In der gelben Villa in Berlin werden Träume wahr
die gelbe Villa Kreativ- und Bildungszentrum, Berlin
die gelbe Villa Kreativ- und Bildungszentrum, Berlin
Wenn es einen einzigen Ort gäbe, an dem sich Kinder und Jugendliche beinahe ohne Beschränkungen kreativ austoben können, könnte die gelbe Villa in Berlin-Kreuzberg ohne Probleme als Sinnbild bestehen. In diesem Kreativ- und Bildungszentrum für Kinder und Jugendliche von sechs bis 16 Jahren werden regelmäßig wortwörtlich Träume wahr: Hier können sie in der Holzwerkstatt lernen, wie man Holz bearbeitet, im Bandraum erste Versuche am Herzensinstrument starten, in der Fabrizierwerkstatt dem 3D-Drucker bei der Arbeit zuschauen oder akrobatisches Talent an sich selbst entdecken. Und das ist nur eine kleine Auswahl der Räume, die hier zur Verfügung stehen. Viele Kinder und Jugendliche besuchen die Werkstätten und Labore, die Küche oder den Garten für Nachmittagsworkshops, jedoch liegt ein großer Schwerpunkt der gelben Villa auch auf der Ausbildung der Medienkompetenz, die in der digitalen Welt für junge Menschen natürlich eine Schlüsselkompetenz darstellt.
So bieten die Fachkräfte während des Schuljahres vormittags für Schulklassen und Hortgruppen Medienkompetenzworkshops an, in denen die Anwendung und der eigenverantwortliche Umgang mit Hard- wie auch Software, den sozialen Medien und webbasierten Angeboten, aber auch mit visuellen und auditiven Formaten geübt werden. An den Nachmittagen kommen die jungen Kreativen dann, um neue Dinge auszuprobieren, Kontakte zu knüpfen oder einfach nur, um zu entspannen.
Auch in den Ferien sind die Türen geöffnet, dann für Ferienprogramme, halbtags oder auch ganztags. Das Haus steht allen offen und ist barrierefrei zugänglich, denn Integration und Willkommenskultur sind essenzieller Teil des Konzeptes. Besonderer Wert liegt dabei zudem auf Prävention und Nachhaltigkeit. Dass die meisten Angebote sogar kostenlos sind, ist der Schlüssel zur erfolgreichen kulturellen Teilhabe. Doch nicht nur aus den dargelegten Gründen ist das 2004 eröffnete Haus für die Kinder und Jugendlichen ein unermesslicher Schatz. Warum? Nusaybah weiß es.
Die Elfjährige kommt schon seit einiger Zeit in die gelbe Villa. „Ich mache in der gelben Villa viele Workshops. Zum Beispiel im Nähatelier. Das hat mir besonders Spaß gemacht. Und auch in der Kunstwerkstatt. Da habe ich auch ein Jahr lang sehr viel gemalt.“ Sie kommt so gern in die Villa, dass sie Workshop nach Workshop besucht. „An der Werkstatt mag ich am liebsten, dass wir einfach, wenn wir hierherkommen, frei ausprobieren dürfen. Dass wir uns zum Beispiel einfach aussuchen können, welchen Stoff, welche Naht wir benutzen. Und wir dürfen, wenn wir mit der Nähmaschine umgehen können, auch allein gehen. Jeder macht sein eigenes Ding, ohne gestört zu werden.“
Den jungen Menschen wird so Freiraum gegeben, ihre eigene Kreativität zu entdecken, sich selbst Ziele zu stecken, aber immer mit exakt dem Maß an Anleitung durch die Fachkräfte, die der oder die Einzelne benötigt. Wenn sie dann eines ihrer Projekte geschafft haben? „Also, wenn ich mit meinem Projekt fertig bin, fühle ich mich stolz. Ich bin erleichtert. Ich habe es geschafft, auch wenn es vielleicht nicht ganz perfekt ist. Aber ich weiß, dass ich mir sehr viel Mühe gegeben habe“, sagt Nusaybah mit einem selbstbewussten Lächeln. Sie ist besonders stolz auf ihren hübschen Sorgenfresser, den sie mit großer Mühe, aber offensichtlich auch sehr viel Geschick genäht hat. Ein wunderbares Gefühl, solche Erfahrungen machen zu dürfen und dann das Resultat auch noch in Händen halten zu können.
Für Yasemin Kummer, die das Projekt begleitet hat, ist das nichts Neues. „Ich habe hier schon viele Kinder gesehen, die sehr zaghaft waren, sie haben sich so wenig getraut, und am Ende eines Workshops waren sie voller Selbstbewusstsein und voller Freude darüber, was sie geschaffen haben“, sagt die Fachkraft aus dem Modeatelier. Sie habe schon viele lächelnde Gesichter gesehen, erinnert sie sich. Alles, was es bräuchte, sei ein wenig Unterstützung von den Mitarbeiter*innen der gelben Villa in Form von Anleitung oder Material. Mitbringen müsse man für diese Erfolgserlebnisse nichts Konkretes – außer Neugierde und das entsprechende Interesse, betont sie. Auch Kinder und Jugendliche, die noch nie zuvor Nadel und Faden in die Hand genommen hätten, seien schnell in der Lage, im Nachmittagsworkshop oder einem Ferienkurs Tolles zu kreieren und ihre persönlichen Erfolgserlebnisse zu feiern.
Also, wenn ich mit meinem Projekt fertig bin, fühle ich mich stolz. Ich bin erleichtert. Ich habe es geschafft, auch wenn es vielleicht nicht ganz perfekt ist. Aber ich weiß, dass ich mir sehr viel Mühe gegeben habe.
Nusaybah
In vielen Fällen trügen sie ihre guten Erfahrungen dann auch als Multiplikator*innen weiter. „Mund-zu-Mund-Propaganda“, sagt Yasemin Kummer. In der Tat folgt das pädagogische Konzept des Bildungszentrums dem Ansatz, dass die Kinder und Jugendlichen durch die Stärkung ihres Selbstvertrauens und der Förderung ihrer Interessen und Potenziale für sich selbst den Grundstein legen, um eigenverantwortlich mit ihrer Zukunft umzugehen. So schafft das Team der gelben Villa einen wertvollen Beitrag zu mehr Chancengerechtigkeit.
Doch diese Erfahrungen der Selbstwirksamkeit sind nicht der einzige Grund, warum die Kinder und Jugendlichen gern in die gelbe Villa kommen. Da ist zudem das ansprechende Konzept, das nicht nur kreative Fertigkeiten schult, sondern auch Entspannung oder Gaumenfreuden zulässt. Nusaybah zum Beispiel freut sich immer auf ihre Workshop-Pause, in der sie gern in die „Milchbar“ geht. Das ist ein kleines Café im Haus, in dem „es immer so gut riecht“. Dort trifft sie sich mit den vielen Freundinnen und Freunden, die sie in den vergangenen Workshops kennengelernt hat, auf eine leckere Waffel mit Riegeln. So kommt auch die soziale Komponente der Kulturellen Bildung nicht zu kurz, die für Yasemin Kummer genauso wie die anderen Aspekte dazu gehört.
Sie fasst zusammen: „Kulturelle Bildung ist die Fähigkeit, Kunst und Kultur zu erkennen und zu genießen. Dies wird erworben durch das Zusammenkommen von Menschen.“ Oder im Fall der gelben Villa: Durch die gemeinsame Kreativität und die vielfältigen Angebote in Kunst und Kultur sehen die Kinder das gesamte Spektrum dessen, was möglich ist, sie lernen ihre persönlichen Neigungen kennen und schärfen ihre Fähigkeiten – und das an einem entspannten und entspannenden Wohlfühlort mit vielen Gleichgesinnten. Was könnte besser sein? Das stolze Lächeln, das Nusaybah zeigt, wenn sie von ihrer Arbeit in der Nähwerkstatt und ihrer schöne Zeit in der gelben Villa berichtet, ist Beweis genug.
Text: Lioba Gieles
Als Kreativ- und Bildungszentrum bietet die gelbe Villa in Berlin vielfältige Werkstätten und Ateliers für Kinder und Jugendliche an. So können sie neue Talente an sich entdecken und ihre Interessen vertiefen. Mit ihrem Angebot möchte die gelbe Villa zu mehr Teilhabe und Chancengerechtigkeit beitragen. Die Einrichtung ist Mitglied der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (LKJ) Berlin. Die Praxisreportage ist entstanden im Rahmen von „Machmamit! – Finde, was deins ist“ der Kampagne für Kulturelle Bildung der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ).