Wenn Algorithmen Ideen spiegeln: Kreativität, KI und Kollaboration
Projekt „HYBRID.BODIES", edugrapes - Studio für künstlerisches & transkulturelles Lernen, Leipzig
Projekt „HYBRID.BODIES", edugrapes - Studio für künstlerisches & transkulturelles Lernen, Leipzig
„Checkst Du“, „Das crazy“ und „goonen“: Diese drei Wörter stehen zur Auswahl für das Jugendwort des Jahres 2025. Junge Menschen haben ihre eigenen Codes: ob in der Sprache, bei Kleidung oder auf Social Media. Aber wie sieht es aus, wenn junge Menschen eigene Codes mittels Künstlicher Intelligenz gestalten? Genau daran arbeiten Christopher Utpadel und Natalia Peña. Die Künstlerin und der Dramaturg sind unter dem Namen „edugrapes – Studio für künstlerisches & transkulturelles Lernen“ als Vermittler*innen zwischen digitalen Medien, Performance und Kultureller Bildung unterwegs. Ihr Ansatz – in der Gruppe zu lernen und zu wachsen, wie Trauben (engl. grapes) – verbindet Kulturelle Bildung, künstlerische Praxis und digitale Medien mit einem klaren Schwerpunkt auf Kollaboration und Partizipation.
Dabei soll KI ein Motivator sein, ein Motor für Zusammenarbeit. „Was KI nicht kann oder nicht tun sollte, ist konkrete Entscheidungen zu treffen“, sagt Christopher Utpadel. Natalia Peña ergänzt: „Für uns beginnt alles beim Humanen, bei den Jugendlichen selbst und in der Gruppe. KI kommt dann als Partner, mit dem wir zusammenarbeiten hinzu. Sie hilft Fragen zu klären und Visionen zu entfalten, aber der Fokus liegt auf der kreativen Herangehensweise des Menschen.“
Was KI nicht kann oder nicht tun sollte, ist konkrete Entscheidungen zu treffen.
Christopher Utpadel
Wie das aussehen kann, erproben die beiden sowohl mit Fachkräften der Kulturellen Bildung als auch mit Kindern und Jugendlichen. Gemeinsam mit der Servicestelle für digitale Kulturelle Bildung der LKJ Sachsen-Anhalt haben sie den Workshop DRESS:Code entwickelt. Getreu dem Motto „Kleider machen Leute!“ finden junge Menschen zwischen 14 und 18 Jahren heraus, wie Kleidung und Trends Zugehörigkeit und Identität bestimmen. Die Teenager entwerfen eigene Looks und experimentieren dann mit KI, wie ihre Entwürfe in unterschiedlichen Szenarien wirken.
Wie ist es, wenn die ganze Gruppe gleich gekleidet ist? Wie fühlt sich das an? Und was macht das mit der Dynamik unter den Gleichaltrigen? „Die KI visualisiert Szenen, die Gespräche über Details und ihre Wirkung anstoßen“, erklärt Christopher Utpadel, „das ist total interessant!“ Im nächsten Schritt gestalten die Jugendlichen ein Magazin-Cover, das die Kleidung, die sie entworfen haben, in Szene setzt. Technik wird so Teil des Workshops und bereichert die Arbeit mit dem eigenen Körper, sowohl im physischen als auch im digitalen Raum.
Die Methoden sind je nach Gruppengröße, der vorhandenen Zeit oder anderen Anforderungen modular und flexibel einsetzbar. Fachkräfte der Kulturellen Bildung können sie kostenfrei im Methodenkoffer der LKJ Sachsen-Anhalt einsehen und ausprobieren.
Auch andere Formate von edugrapes, wie „HYBRID.BODIES“ oder „DIVERSE.CREATURES“ verbinden analoge und digitale Räume. Im Projekt „HYBRID.BODIES“ erleben Jugendliche performativ, wie Körper und digitale Räume zusammenwirken, teils über Green-Screen-Projektionen in Echtzeit. In diesen spielerischen Settings können sich die Kinder verdoppeln, vergrößern, ihre Position verschieben. Verschiedene gemeinsam mit den Teilnehmer*innen durch KI-generierte Hintergründe, wie fiktive Begegnungsorte oder eine Pressekonferenz, beeinflussen wie sich die Kinder selbst wahrnehmen und wie sie sich in dem jeweiligen Setting verhalten. „Viele Jugendliche trauen sich nicht, etwas live vor der Gruppe zu zeigen. Wenn Sie aber mit KI arbeiten und ihre Performance in virtuelle Räume projizieren, entsteht eine Art sichere Brücke“, berichtet Christopher Utpadel.
Von Jugendlichen gestaltete Objekte, wie Insekten, aus Bastelmaterialien und Alltagsgegenständen, sind bei „DIVERSE.CREATURES“ Ausgangspunkt und Anlass über Diversität und Lebensräume ins Gespräch zu kommen. Sie werden fotografiert, digitalisiert und mittels KI reproduziert bzw. erweitert. „Wir gehen in verschiedene Richtungen, setzten die Objekte mal hierhin, mal dahin und merken durch den Vergleich der verschiedenen Outputs auch: Was ist die beste Option für mein gestaltetes Objekt?“, erklärt Christopher Utpadel. „Dieser Perspektivwechsel ist wirklich toll“, ergänzt Natalia Peña, „etwas, was ich vorher analog zusammengeklebt habe, sieht im Video richtig cool aus und wird in einen neuen Kontext gesetzt.“
Die künstlerische Herangehensweise erfordert Flexibilität von den beiden Leitenden ebenso wie von den Jugendlichen. „Wir wissen nie genau, was passiert. Das ist Teil der künstlerischen Strategie, erklärt Natalia Peña. „Viele Jugendlichen erleben das als Befreiung“, ergänzt Christopher Utpadel, „auch wenn es für sie herausfordernd sein kann, konkrete Entscheidungen in der Gruppe zu treffen, übernehmen sie Verantwortung und gestalten selbst. Wir erleben, dass sie das sehr bestärkt.“
Edugrapes arbeitet nach einem dreistufigen Prinzip: Sprache und kollaboratives Prompting bilden die Grundlage. Gefolgt von technischer Umsetzung, Produktion und kollektiver Reflexion. Ziel ist nicht nur das schnelle Erstellen von KI-generierten Bildern oder Texten, sondern die Reflexion auf Fragen, wie: Welche Vorstellungen werden sichtbar? Welche bleiben unsichtbar? Darin liegt auch die Erkenntnis darüber, welche Muster oder Klischees KI-Anwendungen reproduzieren und machen die Workshops so zu einem Lernraum für alle Beteiligten.
KI wird ein elementarer Teil von kultureller Praxis sein und das gilt es zu gestalten.
Natalia Peña
Als Christopher Utpadel und Natalia Peña edugrapes vor knapp zweieinhalb Jahren zu Beginn der ChatGPT-Ära gründeten, sahen sie, wie der Markt mit Anwendungen geflutet wurde und merkten schnell, dass es darum geht, die richtigen Fragen zu stellen. „Wir stellen keine konkrete Tools vor, sondern versuchen eher an einer Haltung zu arbeiten“, beschreibt Christopher Utpadel die Motivation hinter edugrapes. „KI wird ein elementarer Teil von kultureller Praxis sein und das gilt es zu gestalten“, sagt Natalia Peña. Für beide ist klar: KI soll Kreativität beflügeln, Zusammenarbeit fördern und kritisches Denken anregen. Sie soll Fragen aufwerfen, Diskussionsräume ermöglichen und Visionen sichtbar machen. Antworten liefert sie nicht.