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Qualität Kultureller Bildung in Kindertagesstätten – Herausforderungen
Fachbeitrag

Qualität Kultureller Bildung in Kindertagesstätten – Herausforderungen

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In diesem Beitrag fassen Prof. Dr. Michael Obermaier und Prof. Dr. Thorsten Köhler die Ergebnisse ihrer qualitativen Analyse von zehn herausragende Kulturprojekte für Kinder in Kindertageseinrichtungen zusammen.

von Michael Obermaier und Thorsten Köhler

Der Aufwuchs im Feld der Kindertagesbetreuung ist beeindruckend: 2016 waren in diesem Teilarbeitsmarkt bereits 710.000 Menschen beschäftigt, zwischen 2006 und 2016 wurden über 251.000 Arbeitsplätze neu geschaffen und die Zahl der dort tätigen Personen ist in den letzten zehn Jahren um 61 Prozent gestiegen. Doch nicht nur die Anzahl an pädagogischen Fachkräften und an betreuten Kindern ist rasant angestiegen – mittlerweile zählt für 98 Prozent der über Dreijährigen der Kitabesuch zum normalen Bestandteil der Bildungsbiografie –, auch die Ansprüche und Erwartungen an eine zeitgemäße Bildung, Betreuung und Erziehung sind mindestens ebenso stark angewachsen und stellen das Ausbildungssystem, Träger, Leitungen und pädagogische Fachkräfte sowie den gesamten Bereich der kommunalen Kultur- und Bildungseinrichtungen wie Musikschulen, Museen, Bibliotheken oder Tanzhäuser vor große Herausforderungen: Denn der Quantität muss nun die entsprechende Qualität folgen, sollen die Reformversprechen etwa von Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit keine bildungs- und kulturpolitischen Leerformeln bleiben.

Dabei stellt insbesondere der Bereich der Kulturellen Bildung eine außerordentliche Herausforderung dar, da die sinnlich-ästhetischen Erfahrungen in den ersten Lebensjahren den zentralen Bildungsbereich kindlicher Entwicklung darstellen. Auch ist es unbenommen, dass Kinder von Anfang an ein Recht auf volle Beteiligung am kulturellen und künstlerischen Leben haben. Dennoch, um es gleich vorab zu klären: Trotz dieser rechtlich beachtlichen und begrüßenswerten Stärkung des ästhetischen und kulturellen Bildungsbereichs, der seit 2006 auch in den länderspezifischen Bildungsplänen für den Elementarbereich explizit aufgenommen wurde, ist eine kulturelle Bildungspraxis und Bildungsförderung in der Akzentuierung, wie sie in der Expertise herangezogen wird, im Alltag frühkindlicher Bildungs- und Betreuungseinrichtungen noch lange keine Selbstverständlichkeit. Vielmehr, so die Ergebnisse, bedarf es noch vielfältiger Anstrengungen in Forschung, Praxis und Politik, um Kulturelle Bildung in Kindertagesstätten nachhaltig zum Alltagsgeschäft zu machen, tragfähige Kooperationsstrukturen mit Kulturinstitutionen zu dauerhaften Bildungslandschaften zu etablieren und so dem anthropologischem Grundbedürfnis der Kinder nach Kultureller Bildung entsprechend fachlich fundiert Rechnung zu tragen.

Das zeigt auch die vorliegende Studie: Alle untersuchten Projekte sind von einer hohen Orientierungs- und Prozessqualität geprägt, in denen Partizipation, Diversität, spielerischer und ergebnisoffener Zugang oder das Prinzip der Freiwilligkeit verpflichtende Grundprinzipien darstellen. Das sind starke Qualitäten und Potenziale. Anderseits, so hält die Expertise fest, gibt es kaum fachlich begründete, evidenzbasierte Konzeptionen oder Formen der Evaluation der Projekte. Zudem war keines der analysierten Projekte maßgeblich an übergreifenden Bildungskonzeptionen orientiert oder inhaltlich den kindheitspädagogischen Diskursen um Bildung, Qualität oder Enkulturation angeschlossen. Diese zunächst ernüchternden Befunde verwundern jedoch nicht, denn die Orientierung an Bildungsforschung, kindheitspädagogischer Theoriebildung oder sozialwissenschaftlichen Standards hat in der Kulturellen Bildung noch keine lange Tradition, Max Fuchs diagnostiziert hierzu einen Bedarf an einer „nachholenden Modernisierung“. In Anbetracht der Bedeutung dieses Bildungsbereichs dürfte eine fachtheoretische und methodische Öffnung und Weitung Kultureller Bildung nicht nur der eigenen Disziplin in Theorie und Praxis, sondern mindestens in gleicher Weise auch der hier im Zentrum stehenden Nachbardisziplin Kindheitspädagogik, wichtige Impulse geben.

Solange Kulturelle Bildung in den Bildungsplänen sowie in den Ausbildungscurricula für kindheitspädagogische Fachkräfte durch bildungspolitisches Zutun nicht den zentralen Platz erhält und Kooperationen in und mit Kindertagesstätten nicht entsprechend gestärkt werden, wird Kulturelle Bildung in Kindertagesstätten nicht den angemessenen Stellenwert erlangen und ihr ausschlaggebender Einfluss auf die kindliche Entwicklung wird nicht ins Zentrum der pädagogischen Bemühungen rücken.

Insofern, so das Fazit der Expertise, liegen schon viele überzeugende Projekte und Zugänge zur Kulturellen Bildung in Kindertagesstätten sowie in Kooperation mit Kulturinstitutionen vor, deren Aufarbeitung entlang bestehender Qualitätsdimensionen indes noch eine große Aufgabe darstellt und die Politik, die Fachverbände sowie die Träger in die Verantwortung nimmt.

In ihrer qualitativ angelegten Studie zur Qualität und zu Gelingensbedingungen Kultureller Bildung in Kindertageseinrichtungen analysierten Prof. Dr. Michael Obermaier und Prof. Dr. Thorsten Köhler zehn herausragende Kulturprojekte für Kinder in Kindertageseinrichtungen aus den Sparten Musik, Theater, Museum und Bildende Kunst, Medien sowie ein Sozialraum- und ein kommunales Netzwerkprojekt. Ausgehend vom Positionspapier der BKJ mit dem Titel „Spiel und Kunst von Anfang an. Kulturelle Bildung für junge und sehr junge Kinder“ (2016) nahmen sie anhand von sechs in der Kindheitspädagogik standardisierten Qualitätsdimensionen die Projekte unter die Lupe, um Anschlussfähigkeiten etwa an kindheitspädagogische Diskurse um Qualität und Bildung zu prüfen. Gerade für die Kulturelle Bildung setzt diese Außenperspektive wichtige Impulse zur fachlichen, strukturellen und auch politischen Weiterentwicklung von Kultureller Bildung in und mit Kindertagestätten und zeigt interessante Implementierungsansätze auf, so etwa im Bereich Prävention und Gesundheit.

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