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Partnerschaftlichkeit als politisches Ziel
Fachbeitrag

Partnerschaftlichkeit als politisches Ziel

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Partnerschaftlichkeit ist ein zentraler Faktor für den Aufbau einer möglichst gleichberechtigten und stabilen Zusammenarbeit zwischen Partnern aus Nord und Süd. Das gilt für die Praxis des internationalen Jugendarbeit genauso wie für die internationale Politik.

von Rolf Witte

Rolf Witte leitet seit 1996 den Bereich Kulturelle Bildung International der BKJ. Seit Ende 2019 ist er Vorsitzender von IJAB – Fachstelle für internationale Jugendarbeit.

Das globale Bewusstsein vieler junger Menschen ist auf allen Kontinenten mittlerweile sehr hoch. In vielen Ländern des Globalen Südens spielen gerade junge Menschen eine wichtige Rolle für die Entwicklung und den gesellschaftlichen Fortschritt, da sie häufig den weitaus größten Teil der Bevölkerung bilden – selbst wenn diese Altersgruppe in den meisten Parlamenten vollkommen unterrepräsentiert ist. Junge Menschen wollen aber ihre (bessere) Zukunft möglichst selbst in die Hand nehmen. Das Gebot der Stunde in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ist deshalb, junge Menschen sowie deren Zukunft und gelingendes Leben – egal in welchem Land – in den Blick zu nehmen. Insbesondere gilt es, ihnen die Möglichkeit der aktiven Mitsprache und Mitgestaltung zu verschaffen und sich darüber auszutauschen, wie jede*r junge Mensch wo auch immer auf der Welt zu positiven gesellschaftlichen Veränderungen beitragen und somit die eigene Zukunft verbessern kann.

Um junge Menschen in diesem Sinne bestmöglich zu unterstützen, müssen Jugendarbeit, Jugendbildung und Jugendpolitik weltweit ein überholtes, wenig partnerschaftliches Verständnis der Zusammenarbeit hinter sich lassen. Dabei sind sowohl jugendpolitische Verantwortungsträger*innen gefragt als auch zivilgesellschaftliche Organisationen der Jugend-, Kultur- und Bildungsarbeit von der internationalen bis zur lokalen Ebene.

Überholte Perspektiven hinter sich lassen

Wie in der Arbeitshilfe „Globale Partnerschaften“ ausgeführt, können Partnerorganisationen im globalen Jugendaustausch zwar einiges tun, um ihre Zusammenarbeit möglichst fair zu gestalten und Partizipation auf Projektebene umzusetzen. Doch stoßen sie dabei auch an strukturelle Grenzen. An diesem Punkt ist ganz wesentlich die Jugendpolitik in allen beteiligten Ländern gefordert, die Rahmenbedingungen für Jugendarbeit, Jugendbildung und Jugendaustausch fortschrittlich zu gestalten. Dabei ist eine Zusammenarbeit mit den in den Ländern des Globalen Südens für Jugendfragen zuständigen Ministerien essenziell, um den Paradigmenwechsel weg von einem „klassischen“ entwicklungspolitischen Ansatz hin zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit im Jugendbereich hinzubekommen. Allein mit meist einseitig vom Globalen Norden initiierten (aber zugleich wichtigen) Förderprogrammen, die jungen Menschen Austausch auf der Praxisebene ermöglichen, wird diese große Herausforderung nicht zu meistern sein.

Eine wirklich partnerschaftliche Auseinandersetzung über jugendpolitische Konzepte, Strukturen und Angebote zwischen Deutschland und interessierten Partnerländern im Globalen Süden in die Wege zu leiten, steht nach Ansicht der BKJ dringend auf der politischen Agenda.

Modell KJHG

Bei der Neukonturierung der Zusammenarbeit mit diesen Staaten sollten neben dem Entwicklungsministerium auch Akteure der Jugendpolitik und der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) einbezogen werden. Sowohl Akteure der Entwicklungspolitik als auch der AKBP können dabei Ansätze der deutschen Jugendpolitik als Inspiration heranziehen. Diese besitzt mit dem auf allen staatlichen Ebenen wirksamen Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) ein bewährtes und konsequent umgesetztes Konzept der partnerschaftlichen Zusammenarbeit, dessen Prinzipien und Erfahrungswerte auch für die Ausgestaltung internationaler Zusammenarbeit nutzbar sind. Denn im KJHG sind Subsidiarität und die Verpflichtung zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Strukturen der Jugendarbeit gesetzlich fest verankert. Dies macht partnerschaftliche Zusammenarbeit, die auch Partizipationsmöglichkeiten junger Menschen als Grundpfeiler voraussetzt, transparent und einforderbar. Auf dieser Basis könnten sich daher alle Akteure der Jugendarbeit, Jugendbildung, Jugend- und Entwicklungspolitik sowie AKBP in Deutschland einmal über ihre gemeinsame Rolle bei einer Neugestaltung internationaler Jugendpolitik im Sinne einer nachhaltigen globalen Entwicklung austauschen. Zudem könnten sie ihre Zuständigkeiten neu definieren und sich in Abstimmung mit ihren Counterparts in Partnerländern mit einem gemeinsamen ressortübergreifenden Konzept zeitgemäß aufstellen.

Partnerschaften auf Praxisebene als Basis für eine neue gemeinsame Jugendarbeit

Eine partnerschaftliche Grundhaltung wird auf Ebene internationaler Jugendbegegnungen bereits von vielen Trägern konkret umgesetzt. Denn gerade junge Menschen fordern einen fairen partnerschaftlichen Umgang ein und möchten diesen auch selbst leben. Dass ein internationaler Jugendaustausch sich nicht einseitig an den Interessen der deutschen Seite oder der Jugendlichen aus Deutschland ausrichten kann, liegt für die meisten Beteiligten auf der Hand.

Die Intensivierung der persönlichen Begegnung von jungen Menschen aus verschiedensten Lebenswelten auf diesem Globus, z. B. mit Unterstützung von Förderlinien wie weltwärts-Begegnungen, nimmt somit eine wichtige Vorreiterrolle bei der Neugestaltung der internationalen Jugendpolitik ein. Sie kann neue Perspektiven vermitteln und hat das Potenzial, die Basis für eine längerfristige partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen neuen Partnern aus dem Bereich der Jugendarbeit aus Deutschland und Ländern des Globalen Südens zu schaffen. Auch die strukturelle Verankerung solcher Projekte und Partnerschaften zu begleiten und durch förderpolitische Rahmenbedingungen zu stabilisieren, ist daher Aufgabe und Verpflichtung von jugendpolitischer Zusammenarbeit mit diesen Ländern. Nur eine solche politische Rahmung kann erreichen, dass z. B. Projekte, die mit Hilfe der Förderlinie weltwärts-Begegnungen gestartet sind, über den Teilnehmer*innenkreis und über die beteiligten Organisationen in Deutschland und im Globalen Süden hinaus auch eine nachhaltige gesellschaftliche Wirkung erzielen. Es besteht also eine gemeinsame Herausforderung für alle staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteure der Jugend-, Entwicklungs- und (Auswärtigen) Kultur- und Bildungspolitik in Deutschland und den Partnerländern im Globalen Süden:

Es gilt, sowohl Prozesse und Erkenntnisse, die an der Basis entstehen, zur Entfaltung zu bringen als auch in partnerschaftlichem Austausch einen geeigneten politischen Rahmen für eine gemeinsame internationale Jugendarbeit zu schaffen.

Dieser Beitrag stammt aus der Arbeitshilfe „Globale Partnerschaften“ der BKJ:

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