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Kulturelle Bildung in Corona-Zeiten: Wie klappt der Neustart?
Aus der Praxis

Kulturelle Bildung in Corona-Zeiten: Wie klappt der Neustart?

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Immer mehr Einrichtungen und Projekte können wieder mit Präsenzangeboten starten. Wie passen die Akteure ihre Angebote den geänderten Bedingungen an? Wie ist es gelungen, den Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen zu halten? Wir haben uns umgehört.

Mini-München findet STADT!

Die Planungen für die 20. Ausgabe der Spielstadt Mini-München liefen seit Monaten. Nun, da eine Großveranstaltung mit tausenden Mitspieler*innen in diesem Sommer nicht in Frage kommt, wird das bewährte Konzept umgekrempelt: Mini-München verlässt die Veranstaltungshalle und dehnt sich auf das Münchner Stadtgebiet aus. Die Betriebe und Einrichtungen der Spielstadt verteilen sich auf vier Stadtteilzentren. Gespielt wird in Jugendeinrichtungen, in Parks und an authentischen städtischen Funktionsorten wie Museen, Geschäften, und dem Rathaus. Immerhin 500 bis 1.000 Kinder und Jugendliche können so in Mini-München täglich Arbeit finden, studieren und flanieren – und rücken dabei mehr noch als in vergangenen Jahren ins Bild der großen Stadt. Telefone, Lieferdienste und eine neue Online-Plattform vernetzen die dezentralen Spielstadtbetriebe.

Kindern eine eigene Öffentlichkeit zu ermöglichen, ist seit 40 Jahren ein pädagogisches Kernanliegen der Spielstadt. Nach den drastischen Einschnitten der letzten Monate, in denen Kinder in der öffentlichen Debatte hauptsächlich als Infektionsvektor oder Betreuungsproblem wahrgenommen wurden, ist das aktueller denn je. Bei den Teilnehmer*innen der Spielstadt-Planungswerkstatt, die am Wochenende – nach der Abholung einer Tagungstasche mit Planskizzen und Arbeitsmaterialien – noch in Videokonferenzen durchgeführt wurde, war große Lust zu spüren, ihr Spiel in die Hand zu nehmen und endlich gemeinsam tätig zu werden. Sich dabei auf strenge Hygieneauflagen und 1,5 Meter Abstand einzulassen, stellte die Fantasie der Kinder im Alter zwischen neun und 16 Jahren vor keine Probleme. Ihr Tatendrang und Ideenreichtum macht uns Mut – und Vorfreude auf das gemeinsame Experiment im August.

Joscha Thiele ist pädagogischer Mitarbeiter bei Kultur & Spielraum e.V., München.

Wir kombinieren analoge und digitale Angebote

Wir können unser Projekt „stadtNatur“ in Zusammenarbeit mit unseren Bündnispartnern in der Gemeinschaftsschule Campus Efeuweg und der Mädchenfreizeiteinrichtung Wilde Hütte in wöchentlichen Angeboten fortsetzen. In den Sommerferien wird es möglich sein, gemeinsam Ferienangebote durchzuführen. Vorzugsweise sollen Angebote auf dem Außengelände und in Kleingruppen stattfinden. Der Umgang mit Materialien und Werkzeugen muss an die Hygienevorschriften angepasst werden. Auch setzen wir darauf, digitale und analoge Formate zu kombinieren. Die Gruppenarbeit soll auf bereits entwickelten Tutorials aufbauen, die im analogen Raum gemeinsam diskutiert und weiterentwickelt werden. Wir finden es wichtig, unsere Angebote schnellstmöglich wieder aufzunehmen, um an bereits begonnene künstlerische und soziale Prozesse anzuknüpfen zu können. Je länger die Unterbrechung dauert, desto mehr Bindungen zu den Kindern gehen verloren. Und die Angebote eröffnen ihnen den Raum, sich endlich wieder untereinander auszutauschen.

Oscar Ardila ist Koordinator und Workshop-Leiter bei Gropiusstadt bildet sich e.V. Das Kooperationsprojekt „stadtNatur“ wird im Rahmen des Programms Künste öffnen Welten gefördert.

Neue Formate bieten Chancen

Im Kunstmuseum Bonn können wir ab Mitte Juni wieder Vermittlungsangebote machen. Anstelle von Führungen werden dreigliedrige Veranstaltungen, die sogenannten Kunstgespräche, angeboten, die mit einer einführenden Präsentation in unserem Auditorium starten. Da haben wir viel Platz. Danach gehen die Besucher*innen selbständig durch die Sammlung bzw. die Wechselausstellung. Und anschließend gibt es die Möglichkeit, Gespräche zu führen und Fragen zu stellen. Dafür richten ein viermal vier Meter großes Quadrat im Foyer ein. Anregungen und Informationen erfolgten also vor, nicht während der Begegnung mit den Werken. Der anschließende Austausch ist – abstandsbedingt – reduziert, aber dadurch wahrscheinlich erfahrungsdicht. Unsere Workshops richten wir auf Aktionen im Außenraum aus, etwa Kreidemalaktionen auf dem Boden oder Mitnahme von Klappstühlen und Zeichenbrettern. Anschließend können die Teilnehmenden mit dem Impuls der eigenen bildnerischen Arbeit selbständig das Museum erkunden. Üblicherweise fand dies meist umgekehrt statt: erst Werkimpuls, dann bildnerisches Arbeiten. Ich sehe große Chancen in neuen Formaten, vor allem im Raumeinnehmen und -erfahren sowie in guten Konzepten, die das selbständige künstlerische Arbeiten und Kunsterleben verstärkt einbeziehen.

Dr. Sabina Leßmann ist Kuratorin für Bildung und Vermittlung im Kunstmuseum Bonn.

