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Punkrock und das pure Leben
Aus der Praxis

Punkrock und das pure Leben

Projekt „Pink Pop e. V.“, Ibbenbüren

veröffentlicht:
Bild: BKJ | Anna Spindelndreier

Jackie leuchtet. Ganz und gar in ihrem Element ist ihre selbstverständliche Begeisterung für die Musik nicht zu übersehen, wenn sie als Frontfrau mit ihrer Band auf der Bühne steht. Im Pink Pop e. V. haben die Jugendlichen zusammengefunden – musikalisch hat es gleich gefunkt.

Jackie übt Gitarre und kombiniert nachmittags Riffs zu Lyrics, steht auf Bühnen und balanciert auf Bahngleisen, zerreißt sich die Jeans, kommt zu spät und lacht sich mit dem Band-Kumpel kaputt, während die Knie bluten. Adrenalin und Liebe zur Musik. Großes Talent und unendlicher Spaß.

Die 17-Jährige ist Sängerin, Gitarristin und Frontfrau ihrer eigenen Rockalternativ-Band „Awaken“, die sie gemeinsam mit Joanna, Justus und Phil gegründet hat. Vor zwei Jahren kam sie aus Mexiko nach Ibbenbüren und fand über eine Zeitungsannonce von Pink Pop, in der Jugendliche für ein Bandprojekt gesucht wurden, zur Musik. Nach einigen pandemiebedingen Verzögerungen treffen sich die jetzigen Bandmitglieder im Dezember 2021 das erste Mal.

Copyright: Bild: BKJ | Anna Spindelndreier
Copyright: Bild: BKJ | Anna Spindelndreier
Copyright: Bild: BKJ | Anna Spindelndreier
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Bild: BKJ | Anna Spindelndreier

Der Funke springt direkt über. „Wir haben uns zum ersten Mal getroffen und direkt ineinander verliebt und eine Band gegründet“, erzählt Jackie. Sie schreiben ihren ersten Song „Oriental Walls“, veröffentlichen ein Jahr später ihr erstes Album „Seconds to Midnight“. „Wir schreiben selber unsere Lieder, es ist sehr spontan, was wir machen“, erklärt Jackie. „Ich liebe es, Lyrics zu schreiben.“

Der Pink Pop e.V. wurde 1985 als freier Trägerverein unter dem Dach des Jugendkulturzentrums (JKZ) Scheune in Ibbenbüren gegründet. Mit einem großen Herz für Subkultur setzt der Verein sich für aufstrebende Musiker*innen und Künstler*innen ein und möchte vor allem die alternative Musikszene fördern und sichtbar machen.

Coming of Age und Augenhöhe

Pink Pop ist Coming of Age im Tempo der Jugendlichen. Eine Einladung zum Ausprobieren, Weiterentwickeln und Über-Sich-Hinauswachsen. Sich selbst sehen und gesehen werden. Freundschaft, Kreativität und Im-Moment-Sein. Gemeinschaftsgefühl und Rampenlicht.

Der Pink Pop e.V. nimmt Jugendliche genau so, wie sie sind. Mit allem, was Jugendliche so tun. Oder manchmal vielleicht lassen sollten. Wild und laut, nachdenklich und kompliziert, impulsiv und akribisch, ausgelassen und manchmal tollkühn. Pink Pop ist ein Ort mitten im Leben der jungen Menschen, offen, frei, zugewandt. Ein Ort, der auf Augenhöhe agiert, nichts besser weiß, aber alles tut, um Dinge möglich zu machen.

Jam-Sessions bis Mitternacht

Zu Beginn trifft sich die Band zweimal pro Woche, samstags oft von „11 bis 11“, zum Singen, Setlist-Erstellen, Komponieren und Jammen. In den Proberäumen wird ausprobiert, zuhause setzt Jackie das Best of zusammen, textet, singt, übt Gitarre. Mit der so entstandenen Struktur wird dann weitergemacht. Das große Glück, eine eigene Band zu haben, ist für Jackie nicht nur auf der Bühne spürbar, sondern auch in all den kleinen Momenten zwischendurch: „Ich liebe den ganzen Prozess so sehr.“ Jackie schätzt die Diversität ihrer Band und das Hin- und Herspringen zwischen den Musikstilen und Einflüssen: „Wir sind alle verschiedene Charaktere. Wir haben alle verschiedene Musikrichtungen und das ist, glaube ich, was uns auch so alternativ macht.“

Pink Pop ist dabei nicht nur irgendein Ort mit Proberaum und Bühne, sondern einer mit einem ganz besonderen Vibe, findet Jackie: „Hier bei Pink Pop sind immer alle Auftritte sehr, sehr cool. Die Leute sind auch supertoll und haben meistens auch super tolle Laune, die sie zu Shows mitbringen.“

Vielfalt ist Programm

Pink Pop ist Kunstschule, Bandcamp und Musikplattform. Die Jugendkunstschule (JKS), geleitet von Alwina Koop, arbeitet gemeinsam mit dem JKZ Scheune und bietet Kurse für Kinder und Jugendliche in den Bereichen Musik, Kunst, Theater, Tanz und Medien.

