Skip to main content
home
chevron_right
Magazin
chevron_right
Kulturelle Bildung im Experimentierfeld KI
Interview

Kulturelle Bildung im Experimentierfeld KI

Im Gespräch mit Kathrin Hartmann, Deutscher Bibliotheksverband e. V. (dbv) sowie Vorsitzende des BKJ-Fachausschusses Kulturelle Bildung und Digitalität

veröffentlicht:
Thema
Digitalität
Schlagworte
Künstliche Intelligenz (KI)

Kulturelle Bildung lebt von analoger Praxis – und findet doch längst in einer digital geprägten Welt statt. Der Fachausschuss Kulturelle Bildung und Digitalität der BKJ fragt, wie sich dieser Wandel mitgestalten lässt und welche Chancen Künstliche Intelligenz für kreative und partizipative Bildungsprozesse eröffnet.

Porträt von Kathrin Hartmann, stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Bibliotheksverbandes.

Kathrin Hartmann setzt sich im BKJ-Fachausschuss mit Themen der Kulturellen Bildung im Kontext von Digitalität auseinander. Im Hauptamt leitet sie die Abteilung Projekte und Programme des Deutschen Bibliotheksverbandes (dbv) und koordiniert das Kompetenznetzwerk für Bibliotheken, zudem ist sie stellvertretende Geschäftsführerin des dbv.

Mit welchen Aspekten von Digitalität setzt sich der Fachausschuss Kulturelle Bildung und Digitalität der BKJ auseinander?

Der Fachausschuss setzt sich mit der Frage auseinander, was Digitalität mit Kultureller Bildung zu tun hat. Das klingt erstmal banal, ist es aber nicht, denn unser Feld lebt insbesondere von analoger Praxis. In der Kulturellen Bildung wird getanzt, Musik gemacht, Theater gespielt und trotzdem bewegen wir uns gleichzeitig auch in einer Welt, die durch Digitalität geprägt ist. Für junge Menschen gibt es keine Trennung mehr zwischen analog und digital, sondern eine permanente Hybridität. Digitalität verstehen wir deshalb nicht nur als Nutzung von Social Media oder anderen Tools, sondern als umfassenden Kulturwandel, der Auswirkungen darauf hat, wie Kinder und Jugendliche aufwachsen, die Welt erfahren, lernen und an Bildungsprozessen teilhaben. Diesen Kulturwandel zu reflektieren und mitzugestalten, ist auch eine Aufgabe der Kulturellen Bildung.

Welche Aufgaben im Hinblick auf Künstliche Intelligenz sieht der Fachausschuss für die Kulturelle Bildung?

Digitalisierung ist ein fortlaufender Prozess technologischer Innovation, in dem ständig neue Werkzeuge und Angebote entstehen. Das ist zuletzt mit dem Aufkommen der Chatbots deutlich geworden. KI ist längst Teil unseres Alltags, auch wenn uns das oft gar nicht bewusst ist. Viele Anwendungen, die wir nutzen, arbeiten schon seit Jahren mit KI. Wir können uns dem nicht entziehen, sondern müssen uns diesen Realitäten stellen.

Die Kulturelle Bildung hat die Mittel, Selbstwirksamkeit zu stärken, digitale Kompetenzen auszubauen und gleichzeitig zu vermitteln, dass der Einsatz von KI reflektiert und kritisch erfolgen muss.

Kathrin Hartmann

Für die Kulturelle Bildung bedeutet das: Wir müssen lebensweltbezogen arbeiten. Kinder und Jugendliche bewegen sich längst selbstverständlich in digitalen Räumen und probieren selbstverständlich auch KI-Anwendungen aus. Die Aufgabe der Kulturellen Bildung ist es, sie dabei zu unterstützen, diese kennenzulernen und zu reflektieren, um mit diesen Technologien informiert und selbstbestimmt umgehen zu können. Damit verbunden sind viele Fragen: Wie gehen wir mit rechtlichen Aspekten um, wie mit dem Urheberrecht? Wie berücksichtigen wir Bias und kommerzielle Interessen, die in KI-Systemen angelegt sind? Welche pädagogischen Konzepte und Antworten braucht es? Gleichzeitig eröffnen sich neue Möglichkeiten: KI kann Co-Kreation und Partizipation fördern und eröffnet neue Wege der Gestaltung und des selbstbestimmten Lernens.  

Im Hauptberuf sind Bibliotheken dein Betätigungsfeld. Bei KI geht es ja vielfach um Large Language Modelle. Sprache und Literatur sind naheliegende Felder, um sich mit KI auseinanderzusetzen. Welche Beispiele kennst du, wie KI eingesetzt werden kann?

Bibliotheken adaptieren digitale Innovationen grundsätzlich sehr früh, da die Digitalisierung den Zugang zu Informationen und Wissen grundlegend prägt, also das Kerngeschäft von Bibliotheken. Es geht dabei sowohl um KI-Angebote für die Nutzenden und KI-Nutzung als Werkzeug für die Mitarbeitenden.

In unserem Projekt „Netzwerk Bibliothek Medienbildung“ unterstützen wir Bibliotheken in ihrer medienpädagogischen Arbeit. Denn durch die Vermittlung digitaler Kompetenzen stärken Bibliotheken Teilhabechancen in der Gesellschaft. Fachkräfte erhalten einen Einblick in die Praxis und bekommen Workshopideen: Das reicht von KI-Poesie bis hin zu kreativen Anwendungen, bei denen die Kinder KI-Tools kennenlernen und gemeinsam damit experimentieren.  

