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Malinkas Bühne zur Welt
Aus der Praxis

Malinkas Bühne zur Welt

Projekt „WaWiTo“, Natürlich Lernen am Tollensetal e. V., Tückhude

veröffentlicht:
Bild: BKJ | Andi Weiland

Zwischen Wald, Wiese und Bach, mit allen Freiheiten der Kunst, hat Malinka ihr schauspielerisches Talent entdeckt. Der Natur- und Erlebnisort „WaWiTo“ in Mecklenburg-Vorpommern macht damit für die Zehnjährige die Natur nicht nur zur Bühne, sondern auch zur blühenden Landschaft ihrer Kreativität.

„Wenn ich groß bin, möchte ich gern Schauspielerin werden“, erklärt Malinka, ohne lange überlegen zu müssen. Seit den anderthalb Jahren, in denen die Zehnjährige WaWiTo besucht, weiß sie ganz genau, was sie will. Der „Lernort für Natur und Kultur“ – wie sich WaWiTo selbst nennt – ist untergebracht in einem ehemaligen Landschulheim in Tückhude, einem kleinen Dorf der Gemeinde Golchen im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte. Umgeben von einer riesigen Wiese mit Volleyballfeld, Fußballtoren, Blockhütten, Picknickplätzen und nicht zuletzt einer großen Kreativhalle und dem angrenzenden Bach Tollense bietet WaWiTo viel Platz zum Klettern und Toben, aber auch für Kreativität und Fantasie. Am liebsten steht Malinka auf der „Grünen Bühne“. Denn dort kann sie ihrer besonderen Leidenschaft nachgehen: dem Theaterspielen.

Treffpunkt und Lernort für alle

Einen größeren Erfolg als Malinkas Begeisterung für Kultur hätte sich WaWiTo nicht wünschen können. Denn früh entdeckte Talente und geweckte Träume können schließlich ein Leben lang weiter blühen. Und: Bildungsangebote, wie sie unter dem Dach von WaWiTo vereint sind, können die Verbundenheit mit der Region stärken und dazu anregen, selbst einmal Verantwortung für das kulturelle und nachhaltige Leben vor Ort zu übernehmen. Denn nicht zuletzt auf dem Land geht ohne Engagement nichts, weiß Alina Wander. Die Theaterpädagogin ist vor geraumer Zeit mit ihrer Familie von Berlin in die 300-Einwohner-Gemeinde Golchen gezogen. Sie ist Vorstandsmitglied des Vereins Natürlich Lernen am Tollensetal e. V., dem Trägerverein von WaWiTo. Die meisten jungen Menschen wandern bekanntermaßen aus den ländlichen Regionen ab. Arbeits-, Kultur- und Freizeitangebote sind häufig Mangelware und als Lebensmittelpunkt scheint die Stadt entsprechend lukrativer.

Copyright: Bild: BKJ | Andi Weiland
Copyright: Bild: BKJ | Andi Weiland
Copyright: Bild: BKJ | Andi Weiland
Copyright: Bild: BKJ | Andi Weiland
Bild: BKJ | Andi Weiland

WaWiTo möchte durch ein aktives soziales und kreatives Miteinander der schwachen Infrastruktur und dem politischen Rechtsruck im Landkreis etwas entgegensetzen. Im Jahr 2015 pachtete der Verein das ehemalige Landschulheim und gründete dort auf Elterninitiative WaWiTo, den „Begegnungs- und Lernort für alle“, mit angeschlossenem Waldkindergarten. Auch eine Schule ist geplant. „Wir wollen Menschen verbinden und Bildung als Mittel für gesellschaftlichen Zusammenhalt und zukunftsfähiges Leben auf dem Land etablieren“, erklärt Alina Wander.

Geweckte Gefühle

WaWiTo steht für Wald, Wiese und den Bach Tollense und beschreibt kurz und knapp die Kulisse für die im Umkreis von 30 Kilometern bislang einzigartigen Angebote aus Bildender Kunst, Theater, Musik, Natur-, Erlebnis- und Spielpädagogik für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Aber nicht nur wegen der räumlichen Nähe bleibt Malinka dem WaWiTo treu: „Man fühlt sich einfach glücklich und es fühlt sich wunderschön an, wenn man hier ist“, strahlt sie.

Heute hat sie der WaWiTo-Theaterbus von der Schule abgeholt. Im kommenden Halbjahr wird sie jeden Donnerstagnachmittag für zwei Stunden auf der „Grünen Bühne“ mit anderen Acht- bis 16-Jährigen ein Theaterstück einstudieren – und schließlich vor Publikum aufführen, selbstverständlich – wie der Name schon sagt – in der freien Natur. Die 20-köpfige Theatergruppe übt sich im Requisitenbau, Geschichtenerfinden, im Verkleiden und nicht zuletzt im Theaterspielen. Malinka schlüpft heute in die selbst erfundene Rolle der orientalischen Sternenträgerin und ist voll in ihrem Element. „Ich finde es einfach toll, auf der Bühne zu stehen. Dann schauen einem so viele Leute zu und es ist einfach ein tolles Gefühl, dann von anderen gehört zu werden“, erklärt sie.

