Skip to main content
home
chevron_right
Magazin
chevron_right
Mit Mut und Neugier in ein neues Land
Aus der Praxis

Mit Mut und Neugier in ein neues Land

Freiwilligendienste Kultur und Bildung, Richard’s Bay Südafrika und Stuttgart

veröffentlicht:
Thema
Internationale Perspektiven
Schlagworte
Engagement • Globales Lernen • Jugendaustausch
Asande Sibiya während ihres Freiwilligendienstes bei einem Paneltalk.
LKJ Baden-Württemberg

Etwas über 13.000 Kilometer liegen zwischen Richards Bay in Südafrika und dem Sitz der LKJ Baden-Württemberg in Stuttgart. Die Internationalisierung der Freiwilligendienste Kultur und Bildung nimmt zu. In ihrer Funktion als Träger bietet die LKJ Baden-Württemberg seit 2023 zwei Freiwilligen im Programm weltwärts Süd-Nord einen Einsatzplan an. 2024 waren dies Asande Sibiya und Mnqobi Myeni aus Südafrika.

„Die kleine Asande hätte niemals gedacht, einmal allein ein Jahr im Ausland zu verbringen“, erzählt Asande Sibiya lachend. Im vergangenen Jahr hat sie einen Freiwilligendienst im Rahmen des Programms weltwärts Süd-Nord bei der LKJ Baden-Württemberg gemacht. „Ich bin sehr dankbar über diese Erfahrung, weil ich über mich hinausgewachsen bin und mich in so vielen Aspekten weiterentwickelt habe. Ich bin viel selbstbewusster geworden und traue mich jetzt, meine Meinung zu Themen, die mir am Herzen liegen, zu vertreten.“

Neben der LKJ, die sowohl als Träger als auch als Einsatzstelle fungiert, hat das Theater Rampe in Stuttgart im vergangenen Jahr den Incoming Freiwilligen Mnqobi Myeni begleitet. „Ich habe als Technikassistent hinter den Kulissen gearbeitet“, erzählt er, „das hat mir wirklich Spaß gemacht.“  Die Einsatzstellen sind ein wichtiger Partner der Freiwilligendienste. Die Freiwilligen aus dem Globalen Süden bereichern mit ihren unterschiedlichen Perspektiven das Team ungemein, beschreibt das Theater die Zusammenarbeit. Die Freiwilligen würden oftmals in der Technik eingesetzt, um sprachliche Hürden besser zu überwinden, da in der Technik überwiegend Englisch gesprochen werde. In einem kleinen Technikteam von vier Personen gab es außerdem eine klare Aufgabenverteilung mit festen Ansprechpartner*innen. „Die Sprachbarriere ist aber definitiv da und führt häufig auch zu Verwirrungen. Man muss immer wieder aus seiner Komfortzone ausbrechen“, findet Mnqobi.

Von dem Freiwilligendienst hat Mnqobi ebenso wie Asande über die südafrikanische Partnerorganisation Lungelo Youth Development (LYD) in Richards Bay erfahren. Mit der Förderung von ENGAGEMENT GLOBAL und mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ermöglicht der Freiwilligendienst weltwärts Süd-Nord, dass Freiwillige gemeinsam mit der Partnerorganisation im Herkunftsland auf ihren Dienst vorbereitet werden. In Deutschland unterstützen Träger und Einsatzstellen die beiden Incoming Freiwilligen, zum Beispiel mit Deutschkursen. Vorbereitend auf den Freiwilligendienst schult die LKJ sowohl Gastfamilien als auch sogenannte Buddys.

Buddys sind ehemalige Freiwillige der Freiwilligendienste Kultur und Bildung, die den Incoming Freiwilligen beispielsweise den Zugang zu und somit den Austausch mit Gleichaltrigen erleichtern. Außerdem ist es wertvoll, wenn in der Nähe der Einsatzstelle bzw. der Gastfamilie eine gewisse Infrastruktur vorhanden ist, die den Incoming-Freiwilligen das Ankommen erleichtert. Das kann bei südafrikanischen Freiwilligen beispielsweise ein Friseursalon sein, in dem man weiß, wie afrikanisches Haar frisiert wird, eine Möglichkeit, Lebensmittel zu kaufen, die es in Südafrika gibt oder eine Kirchengemeinde, die Gottesdienste auf Englisch abhält.

Der Freiwillige Mnqobi Myeni im Programm weltwärts Süd-Nord.
Copyright: Privat: Mnqobi Myeni
Asande Sibiya während ihres Freiwilligendienstes bei einem Paneltalk.
Copyright: LKJ Baden-Württemberg
Der Freiwillige Mnqobi Myeni im Programm weltwärts Süd-Nord.
Copyright: Privat: Mnqobi Myeni
Privat: Mnqobi Myeni

Verantwortung übernehmen

Sowohl die LYD als auch die LKJ legen inhaltlich Wert darauf, in ihrer Bildungsarbeit transkulturelles und Globales Lernen zu ermöglichen und dabei mit Methoden der Kulturellen Bildung zu arbeiten. Mary Mlambo, die das LYD gegründet hat, bereitete die jungen Menschen, auf Veränderungen im Alltag, verschiedene Mentalitäten und etwaige rassistische Anfeindungen vor. „Ich wurde häufig angestarrt“, erzählt Mnqobi Myeni, „das war total neu für mich.“ „Ich muss sagen, dass ich schon etwas Angst davor hatte, eine rassistische Erfahrung machen zu müssen“, erzählt Asande Sibiya. Sie sei im Zug einmal von einer Frau angestarrt und schließlich auf ihre Hautfarbe angesprochen worden. In diesem Moment nahm sie sich Mary Mlambos Rat zu Herzen: „Nicht sauer werden, sondern die Gelegenheit nutzen, jemanden weiterzubilden.“

