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Spiel und Kunst von Anfang an!
Fachbeitrag

Spiel und Kunst von Anfang an!

Frühkindliche Kulturelle Bildung

veröffentlicht:

Frühkindliche Kulturelle Bildung zu fördern, ist ein Aufgabenbereich der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung. Als Dachverband stehen ihr dafür verschiedene Mittel zur Verfügung.

Kerstin Hübner koordiniert das Netzwerk Forschung Kulturelle Bildung. Zuvor hat sie den Arbeitsbereich „Kooperation, Bildung, Innovation“ der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung geleitet. Ihre Schwerpunkte sind Kooperationen, Bildungslandschaften und Zivilgesellschaft.

„Kinder haben ein Recht auf volle Beteiligung am kulturellen und künstlerischen Leben – und das von Anfang an.“ Dieser Satz leitet das Positionspapier der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder und Jugendbildung (BKJ) e.V. ein, das sich mit der Kulturellen Bildung für junge und sehr junge Kinder auseinandersetzt (BKJ 2016). Damit wird in Bezug auf die Menschenrechte und die UN-Kinderrechtskonvention ein normativer kultureller Teilhabe-Anspruch formuliert, den es nicht nur auf politischer Ebene, also da, wo Rahmenbedingungen gesetzt werden, permanent einzufordern gilt, sondern den auch die Träger der Kulturellen Bildung stetig erfüllen müssen. Mit den Möglichkeiten eines Dachverbandes hat sich die BKJ dieser Aufgabe angenommen.

Es sind aber nicht nur die Menschenrechte, welche die Bedeutung frühkindlicher Bildung begründen, es gibt ebenso eine bildungsund entwicklungsorientierte Herleitung: Bildung durch ästhetische Erfahrungen, die auf sinnlicher Wahrnehmung und leiblicher Auseinandersetzung beruht (Brandstätter 2013/2012), ist die Grundbedingung dafür, dass Kinder ihre Welt aus eigener Erfahrung deuten können. Kinder erobern sich die Welt singend, tanzend, malend und spielend. Kunst, Kultur und Spiel können auf besondere Weise die Entdeckerfreude von Kindern anregen (BKJ 2016).

Ein weiterer zentraler Ausgangspunkt ist, dass der wahrnehmende (rezeptive) und gestaltende (aktive) Auseinandersetzungsprozess in Künsten dem Menschsein „eingeschrieben“ ist. Die Künste in ihrer Vielfalt – von Musik, Klang und Rhythmik, über Tanz, Bewegung, Theater und Zirkus ebenso wie über bildnerische Kunstformen bis hin zu (digitalen) Medien, Film und Fotografie oder Erzählkunst und Literatur – halten für junge und sehr junge Kinder von null bis sechs Jahren wertvolle Anregungsimpulse bereit. Dazu zählt auch das Spiel als die älteste Lernmethode der Menschheit und als (anthropologische) Grundlage aller kulturellen Tätigkeiten.

Positionierung in der Kinder- und Jugendhilfe, im Kulturbereich und in der (formalen) Bildung

Kulturelle Bildung wird durch drei zentrale (Politik-)Bereiche, Trägerstrukturen und Fachkräfte repräsentiert, die sich in unterschiedlichen Perspektiven der frühen Kulturellen Bildung zuwenden: Für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe stehen zum einen die außerschulischen Träger der Jugendarbeit, also beispielsweise Jugendkunstschulen, Spielmobile, Kinderchöre und -zirkusse mit ihren Spiel-, Kultur und Medienpädagog*innen, welche die Persönlichkeitsentwicklung und das gesellschaftliche Empowerment ins Zentrum rücken. Zum anderen haben Kindertageseinrichtungen und Horte in Bildungsplänen und in der Ausbildung sowie im Tätigkeitsprofil von Erzieher*innen Kulturelle Bildung verankert.

