Mit einem Musical zum Kompetenznachweis Kultur
Im Gespräch mit Paulus Hildebrand und Laura Jordan, ehemalige Schüler*innen mit einem Kompetenznachweis Kultur
Im Gespräch mit Paulus Hildebrand und Laura Jordan, ehemalige Schüler*innen mit einem Kompetenznachweis Kultur
Nach der intensiven Vorbereitungszeit ist es endlich so weit: Die große Aufführung steht an. Es sind sonnige Tage im Sommer vor drei Jahren, in denen die rund 80 beteiligten Schüler*innen der Regine-Hildebrandt-Gesamtschule in Birkenwerder das Stück „Coming Home“ aufführen, was die Geschichte Falcos erzählt. Die Koordination von Blas- und Streichorchester, einer Band, etlichen Darsteller*innen und einem Chor verlangt Organisation, Talent und vor allem: engagierte junge Menschen. Paulus und Laura sind zwei von ihnen.
„Auch wenn während der Aufführung nicht alles optimal lief, kann man hinterher sagen: Jeder hat sein Bestes gegeben. Ich weiß noch ganz genau, als das Projekt dann zu Ende war, als der Vorhang fiel, wie alle Anspannung von uns abgefallen ist. Das ganze Team hinter der Bühne hat auf einmal angefangen zu weinen. Das war sehr emotional und wir waren alle sehr stolz“, erinnert sich Laura. Es war ein lehrreiches Jahr für die beteiligten Jugendlichen. Der damals 18-jährige Paulus koordinierte die Gruppe. „Ein Vollzeitjob“, wie er lachend sagt. Auch Laura, die damals 15 Jahre alt war, hatte eine wichtige Aufgabe: Sie war verantwortlich für die Choreografie und Regieassistenz. Schauspieler*innen coachen, Noten schreiben, technische wie rechtliche Fragen klären, langen Atem beweisen und die Beteiligten stets motivieren – das fiel in Paulus Aufgabenbereich. Beide schlugen eine Brücke zwischen künstlerischen und pädagogischen Aufgaben, übernahmen Verantwortung und lernten sich und ihre Grenzen kennen. Dafür erhielten sie und die anderen Mitglieder des Organisationsteams am Ende der Projektzeit den Kompetenznachweis Kultur, der ihre Fähigkeiten offiziell festhält.
Dass sie sich ihre erworbenen und gestärkten Kompetenzen durch einen Nachweis bestätigen lassen können, erfuhren sie von ihrem Musiklehrer Stephan Küchner. Paulus war der Kompetenznachweis Kultur auch schon ein Begriff: „Von ehemaligen Schüler*innen habe ich erfahren, dass ihnen der Nachweis geholfen hat, einen Ausbildungs- oder dualen Studienplatz zu bekommen, da sie mit dem Nachweis einen besonderen Referenzpunkt haben.“ Ohne zu zögern, entschieden sich Laura und Paulus, den Nachweis ebenfalls zu erwerben.
Beim Kompetenznachweis Kultur geht es genau darum, herauszufinden, was man aus dem Projekt für sich mitgenommen hat und was die persönliche Entwicklung gefördert hat.
Laura Jordan
„Der Nachweis bescheinigt die Referenzen, die wir uns angeeignet haben. Er zeigt das, was man in der Schule im Normalfall nicht lernen kann. Es ist die Verschriftlichung von dem, was uns Spaß macht, von unseren Fähigkeiten“, erzählt Paulus. Heute ist er Auszubildender für Veranstaltungstechnik am Deutschen Theater im dritten Lehrjahr. Den Kompetenznachweis Kultur hat der damals seiner Bewerbung beigelegt. Welchen Einfluss der Nachweis konkret hatte, kann er nicht sagen, aber den gewünschten Ausbildungsplatz hat er bekommen. „Vielleicht ist er für die Zukunft noch einmal wichtig, weil ich anschließend Veranstaltungsmanagement studieren möchte. Das fällt in den inhaltlichen Bereich, der vom Kompetenznachweis abgedeckt wird.“
Laura macht in diesem Jahr ihr Abitur. Welchen Einfluss der Kompetenznachweis Kultur auf ihren beruflichen Werdegang nehmen wird, kann sie noch nicht abschätzen, fühlt sich aber mit diesem in der Tasche sicher.
Wie gehe ich mit Menschen und stressigen Situationen um? Welche Probleme muss ich angehen? Und was sind Probleme, die vielleicht nur im Kopf entstehen? Das sind Fragen, mit denen sich die beiden als Teil des Organisationsteams im Musical-Projekt konfrontiert sahen. Bei der Suche nach Antworten hat vor allem das gemeinsame Reflektieren nach jeder Probe geholfen. „Wir haben uns stetig gefragt: Was lernen wir aus diesem Projekt?“, berichtet Laura. Fünf Kern-Kompetenzen haben sie im Vorhinein ausgewählt, die sie während des Prozesses verbessern wollten und die im Kompetenznachweis Kultur erwähnt werden sollten. „Entsprechend haben wir unseren Nachweis geführt und notiert, wo unsere Kompetenzen gestiegen sind, wo es Probleme gab und wie wir uns weiterentwickelt haben“, erklärt Laura.
In den regelmäßigen Gesprächen, die sie mit ihrem Musiklehrer führten, evaluierten sie die zentralen Erfahrungen, sprachen über Schwierigkeiten und persönliche Hürden. Laura erinnert sich daran: „Es war ein ganz lockeres, persönliches Gespräch, ganz ohne offiziellen Charakter. Er hat uns gefragt, wie es uns geht mit dem Projekt, wo wir gerade stehen und was wir seit dem letzten Gespräch gelernt haben. Beim Kompetenznachweis Kultur geht es genau darum, herauszufinden, was man aus dem Projekt für sich mitgenommen hat und was die persönliche Entwicklung gefördert hat.“
All das hat Paulus und Laura geholfen, sich selbst besser kennenzulernen: „Ich habe gelernt, wie ich eine Gruppe dazu bringe, ihre Motivation nicht zu verlieren und für ein gemeinsames Projekt zu begeistern. Und auch, dass ich keine Autoritätsperson bin“, erklärt Laura. „Auch mit Kritik kann ich jetzt besser umgehen.“
Wie wichtig ein entspannter Umgang miteinander ist, wurde Paulus in den Vorbereitungen bewusst, aber auch: „Ich habe gemerkt, wie ich positiven Stress auch brauche, um effektiv arbeiten zu können. Durch das Reflektieren konnte ich meine bisherigen Kompetenzen noch weiter ausbauen, Schwierigkeiten während des Projekts erkennen und damit umgehen lernen. Letztlich habe ich auch verstanden, dass man eine professionelle Distanz zu den Leuten hat, aber ihnen gleichzeitig so Wertschätzung entgegenbringt, dass sie das gerne machen.“
Nachdem das Musical-Projekt beendet war, sie die Vorabfassung des Kompetenznachweises Kultur gelesen haben und letzte Wünsche zur Formulierung äußern konnten, wurde ihnen dieser im Rathaus Birkenwerder feierlich überreicht.
„Es wurde wirklich eine schöne Veranstaltung organisiert“, schwärmt Laura. „Für uns wurde musiziert und das war sehr rührend!“ Neben einer Rede von Bürgermeister Stephan Zimniok hielt auch Musiklehrer Stephan Küchner eine Laudatio, begleitet von einer Diashow mit Fotos von den Proben und den Aufführungen. „Bei diesem Rückblick ist uns richtig das Herz aufgegangen! Es wurde sich sehr um uns bemüht.Zum Schluss haben wir unser Schullied gemeinsam als Chor gesungen.“
Beide erinnern sich gerne an diese Zeit zurück. „Ich wünsche jedem Menschen, irgendwann so viel Leidenschaft für etwas zu entwickeln, wie wir es während des Projektes getan haben. Es war eine intensive, lehrreiche Zeit, aber auch eigentlich mit einer der besten Zeiten in meiner Schullaufbahn“, resümiert Laura – und Paulus nickt. Dabei ist natürlich das aufgeführte Musical ein schönes Produkt. Aber: „Das Bühnenstück kann nicht das zeigen, was man miteinander erarbeitet hat und wie man als Gruppe zusammengewachsen ist. Der Kompetenznachweis Kultur hingegen macht deutlich, dass es nicht nur um das Stück am Ende geht, sondern auch um die Entwicklung dahinter und die, die in einem selbst stattgefunden hat.“
Text: Dijana Kolak
Der Kompetenznachweis Kultur ist ein von der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) entwickeltes Verfahren, um individuelle Stärken junger Menschen zu erfassen und zu beschreiben, die sie während der aktiven Teilnahme an kulturpädaggischen Angeboten zeigen und entdecken. Er wird nur von Fachkräften vergeben, die an der dafür entwickelten Fortbildung teilgenommen haben. www.kompetenznachweiskultur.de