Das ist das Tollste: Die Leute von der Bühne anschauen zu können und alle singen deine Lyrics.

Jackie

Jugendliche wie Jackie, die ihre eigene Band gründen möchten, werden beim Bandcoaching professionell unterstützt. Erfahrene Dozent*innen stehen den Jugendlichen zur Seite und helfen dabei, aus Einzelnen eine Band, aus ersten Ideen einen Song zu machen – Proberäume inklusive. Im fast schon legendären Rockbüro organisieren Jugendliche Veranstaltungen für das JKZ Scheune – Eventmanagement trifft Booking. Ob Rock, Punk oder Metal, HipHop oder Blues und Jazz, hier haben von den Jugendlichen ausgesuchte Nachwuchsbands ihre ersten Auftritte. So wie Jackies Band: „Das ist das Tollste: Die Leute von der Bühne anschauen zu können und alle singen deine Lyrics.“ Die Angebote im Pink Pop richten sich an möglichst viele junge Menschen, die Preise sind bezahlbar. „Persönlichkeitsbildung, kulturelle Teilhabe und Kulturelle Bildung ist, insofern sie von Freiheit getragen wird, lebensnotwendig“, davon ist Alwina Koop überzeugt.

Schon lange arbeitet der Pink Pop e.V. eng mit dem JKZ zusammen. Die Übergänge gestalten sich fließend, die offene Jugendarbeit geht mit den Projekten der Jugendkunstschule Hand in Hand. Partizipation wird großgeschrieben, die Ideen der Wünsche der Kinder und Jugendlichen sollen ausdrücklich verwirklicht werden. Gremien wie ein Jugendrat oder die Pro Orga, ein Zusammenschluss aller dort ehrenamtlichen Jugendlichen, sind selbstverständlich. In themenspezifischen AGs handeln die Teilnehmer*innen die nächsten Angebote aus.

„Musik macht, dass du offener wirst...“

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Ein lautes „Ja“ zu jungen Menschen

Alwina Koop und ihre Kolleg*innen praktizieren eine Art Leitung aus der zweiten Reihe. Dabei geben sie den Jugendlichen viel Verantwortung bei der Programmgestaltung. Pink Pop versteht sich als Wegbereiter und -begleiter, was schön klingt, aber auch einfach bedeutet, dass Jugendliche ernst genommen und wertgeschätzt  werden, während ihnen möglichst große Freiräume eröffnet werden. „Kinder und Jugendliche gestalten hier ihr Programm selbst“, so Alwina Koop.

Musik macht, dass du offener wirst, dass du deine Probleme so einfach mitteilen kannst, dass du spontaner wirst, auch auf der Bühne.

Jackie

Sie selbst beteiligte sich schon als Jugendliche hier und erinnert sich durchweg positiv: „Was mich hier begeistert hat, war die Freiheit, die man bekommen hat und vor allem auch die Verantwortung, die man alleine tragen durfte. Aus der Schule kennt man ja eigentlich nur  Bildung nach Lehrplan. Und hier war es so, dass man selbst in der Kulturform, der man damals gefolgt ist, in der Musik, die man gehört hat, der Kunst, die man gelebt hat, alles machen durfte.“

Im Pink Pop e.V. wird „Ja“ gesagt. „Ja“ zu den Jugendlichen und ihren individuellen Bedürfnissen. „Ja“ zur Leichtigkeit. Jugendliche dürfen sich austesten und experimentieren, kreativ entfalten und stolz sein auf ihre Erfolge. Pink Pop soll ein Safe Place sein, zu dem jede*r kommen kann, wie er*sie gerade ist. Ein Treffpunkt, an dem Jugendliche miteinander Großes erschaffen, ihre Talente entdecken und gefeiert werden für das, was sie sind. Ein Ort mit der kollektiven Motivation, eigene Träume zu verwirklichen.

Empowerment und Identität

In der Arbeit von Pink Pop wird deutlich, dass es um weit mehr geht als eine kulturell bereichernde Nachmittagsbeschäftigung. Jugendliche werden nicht nur inspiriert und gefördert, sondern auch in ihrer Identität bestärkt und empowert. „Auf einmal blühen die auf und erkennen dann ihre eigenen Interessen“, freut sich Alwina Koop.

Für Jackie ist Musik ein Teil von ihr geworden: „Musik hat mich verändert und deswegen will ich auch weiter Musik machen. Musik macht, dass du offener wirst, dass du deine Probleme so einfach mitteilen kannst, dass du spontaner wirst, auch auf der Bühne. Das erfordert auch einen Ehrgeiz, dich zu verbessern, wie du sprichst, wie du dich bewegst, wie du Musik machst, alles.“

Text: Madeleine Potganski

Der Pink Pop e. V. bietet mit der Jugendkunstschule und dem Jugendkulturzentreum Scheune zahlreiche kulturpädagogische Angebote für Kinder und Jugendliche an. In der Jugendkunstschule des Vereins können Kinder und Jugendliche Kurse in den Bereichen Musik, Kunst, Theater, Tanz und Medien besuchen. Die Praxisreportage ist entstanden im Rahmen von „Machmamit! – Finde, was deins ist“ der Kampagne für Kulturelle Bildung der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ).