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„Laut sein, aktiv sein und sichtbar bleiben“
Interview

„Laut sein, aktiv sein und sichtbar bleiben“

Im Gespräch mit Anna Behrend, LKJ Brandenburg, und Cornelia Schuster, LKJ Berlin

veröffentlicht:
Thema
Demokratie
Schlagworte
Partizipation • Teilhabe
Eine Gruppe von Kindern in weißen Kitteln bemalt an einem sonnigen Tag eine gelbe Telefonzelle auf einer Wiese, beaufsichtigt von einem Erwachsenen.
Im Rahmen des Projektes RaumPioniereZukunft in Brandenburg stellen sich Jugendiche künstlerisch die Frage, wie sie ihren Lebensraum gestalten wollen. LKJ Brandenburg

Haushaltskürzungen und veränderte politische Rahmenbedingungen setzen Träger und Projekte Kultureller Bildung zunehmend unter Druck. Im Gespräch über politische Verantwortung mit den Landesverbänden Kultureller Bildung.

Anna Behrend ist Geschäftsführerin der Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Brandenburg. Seit 2010 ist sie haupt- und ehrenamtlich in der Kulturellen Bildung und Jugendarbeit aktiv.

Cornelia Schuster ist seit mehr als 20 Jahren Geschäftsführerin der Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Berlin. Sie ist diplomierte Pädagogin und gelernte Wirtschaftskauffrau.

Welche Rolle spielt Kulturelle Bildung für die Jugendpolitik?

Cornelia Schuster: Die Kulturelle Bildung, eigentlich der gesamte Bereich der Jugendarbeit, stehen mit den Haushaltskürzungen und den veränderten politischen Rahmenbedingungen massiv unter Druck. In Berlin sehen wir gerade, wie Kürzungen Träger und Projekte treffen, die für ein demokratisches und vielfältiges Miteinander stehen. Es gab und gibt viele Entlassungen, viel Frustration, viele Ängste, viele Strukturen, die nicht nur kurz- sondern vor allem langfristig wegbrechen werden. Das wirkt sich natürlich massiv auf die direkte Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen aus. Und beschädigt zivilgesellschaftliche Strukturen.

Diesem Druck durch die Haushaltskürzungen und die neuen politischen Rahmenbedingungen wollen wir als LKJ Berlin standhalten und haben die Kampagne #kulturellebildungwirkt mit unseren 50 Mitgliedsorganisationen gestartet. Mit Aktionen vor dem Berliner Abgeordnetenhaus werden wir regelmäßig auf die Bedeutung kultureller Bildungsangebote aufmerksam machen.

Anna Behrend: Besonders in Flächenländern wie Brandenburg zeigt sich, wie eng Kulturelle Bildung und Jugendarbeit miteinander verflochten sind. Wenn in einem Bereich gekürzt wird, ist der andere sofort betroffen. Und dabei geht es um weit mehr als um Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche: Kulturelle Bildung ist ein Vehikel für Jugendbeteiligung. In Projekten wie „RaumPioniereZukunft“ schaffen wir Formate, in denen Jugendliche ihre Themen artikulieren können. Denn, obwohl es in Brandenburg seit mehreren Jahren einen entsprechenden Paragrafen in der Kommunalverfassung gibt, der die Einbeziehung junger Menschen in alle sie betreffenden Entscheidungen vorschreibt, wird dies in den Kommunen sehr unterschiedlich umgesetzt. Kulturelle Bildung kann hier durch ihre vielfältigen Ausdrucksformen neue Verständigungsmöglichkeiten schaffen. Gleichzeitig müssen wir wachsam bleiben, damit kulturelle Bildungsangebote nicht von demokratiefeindlichen Kräften vereinnahmt werden. Gerade auf kommunaler Ebene sehen wir punktuell, dass Einrichtungen und Vereine zunehmend mit solchen Einflussversuchen konfrontiert sind.

Wie können Akteur*innen der Kulturellen Bildung (jugend-)politisch wirksam werden? 

Cornelia Schuster: Laut sein, aktiv sein, sichtbar bleiben: auf allen Kanälen und Ebenen. Wir setzen auf eine Kombination aus Lobbyarbeit, Medienpräsenz, Bündnissen mit anderen betroffenen Trägern, wie das Bündnis Perspektive.Jugendarbeit.Berlin und Qualifizierung unserer Fachkräfte. Gleichzeitig muss die Politik in die Verantwortung genommen werden. Die gesetzlich verankerten Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe, wie zum Beispiel § 11, SGB VIII, müssen eingehalten werden. Auch im Kontext von Inklusion gibt es zahlreiche Gesetze und Vorgaben, die wir als LKJ einfordern.

Anna Behrend: Und gleichzeitig müssen wir im Feld selbst aktiver werden. Es ist wichtig, immer wieder die eigene Haltung zu reflektieren. Viele Akteur*innen der Kulturellen Bildung ziehen eine breite Grenze zwischen sich und  Jugendarbeit – das ist ein Problem. Deshalb spielen auch hier Netzwerke wieder eine große Rolle. Es braucht mehr Verständigung zwischen Kultur und Jugend, eine gemeinsame Sprache, mehr Selbstverortung. Auch kleine Träger und Einzelakteur*innen brauchen Möglichkeiten zum Austausch. Hier wünsche ich mir mehr Förderung für Vernetzung, gerade auch überregional.

