Von der Utopie zur Lösung: nachhaltige Entwicklung kreativ mitgestalten
Junges Utopia – eine kreative Werkstatt für unsere Zukunft, Kunstschule Kempten und Tuteka e. V.
Junges Utopia – eine kreative Werkstatt für unsere Zukunft, Kunstschule Kempten und Tuteka e. V.
Orientiert an der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung hat das Projekt „Junges Utopia – eine kreative Werkstatt für unsere Zukunft“ jungen Menschen Möglichkeitsräume eröffnet, in denen ihre Ideen für eine nachhaltige Zukunft gehört und diskutiert wurden – und damit Gewicht bekamen.
Selbst im Kleinen kann an der Erreichung einer nachhaltigen Welt mitgearbeitet werden und so wollten die jungen Menschen genau hierzu einen Beitrag leisten und Ideen und Maßnahmenvorschläge für ihren Lebensraum entwickeln, die zur schrittweisen Erreichung der SDGs in Kempten und Region beitragen könnten.
Kunstschule Kempten und Tuteka e. V.
Wer genau steckt hinter den jungen Utopisten? Rund 90 Jugendliche aus Kempten und Region zwischen elf und 18 Jahren, die in Ferienprogrammen der Kunstfabrik Kempten sowie in Schulen und in Einrichtungen der Jugendhilfe an den Zukunftswerkstätten teilgenommen haben. Als Akteur Kultureller Bildung setzt sich die Kunstschule dafür ein, dass junge Menschen in ihrer kulturellen Teilhabe gestärkt werden, sie fördert gezielt die kreative Ausdrucksfähigkeit in der Auseinandersetzung mit sich und der Welt. Und so fand sich im Tuteka e. V. ein idealer Kooperationspartner für dieses Projekt, denn die Förderung positiver Zukunftsentwürfe für eine friedliche, solidarische und nachhaltige Gesellschaft haben beide gemeinsam.
Weil das Thema nachhaltige Entwicklung komplex ist, wurde sich ihm erstmal gemeinsam mit den jungen Menschen angenähert und erlebbar gemacht: Wann ist eine Entwicklung nachhaltig oder nicht? Dazu wurden sich lokale Beispiele angeschaut und bewertet. Die Jugendlichen merkten schnell, dass ein breiter Blick der Beurteilung nötig ist, wenn wirtschaftliche, soziale, ökologische und politische Dimensionen einbezogen werden wollen und dass man Lösungen nur in demokratischer Aushandlung finden wird.
Denn selbst im Kleinen kann an der Erreichung einer nachhaltigen Welt mitgearbeitet werden und so wollten die jungen Menschen genau hierzu einen Beitrag leisten und Ideen und Maßnahmenvorschläge für ihren Lebensraum entwickeln, die zur schrittweisen Erreichung der SDGs in Kempten und Region beitragen könnten. Die Methode der Zukunftswerkstatt geht dabei auf den Zukunftsforscher Robert Jungk zurück. Sie macht gesellschaftliche Herausforderungen bearbeitbar und stellt die Teilnehmer*innen als Expert*innen ihres Alltags ins Zentrum. „Junges Utopia“ ging noch einen Schritt weiter und hat künstlerische Einheiten, ein philosophisches Gedankenexperiment sowie medien- und theaterpädagogische Methoden ergänzt. Den Rahmen bildeten aber die drei Phasen einer jeden Zukunftswerkstatt.
„Was sind eure Befürchtungen, welche Probleme und welche Hindernisse seht ihr, wenn ihr an eine nachhaltige Entwicklung der Stadt Kempten und Region denkt?“ Zu dieser Frage sammelten die Jugendlichen in der Kritikphase alles, was ihnen auf dem Herzen lag und ordneten die Kritik danach den jeweiligen SDGs zu. Schon an dieser Stelle kristallisierte sich heraus, welche der Nachhaltigkeitsziele im Lebensraum der jungen Menschen von besonderer Bedeutung sind und dass die einzelnen Ziele in vielfacher Hinsicht zusammenhängen.
Die Kritik fiel breit aus und alle drei Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung (Ökologie, Ökonomie, Soziales) wurden abgebildet: Angefangen bei einem zu laschen Klima- und Umweltschutz, einer verbesserungswürdigen Bildung und dem Problem der Diskriminierung von Menschen aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe oder Religion bis hin zur Kritik an klimaschädlicher Mobilität, zeigte sich die Vielfalt an Themen, die die jungen Menschen bewegen.