Film: Raum für Kreativität, für Spaß und für Freund*innen bei „WaWiTo“

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Bünde fürs Leben

Neben der „Grünen Bühne“ finden bei WaWiTo das ganze Jahr über künstlerisch-kreative Angebote statt. Es gibt den „KunstKlub“ in der Kreativhalle – ein offener Raum für Kunst und Kultur, wechselnde Kultur-, Theater- und Umwelt-Workshops, einen „Zeichenzirkel“, den mobilen „Kunsthänger“ oder Projekte wie den „KlangPinsel“, bei dem Familien sich mit dem Instrumentenbau und dem Naturfärben beschäftigen können. Mehr als 30 Akteur*innen, darunter Künstler*innen, Pädagog*innen, Wissenschaftler*innen, Handwerker*innen und vor allem Ehrenamtliche wirken an den Angeboten mit. Unterstützt wird WaWiTo nicht zuletzt von einem Netzwerk von Vereinen aus der Region, die mit ihren unterschiedlichen Schwerpunkten wie Kunst, Denkmalpflege, Theater, Literatur, Umwelt- und Naturschutz, Medien, Soziokultur und Bildung das Angebot erweitern.

Ich finde es einfach toll, auf der Bühne zu stehen. Dann schauen einem so viele Leute zu und es ist einfach ein tolles Gefühl, dann von anderen gehört zu werden.

Malinka

Malinka lebt erst seit Kurzem in Golchen, hat aber dank WaWiTo ebenfalls schon ein enges soziales Netzwerk aufgebaut: „Ich bin aus Berlin hierhergezogen, wohne hier jetzt eineinhalb Jahre und habe bei WaWiTo meine ganzen Freunde kennengelernt. Durch diesen Ort kenne ich jetzt so viele Leute, auch aus dem Kindergarten, zum Beispiel unsere Nachbarn gehen auch hier in den Kindergarten und das ist sehr schön“, schwärmt sie.

Lernfeld Kreativität

Der Zugang zu den Angeboten von WaWiTo ist niedrigschwellig. So sind die Eintritte in der Regel frei, Teilnehmer*innen können den Shuttle-Service des erwähnten Theaterbusses nutzen oder die Kultur kommt direkt zu ihnen vor die Haustür – etwa mit dem „KunstHänger“. Auch Voraussetzungen zum Mitmachen braucht es nicht. „Ein Kind muss gar nichts mitbringen, um zu malen oder Theater zu spielen. Ein Kind braucht nicht mehr als ein Kind zu sein“, erklärt Alina Wander. „Die Kinder lernen bei uns fürs Leben alles“, fasst sie zusammen. „Sie lernen, kreativ zu sein. Sie lernen aber auch, miteinander sozial zu agieren. Sie lernen die Landschaft kennen. Sie lernen den Naturraum kennen und vor allem lernen sie sich selbst kennen – durch diese Freiheit, kreativ zu sein im Umgang mit der Kunst, durch das kreative Angebot. WaWiTo ermöglicht Kindern und Jugendlichen, kreativ in die Welt zu schauen.“

Ohne Lampenfieber in die Zukunft

Bei WaWiTo sind Kinder, Jugendliche und Erwachsene gemeinsam kulturell aktiv – als Akteur*innen, als Publikum oder als Engagierte. Auf diese Weise lassen die Einwohner*innen selbst – ob jung oder alt – die Region Golchen kulturell und sozial wachsen – und wachsen schließlich selbst daran.

„Kulturelle Bildung ist, leben zu lernen und verschiedene Möglichkeiten für eine gute Zukunft zu entwickeln“, erklärt Alina Wander. „Wir können Kindern und Jugendlichen mit auf den Weg geben, mutig zu sein für die Zukunft. Neues auszuprobieren, das erfordert Mut“, fügt die Theaterpädagogin hinzu. Und den hat Malinka längst gefasst. Wenn sie auf der „Grünen Bühne“ steht, hat sie inzwischen kaum noch Lampenfieber. Sollten auf der großen Bühne der Welt doch einmal Zweifel aufkommen, hat Malinka auch dafür den richtigen Kniff parat: „Wenn man Angst hat, soll man einmal tief Luft holen und sich sagen: ‚Ich kann das. Ich kann das schaffen. Ich kann das einfach‘.“

Text: Helga Bergers

Der Verein „Natürlich Lernen am Tollensetal e. V.“ bietet mit dem Naturerlebnisort WaWiTo seit 2015 außerschulische Angebote für Kinder und Jugendliche an, die ein kreatives und soziales Miteinander und den Umgang mit der Natur fördern sollen. Die Praxisreportage ist entstanden im Rahmen von „Machmamit! – Finde, was deins ist“ der Kampagne für Kulturelle Bildung der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ).