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Kostenlose Zugänge – „Das klingt wie ein Traum, aber das ist das Ziel“
Interview

Kostenlose Zugänge – „Das klingt wie ein Traum, aber das ist das Ziel“

Im Gespräch mit Mia Oeter, Ideengeberin für das Projekt „Die Culture Card – Dein Pass für jeden Anlass“, und Jenny Jiang, Jugend-Jury des Jugend-Budgets

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Kulturkarten sollen jungen Menschen helfen, günstig an kulturelle Angebote heranzukommen. Mia Oeter, heute 20 Jahre alt, war mit dabei, als 2021 die Idee für eine Kulturkarte in einem Hackathon entstand – einem Ideenmarathon zum Jugend-Budget der Bundesregierung.

Jugendliche sollten unbedingt in die Planung mit einbezogen werden. Denn sie sind die, um die es geht. Das beginnt schon bei der Frage, was Kultur für Jugendliche bedeutet. Was möchten wir, was brauchen wir?

Mia Oeter, Ideengeberin Projekt „Die Culture Card – Dein Pass für jeden Anlass“ (2021)

Jugendliche, die Kunst und Kultur machen und erleben wollen, scheitern häufig an den Kosten. Im Hackathon ist die Idee der Kulturkarte entstanden, die den Zugang zu Kultur erleichtern soll. Mittlerweile gibt es vier regionale Modelle – wie bewertest du die Einführung dieser Kulturkarten?

Mia Oeter: Unsere Idee einer bundesweiten Kulturkarte konnte leider in dieser Form bisher nicht komplett umgesetzt werden, das ist schade. Daher freue ich mich über die regionalen Projekte, in denen Teile der ursprünglichen Idee umgesetzt wurden. Es gibt vier Modellvorhaben und Projekte in Stuttgart, Dessau-Roßlau, Oeynhausen und Dresden, die das Prinzip der Kulturkarte weiterentwickelt haben. In einigen Punkten weichen die Vorhaben natürlich von unserer Idee ab. So sollen in Stuttgart z. B. Jugendliche mit 16 Jahren einen Kulturpass bekommen, zusammen mit einem Geburtstagsgeld. Wir wollten die Kulturkarte bundesweit ab 12 Jahren einführen und über Jahre hinweg einen Zugang zu Kunst und Kultur ermöglichen. Am Ende zählt aber, dass die Projekte rund um die Kulturkarte Jugendlichen einen Zugang zu kulturellen Angebote verschaffen – und nun müssen wir alle davon erfahren, damit wir sie auch nutzen können.

Gibt es noch weitere Unterschiede?

Mia Oeter: Ja, es gibt Punkte, die über unsere ursprünglichen Ideen hinausgehen. Da ist etwa der Gedanke, dass auch aktive Angebote wie Musikschulen in das Angebot der Kulturkarten mit einbezogen werden können, dass also Jugendliche mit der Karte Kultur schaffen und nicht nur genießen können.

Setzen kostenlose Kulturkarten nicht eine kulturelle Neugier voraus? Sind hohe Eintrittspreise wirklich die einzige Hürde, die sie von Kulturangeboten abhält?

Mia Oeter: Nein, es gibt viele, sehr unterschiedliche Hürden, z. B. in ländlichen Regionen, in denen die Infrastruktur eine Rolle spielt. Grundsätzlich soll die Kulturkarte aber Hürden senken. Sie soll auf die vielen kulturellen Angebote, die es gibt, aufmerksam machen. Durch die Kulturkarte werden Jugendliche motiviert, sich die individuell passenden Angebote auszuwählen. Durch Jugendliche, die bereits über eine kulturelle Neugier verfügen, werden Freunde und Geschwister mitgenommen, wenn das Angebot durch die Kulturkarte möglich wird.

Jenny Jiang: Ich glaube, dass es für die tatsächliche Nutzung besonders wichtig ist, dass die Kulturkarten möglichst unkompliziert und alltagstauglich gestaltet sind. Zu viel Bürokratie könnte auch ein Grund sein, der von einem aktiven Gebrauch abhält. Außerdem ist eine gelungene Zielgruppenansprache bei der Bewerbung von Kulturkarten das A und O. Entscheidend hierbei ist, dass ein breites und vielfältiges Kulturangebot vorhanden ist, damit die Interessen möglichst vieler junger Menschen angesprochen werden.

Für ein erfolgreiches Gelingen und einen aktiven Gebrauch von Kulturkarten sind die Interessen junger Menschen maßgebend. Und wer könnte besser die Bedürfnisse und Ansichten von jungen Menschen mitteilen als die Jugendlichen selbst? Kulturkarten sollten Jugendliche sowohl bei der Entwicklung als auch bei der Implementierung so gut wie möglich miteinbinden.

Jenny Jiang, Mitglied der Jugend-Jury des Jugend-Budgets der Bundesregierung (2021)

Glaubt ihr, dass Kulturkarten für Jugendliche attraktiver werden, wenn sie in die Planung der Modelle mit einbezogen werden?

Mia Oeter: Auf jeden Fall. Sie sollten unbedingt in die Planung mit einbezogen werden. Denn sie sind die, um die es geht. Das beginnt schon bei der Frage, was Kultur für Jugendliche bedeutet. Was möchten wir, was brauchen wir? Sind es klassische Konzerte, Kino, Theater oder Popkonzerte? Oder auch der Kurs in der Jugendkunstschule? Ich spreche hier sicherlich für viele. Wenn man z. B. mit der Schule in ein klassisches Konzert oder Theaterstück ging und feststellte: Das ist nicht wirklich das, was mich interessiert oder berührt. Das ist dann kontraproduktiv. Aber genau hier setzt die Idee der Kulturkarte ja an. Sie bietet allen Jugendlichen die Möglichkeit zur kulturellen Teilhabe: Sucht euch etwas aus dem tollen Angebot aus. So werdet ihr zu aktiven Kulturnutzer*innen! Das klingt ein bisschen wie ein Traum, aber das ist das Ziel.

Jenny Jiang: Jugendbeteiligung, vor allem bei jugendspezifischen Themen und Projekten, ist meiner Meinung nach extrem wichtig. Für ein erfolgreiches Gelingen und einen aktiven Gebrauch von Kulturkarten sind die Interessen junger Menschen maßgebend. Und wer könnte besser die Bedürfnisse und Ansichten von jungen Menschen mitteilen als die Jugendlichen selbst? Kulturkarten sollten Jugendliche sowohl bei der Entwicklung als auch bei der Implementierung so gut wie möglich miteinbinden.

Wie sollte man denn Kultur definieren, um möglichst viele Jugendliche für die Kulturkarte zu begeistern?

Mia Oeter: Wir müssen nachdenken und definieren, was alles genau zur Kultur zählt. Im Hackathon kam auch die Idee auf, dass das Angebot Bibliotheken einschließt. Jetzt gibt es, wie gesagt, Ansatzpunkte, die aktive Angebote wie Musikschulen dazuzählen. Wir müssen uns also Gedanken machen. Denn je vielseitiger wir das gestalten, desto mehr Jugendliche erreichen wir.

Mia Oeter: Es gibt hier auch weiterhin einen regelmäßigen Austausch zwischen dem Hackathon-Team und der BKJ. Im Januar 2023 gibt es einen Abschlussworkshop, an dem auch Jugendliche teilnehmen. Hier wird mit ihnen allerdings nicht definiert, was Kultur ist, sondern die Umsetzung der Modellprojekte reflektiert. So können wir die Perspektiven der Jugendlichen mitnehmen, was sie von dem jeweiligen Projekt halten und wo man vielleicht nachsteuern muss.

Wie sieht es bei Jugendlichen aus, die selbst Kultur schaffen wollen? Was sollen Kulturkarten ermöglichen?

Mia Oeter: Die Kulturkarte hilft Jugendlichen dabei, kulturelle Angebote für sich überhaupt zu entdecken, wahrzunehmen und ihr Interesse zu steigern. Ich nenne hier mal die Kultur- und Theaterscouts. Dadurch kann die Kulturkarte im besten Fall auch dazu beitragen, bei Jugendlichen das aktive Gestalten zu wecken und zu fördern. Und dann werden durch die aktiven Jugendlichen auch andere Jugendliche mit ins Boot geholt.

Genau hier setzt die Idee der Kulturkarte an. Sie soll allen Jugendlichen die Möglichkeit zur kulturellen Teilhabe bieten: Sucht euch etwas aus dem tollen Angebot aus!

Mia Oeter, Ideengeberin Projekt „Die Culture Card – Dein Pass für jeden Anlass“ (2021)

Die Praxis zeigt, dass persönliche Kontakte wichtig sind, um junge Menschen an Kultur heranzuführen. Welche Bedeutung haben Erwachsene, etwa Pädagog*innen oder Eltern?

Jenny Jiang: Da die schon an Kultur interessierten Jugendlichen keine wirkliche Motivation mehr brauchen, denke ich, dass diese Erkenntnis vor allem bedeutsam ist, um weniger „kulturaffine“ junge Menschen zu erreichen und das kulturelle Interesse zu wecken. Auch können Ansprechpersonen helfen Hürden wie Bürokratie abzubauen und einen erleichterten Zugang zur Kultur zu schaffen.

Mia Oeter: Persönliche Kontakte sind sehr wichtig bei der Kulturvermittlung. Aber das reicht eben nicht immer. Sicher muss man über die Schulen und Bildungsangebote gehen, um zu vermitteln, was für Angebote es gibt. Aber da sind wir wieder bei den klassischen Konzerten! Die Lehrerinnen und Lehrer müssen wissen, was für vielseitige und vielschichtige kulturelle Angebote zur Verfügung stehen. Die Jugendlichen müssen vermittelt bekommen: Das sind eure Angebote. Ihr wählt aus, ihr findet das, was zu euch passt. Geht diesen Weg!

Wo es persönliche Kontakte und Erfahrungen gibt, also wo beispielsweise die Eltern selbst Kulturinteresse haben, da fehlen teils die finanziellen Mittel, den Jugendlichen eine kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Und da kann die Kulturkarte helfen. Mit der Kulturkarte werden die Jugendlichen direkt angesprochen und erreicht. Sie zeigt den Jugendlichen: Hier darfst du deinen Weg gehen und aussuchen, was dir gefällt. Die Kulturkarte ist ein Angebot, den ersten Schritt Richtung Kultur zu gehen. Und sie bietet eine super vielseitige Auswahl an Dingen und Angeboten.

Text und Interview: Georgia Rauer

Das Interview ist entstanden im Rahmen von „KulturKarte: Gemeinsam Zugänge für junge Menschen öffnen“ der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ). Es wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen der Jugendstrategie der Bundesregierung – Nationaler Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung.

Jugendbudget der Bundesregierung und Projektidee „Culture Card“

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) startete im Januar 2021 das Vorhaben Jugend-Budget und stellte dafür 1 Million Euro zur Verfügung. Gefördert werden Projekte für, von und mit Jugendlichen, die innovative Lösungsansätze für die Handlungsbedarfe der Jugendstrategie der Bundesregierung bieten. Zur Entwicklung kreativer Projektideen fand am 19. und 20. Februar 2021 ein digitaler Ideen-Hackathon statt. Mia Oeter ist eine der Jugendlichen, die sich mit der Projektidee „Die Culture Card – Dein Pass für jeden Anlass“ beteiligt hat, die letztendlich für die Umsetzung im Rahmen des Jugendbudgets ausgewählt wurde.

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