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„Künstlerische Statements können Denkanstöße geben“
Interview

„Künstlerische Statements können Denkanstöße geben“

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Im Projekt „Young Arts for Queer Rights and Visibility“ kämpfen queere Jugendliche mit künstlerischen Mitteln für ihre Rechte. Im Interview erzählt Projektleiterin Janna Hadler, wo im Alltag überall Diskriminierung lauert und welches Zeichen die Teilnehmer*innen beim IDAHOBIT-Day gesetzt haben.

Janna Hadler ist seit 2015 inhaltliche Leiterin und Bildungsreferentin bei ROOTS & ROUTES Cologne. Sie hat als Regisseurin und Spielpädagogin gearbeitet und Erfahrungen im Bereich der internationalen und diversitätsbewussten Jugendarbeit gesammelt.

Der 17. Mai ist der IDAHOBIT-Day. Was ist das für ein Tag und welchen Beitrag hat das Projekt „Young Arts for Queer Rights and Visibility“ (#YAfQRaV) dazu geleistet?  

Der IDAHOBIT-Day ist der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie. An dem Tag finden weltweit Aktionen statt – ganz bunt und ganz verschieden. Alle mit dem Ziel, Zeichen zu setzen und sich für die Rechte und gegen die Diskriminierung von den betroffenen Menschen einzusetzen. Wir machen bei der Demonstration auf dem Bahnhofsvorplatz in Köln mit. Die Teilnehmer*innen unseres Projekts haben sich eine „Living Exhibition“ ausgedacht. Zum Beispiel haben sich zwei Teilnehmer überlegt, dass sie eine Performance in einem Bett machen werden. Da werden zwei Männer zu sehen sein, die miteinander ein bisschen kuscheln und neben dem Bett wird ein Haufen Steine liegen. Das Ganze steht für „Liebe versus Hass“ und soll auch darauf aufmerksam machen, dass genau das, was die beiden Menschen in dem Bett tun, in anderen Ländern zur Steinigung führen kann.

Wie alltäglich sind die Erfahrung von Diskriminierung und Ausgrenzung für queere Jugendliche und junge Erwachsene?

Es wird gerne gesagt, dass Deutschland schon relativ weit ist und es hier eine sehr hohe Akzeptanz gibt. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das auch der Fall, aber es gibt auch in Deutschland noch einiges, wofür man kämpfen muss. Unser Teilnehmer*innen spiegeln uns zurück, dass es eben nicht überall alltägliche Akzeptanz gibt und es immer wieder an verschiedenen Punkten zu Diskriminierung kommt, die oft strukturell bedingt sind. Wenn ich zum Beispiel das Thema geschlechtliche Vielfalt anschaue: Es gibt fast überall nur zweigeschlechtliche Toiletten. Wenn ich im Internet Socken bestellen möchte, muss ich dazu angeben, ob ich männlich oder weiblich bin. Die Zweigeschlechtlichkeit ist einfach überall präsent. Und wenn ich als Mensch mich da nicht einordnen möchte, begegnet mir immer wieder Diskriminierung von den Strukturen her.

Und mit Blick auf die sexuelle Vielfalt sind die Personen, die sich selbst als queer definieren, immer der Frage ausgesetzt: Oute ich mich oder nicht, erzähle ich von meiner Lebenspartnerschaft oder nicht? Das Thema ist immer im Unterbewusstsein präsent. Und immer noch hört man klassische Reaktionen wie: „Ich persönlich bin ja relativ tolerant, aber wenn meine eigene Tochter lesbisch wäre, fände ich das nicht so gut.“ Das ist ein Satz, der uns sogar während des Projekts von einer anderen Gruppe am Essenstisch entgegengeworfen wurde. Auch im ganz kleinen Rahmen findet immer wieder Diskriminierung statt. Die Diskriminierung zeigt sich auch einfach in der Tatsache, dass man, wenn man mit dem Partner, mit der Partnerin unterwegs ist, sich immer die Frage stellen muss: Können wir uns hier öffentlich zeigen oder nicht?

Mit Ihrem Projekt unterstützen sie junge Menschen dabei, sich mit künstlerischen Mitteln für LSBTTIQ*-Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung einzusetzen. Was kann die „Kraft der Kunst“ bewirken – sowohl bei den Teilnehmer*innen selbst als auch den Adressat*innen der in ihrem Projekt entstandenen Videos, Songs, Performances und der zugehörigen Online-Kampagne?

Auf der einen Seite ist unser Projekt als Empowerment-Projekt gedacht. Wir wollen queeren Jugendlichen die Möglichkeit geben, selbstsicherer zu werden und auch selbstsicher Botschaften nach außen zu schicken. Das Medium Kunst ist da ein sehr starkes und bietet viele Ausdrucksmöglichkeiten, aber auch viel Raum, um Selbstbewusstsein zu entwickeln. Auf der anderen Seite ist es so, dass künstlerische Statements Denkanstöße geben können, kleine Irritationen. Wir bekommen mit, dass Leute unsere Videos sehen und darüber ins Gespräch kommen.

Als zweiten Schritt haben wir in einem Vertiefungsseminar mit den Teilnehmenden Formate für künstlerische Workshops, Performances und Installationen mit anschließendem Gesprächsangebot entwickeln. Damit gehen die Teilnehmenden dann zum Beispiel in Jugendzentren oder suchen sich andere Räume, wo sie diese Workshops durchführen. Dort nutzen sie dann gemeinsam mit anderen Jugendlichen künstlerische Mittel, um ihnen das Thema bewusster zu machen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen oder anderen queeren Jugendlichen zu zeigen: Du bist nicht alleine. Unsere Teilnehmer*innen werden also selbst zu Multiplikator*innen. Geplant sind mindestens zehn Aktionen in verschiedenen Bundesländern.