Auch der Kulturbereich hat längst die Kleinen und Allerkleinsten in künstlerische ebenso wie in Vermittlungs- und Bildungsangebote integriert. Die Kraft der Künste zu nutzen, um Kindern eine ganz neue Welt zu öffnen und sie für kulturelle und künstlerische Ideen zu begeistern, ist dabei von zentraler Bedeutung. Es sind hier oftmals professionelle Künstler*innen, die in Theater, Museen, Konzerthäusern oder in Projekten wirksam werden.

Der Bildungsbereich zeigt sich ebenso verantwortlich. Hier sind die (Grund-)Schule mit ihren künstlerischen Schulfächern und Fachlehrer*innen ebenso wie die Angebote des Ganztags und die zahlreichen (oft fächerübergreifenden) kulturellen Projektangebote zu nennen. Mit Blick auf kommunale Bildungseinrichtungen zählen auch Bibliotheken und Volkshochschulen dazu. Nicht zu vergessen sind beispielsweise Musikschulen in kommunaler Trägerschaft als kulturelle Bildungseinrichtungen oder die vielen Vereine, welche eigenständige Angebote für Kinder oder Familien unterbreiten.

Genannt seien diese Orte und Fachkräfte nicht nur, weil die meisten von ihnen in der BKJ organisiert sind, sondern auch, weil sie spannende Kooperationspartner für Kindertageseinrichtungen oder Erlebnisorte für Familien sind. Sie bieten ein enormes Potenzial, Kindern mit unterschiedlichen Ansätzen und in gemeinsamer Verantwortung die Welt der Künste erfahrbar zu machen. Mit ihren Positionen adressiert die BKJ alle diese politischen Handlungsfelder auf Ebene der Kommunen, der Länder und des Bundes, damit diese in ihrer jeweiligen Förderlogik die spezifischen Bedürfnisse von Kindern berücksichtigen und die unterschiedlichen Träger so ausstatten, dass diese Zugänge zu Kultureller Bildung gewährleisten können – flächendeckend und vielfältig.

Der Dachverband als Netzwerk: Stark durch die vielen

Der Dachverband BKJ zieht sein Potenzial aus den unterschiedlichen Mitgliedsstrukturen und ihrem Wirken für mehr und qualitativ hochwertige Bildung: Netzwerke sind entstanden, eigenständige kulturpäkulturpädagogische Konzepte wurden erarbeitet, Arbeitshilfen brachten Impulse, Positionen werden sichtbar und Qualifizierungen werden angeboten, Gütesiegel beweisen Qualität.

Es haben sich beispielsweise alle Verbände innerhalb der BKJ, die Theater für und mit Kindern repräsentieren, in der Ständigen Konferenz „Kinder spielen Theater“ zusammengeschlossen. Bereits 2004 wurde eine Resolution verabschiedet, die sich für die spezifischen Belange des Theaterspiels von Kindern einsetzt. Ein Kindertheaterfest und eine Fachtagung, die alle zwei Jahre stattfinden, setzen diesen Diskurs fort.

Die Initiative „Musikalische Bildung von Anfang an“, für die der Verband deutscher Musikschulen (VdM) steht, zielt darauf, ein musikalisches Bildungskonzept für die gesamte Altersgruppe von null bis zehn Jahren und deren Familien zu entwickeln und zu implementieren. Bereichert wird die Elementare Musikpädagogik – eine qualifizierte Methode – durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, einen musikalischen Bildungsplan, Arbeits- und Orientierungshilfen, Positionierungen etc. Seit 2006 wird der VdM mit dem Thema umfassend sichtbar und unterstützt auch Kooperationen mit Kitas. Das Gütesiegel „Felix“ des Deutschen Chorverbandes (DCV) ist auf den Bereich der musischkulturellen Bildung im Kindergarten ausgerichtet.

Die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur widmet sich in ihrer Fachgruppe Kita der Mediensozialisation von Kindern, der Medienbildung im Elementarbereich oder auch den Rahmenbedingungen frühkindlicher Medienbildung. Ein Positionspapier „Kinder im Mittelpunkt: Frühe Bildung und Medien gehören zusammen“ ist 2017 entstanden, das einen alternativen medienpädagogischen und kindgerechten Weg aufzeichnet.

