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Mit Zirkus im Unterricht über sich hinauswachsen
Aus der Praxis

Mit Zirkus im Unterricht über sich hinauswachsen

Zirkusprojekt „Klecks“, Jugendkunstschule Herne e. V.

veröffentlicht:

Welche Rolle spiele ich? Das Zirkusprojekt der Jugendkunstschule Herne (JKS) gibt jungen Menschen Gelegenheit, neue Seiten an sich zu entdecken und ermöglicht Lehrkräften, ihre Schüler*innen einmal anders kennenzulernen.

Von Julia Göhring

Wenn Daniel Lorenz und Tobias Kirstgen die Schule am ersten Projekttag betreten, dann haben sie große Koffer dabei, aus denen es farbenfroh herausquillt: Ringe, Teller, Bälle, Diabolos zum Jonglieren. „Unser Ansatz ist kinderzentriert, wir wollen die Kinder immer genau da abholen, wo sie stehen“, betont Zirkus- und Sportpädagoge Daniel Lorenz. „Wir starten mit einer eigenen kleinen Vorstellung“, erklärt er, „dann machen wir Begrüßungsspiele mit verschiedenen Bewegungselementen.“ So würden sie etwa das „Hallo“-Sagen in verschiedenen Sprachen durchspielen, um direkt die kulturelle Vielfalt der Kinder einzubeziehen. Danach könnten sie verschiedene Zirkuselemente ausprobieren. „Der erste Tag im Zirkusprojekt hat eine vorgegebene Struktur, innerhalb dieses Tages stellen sich die Zirkuspädagogen intensiv auf die Kinder ein“, weiß auch Dagmar Probst von der JKS Herne, die das Projekt schon mehrere Jahre aktiv begleitet. „Die Woche endet ja immer mit einem Auftritt“, erklärt sie, „und die 40 Kinder, die montags ankommen, sind erst einmal überfordert von den Möglichkeiten, wachsen aber innerhalb dieser Woche über sich hinaus.“

„Jedes Kind findet seine Rolle“, betont Daniel Lorenz, dabei mache es keinen Unterschied, ob es sich um Kinder mit oder ohne Förderbedarf handele. Ein besonderes Highlight ist immer der Besuch der Eltern während der Projektwoche, „wenn die Mamis auf der Kugel balancieren und die Kinder ihnen etwas erklären können“. Parallel zum Einüben der Zirkus-Kunststücke gestalten die Kinder T-Shirts und Plakate für die Auftritte. Ob Jonglieren oder Clownerie, beim Training mit den Kindern wird in der Projektwoche jede Hand bei der Hilfestellung gebraucht. „Alles außer Einradfahren“, habe sie mittlerweile gelernt, bestätigt Dagmar Probst. 

Alle Projektpartner haben das gleiche Ziel – dass die Kinder eine gute Woche haben, in der sie wachsen. Auch weil es alle mit Herzblut machen, ziehen wir an demselben Strang.

Patricia Griebeld und Dagmar Probst, JKS Herne  

Schulen können passende Workshops für die Unterrichtszeit buchen

„Förderschulen, Grundschulen, eine Hauptschule bis hin zu Berufskollegs – die JKS Herne arbeitet mit allen Schulformen zusammen, auch im Ganztag“, erklärt Dagmar Probst, die ebenso wie Patricia Griebeld bei der JKS arbeitet. Die meisten der Workshops und Projekte finden am Vormittag in der Schulzeit statt, je nach Modell gibt es aber auch Angebote am Nachmittag und manchmal auch in den Ferien. Die Zusammenarbeit mit den Schulen kommt dabei auf unterschiedlichen Wegen zustande. „Manchmal kommen die Schulen selbst auf uns zu und fragen nach Workshop-Angeboten, etwa ‚Comic‘ oder ‚Graffiti‘, je nachdem, welche Interessen die Schüler*innen haben“, berichtet Dagmar Probst. Abhängig davon, wie die Schulen finanziell ausgestattet seien oder welches Angebot gefragt sei, könne so ein Workshop 90 Minuten dauern oder eben auch den ganzen Schultag. „Wenn man etwa ein Theaterstück angehen möchte, sind 90 Minuten zu schnell um“, ergänzt sie. 

