Konzepte auf den gesamten Eifelkreis und darüber hinaus auszudehnen. Doch das stellte sie vor eine logistische Herausforderung. „Kunstschaffende müssten den ganzen Tag von Dorf zu Dorf fahren. Das ist aber nicht sehr effektiv, denn in einem Dorf leben vielleicht nur fünf Kinder, im nächsten nur zwei. Wir mussten also eine Lösung finden, um die Kräfte zu bündeln“, erklärt Ingeborg Trappe-Butzbach.
„Kunstschaffende müssten den ganzen Tag von Dorf zu Dorf fahren. Das ist aber nicht sehr effektiv, denn in einem Dorf leben vielleicht nur fünf Kinder, im nächsten nur zwei. Wir mussten also eine Lösung finden, um Kräfte zu bündeln.“
Ingeborg Trappe-Butzbach
Hier setzt die Zusammenarbeit der Stiftung des Beda-Instituts – als Träger – mit starken Partnern an: Die Caritas Westeifel unterstützt das Bündnis „Together inclusive“ als Sozialpartner, das Kulturwerk in Weißenseifen – der Verein zur Förderung künstlerischen Wirkens e. V. – und die Musikschule Willmes bringen als Bildungspartner kreative Impulse ein. Diese vier Partner haben bereits im Rahmen mehrerer Projekte kooperiert. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Akteure an verschiedenen Orten des Eifelkreises, die Workshops, Kurse und Veranstaltungen organisieren.
Bisher nehmen im Durchschnitt zwischen zehn und 20 Kinder im Alter von bis zu zwölf Jahren an den Angeboten des Bündnisses teil. Ein zentrales Thema ist das Leben in der Natur. „Die Kinder sollen entdecken, dass Kreativität nicht an Schulmauern gebunden ist. Deshalb gehen wir raus – in den Wald, ans Wasser, auf Waldlichtungen. Dort können sie sich frei entfalten“, sagt Ingeborg Trappe-Butzbach. „Diese Form der Kulturellen Bildung verändert die Kinder: Sie werden selbstbewusster, fühlen sich ernst genommen, entwickeln kreative Fähigkeiten und lernen, sich in Gruppen zu organisieren. Die Wirkung ist nachhaltig.“
Für „Together inclusive“ wurden Orte gesucht, die Kinder aktiv mitgestalten können – wie das Kulturwerk Weißenseifen. Das weitläufige Künstlerdorf bietet Freiräume zum Experimentieren, Träumen und Spielen – fernab von schulischen Zwängen und ohne ständige Aufsicht durch Erwachsene. Ob Theaterspielen unter freiem Himmel, Hütten bauen oder toben – das Künstlerdorf fördert Kreativität auf natürliche Weise.
Da rund um das Gelände keine Autos fahren, ist das Kulturwerk Weißenseifen ein sicherer Ort für Kinder. Doch genau das wirft die Frage auf: Wie kommen sie dorthin? Dafür setzt das Bündnis zwei Kulturbusse ein, mit denen ehrenamtliche Mitarbeiter*innen der Caritas die Kinder aus den entlegenen Dörfern abholen. Der Sozialpartner unterstützt das Bündnis auch dabei, Teilnehmer*innen für Kurse und Workshops zu gewinnen, zum Beispiel mit Infotreffen für die Eltern. Auch über die Musikschule Willmes werden Teilnehmer*innen, etwa aus den ortsansässigen Musikvereinen oder über die Verwaltungen, rekrutiert. Nicht zuletzt bietet die Musikschule im Rahmen der Kooperation Veranstaltungen und Workshops für Kinder an.
Um Kindern einen zusätzlichen Freiraum für kreatives Arbeiten in der Natur zu bieten, wird das Bündnis in der Ortsgemeinde Irrel einen dritten Bildungsort schaffen. Die Köhlerhütten, die umgeben von verwunschenen Wäldern zentral zwischen Luxemburg und Bitburg liegen und von umliegenden Dörfern aus mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar sind, bieten sich dafür an. Bald sollen dort noch auf Initiative der Gemeinde Übernachtungsmöglichkeiten entstehen – eine Alternative zur klassischen Jugendherberge. Die Köhlerhütten könnten damit auch Modell für weitere Standorte in der Region stehen.
Darüber hinaus setzt das Bündnis auf die Kooperation mit Kindertagesstätten und Schulen, um mehr Kinder und Jugendliche in der ländlichen Region zu erreichen. Für die angrenzenden Förderschulen liegt darin zugleich die Chance, dass ihre dezentral wohnenden Schüler*innen adäquate kulturelle Bildungsangebote in der Natur wahrnehmen können.
Für Ingeborg Trappe-Butzbach steht fest: Langfristigkeit ist entscheidend für die strukturelle Stabilität von Allianzen. „Kurzfristige Projekte setzen wichtige Impulse und sind ideal um sich gezielt mit einem Thema zu beschäftigen. Die langfristige Finanzierung durch das Förderprogramm ‚Künste öffnet Welten‘ – von 2023 bis 2027 – ermöglicht nachhaltige Bündnisse, wodurch wir Strukturen aufbauen und echte Veränderungen bewirken können.“ Die Erkenntnisse, beispielsweise aus Bündnistreffen und -workshops, helfen, die Kooperation kontinuierlich zu verbessern. Vertreter*innen aus Vereinen, Verwaltung, Politik und Presse können als Akteure und Multiplikator*innen hinzugewonnen werden – ebenso wie interessierte Gemeinden. „Ich wünsche mir, dass auf diese Weise ein funktionierendes Netzwerk entsteht, das Soziales, Ausbildung, Schule und Kulturangebote für inklusive kulturelle Arbeit in ländlichen Regionen gemeinsam ausbaut, öffentlich macht und nachhaltig trägt.“
Text: Helga Bergers
Förderung | Das Projekt „Together inclusive – Der Kulturtreff vernetzt ländliche Strukturen“ wird gefördert im Programm „Künste öffnen Welten“ der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) im Rahmen des Gesamtprogramms „Kultur macht stark“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. |
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Förderzeitraum | 10. Februar 2023 bis 15. September 2027 |
Fördersumme | 242.592 € |
Bündnispartner | Die Stiftung des Beda-Instituts für Europäische Kulturbildung kooperiert mit der Caritas Westeifel, dem Kulturwerk Weißenseifen und der Musikschule Willmes. |