„Museen und Kindergärten“ war ein Projekt des Bundesverbands Museumspädagogik e.V. schon im Jahre 2010. Es wurden mehr als 70 museumspädagogische Methoden entwickelt, erprobt und formuliert. Sie verschafften Eltern und Erzieher*innen einen Eindruck davon, welche Kompetenzen Kinder bei einem Museumsbesuch entwickeln können.

Mit ihren Programmen für Kindertagesstätten und Eltern zielen die Stiftung Lesen oder der Deutsche Bibliotheksverband darauf, Kindern spielerisch die Welt der Sprache und des (Vor-)Lesens zugänglich zu machen. Pädagogisches Fachpersonal und Familien erhalten nützliche Hilfestellung und Empfehlungen. Im Projekt „Lesen, Staunen, Forschen – das MINT-Geschichtenset für Kitas“ wurden bis Ende 2019 rund 50.000 Kitas in Deutschland mit hochwertigem Material ausgestattet. Der „Vorlesekoffer“, die „Kinder-Bücherbox“ oder „Lesestart 1-2-3“ sind weitere Formate, die bis zu 20 Sprachen berücksichtigen. Mit dem Gütesiegel Buchkindergarten werden Kindergärten ausgezeichnet, die sich herausragend für die frühkindliche Leseförderung engagieren.

Der Bundesverband der Jugendkunstschulen und kulturpädagogischen Einrichtungen (BJKE) hat im Projekt „Übergänge erfolgreich meistern“ (gemeinsam mit dem VdM) gefragt: Wie bilden sich langfristig gute Kooperationen und Teams von so unterschiedlichen Einrichtungen wie Jugendkunstschule, Musikschule, Bibliothek mit Kita und Schule? Wie kann man Konzepte vom Übergang von der Kita in die Grundschule entwickeln? Die Ergebnisse wurden in einer Arbeitshilfe dokumentiert.

Einen wichtigen Ansatz verfolgt die BAG Spielmobile, die mit ihren spielpädaogigschen Angeboten Kinder dort aufsucht, wo sie sind. Das ist nicht nur die Kita, sondern das sind auch Spielplätze und der öffentliche Raum. In einem Manifest der BAG wird das Recht der Kinder auf Spiel und freie, selbstbestimmte Zeit betont.

Die BKJ selbst ist auch Teil eines Netzwerkes – des Netzwerkes Frühkindliche Kulturelle Bildung (siehe Beitrag in diesem Heft). Der fachliche und strategische Austausch mit weiteren Akteuren – mit Wissenschaft, mit Politik und Verwaltung, mit Vertreter*innen der Hochkultur oder mit Stiftungen – erweist sich als wichtig, um das Thema weiter aus seinem Nischendasein herauszuführen.

Fördern und Kommunizieren: Potenziale aktivieren und sichtbar machen

Die BKJ fokussiert seit gut zehn Jahren auf die frühkindliche Kulturelle Bildung, nachdem deutlich wurde, dass die doch sehr allgemeine Perspektive „Kinder und Jugendliche“ oftmals erst Kinder ab dem Grundschulalter wirklich einschloss – im Denken und im Handeln. Dabei orientiert sich die BKJ bis heute in zwei Richtungen: Einerseits nach außen, denn es braucht spezifische Förderstrategien und Unterstützungsnetzwerke für die jüngste Altersgruppe, für die Politik und Verwaltung auch erst einmal sensibilisiert werden mussten. Die andere ist jene nach innen, denn in einem diskursiven Prozess wurde eine gemeinsame fachliche Basis geschaffen. Zentraler Ankerpunkt im Dachverband war dazu der BKJ-Fachausschuss „Kulturelle Bildung von 0-6“.