In der Utopiephase wurde die Kritik nun in positive Wünsche umformuliert und in Zukunftsskizzen festgehalten. Es entstanden phantastische Modelle utopischer Ideen: Von Robotern, die selbständig Plastikmüll aus den Meeren saugen und sich damit selbst Strom liefern über Beam-Maschinen, die das Auto überflüssig machen bis hin zu Geräten, die das eigene Aussehen verändern und dadurch Diskriminierung in Luft auflösen. Doch wie lassen sich diese Ideen in der Realität umsetzen?
In der Realisationsphase entstand der Wunsch, dass die Hautfarbe eines Menschen keine Rolle mehr spielen sollte, und die Beam-Maschine wurde in eine autofreie Stadt übersetzt. Mit dem Gedankenexperiment „Schleier des Nichtwissens“ überprüften die Jugendlichen dann anhand fiktiver Rollen, die über ein Glücksrad zugelost wurden, wo eine Vision noch nachgeschärft werden müsste, um für alle gerecht zu sein. So bräuchte es in einer autofreien Stadt trotzdem natürlich auch Sondererlaubnisse für z.B. Krankenwägen, Polizei und Feuerwehr.
Danach wurden Forderungen aufgestellt, wie zur Erreichung der Visionen gelangt werden könnte. Eine wildere Bepflanzung städtischer Parks und kostenlose Leihfahrräder waren nur zwei der Meilensteine, die für das Ziel autofreie Stadt aufgestellt wurden. In kurzen Videoclips wurden alle Meilensteine präsentiert und in einen Maßnahmenplan übersetzt: Welche Forderung ist uns besonders wichtig? Wen brauchen wir, wer unterstützt das? Die Politik, Bürger*innen, Unternehmen? Wann und wo beginnt das Projekt? Natürlich am besten sofort!
Alle Beteiligten waren begeistert und beflügelt von der dreiphasigen Zukunftswerkstatt und ihre Ergebnisse verlangten danach, auch öffentlich präsentiert zu werden.
Gesagt, getan: gemeinsam kuratierten die Jugendlichen eine Ausstellung, bei der die Räume der Kunstfabrik thematisch in die drei großen Phasen der Werkstatt eingeteilt und mit unterschiedlichen Präsentationsformen z. B. mit Videoprojektionen ausgestattet wurden. Im Rahmen des Kemptener „Sommer im Stadtpark“ konnten die Besucher*innen darüber hinaus auch selbst bei Zukunftsworkshops mitmachen. Stolz präsentierten die jungen Zukunftskünstler*innen ihre Arbeit und genossen die große Würdigung, die sie von den Erwachsenen und ihren Freunden erfuhren.
Zum Abschluss kamen die Jugendlichen noch einmal in der Kunstfabrik Kempten zusammen und hielten den Erfolg des Projektes in einem Dokumentationsvideo fest. Sie bauten ein Bühnenbild und entschieden sich für ein Talkshowformat, bei dem zwei Jugendliche die anderen interviewten und auch die Projektleitung nicht an einem Interview vorbeikam. So viel Engagement bleibt natürlich nicht unbemerkt und so konnten neun junge Zukunftskünstler*innen im Februar 2022 dem Oberbürgermeister und dem Jugendreferenten der Stadt Kempten die Projekt-Ergebnisse präsentieren und die Ergebnisbroschüre übergeben. Im großen Projekterfolg sehen die Kunstschule Kempten und der Tuteka e. V. auch den Grundstein für weitere Formate gelegt. 2022 soll das große Potenzial der Verschränkung von politischer Bildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung und Kultureller Bildung weiter genutzt werden. Denn sie eröffnet Räume des Selbsttätigwerdens und macht Lust, Verantwortung zu übernehmen, statt Veränderungen nur hinzunehmen (vgl. Dengel/Krüger 2019).
Literatur
Sabine Dengel, Thomas Krüger (2019): Partizipation – Anspruch und Herausforderung für die Bildungskonzeptionen politischer und Kultureller Bildung. In: Wissensplattform „kubi-online: Wissenstransfer für Kulturelle Bildung“. www.kubi-online.de/artikel/partizipation-anspruch-herausforderung-bildungskonzeptionen-politischer-kultureller-bildung (Zugriff: 22.02.2022)
Dieser Beitrag basiert auf der Grundlage des Textes von Claudia Schlittenbauer und Alexander Köffer. Er ist erstveröffentlicht in: Kunstschule Kempten und Tuteka e. V. (2021): Ergebnisbroschüre 2021. Junges Utopia – eine kreative Werkstatt für unsere Zukunft. Das Projekt wurde bis 31.12.2021 im Programm der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) NEUSTART KULTUR durch den Fonds Soziokultur e. V. gefördert.