Ich im Wasser, das Wasser in mir
Einblicke in ein interdisziplinäres mexikanisch-deutsches Begegnungsprojekt
Einblicke in ein interdisziplinäres mexikanisch-deutsches Begegnungsprojekt
Bernardo Sanchez Lapuente ist Projektleiter bei SuB Kultur. Er ist verantwortlich für die Konzeption und Durchführung des Projektes „Ich im Wasser, das Wasser in mir“.
Kulturelle Bildung ist an sich schon nachhaltig, indem wir andere Bildungszugänge probieren, in den Dialog miteinander treten und lernen, Materialien und Ressourcen anders zu betrachten.
Bernardo Sanchez Lapuente
Unsere Arbeit ist bunt und lebendig. Die kreative Arbeit soll Spaß machen und die Teilnehmenden prägen. Die Arbeit zeichnet sich dadurch aus, dass sie sehr interdisziplinär ist. Wir sind Künstler*innen und Pädagog*innen. Wir verbinden szenische Arbeit mit Performance, das Ergebnis ist Musik und Tanz und immer in den Alltag integrierbar. Wir schaffen einen improvisatorischen Rahmen, der zwar immer wieder wiederholt werden kann, aber der immer anders aussieht. Wenn wir am oder im Wasser waren, oder einen Vortrag darüber gehört haben, haben wir uns gefragt, wie wir das Erlebte als Ausgangspunkt nutzen können, um szenisch zu arbeiten. Eine Aufgabe der Jugendlichen war eine persönliche Wasserbiografie zu schreiben und sich dabei an folgenden Fragen zu orientieren: Welche besonderen Ereignisse haben dich geprägt, die mit Wasser zu tun haben? Wie sieht Wasser für dich aus? Wie ist Wasser in deinem Leben präsent? Ausgehend von fachlichen Rechercheaufgaben rund um das Thema Wasser, begleitete uns durch die gesamte Projektlaufzeit die Frage wie man die Knappheit, den Überfluss und die Verschmutzung des Wassers künstlerisch umsetzten kann. Diese Form des mehrdimensionalen Lernens ermöglichte den Teilnehmenden einen künstlerischen Zugang mit allen Sinnen.
Ich lebe und arbeite in Mexiko und Deutschland. Mein Ziel war es, beide Länder miteinander zu verbinden. Auch das erste Netzwerktreffen der BKJ in Bonn inspirierte mich bei der Ideenfindung.
Die Entstehungsgeschichte zum Projekt lässt sich gut anhand einer Metapher beschreiben. Wenn etwas gekocht werden soll, überlegt man sich im Vorfeld: Welche Zutaten habe ich und was kann ich daraus machen? Was fehlt mir? Was brauche ich? Wenn man alle Komponenten zusammen hat, kann es losgehen. Der Tanz sollte als Ressource mit den SDGSs verbunden werden. Auch meine persönlichen Interessen, wie die Theaterpädagogik, Tanz im Wasser, das Freediving und das Interesse an der Ressource Wasser flossen in die Ideenfindung mit ein. Und so fügten sich die „Zutaten“ und es entstand die Projektidee „Ich im Wasser, das Wasser in mir“.
Unsere Arbeit ist bunt und lebendig. Die kreative Arbeit soll Spaß machen und die Teilnehmenden prägen.
Bernardo Sanchez Lapuente
Wir arbeiten mit Wasser und haben überlegt welches SDGs wir nutzen können, um eine Zusammenarbeit zu verstärken und gleichzeitig tiefer in die künstlerische Arbeit einzusteigen. Flüsse, Seen sowie eine Versorgung mit Wasser sollten für jeden Menschen zugänglich sein! Wenn es dem Wasser und den Ökosystemen schlecht geht, geht es uns Menschen schlecht. Es besteht eine natürliche Symbiose zwischen dem Wasser und uns. Wasser ist unser Ursprung und versorgt uns. Wir bestehen aus Wasser und unser Körper besteht aus Wasser. Die Teilnehmenden sollten das Wasser erfahren und es schützen und schätzen lernen.
Die Teilnehmer*innen hatten die Möglichkeit während des Tanzens im Wasser ihre Wahrnehmung zu schärfen und das Wasser zu erfahren – die Beweglichkeit im Wasser und das Gefühl der Schwerelosigkeit im Wasser. Wir hatten in Mexiko verschiedene Möglichkeiten Wasser erfahrbar zu machen. Wir konnten zum Wasser fahren, Wasserfälle und Wasserquellen besuchen, dort Schwimmen, im Wasser tanzen und zum Thema „Wasser“ viele verschiedene Rechercheaufgaben durchführen. Jeder Ort bot uns verschiedene Möglichkeiten, uns mit der Thematik aus verschiedenen Perspektiven zu nähern.
Generell können die SDGs nützliche Wegweiser sein, um in internationalen Kontext über die gleichen Themen zu sprechen und gemeinsam daran zu arbeiten. Sie haben auch ihre Grenzen, da sie im Rahmen eines wissenschaftlichen Hintergrundes und innerhalb eines westlichen und kapitalistischen Systems entworfen worden sind. Wasser ist – und damit wollten und wollen wir uns noch im weiteren Verlauf des Projektes auseinandersetzen – nicht nur etwas, worüber wir verfügen können. Sondern eine Kraft mit der wir verbunden sind. Wir sollten darüber verfügen können und wir sollten es schützen und Zugang zu Wasser für alle Menschen gewährleisten. Wir können es aber auch bewundern und respektieren.
Nach einer Woche unseres Aufenthaltes sollten alle ausgehend von den bisher gemachten Erfahrungen in den letzten Tagen etwas über das Wasser schreiben. Es war unglaublich und überraschend, mit welcher Tiefe und Achtsamkeit die Teilnehmer*innen sich der Aufgabe gewidmet haben. Die Ergebnisse waren sehr künstlerisch und kreativ. Ich hatte keine hohen Erwartungen und wurde überrascht. Die Texte berührten die ganze Gruppe und schafften eine sehr emotionale Atmosphäre.
Während der 16 Tage entwickelte sich eine gemeinsame Sprache und Dynamik. Der Abschied fiel allen schwer. Es war der Anfang der Corona-Krise und die Teilnehmer*innen aus Deutschland mussten nach ihrer Rückkehr in Quarantäne. Der Austausch war für die Jugendlichen insgesamt eine sehr prägende Erfahrung, die aus einzelnen Jugendlichen eine zusammengeschweißte Gruppe gemacht hat. Das SDG 6 war dabei nur ein Hilfsmittel, um den Teilnehmer*innen diese tiefgreifende Erfahrung zu ermöglichen.
Wir mussten lernen, die persönlichen Grenzen der Teilnehmer*innen zu respektieren und sie gut zu betreuen. Eine gemeinsame Sprache innerhalb der Gruppe musste gefunden werden, da nicht alle Teilnehmer*innen gut Englisch sprechen konnten. Hier musste die Gruppe kreativ werden, um die Verständigungsprobleme zu lösen. Aber der Tanz und die Musik sowie die Kreativität der Gruppe waren ihre gemeinsame Sprache.
Zu Beginn des Projektes war der Antrag eine Herausforderung für uns. Ende Januar gab es noch keine Projektzusage, aber es musste schon losgehen. Dienstleister mussten bezahlt werden und es mussten viele Beträge vorgestreckt werden.
Künstlerische Arbeit und Kulturelle Bildung haben an sich inhärente Ziele. Kulturelle Bildung ist an sich schon nachhaltig, indem wir andere Bildungszugänge probieren, in den Dialog miteinander treten und lernen, Materialien und Ressourcen anders zu betrachten. Kulturelle Bildung trägt durch das Erleben anderer gesellschaftlicher Formen immer zu Nachhaltigkeit bei.
Die gemeinsamen Erfahrungen im und am Wasser sind zentraler Ausgangspunkt für den künstlerisch-kreativen Schaffensprozess, welcher zu einer öffentlichen Performance mit Tanz, Musik und Videoelementen im kommenden Sommer 2021 führen sollte. Aufgrund der Einschränkungen durch das Coronavirus ist aktuell noch unklar, ob und wann der zweite Teil der Begegnung stattfinden kann.
Das Begegnungsprojekt wird in Kooperation mit der Jugendtanzcompany CeWe24 durch den Berliner Verein Sub Kultur e.V. in Zusammenarbeit mit der Stiftung Música para la Vida, San Luis Potosí, Mexiko umgesetzt. Die Projektpartner sind seit 2015 in Kontakt und haben zuvor bereits ein gemeinsames Projekt realisiert.
Die Projektleitungen Bernardo Sánchez Lapuente aus Mexiko und Camilla Przystawski aus Deutschland beschäftigen sich seit September 2018 mit dem Thema Wasser im globalen und lokalen Kontext aus der Perspektive ihrer jeweiligen künstlerischen Ausdrucksform.
Dieser Text ist lizensiert unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International und darf unter den Bedingungen dieser Lizenz vervielfältigt und weiterverbreitet werden. Bitte geben Sie als Quelle www.bkj.de an und nennen den Namen des*der Autor*in, falls dieser hier genannt wird. Wenn Sie Fragen zur Nutzung dieses Textes haben, melden Sie sich gerne unter redaktion@bkj.de!