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Pumpen – damit aus halben Portionen ganze Persönlichkeiten werden
Interview

Pumpen – damit aus halben Portionen ganze Persönlichkeiten werden

Im Gespräch mit Marliese Sondermann

veröffentlicht:

Von der ersten bis zur zehnten Klasse werden die Kinder im Rahmen des Projekts „klasseKlassen“ von Künstler*innen aus den Bereichen Tanz, Architektur, Musik und Theater begleitet. Das Projekt läuft inzwischen im vierten Jahr. Angelegt ist es auf zehn Jahre. Ein ganz schön langer Streifen Zeit.

Marliese Sondermann hat über viele Jahre das JugendKulturZentrum PUMPE in Berlin geleitet.

Wie kommt der lange Zeitraum, der für das Projekt angelegt ist, zustande?

„klasseKlassen“ ist unser erstes Langzeitprojekt. Die Idee war, den vielen Kurzzeitprojekten etwas gegenüberzustellen. Der Anspruch ist: Eine Gruppe von Kindern über deren gesamte Schulzeit hindurch mit demselben Team von Künstlerinnen und Kultureller Bildung parallel zu ihrem Schulleben zu begleiten. Und zwar so, dass der kulturelle Blick sich ganz selbstverständlich in ihren Lebensalltag einfügt und sich die künstlerische Herangehensweise mit den schulischen Inhalten immer mehr verquickt.

Erstaunlich ist es schon, dass sich alle vier Künstlerinnen, Be van Vark, Katharina Stahlhoven, Tina Paar und Anne Schneider, für zehn Jahre mit Begeisterung an das Projekt binden. Nun sind Sie schon im vierten Jahr, und haben wahrscheinlich bereits viel gemeinsam dazugelernt …

Ja! Also im ersten Jahr haben wir uns sehr an das Konzept gehalten, dass die Künstler*innen jeden Monat einen Tag in der Schule mit den Kindern arbeiten und einmal im Jahr eine ganze Woche in der Pumpe haben. Wir haben aber sehr schnell gemerkt, dass das für die Kinder sehr schön ist, wenn sie zu uns in die Pumpe kommen. Da sind andere Räume, das ist etwas Besonderes. Daher haben wir ab dem zweiten Jahr mit den Kindern in der Pumpe gearbeitet. Das Zweite, was wir damals geändert haben, ist, dass wir die Termine zusammengefasst haben – also öfter mal an zwei aufeinanderfolgenden Tagen im Projekt gearbeitet haben, das war wirkungsvoller. Zudem war es auch für die Künstler*innen leichter zu koordinieren. Was besonders schön war: der Elternworkshop im zweiten Jahr. Da haben die Kinder die Eltern ihre Übungen machen lassen, also, sie z. B. mit verbundenen Augen durch ein Fühl-Parcours geführt, ihnen Warm-ups und Stimmübungen beigebracht. Danach haben mir viele Eltern gesagt, wie wichtig sie das Projekt finden.

Und dann kam das dritte Jahr …

Das Projekt baut sich ja in Schichten auf, wie die Ringe eines Baumes. Im dritten Jahr sind die Kinder noch einen Schritt weiter über sich und ihre Beschäftigung hinausgetreten und haben die künstlerischen Welten der vier Künstler*innen kennengelernt. Das bedeutet: Sie sind ins Bauhausmuseum gegangen, nach Schloss Charlottenburg oder haben sich mit Heimat und dem Geschehen in der Stadt beschäftigt. Sie haben sich einen dritten Raum erschlossen.

Sie sind also aus der Schule rausgegangen – ursprünglich wollten Sie aber in die Schule rein, um miteinander zu verwachsen. Wie hat das denn geklappt? Welche Bedeutung hat das Projekt im Curriculum der Schule?

Das hat „begonnen zu klappen“, im zweiten, dritten Jahr. Wir haben aber auch festgestellt, dass es sehr schwer ist. Toll war auf jeden Fall, dass der Impuls zu dem Projekt von der Schule ausging. Aber, dass so ein Projekt auf Schule Einfluss hat, ist sehr schwer. Da ist auch für uns immer wieder ein harter Knochen zu knabbern. Obwohl die Künstler*innen sich am Lehrplan, z. B. an Themen wie Geometrie, Dreieck, Viereck, orientiert haben. Ein Problem war auch, dass die Lehrerinnen und Lehrer öfter gewechselt haben. Hinzu kommt: Schultermine, wie der Schulzahnarzt, haben Vorrang. Unser Wunsch, mit dem einen Projekt daran mitzuwirken, die Schule zu einer Kulturschule zu entwickeln, erwies sich doch als etwas naiv. Die Schule ist dazu einfach zu groß und zu vielseitig eingebunden.

Welchen Mehrwert sehen Sie in der intensiven und langfristigen Kooperation mit Schulen?

Der Mehrwert ist ganz klar bei den Kindern, der Begleitung bei deren Entwicklung in künstlerischen Bereichen. Wir können jetzt schon sehen, dass die Kinder nach einer Zeit beginnen, sich selbst zu organisieren. Das merkt man auch im Schulalttag. Dennoch bleibt die Kulturelle Bildung immer noch ein bisschen „Schmuck“.

Wie könnte Kulturelle Bildung denn mehr werden als ein „Schul-Schmuck“?

Damit das anders wird, braucht man eine Schulentwicklungsplanung. Dann kann so ein Projekt zu einem kulturellen Profil von Schule mit beitragen. Und es müssten kleinere Schulen sein. Eine Schule wie diese, die 1.200 Schülerinnen und Schüler hat, die in zig europäischen Bünden sowie anderen Verbänden drin ist, wird nicht von einem Projekt verändert.

Was möchten Sie an Ihrer Arbeit noch ausfeilen?

Was uns noch guttun würde, wäre eine wissenschaftliche Begleitung. Also, das Ganze noch gründlicher zu hinterfragen, damit der Anspruch, ein Modellprojekt zu sein, auch gehalten werden kann.
Hört sich insgesamt, frei nach Karl Valentin, nach: „Kultur ist schön, macht aber viel Arbeit“ an …

Ja – und ich würde da den Spruch der BKJ ergänzen: „Kultur macht aus halben Portionen ganze Persönlichkeiten.“ Das braucht aber Zeit und die haben wir in unserem Projekt u. a. durch die Unterstützung des Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung. Jetzt im vierten Jahr wird es deutlich, wie sich aus kleinen Kindern, die kulturell begleitet werden, Persönlichkeiten herausbilden. Wir sind gespannt, wie es weitergeht.

Zum Zeitpunkt des Interviews (2017) war Marliese Sondermann Leiterin des JugendKulturZentrum PUMPE in Berlin. Das Projekt „klasseklassen“ war Preisträger im MIXED UP Bundeswettbewerb für kulturelle Bildungspartnerschaften im Jahr 2016. Das Interview ist erstveröffentlicht im Onlinemagazin Kooperationen und Bildungslandschaften der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ), Ausgabe März 2017, erneut veröffentlicht in der Arbeitshilfe „Kulturelle Schulentwicklung. Mit Kunst und Kultur Schule gestalten“ der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (2019).