Die BKJ nutzt unterschiedliche dachverbandliche Instrumente, um das Thema voranzubringen. Eines dieser Instrumente ist die konkrete finanzielle Förderung. So schließt das deutschlandweit größte Programm der Kulturellen Bildung, „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung) Projekte für Kinder ab drei Jahre mit ein. Seit 2013 werden damit Zugänge zu Kunst und Kultur vor allem für Kinder, die in Risikolagen aufwachsen, ermöglicht. Zahlreiche Mitglieder der BKJ und die BKJ selbst beteiligen sich an dem Programm mit eigenen Konzepten. Durch die Kooperation von kulturellen Bildungsträgern mit Kindertageseinrichtungen oder FamilienzenFamilienzentren werden vielfältigste Ideen für junge Kinder realisiert. Innerhalb des BKJ Unterprogramms „Künste öffnen Welten“ arbeitet ein Fünftel der geförderten Bündnisse mit Kitas und Horten zusammen, 14 Prozent der Projekte r ichtet sich gezielt an Kinder im Vorschulalter, 70 Prozent erreicht Grundschüler*innen.

Gute Praxis, die es in großer Vielfalt gibt, muss sichtbar werden, um damit politisch zu überzeugen und um weitere Praxis anzuregen. Mit dem Wettbewerb MIXED UP wurden seit 2017 Preise für Kooperationsprojekte vergeben, die mit, in und für Kindertagesstätten realisiert wurden. Die Preisträgermodelle zeugen von hoher Qualität. Auf der BKJ Website oder in ihrem Newsletter werden nicht nur gute Modelle vorgestellt, sondern auch Praxistipps und Arbeitsmaterialien veröffentlicht. Dort finden sich auch, wie auf der Wissensplattform Kulturelle Bildung online (www.kubi-online.de), grundlegende Fachtexte.

Frühkindliche Kulturelle Bildung: ohne Kooperationen geht es nicht!

Sowohl Kulturelle Bildung als auch Kooperation haben als Paradigmen den Bildungsdiskurs in den letzten Jahren stark geprägt. Unweigerlich wurden beide Paradigmen in kulturellen Bildungskooperationen zusammengeführt – mit einem ganzen Blumenstrauß an Zielsetzungen. Ein zentrales Ziel ist und bleibt das der Bildungs- und Teilhabegerechtigkeit, dem sich andere Ziele unterordnen, zum Beispiel mehr Angebote zu sichern und/oder bessere Angebote zu unterbreiten. Hier mit gutem Augenmaß quantitative und qualitative Entwicklung auszubalancieren, hat sich die BKJ zur Aufgabe gemacht. Dies wurde auch im Rahmen eines bundesweiten Fachtags „Perspektive für frühe Teilhabe – Kulturelle Bildungspartnerschaften mit Kindertageseinrichtungen“ im September 2018 diskutiert, dergemeinsam mit der LAG Kinder- und Jugendkultur Hamburg stattfand und die unterschiedlichsten Akteur*innen zusammenbrachte.

Kooperationen, vor allem die Zusammenarbeit kultureller Bildungsträger mit Kitas, wurden zum Beispiel durch Förderprogramme (siehe „Kultur macht stark“) und Qualitätsmaßnahmen angeregt und unterstützt. Dabei wurden zunächst Ansätze aus der Zusammenarbeit mit Schule übertragen und auf die spezifische Situation in Kitas angepasst. Hinweise auf eine erfolgreiche und rege Netzwerkbildung gibt der bereits erwähnte MIXED UP Bundeswettbewerb für kulturelle Bildungskooperationen Die bisher prämierten Projekte sind vor allem strukturbildende Kooperationen: KS:BAM vermittelt seit vielen Jahren Kulturangebote an 120 Kitas in der Stadt und im Landkreis Bamberg, TUKI fördert langfristige Kooperation zwischen Berlinern Theatern und Kitas, die Jugendkunstschule Bad Kreuznach realisiert mit neun Kitas ihr Kita-Kunst-Karussell. Dies ist ein wichtiges Indiz dafür, dass der Bedarf an nachhaltigen Kooperationsstrategien und Netzwerken groß ist.

Eine umfassende Kooperationsstrategie sind „Bildungslandschaften“ – im lokalen oder regionalen Raum institutionalisierte kooperative Netzwerke, die in der Regel kommunal verantwortet werden. Die BKJ macht sich dafür stark, dass Kulturelle Bildung in Bildungslandschaften angemessen berücksichtigt wird. In einem Praxisforschungsprojekt fand die Universität Kassel, Kooperationspartner der BKJ, heraus, dass 66 Prozent der im Internet gefundenen Bildungslandschaften den Themenschwerpunkt Frühe Bildung setzen, 47 Prozent Familienbildung und 20 Prozent Kulturelle Bildung (Gumz & Thole 2020).

