Radikalisierung und Jugendkultur gehören immer zusammen
Interview mit Prof. Dr. Benno Hafeneger
Interview mit Prof. Dr. Benno Hafeneger
Prof. Dr. Benno Hafeneger ist Erziehungswissenschaftler. Seit 1994 war er Professor für Erziehungswissenschaften/außerschulische Jugendbildung an der Philipps-Universität Marburg und ist nun im Ruhestand.
Foto: BKJ | Andi Weiland
Kinder und Jugendliche wachsen in unserer Kultur auf. Dabei sind sie mit allen Phänomenen der Gesellschaft konfrontiert. Wir haben Radikalisierungsentwicklungen in der Gesellschaft im Bereich von Neo-Salafismus, Dschihadismus auf der einen Seite und Rechtsextremismus im weitesten Sinne auf der anderen Seite. Es gibt die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche in diese Radikalisierungsprozesse hineingeraten. Die Zahlen zeigen, dass Radikalisierungsphänomene in der jungen Generation in den letzten Jahren eher zugenommen haben.
Radikalisierung und Jugendkultur gehören immer zusammen. Wir kennen in der Geschichte der Jugendkulturen auch radikalisierte Jugendkulturen. Das können politische Kulturen sein, aber auch sonstige ausdrucksstarke Jugendkulturen, die ihren Protest anmelden gegenüber der Gesellschaft. Das gehört zusammen. Die Frage ist: Radikalisiert sich das weiter bis hin zu einem Ausstieg aus der Gesellschaft, zu gewaltförmigem Verhalten oder ist es ein vorübergehendes Phänomen? Eine gewisse Radikalisierung brauchen viele Jugendliche, um sich selbst und ihre eigene Identität in Abgrenzung zur Erwachsenengesellschaft zu entwickeln. Wenn dem so ist, dann ist das nicht zu dramatisieren. Also, Radikalisierung ist zunächst ein relativ neutraler Begriff. Aber es stecken Gefahren drin, wenn Radikalisierung politisch und kulturell in die falsche Richtung gehen, wenn sie Humanwerte und Sozialwerte bekämpfen.
Eine Radikalisierung in der jungen Generation ist immer auch ein jugendkulturelles Phänomen. Und jetzt ist die Frage, wie differenziert können die Angebote der Kulturellen Bildung möglichst viele Jugendliche erreichen, um sie in Kulturentwicklungen oder Ausdrucksformen von Kultur einzubinden, sodass radikalisierte Formen verhindert werden können? Möglichst viele junge Leute müssen positive kulturelle Erfahrungen machen. Da ist das eine und auch eine spannende Herausforderung für die Jugendpolitik, Kulturelle Bildung zu fördern, damit viele Kinder und Jugendliche diese Erfahrungen machen können. Das andere ist, dass sich Kulturelle Bildung mit diesen radikalisierten Jugendkulturphänomenen auseinandersetzen muss und aufklärt, welche Gefahren damit für die Gesellschaft verbunden sind, aber auch für die Biografie-Entwicklung von Jugendlichen, wenn sie in solchen radikalisierten Jugendkulturen längerfristig verbleiben und sich weiter radikalisieren.
Das Interview wurde anlässlich der Fachtagung der BKJ „Perspektiven wechseln. Chancen schaffen“ am 17. März 2018 in Remscheid geführt und verfasst.
Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Wenn Sie Interesse an einer Nutzung haben, melden Sie sich gerne unter redaktion@bkj.de.