Für sich einstehen

Die Themen Inklusion und Diversität umzusetzen und genau hinzuschauen, wie sie in den Projekten und Programmen der LKJ gelebt werden, war der Freiwilligen während ihrer Zeit in Deutschland ein großes Anliegen. Deshalb interviewte sie zahlreiche Mitarbeiter*innen der LKJ und erstellte daraus eine Social Media-Kampagne. Darin teilte sie ihre Beobachtungen und Erfahrungen, aus Sicht einer jungen Person, aber auch als Mensch mit einer anderen kulturellen Prägung.

Durch die Perspektive von jungen Menschen aus einem anderen Land, wurden viele Dinge, die als selbstverständlich betrachtet werden, immer wieder in Frage gestellt. „Dinge, die wir ‚halt schon immer so‘ machen, sorgen unter Umständen für Nachfragen oder Irritationen. Dies führt zu einer tieferen Reflexion des eigenen Handelns und der eigenen Privilegien. Auch entstehen spannende und anregende Gespräche über unser Verständnis zum Beispiel von Kunst und Kultur oder Beteiligung“, betont die LKJ Baden-Württemberg. Beiden Incoming-Freiwilligen hat es besonders gefallen, volle Verantwortung für ihre Aufgaben übernehmen zu dürfen. So begleitete Asande auch medienpädagogische Projekte an Schulen und assistierte in Seminaren für Jugendliche.

Miteinander auf Augenhöhe

Die größten Herausforderungen seien neben der Sprache, auch interkulturelle Fragen, die im Laufe eines Jahres entstünden, wissen die Verantwortlichen der LKJ. Im Arbeitsalltag bedeutet das, dass die Incoming-Freiwilligen etwa anders mit Nachfragen oder Kritik umgehen. „Was mich wirklich beeindruckt hat, ist, dass es sehr flache Hierarchien in meiner Einsatzstelle gab. So etwas kenne ich von zu Hause nicht“, betont Asande. Was eine ältere Person sagt, habe eine hohe Relevanz. Nachfragen zu stellen, wird teilweise als respektlos und unhöflich angesehen. „Ich habe wirklich ein paar Monate gebraucht, bis ich mich ernsthaft getraut habe, meine Meinung zu sagen, wenn ich danach gefragt wurde und habe das Arbeiten auf Augenhöhe dann sehr zu schätzen gelernt“, meint die Freiwillige. „Mir ging es genauso. Ich musste mich erst daran gewöhnen, meinen Chef mit dem Vornamen anzusprechen“, sagt Mnqobi lachend, denn in Südafrika sei es gang und gäbe immer einen Titel, wie „Captain“ oder „Mum“ zu nutzen.

„Einen Menschen mit einer anderen Muttersprache, einer anderen Kultur des Zusammenlebens, anderen Diskriminierungserfahrungen und einem anderen Verständnis von Kunst im Team zu haben, stellt uns immer wieder vor die Fragen, wie wir mit dieser Differenz umgehen. Der Umgang mit Differenzen, das Aushalten von Herangehensweisen, die wir nicht kennen oder nicht sofort nachvollziehen können, sind Themen, die wir in einer vielfältigen international ausgerichteten Gesellschaft immer wieder beantworten müssen“, betont die LKJ die Vorteile der internationalen Zusammenarbeit.

Die interkulturelle Öffnung stärkt alle Beteiligten. Sie bietet den Freiwilligen, den Einsatzstellen, der LKJ sowie der Partnerorganisation LYD in Südafrika die Chance eines Perspektivwechsels. „Ich weiß ja nicht, ob ihr schon mal etwas von dem afrikanischen Zeitgefühl gehört habt, aber das hat nicht so viel mit Pünktlichkeit wie in Deutschland zu tun“, meint Asande lachend. Dass in Deutschland alles so gut erreichbar sei, ist ein großes Privileg, fügt sie hinzu. „Ich würde mir wünschen, ein paar Dinge, die ich hier gelernt habe, genauso auch zu Hause anwenden zu können“, sagt Mnqobi. Die beiden sind sich einig: Der Freiwilligendienst Kultur und Bildung hat ihren Blick geweitet, sie gestärkt und mutiger gemacht. Von den Erfahrungen werden sie noch lange profitieren.

Text und Interview: Nina Hennecken

Träger des Freiwilligendienstes weltwärts Süd-Nord ist unser Mitglied:

Logo der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Baden-Württemberg

Als Dachverband vertritt die Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (LKJ) Baden-Württemberg die politischen Interessen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung auf Landesebene. Sie formuliert fachlich-politische Positionen und ist Ansprechpartner der Landesregierung. Mit großer Resonanz initiiert die LKJ Modellvorhaben und führt zahlreiche kulturelle Projekte an Schulen und außerschulischen Einrichtungen durch. Die Förderung von Kooperation und Vernetzung ist dabei von großer Bedeutung. Die LKJ ist auch Träger des Freiwilligen Sozialen Jahres in der Kultur (FSJ Kultur) in Baden-Württemberg.

Rosenbergstraße 50
70176 Stuttgart

info@lkjbw.de
0711 958028-10
https://www.lkjbw.de/

Facebook
Instagram
LinkedIn