Ein schönes Beispiel kommt aus der Stadtbibliothek Bremen: Dort haben Kinder aus Plastikmüll Fantasiewesen gebastelt, diese anschließend digitalisiert und mithilfe von KI animiert. Oft entstehen bei diesen Projekten sehr hybride Formate, die analoges und digitales Arbeiten miteinander verbinden.

Ein sehr schönes Beispiel sind die „Smart Detectives“ der LKJ Baden-Württemberg, die auch den Dieter Baacke Preis gewonnen haben. Bei dem Medienprojekt finden Jugendliche durch smarte Recherchetechniken mehr über die*den Besitzer*in eines vermeintlich verloren gegangenen Smartphones heraus. Anschließend erstellen sie, auch mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI), eigene Medienprodukte wie Bilder oder kleine Videos und erfinden Geschichten, inspiriert vom Leben dieser Person.

Was benötigen Fachkräfte der Kulturellen Bildung, um KI in ihre Angebote zu integrieren?

Es braucht Fortbildungen und Qualifizierungsangebote, denn sowohl technisches als auch rechtliches Wissen rund um digitale Anwendungen sind mittlerweile unverzichtbar geworden. Das ist Wissen, das systematisch vermittelt werden muss und nichts, was man sich nebenbei aneignet. Hier wäre es wichtig, gezielt in medienpädagogische Angebote für Fachkräfte zu investieren und Medienkompetenz somit nachhaltig aufzustellen. Dabei geht es nicht darum, dass Fachkräfte der Kulturellen Bildung selbst zu Medienpädagog*innen oder IT-Expert*innen werden müssen. Die Methoden der Kulturellen Bildung bleiben weiterhin wertvoll.

Fachkräfte sollten sich durch die Entwicklungen rund um KI nicht verunsichern lassen. Sie bringen eigene künstlerische und pädagogische Expertise mit. Spannend wird es, wenn diese mit medienpädagogischem Wissen verknüpft wird: Was heißt das für ein Tanzprojekt oder für ein theaterpädagogisches Setting? Gleichzeitig kann es spannend sein, auch Menschen mit IT- oder Programmierhintergrund in die Kulturelle Bildung einzubinden, um neue Kollaborationen zu ermöglichen.

Fachkräfte sollten offen sein und sich bewusst ins Experimentierfeld begeben: Dieses Ausprobieren wird nicht immer gelingen. Manche Ansätze werden sich möglicherweise nicht als tragfähig herausstellen und sogar scheitern, aber genau das ist Teil des Lernprozesses. Gleichzeitig sollten sich die Fachkräfte kritisch mit den Entwicklungen auseinandersetzen und sich von der Komplexität nicht abschrecken lassen. Wichtig sind erprobte didaktische Konzepte und Methoden, die KI-Themen altersgerecht und partizipativ vermitteln. Das Teilen gelungener Projektbeispiele, aber auch das Gespräch über gescheiterte Vorhaben inspiriert und hilft, eigene Wege der Umsetzung zu finden. Durch die Digitalität verschiebt sich das Verhältnis von Fachkräften und Kindern und Jugendlichen ohnehin. Letztere haben meist sehr viel spielerische Anwendungserfahrung und sind den Fachkräften damit meist voraus. So können beide Seiten voneinander lernen und nochmal auf eine ganz andere Weise kollaborativ miteinander arbeiten. Neben Fort- und Weiterbildung und einer offenen, experimentierfreudigen Haltung sind natürlich auch eine entsprechende technische Ausstattung und finanzielle Förderung wichtig für die Anwendung von KI in der Kulturellen Bildung.

Mit welchem Blick in die Zukunft schaut der Fachausschuss Digitalität auf das Thema KI?

Entscheidend ist es, offen zu bleiben und zu beobachten, wie KI Lernprozesse beeinflusst, wie sie unsere Gesellschaft verändert und welche kulturellen Praktiken sich daraus entwickeln.

Kinder und Jugendliche lernen in kulturellen Bildungsangeboten, dass Neugier und Experimentieren zentrale Lernformen sind und dass sie eigene kreative Ideen entwickeln und erproben dürfen. So wie wir es zum Beispiel auch bei TikTok beobachten konnten: Junge Menschen haben sich die Plattform angeeignet, entwickeln darin ihre eigenen Formate und schaffen daraus neue kulturelle Praktiken, indem sie ihre Kreativität auf diesem Wege mit anderen Menschen teilen.

Darum blicken wir selbstbewusst auf das Thema KI: Die Kulturelle Bildung hat die Mittel, Selbstwirksamkeit zu stärken, digitale Kompetenzen auszubauen und gleichzeitig zu vermitteln, dass der Einsatz von KI reflektiert und kritisch erfolgen muss. Ziel ist es, jungen Menschen nicht nur kreative Freiräume zu ermöglichen, sondern ihnen auch einen selbstbestimmten Umgang mit KI zu vermitteln.

Fachausschüsse der BKJ

In den Fachausschüssen der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) sind Vertreter*innen von BKJ-Mitgliedsorganisationen aktiv. Sie tauschen sich untereinander und mit weiteren Expert*innen und Vertreter*innen von Partner-Organisationen im jeweiligen Themenfeld aus, verhandeln und entwickeln Haltungen und Stellungnahmen zu den Themen für den Dachverband. Mehr zum Thema Digitales.