Das Kunsthaus Crange, einer der beiden Standorte der JKS Herne, in dem die Workshops hauptsächlich stattfinden, ist eine umgebaute Grundschule. Bildhauerwerkstatt, Malatelier, Tanztheater- und Musikräume, Textilbereich – die ehemaligen Klassenräume sind jetzt Ateliers. „Wir sehen zu, dass wir die Kinder und Jugendlichen aus ihren Schulen hierher bekommen, damit sie sehen können, was wir anbieten“, ergänzt sie. „Je nach Schulstandort gibt es in Herne Kinder und Jugendliche aus sozialen Brennpunkten, die sonst wenig Zugang zu kulturellen Angeboten haben.“ Für die Kinder und Jugendlichen, die im Klassenraum stillsitzen und zuhören müssten, sei die Atmosphäre im Kunsthaus Crange, wo sie sich frei bewegen könnten, attraktiv. „Regeln gibt es hier natürlich auch, aber sehr gelockert“, erklärt Dagmar Probst. Dort aber, wo es logistisch nicht möglich sei, gingen sie mit den Workshops auch in die Schulen. 

Die Workshops selbst werden von den Honorarkräften durchgeführt, mit denen die JKS Herne zusammenarbeitet. Bei Klassengrößen von 28 bis 30 Kindern und Jugendlichen seien es mindestens zwei Pädagog*innen bzw. Künstler*innen, die Gruppen würden aufgeteilt. Auch die Lehrkräfte kämen gerne einmal aus der Schule heraus, die meisten würden sich auch während der Workshops aktiv einbringen. Sie lerne ihre Schüler*innen hier ganz anders kennen, viel konzentrierter, hätte etwa eine Lehrerin während eines Modellierworkshops geäußert, erinnert sich Patricia Griebeld. 20 bis 25 Workshops führt die JKS Herne jährlich für Schulen durch.

Die JKS Herne fungiert als Anbieter für kulturpädagogische Projekte in Schulen

Zum anderen wendet sich die JKS Herne auch selbst mit Projekt-Angeboten an die Schulen. „Dann kümmern wir uns vorab auch um die Förderung“, erklärt Patricia Griebeld. Beispiele seien das Projekt „Zirkus Klecks – hereinspaziert in die Stadt“ im Rahmen von „Kultur macht stark“ oder das Theaterprojekt „Schneewittchen“ für die 6. Klassen einer Förderschule in der Vorweihnachtszeit 2022 gewesen, welches mit den Mitteln des Programms „Aufholen nach Corona“ gefördert wurde. „Für solche Projekte wird die gesamte Koordination und Verwaltung von uns übernommen“, erläutert sie. Wie die Angebote vertraglich geregelt seien, hinge jeweils von den Richtlinien der Förderprogramme ab. In enger Abstimmung mit der Schulleitung und den Lehrkräften würden die Projekttage oder -wochen geplant, es gäbe vor solchen Kooperationen vier bis fünf Gespräche. „Wo findet es statt? Was wünschen sich die Lehrkräfte?“, das seien Beispiele für die Fragen, die vorab geklärt würden. An den letzten Gesprächen nähmen auch die durchführenden Honorarkräfte teil. Die wiederum wenden sich auch mit Projektideen an die Projektkoordination der JKS Herne. 

„Die Kinder müssen an den Projekten Spaß haben und Selbstbewusstsein mitnehmen können“, betont Patricia Griebeld, dieses Ziel stünde für die JKS Herne im Vordergrund ihrer Angebote. Um dieses Ziel zu erreichen, haben sich im Zirkusprojekt „Klecks“ alle Projektpartner*innen aktiv in die Projektwoche während bzw. nach der Schulzeit eingebracht: Die Zirkuspädagogen Daniel Lorenz und Tobias Kirstgen vom Zirkustheater StandArt, Sozialpädagog*innen vom Fachbereich Schulsozialarbeit der Stadtverwaltung, Lehrer*innen der Erich-Kästner-Schule und nichts zuletzt auch Patricia Griebeld und Dagmar Probst vom Team der JKS Herne. Sie sind sich einig, was wichtig für das Gelingen der Zusammenarbeit ist: „Alle Projektpartner*innen haben das gleiche Ziel – dass die Kinder eine gute Woche haben, in der sie wachsen. Auch weil es alle mit Herzblut machen, ziehen wir an demselben Strang.“ 

„Zirkus Klecks – hereinspaziert in die Stadt“ ist ein Kooperationsprojekt der Jugendkunstschule Herne, der kommunalen Fachstelle Schulsozialarbeit und dem Zirkustheater StandArt, gefördert im Programm „Künste öffnen Welten“ der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) im Rahmen von „Kultur macht stark“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.