Die Luft ist so langsam raus

Wir verfügen über drei große Räume mit 90 Quadratmetern. Wenn unser Hygienekonzept genehmigt wird, dann werden wir mit fünf Kindern in einen Raum arbeiten. Andere Kinder werden per Videokonferenz in jedem Raum zu sehen sein – so ist Kommunikation möglich. Aus den Erfahrungen der Musik- und Kunstvermittlung, wo wir mit ein bis zwei Teilnehmer*innen vor Ort starten durften und die anderen digital zugeschaltet waren, wissen wir, dass die Methode funktioniert. Allerdings klinken sich die digitalen Teilnehmer*innen ab und an aus, was sich ja nicht verhindern lässt. Hier fehlt die direkte Ansprache des Kunstpädagogen. Das Fehlen des Raumes ist ein Problem. Eine Atmosphäre zu schaffen, die künstlerisches Wirken entfaltet, ist (fast) unmöglich.

Oft fehlt in den Familien die Bereitschaft, die Kinder im digitalen Austausch zu unterstützen. In der Elternarbeit führen wir deshalb viele Telefonate. Und wir sensibilisieren unsere Kooperationspartner, dass auch sie die Familien an unsere Angebote erinnern. Wir haben auch Materialien nach Hause geschickt, damit die Kinder zu Hause analog mitarbeiten können. Im Kunstunterricht sind das „Starterpakete“, im Theater- und Tanzbereich Videos. Doch das alles ersetzt einfach nicht den direkten persönlichen Kontakt. Wir merken auch, dass „die Luft so langsam raus ist“. Die Eltern stresst es zunehmend, dass sie neben Schule und oft vielen Geschwistern digitale Aufgaben über Zoom unterstützen sollen.

Allerdings ergeben sich auch positive Rückmeldungen: Bei Kindern mit Erkrankungen oder Behinderungen erweist sich der digitale Austausch als Vorteil. Diese Kinder gelten als besonders gefährdet und es wird ihnen nahegelegt, nicht in die Schule und folglich auch nicht zu unseren analogen Angeboten zu kommen. Deshalb werden wir das Angebot über Zoom auch weiter aufrechterhalten. Der Nachteil: Sie so anzusprechen, dass sie Teil der Gemeinschaft sind, ist digital eher schwierig. Da unser Konzept die Aspekte Garten und Natur enthält, können wir draußen Aktionen einplanen. Wie wir das genau umsetzen werden, hängt von der nächsten Corona-Bekämpfungsverordnung für Rheinland-Pfalz ab. Wie es mit unseren Sommerferienworkshops aussieht, kann ich auch noch nicht sagen, wahrscheinlich wird die Ausrichtung ähnlich sein wie oben beschrieben.

Ingeborg Trappe-Butzbach ist Vorsitzende des Vorstandes der Stiftung des Beda-Instituts, einer inklusiven Schule für europäische Kulturbildung, Musik, darstellende und bildnerische Kunst in Bitburg (Eifel). Das Kooperationsprojekt „Come together“ wird im Rahmen des Programms Künste öffnen Welten gefördert.

Kontaktloses Arbeiten mit den Kleinen ist schwierig

Unser Einzugsgebiet geht bis in den Kreis Heinsberg hinein. Dort haben Kinder teilweise seit Februar keine Schule, Kita oder Freunde besucht. Familien waren in der Bewältigung des Alltags in dieser Situation auf sich alleine gestellt. […] Zunächst haben wir mit  den Kursen und Workshops begonnen, bei denen die Arbeit vorwiegend an einem Arbeitsplatz und in Einzelarbeit stattfinden kann. Ab dem 27. Mai 2020 nehmen wir auch das Zirkustraining wieder auf. Hier müssen wir zehn Quadratmeter pro Teilnehmer*in und kontaktloses Training sicherstellen. Zunächst starten wir hier mit den Kindern und Jugendlichen ab elf Jahren aufwärts, da ein kontaktloses Arbeiten mit den kleineren Kindern ungleich schwieriger ist. (Ausführlicher Bericht)

Alexander Müller-Hermes ist Geschäftsführer von Aber Hallo e. V., Jugendkunstschule und Jugendzentrum in Alsdorf und Baesweiler bei Aachen.

Großes Bedürfnis nach echten Begegnungen

Wir bereiten uns momentan darauf vor, für die Angebote „Rap“ und „Graffiti“ wieder wöchentliche Präsenzworkshops anzubieten. Als methodische Veränderungen zur „Vor-Corona-Zeit“ wollen wir die während des „Shutdown“ etablierten Messenger-Gruppen weiterhin für die Kommunikation zwischen den Präsenzworkshops nutzen. Die Teilnehmenden erhalten jede Woche Aufgaben und Materialien. Während sie sich damit beschäftigen, können sie sich über Chat, Video und Sprachnachrichten austauschen, untereinander und mit den Fachkräften. Es ist uns relativ gut gelungen die Gruppenprozesse, die wir seit Ende Januar initiiert hatten mit Alternativangeboten über die letzten Wochen aufrechtzuerhalten. Doch auch wenn diese Angebote nach wie vor wahrgenommen werden, hat doch nach und nach die Verbindlichkeit und das Engagement spürbar nachgelassen. Dies gilt insbesondere seit die Infektionsschutzmaßnahmen zunehmend gelockert werden. Es gibt verständlicherweise ein großes Bedürfnis unter den Kindern und Jugendlichen sich wieder „in echt“ zu begegnen. Dies möchten wir ihnen ermöglichen.

Florian Wagener ist Projektkoordinator bei cultures interactive e. V., Berlin. Das Kooperationsprojekt „Inklusive Kunst*Entdecker*innen“ wird im Rahmen des Programms Künste öffnen Welten gefördert.