Kinder- und Jugendarbeit matters!
Im Gespräch mit Prof. Dr. Wolfgang Schröer, Vorsitzender des Bundesjugendkuratoriums
Im Gespräch mit Prof. Dr. Wolfgang Schröer, Vorsitzender des Bundesjugendkuratoriums
In einer Zeit, gerade nach den Regulationen während der Corona-Pandemie, in der die Weiterentwicklung, Reform und Absicherung der Infrastrukturen gleichzeitig dynamisch und innovativ bewältigt werden müssen, ist nur schwer nachvollziehbar, wie diese Kürzungen gerechtfertigt werden können. Wie sollen da Zukunftsakzente gesetzt werden? Es braucht Investitionen in die Infrastrukturen
Prof. Dr. Wolfgang Schröer, Vorsitzender des Bundesjugendkuratoriums
Junge Menschen sind Grundrechtsträger*innen und haben soziale Rechte, die im hier und heute verwirklicht werden müssen. Ein wesentliches Recht junger Menschen ist das Recht auf förderliches Wohlbefinden und vor allem auf eine diskriminierungsfreie sowie – soweit wie möglich – selbstbestimmte und gerechte Teilhabe in unserer Gesellschaft. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht verdeutlicht, dass die Rechte junger Menschen – gerade auch das Recht auf Zukunft – stärker in der Politik Berücksichtigung finden müssen. Bevor davon gesprochen wird, dass die Jugend unsere Zukunft sei, sollten wir, die wir aktuell die Macht gegenüber den jungen Menschen innehaben, uns verantwortlich zeigen, dass junge Menschen Gerechtigkeit in der Gegenwart erfahren können und eine Zukunft haben können.
Junge Menschen brauchen Infrastrukturen, in denen sich kulturell ausdrücken können. Doch junge Menschen leben in sehr unterschiedlichen sozialen Lebenslagen und die kulturellen Handlungsspielräume vieler jungen Menschen sind begrenzt oder prekär. Die Möglichkeit zur Entfaltung kultureller Selbstsorge und Gelegenheitsstrukturen zur kulturellen Selbstbildung ist ein Menschenrecht aller jungen Menschen, wie Julius Heinecke von der Universität Hildesheim sagen würde. In unserer Gesellschaft, in der soziale Abschottungen, Diskriminierungen und soziale Ungleichheiten zum Alltag gehören, hat die kulturelle Kinder- und Jugendbildung sich immer wieder für sozialkulturell öffnende Prozesse im Jugendalltag einzusetzen und junge Menschen aufzufordern, ihre subjektiven, gemeinsamen und unterschiedlichen kulturellen Ausdrucksformen zu erfahren und ihnen sichere soziale Orte anzubieten, an denen sie diese leben und – wenn sie wollen – auch öffentlich zeigen können.
Es ist zentral, dass die Bundesregierung zukünftig nicht mehr Infrastrukturpolitik für junge Menschen gegen materielle Absicherungen und Verbesserungen von jungen Menschen ausspielt. Es ist wohl ein allgemeiner Konsens, dass die sozialen Ungleichheiten in Kindheit und Jugend nur durch eine Kombination von einer verbesserten Grundsicherung junger Menschen sowie einer deutlichen Investition in die Infrastrukturen geleistet werden kann. Kinder- und Jugendpolitik braucht in der Bundesregierung die Bedeutung und Priorisierung, die ihr nach Corona versprochen wurde. Dieses Versprechen ist bisher kaum eingelöst. Dies ist aber eine Aufgabe der gesamten Bundesregierung und nicht nur des BMFSFJ.
Es ist wohl ein allgemeiner Konsens, dass die sozialen Ungleichheiten in Kindheit und Jugend nur durch eine Kombination von einer verbesserten Grundsicherung junger Menschen sowie einer deutlichen Investition in die Infrastrukturen geleistet werden kann. Kinder- und Jugendpolitik braucht in der Bundesregierung die Bedeutung und Priorisierung, die ihr nach Corona versprochen wurde.
Prof. Dr. Wolfgang Schröer, Vorsitzender des Bundesjugendkuratoriums
Der Kinder- und Jugendplan ist das zentrale Instrument der Bundesregierung, um Innovationen und bundesweite Strukturen zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe und der Kinder- und Jugendpolitik zu ermöglichen. In einer Zeit, gerade nach den Regulationen während der Corona-Pandemie, in der die Weiterentwicklung, Reform und Absicherung der Infrastrukturen gleichzeitig dynamisch und innovativ bewältigt werden müssen, ist nur schwer nachvollziehbar, wie diese Kürzungen gerechtfertigt werden können. Wie sollen da Zukunftsakzente gesetzt werden?
Es braucht Investitionen in die Infrastrukturen: Gerade Beteiligungsstrukturen junger Menschen sowie Selbstvertretungen müssen gestärkt werden. Letztlich können die Infrastrukturen in Kindheit und Jugend nur geöffnet und weiterentwickelt werden, wenn junge Menschen diese auch auf Bundesebene mehr mitgestalten können. Dies bedeutet Infrastrukturen zu fördern. Nur so kann Inklusion und auch das Zusammenleben in einer durch Diversität geprägten Kindheit und Jugend gelingen.
Selbst wenn gekürzt werden müsste, braucht es starke Konzepte, die dieses kinder- und jugendpolitisch legitimieren. In der Bundesregierung gibt es aber kaum eine wirkliche Auseinandersetzung über kinder- und jugendpolitische Konzepte.
Studien während der Corona-Pandemie haben gezeigt, dass es einen Unterschied macht, ob junge Menschen Infrastrukturen der Kinder- und Jugendarbeit vor Ort finden, diese niedrigschwellig erreichen und mitgestalten können oder nicht. ‚Kinder- und Jugendarbeit matters‘ in der Lebens- und Bildungsqualität junger Menschen! Kinder- und Jugendarbeit kann dabei nur mit den jungen Menschen gelingen. Träger der Kinder- und Jugendarbeit müssen sich als Infrastruktur der sozialen und kulturellen Offenheit für junge Menschen in allen Lebenslagen sowie als jugendpolitische Mandatsträger in der Öffentlichkeit und Politik stärker positionieren.
Wolfgang Schröer ist Vorsitzender des Bundesjugendkuratoriums in der 20. Legislaturperiode. Er ist Professor für Sozialpädagogik an der Universität Hildesheim. Seine Arbeitsschwerpunkte sind u. a. Kinder- und Jugendhilfe, Theorie und Geschichte der Sozialpädagogik und Sozialpolitik.