Auf der strukturellen Ebene wird deutlich: An 65 Prozent der untersuchten Bildungslandschaften beteiligen sich Kindertagesstätten. Dieser hohe Anteil sichert, dass in den meisten Bildungslandschaften die Kinder- und Jugendhilfe und das Jugendamt systematisch integriert werden. Zum Vergleich: In 57 Prozent der Bildungslandschaften finden sich Museen, Volkshochschulen und Bibliotheken, in 30 Prozent kulturell-ästhetische Projekte und in 20 Prozent Jugendkunst- bzw. Musikschulen. Die Schnittmenge zwischen einer frühkindlichen und kulturellen Schwerpunktsetzung bzw. Kooperationsstruktur ist dabei (noch) ungeklärt.

Gute kulturelle Bildungspraxis: Qualität anregen und sichern

Bereits in ihrer Studie zur „Qualitätssicherung in der Kulturellen Bildung“ (BKJ 2010) widmete die BKJ den Rahmensetzungen für Kulturelle Bildung in Kindertageseinrichtungen ein eigenes Kapitel. Dies zielte darauf, kulturelle Bildungsträger für die Anschlüsse ihrer Praxis in Kitas zu sensibilisieren.

Die Voraussetzungen gelingender Praxis Kultureller Bildung für (sehr) junge Kinder wurden schließlich 2016 durch die BKJ in vier Qualitätsdimensionen beschrieben:

  • Setting (Orte, Ausstattung und räumliche Gestaltung)
  • Haltung der Erwachsenen (Fachkräfte aus den Bereichen Frühkindliche Bildung und Betreuung, Kulturpädagogik und Kunst, Eltern und Familienangehörige)
  • Relevanz (das, was das Kind tut, bekommt für es selbst eine Bedeutung)
  • Partizipation (umfassende Mitgestaltungsmöglichkeiten und Selbstwirksamkeit)

Daraus hat die BKJ Qualitätskriterien abgeleitet, die sich vor allem im kulturpädagogischen Bildungsverständnis begründen: Offenheit und Prozessorientierung, umfassende Beteiligung, subjektive und vielseitige Zugänge, spielerische Herangehensweise, gleichberechtigte Interaktion zwischen Kindern und Erwachsenen, gemeinsames Experimentieren, Forschen und Lernen, künstlerische Prozessgestaltung und (Ko-)Produktion, kooperative Praxis etc. (BKJ 2016).

Eine Expertise von Prof. Dr. Michael Obermaier und Prof. Dr. Thorsten Köhler (2018) zur Qualität und zu Gelingensbedingungen Kultureller Bildung in Kindertageseinrichtungen, welche die BKJ in Auftrag gab, kontrastierte dies mit kindheitspädagogischen Qualitätsdimensionen. In ihrer qualitativ angelegten Studie analysierten sie zehn herausragende Kulturprojekte für Kinder in Kindertageseinrichtungen aus unterschiedlichen Sparten. Alle untersuchten Projekte sind von einer hohen Orientierungs- und Prozessqualität geprägt, in denen Partizipation, Diversität, spielerischer und ergebnisoffener Zugang oder das Prinzip der Freiwilligkeit verpflichtende Grundprinzipien darstellen. Das sind starke Qualitäten und Potenziale. Anderseits mangelt es (noch) an übergreifenden Bildungskonzeptionen, unter anderem weil es nach Ansicht der Autoren noch einer fachtheoretischen und methodischen Öffnung und Weitung Kultureller Bildung in die Nachbardisziplin Kindheitspädagogik bedarf.

Mit dem Gute-Kita-Gesetz rückten bundesweit Fragen der Qualität frühkindlicher Bildung in den Mittelpunkt. Viele der dort verankerten Kriterien sind sehr anschlussfähig zu Kultureller Bildung, gleichwohl diese in den Implementierungsdebatten keine Rolle spielt. Hier wird auch deutlich, dass bei allem Bemühen der BKJ und ihrer Partner im Netzwerk es für die Potenziale Kultureller Bildung nicht ausreichend Lobby gibt.

(Kulturelle) Teilhabe und Bildung: Brennglas Corona

Dass sich die Bedeutung frühkindlicher Kultureller Bildung und die beschriebenen Konzepte und Strukturen sowohl in der Gesellschaft als auch in den Systemen der Kinder- und Jugendhilfe, der Bildung und der Kulturarbeit noch nicht verlässlich verankert haben, ist in der ersten Jahreshälfte 2020 deutlich sichtbar geworden. Kindern wurde pandemiebedingt das Recht auf Kulturelle Bildung und Teilhabe weitestgehend verwehrt. Die genannten Systeme konnten im Zuge des Lockdowns nicht nur ihrem Auftrag kaum nachkommen, sondern mussten sich vielfach auf Ebene der Einrichtungen und Fachkräfte sogar um ihre Existenz sorgen. Zwei zentrale Gründe spielen hier hinein: Kinder haben einerseits keine schlagkräftige Lobby, weswegen ihre Bedürfnisse und Rechte keine wirkliche Rolle spielten. Und zum anderen mag frühkindliche (Kulturelle) Bildung zwar lebenswichtig sein, wird aber nicht als systemrelevant definiert.

Der hohe Druck auf Familien im Alltagsmanagement ließ auch in diesem Kontext kaum Räume zu, dass Kinder sich mit der Unterstützung ihrer Eltern sinnlich, kreativ und gestaltend mit sich und der sich verändernden Welt ausauseinandersetzen konnten. Eltern sind natürlich eine stärkere Lobby. Wahr ist aber auch, dass Öffnungsprozesse vieler Kitas stark von der Vereinbarkeitsfrage geprägt waren und Betreuung zunächst wichtiger war als Bildung.

Auch jetzt, im Herbst 2020, bleiben sowohl Kooperationsmöglichkeiten von Kitas mit kulturellen Bildungspartnern, Besuchsmöglichkeiten kultureller Orte durch Familien als auch die kulturelle Bildungsarbeit durch pädagogische Fachkräfte in den Kitas selbst eingeschränkt.

Zugleich hat die Krise verdeutlicht, an welchen Stellen Politik und Träger für frühkindliche Kulturelle Bildung investieren müssen. Drei Beispiele seien genannt:

  • Kulturelle Teilhabe ist sehr stark abhängig davon, an welchen Standorten und in welchen Risikolagen Kinder aufwachsen (oder eben nicht aufwachsen). Die Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen zu erreichen, fordert (Bundes-)Politik und Träger gleichermaßen. Das bedeutet auch: weg von Leuchttürmen, hin zu Strategien in der Fläche.
  • „Ausweitung des Angebots und vielfältige Zugänge“ ist eine Forderung der BKJ (BKJ 2016). Um dieses Ziel zu erreichen, sind kulturelle Jugendarbeit und Kulturarbeit darauf angewiesen, dass sie mit dem Partner Kita zusammenarbeiten bzw. darauf, dass Familien den Weg zu Kulturorten finden. Infrastrukturen und Kooperationen müssen krisenfester gemacht werden.
  • Vom Digitalisierungsschub konnte gerade die jüngste Altersgruppe am wenigsten profitieren, bei ihnen ist die Abhängigkeit von elterlicher Unterstützung mindestens genauso stark wie die von technischer Ausstattung. Hier wirklich systematisch, zum Beispiel im Zuge eines weiterentwickelten Digitalpaktes, Kindertageseinrichtungen und (Jugend-)Kulturarbeit mit Geldern für Konzeptentwicklung, Projektumsetzung, Qualifizierung und Hard-/Software auszustatten, wäre ein nachhaltiger Schritt für die nachwachsende Generation.

Der Beitrag ist erstveröffentlicht in: Zeitschrift frühe Kindheit, 5/20, 23. Jahrgang, Deutsche Liga für das Kind in Familie und Gesellschaft e. V.

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