Orte Kultureller Bildung sind Safe Spaces für kreatives Handeln, die Potenzial für persönliche und gemeinschaftliche Entfaltung bieten. Hier erfahren Kinder und Jugendliche, dass ihr Tun zählt.

Cornelia Schuster

Wie können Prozesse etabliert werden, die es Akteur*innen ermöglichen, Bildungsprojekte weiterzuentwickeln und langfristig zu sichern?

Cornelia Schuster: Für Kontinuität braucht es eine stabile Finanzierung, damit Projekte nicht nur kurzfristig laufen, sondern langfristig geplant werden können. Träger müssen planbar und langfristig arbeiten können, um inklusive Zugänge und echte Partizipation als Grundlage kultureller Bildungsarbeit wirkungsvoll gestalten zu können. Weiterhin ist die Einbindung verschiedener Akteure – wie Schulen, Kultureinrichtungen, Kommunen oder Bezirke und die Zielgruppe selbst – wichtig, um die Projekte an den tatsächlichen Bedürfnissen auszurichten und Akzeptanz zu schaffen. Eine klare Dokumentation und auch eine auskömmlich finanzierte Evaluation der Projekte unterstützen die Weiterentwicklung. So können Erfolge sichtbar gemacht und Herausforderungen erkannt werden.

Anna Behrend: Ich sehe das genauso. Es braucht eine längerfristige Förderung und Verankerung von Angeboten. In kurzer Zeit entstehen oft auch beeindruckende Ergebnisse, aber ohne Aussicht auf Verstetigung verpufft viel Potenzial. Eine Förderung, die über diese Einjahreslogiken hinausgeht, wäre total wichtig. Beteiligung braucht Vertrauen und Beziehung. Und das braucht Zeit. Wenn diese Beziehungen stabil sind, können sich Projekte wirklich nachhaltig entwickeln und Netzwerke dauerhaft tragfähig bleiben.

Welche Chancen liegen in Angeboten der Kulturellen Bildung, Jugendpolitik mitzugestalten und weiterzuentwickeln?

Cornelia Schuster: Orte Kultureller Bildung sind Safe Spaces für kreatives Handeln, die Potenzial für persönliche und gemeinschaftliche Entfaltung bieten. Hier erfahren Kinder und Jugendliche, dass ihr Tun zählt: Es ist ausdrucksstark, kraftvoll und wird wahrgenommen. Sie erleben Selbstwirksamkeit, übernehmen Verantwortung und schaffen Neues – für sich und in der Gemeinschaft. Solche Orte fördern Teilhabe, stärken Selbstbewusstsein und Resilienz und bauen Ambiguitätstoleranz auf. Durch die respektvolle Auseinandersetzung mit sich und der Umwelt entwickeln die Jugendlichen Fähigkeiten, die für ein friedliches und demokratisches Miteinander entscheidend sind. Kulturelle Bildung trägt somit entscheidend zu Bildungsgerechtigkeit, Demokratiebildung und Gewaltprävention bei.

Kulturelle Bildung ist anschlussfähig: Sie greift aktuelle Themen auf und reagiert flexibel auch auf lokale Gegebenheiten. Und sie lebt von Vielfalt, in Formaten, Menschen, Perspektiven.

Anna Behrend, LKJ Brandenburg

Anna Behrend:  Kulturelle Bildung ermöglicht neue Ausdrucksformen, öffnet den Blick und verbessert oft auch ganz praktisch die Aufenthaltsqualität, denken wir nur an viele wenig einladende Jugendräume. Außerdem ist Kulturelle Bildung anschlussfähig: Sie greift aktuelle Themen auf und reagiert flexibel auch auf lokale Gegebenheiten. Und sie lebt von Vielfalt, in Formaten, Menschen, Perspektiven. So entstehen Räume, die Kinder und Jugendliche freiwillig und regelmäßig nutzen wollen. Das sind Chancen, die wir unbedingt stärker in die Jugendpolitik einbinden sollten.

Text und Interview: Nina Hennecken

Zu den Mitgliedsverbänden:

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Die Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (LKJ) Berlin vertritt zahlreiche Einrichtungen im Bereich der kulturellen Kinder- und Jugendbildung in Berlin. Als fachpolitische Dachorganisation übernimmt sie die Aufgabe, den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit ihrer Mitgliedsorganisationen zu fördern. Gemeinsame Ziele der kulturellen Kinder- und Jugendbildung werden formuliert und öffentlich vertreten. Auf diese Weise verschafft die LKJ Berlin ihren Mitgliedern Gehör und Gewicht gegenüber Parlamenten, Regierungen, Verwaltungen und sonstigen Organisationen. Neben der Lobbyarbeit und der strukturellen Stärkung ihrer Mitglieder initiiert die LKJ Berlin Projekte in eigener Regie. Sie koordiniert auch das FSJ Kultur in Berlin und Brandenburg.

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Die Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (LKJ) Brandenburg e. V. ist der Dachverband aller kulturellen Sparten im Land Brandenburg. Sie ist Träger der Jugendhilfe, Träger der Freiwilligendienste BFD und FSJ und betreibt eine projektentwickelnde und landesweit durchführende Arbeitsebene in enger Zusammenarbeit mit den Landkreisen, Kommunen und Gemeinden für Jugendbeteiligung und generationsoffenen Austausch, vorwiegend in ländlichen Regionen.

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