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Schule macht Theater. Theater macht Schule
Aus der Praxis

Schule macht Theater. Theater macht Schule

Schultheater-Studio Frankfurt, Frankfurt am Main

veröffentlicht:
Bild: Schultheater-Studio Frankfurt

Dass das Schultheater-Studio Frankfurt auf dem Gelände einer Schule zu Hause ist, ist ein geografischer Zufall – resultierend aus einer Zeit vor 30 Jahren, als die Schule zu viel Platz hatte und die neu gegründete Theater-Institution welchen suchte.

Kathrin Köller

Und doch ist hier das Epizentrum für vieles, was mit Theater und Schule zu tun hat. Von hier aus werden hessenweit Theaterlehrer*innen ausgebildet, Theater-Workshops entwickelt, Ensembles betreut, Spektakel koordiniert und Theaterferien organisiert.

Dass das alles und noch viel mehr so funktioniert, liegt an einer ungewöhnlichen Kooperation. Im Schultheater-Studio Frankfurt arbeiten Theaterlehrkräfte und Theaterpädagog*innen in einem Team zusammen, inspirieren sich gegenseitig und sorgen von zwei Seiten aus dafür, dass der Alltagsort Schule mehr Theater bekommt. „Es gibt bundesweit nur sehr wenige Möglichkeiten, Theater als Unterrichtsfach zu studieren und auch in Hessen nicht und deswegen bilden wir jetzt in Kooperation mit dem Landesverband Schultheater in Hessen und der Hessischen Lehrkräfteakademie Lehrer*innen aus, die dann das Fach Darstellendes Spiel unterrichten können“, erklärt Elke Mai-Schröder, die Leiterin der Institution. Genau wie für alle anderen Fächer gibt es ein Curriculum und Lernziele für den Theaterunterricht. Darüber hinaus aber erfahren die Lehrkräfte, wie Theater auch im Bereich der Prävention wirken kann oder zur Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Themen beiträgt.

Langjährige Partnerschaften

Anfänglich war sich Katharina Fertsch-Röver nicht sicher, ob die Ausbildung der Theaterlehrkräfte für die Schulen nicht die freie Theaterszene und deren Projekte bedrohen würde. Heute leitet die engagierte Theatermacherin den theaterpädagogischen Zweig des Schultheater-Studios und weiß, dass das Gegenteil der Fall ist. Durch die Fachkräfte an den Schulen ist das Bedürfnis nach Theater, auch im außerschulischen Bereich, nur größer geworden. „Um Theater an die Schulen zu holen, braucht es jemand Engagiertes an der Schule, der das Theater liebt“, berichtet Katharina Fertsch-Röver. Auf dieser Grundlage bringt das Theaterstudio im Rahmen des TUSCH-Programms die freie Theaterszene in die Schule und die Schüler*innen ins Theater. Und gemeinsam wird dann über einen längeren Zeitraum ein eigenes Projekt erarbeitet, das beim TUSCH-Spektakel auf die Bühne gebracht wird. Selbst im Krisenjahr 2020 wurden in einer Hybridveranstaltung im Frankfurter Gallustheater die Partnerschaftsproduktionen von Schule und Theater aufgeführt.

Die Möglichkeit im Improvisationstheater selbst zu bestimmen, was auf der Bühne passiert, gibt Jugendlichen viel Selbstermächtigung.

Katharina Fertsch-Röver

Keine Angst vor Chaos!

Dass Theater auch hilfreich sein kann, wenn es um wichtige Themen und das soziale Miteinander geht, beweisen die vielfältigen Workshops, die das Schultheater-Studio teils seit mehr als 20 Jahren anbietet. Gewaltprävention, Suchtprävention, Workshops, die sich mit Geschlechterrollen und Homophobie auseinandersetzen – hier geht es um existentielle Themen. Und weil man es sich bei diesen Themen nicht leisten kann, dass die Schüler*innen eine passive Rolle einnehmen, lässt sich das Schultheater-Studio eine Menge einfallen.

Das Team um Katharina Fertsch-Röver ist sich bewusst, dass sie die Erwartungshaltung einer Klasse, belehrt zu werden, erst einmal aufbrechen müssen. Das Schultheater-Studio-Team geht es mit viel Vergnügen, Persiflage auf die eigene Zunft und Mut zum Chaos an. „Bei einem unserer Workshop-Konzepte kommen drei Leute hintereinander, die alle drei verschiedene Ansätze haben, Kindern etwas über die Gefährlichkeit von Suchtmitteln zu erzählen. Als erstes betritt jemand mit Räucherstäbchen die Klasse und macht Atemübungen, dann kommt jemand, der ganz wissenschaftlich etwas über stoffgebundene und ungebundene Drogen erzählt. Parallel dazu erscheint schon der Dritte und will einen Theaterworkshop machen, schmeißt Zettel in die Runde und sagt, die sollen sich jetzt alle auf einen Stuhl stellen.“ Der Wahnsinn hat durchaus Methode. Denn durch die Überraschung gelingt es, die Jugendlichen szenisch in eine Aktivität zu bringen, bis sie zum Schluss den Workshop zu ihrer eigenen Sache machen und selbst Szenen entwickeln. Im Rückblick ist die eigene Aktivität genau das, was den Schüler*innen wichtig ist. „Es gibt kein richtig oder falsch, das von außen definiert wird“, erläutert Elke Mai-Schröder und Katharina Fertsch-Röver ergänzt, „die Möglichkeit im Improvisationstheater selbst zu bestimmen, was auf der Bühne passiert, gibt ihnen viel Selbstermächtigung.“

Das Bedürfnis nach Partizipation

Selbstermächtigung und Partizipation, diese Grundsäulen der Kulturellen Bildung sind das, was Theater gerade heute so wichtig macht und von Teilnehmer*innen selbst auch immer wieder hervorgehoben wird. Das Feedback, dass das Theaterteam nach jedem Workshop erhält, lautet: „Am besten war die eigene Szene. Am besten war, dass ich heute so viel mitgestalten durfte.“ Und die Theaterpädagogin fügt hinzu: „Ich glaube, das Bedürfnis Jugendlicher nach Partizipation und gesehen werden wollen, ist in den letzten zehn Jahren nochmal viel stärker geworden. Theaterworkshops bieten ihnen da eine Menge Möglichkeiten. Man sieht die Wirkung seines eigenen Tuns sofort.“
Daher lautet das Credo des Schultheater-Studios bei all ihren verschiedenen Programmen immer, die Ideen, die Struktur, die Entwicklung der Story gehen von den Jugendlichen aus. Die Theaterprofis begleiten und verstärken deren Arbeit lediglich durch handwerkliche und ästhetische Mittel. Davon haben sie allerdings eine ganze Menge an der Hand. Von Schatten- oder Schwarzlichttheater, über Improvisation und Bewegungstheater bringt das Schultheaterstudio eine Menge Techniken mit, die sich für die kreative Auseinandersetzung mit den verschiedensten Themen nutzen lassen. Seit 2020 ist auch ein filmisches Denken dazu gekommen und die Theaterpädagog*innen begleiten die Jugendlichen bei der Entwicklung ihrer Stoffe mit der Kamera. Denn Jugendliche und Theater brauchen Publikum. Ganz dringend. Und 2021 wieder mehr.

Der Beitrag ist erstveröffentlicht in: Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (2021): Unverzichtbar – Orte Kultureller Bildung kubi – Magazin für Kulturelle Bildung. No. 20-2021. Berlin. S. 56 – 59.

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