Freiwilliges Engagement in Kultur
Attraktiv, gemeinschaftsfördernd, eigensinnig und gesellschaftlich wichtig
Attraktiv, gemeinschaftsfördernd, eigensinnig und gesellschaftlich wichtig
Maud Krohn ist bei der BKJ u. a. für die Evaluation der Freiwilligendienste Kultur und Bildung und weiterer inhaltlicher Schwerpunkte zuständig. Zuvor war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Forschungsprojekten zu freiwilligem Engagement und Kompetenzentwicklung tätig.
Kultur gehört zu den großen Engagementbereichen in Deutschland und die Anzahl der Menschen, die sich in und für Kultur engagieren, wächst stetig. Kultur-Engagierte sind sowohl im ländlichen Raum als auch in Klein-, Mittel- und Großstädten aktiv. Ohne freiwilliges Engagement in Kultur gibt es keine geduldige Lesepatin, keinen atemberaubenden Kinder- und Jugendzirkus, weniger mitreißende Chöre und Musikensembles, kein berührendes Laienspiel und häufig auch kein kulturelles Dorfleben. Denn vor allem in kleinen Gemeinden und Dörfern kommt Kultur-Engagiertenund ihren Zusammenschlüssen in Kulturvereinen eine besondere Bedeutung zu. Oft mangelt es gerade dort an einem vielfältigen und kommunalen Kulturangebot (vgl. Bertelsmann Stiftung 2017). Es sindhäufig die Angebote der Kulturvereine, die das kulturelle Leben im ländlichen Raum ausmachen und Einfluss auf die Lebensqualität und damit auf die Attraktivität vor Ort haben.
Menschen, die sich freiwillig für Kultur engagieren, tun das am häufigsten in einem Verein (vgl. Alscher 2022: 71). Diese ehrenamtlich getragenen Vereine in Musik, Spiel und Amateurtheater, als ehrenamtlichgeführte Museen, Bibliotheken und weitere städtische und ländliche Kulturvereine prägen, zusammen mit öffentlichen und kommerziellen Anbietern, das kulturelle Leben in Deutschland. Für die meisten Kulturvereine ist freiwilliges Engagement dabei essenziell, denn bei drei von vier Organisationen handelt es sich um rein ehrenamtlich arbeitende Organisationen (vgl. BKJ 2019: 33). Freiwillige Tätigkeiten in Kunst und Kultur zeigen sich außerhalb von Vereins- und Verbandsstrukturen zu einem Fünftel aber auch in temporären, oft selbstorganisierten Initiativen und Projekten. In öffentlichen bzw. kommunalen Kultureinrichtungen dagegen, wie z. B. Theatern, Museen oder Bibliotheken, sind vergleichsweise wenig Kultur-Engagierte aktiv (vgl. Alscher 2022: 71). Hier sind es eher Kulturfördervereine, in denen sich Menschen engagieren, die diese Kultureinrichtungen unterstützen wollen (vgl. Dette/Petzold 2021). Zu denjenigen, die sich mit ihrem Engagement in die Häuser der öffentlichen Kultur einbringen, zählen u. a. viele der jährlich etwa 2.500 jungen Menschen, die sich in den Freiwilligendiensten Kultur und Bildung engagieren (vgl. BKJ 2023).
Kulturelles Engagement wird häufig weit gefasst und schließt dann das Engagement von Menschen ein, die z. B. in Chören, Laienspielgruppen und Musikvereinen künstlerisch mitwirken oder als Mitglied in einem Kulturverein dessen kulturelle Angebote wahrnehmen. In Abgrenzung dazu soll freiwilliges Engagement hier – in Übereinstimmung mit der Definition der Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ (2002) sowie der Trennung von freiwilligem Engagement und Gemeinschaftsaktivität, wie sie der Freiwilligensurvey (2019) vornimmt – als aktive Übernahme von Aufgaben gelten, die über kulturelle Gemeinschaftsaktivität und Vereinsmitgliedschaft hinausgeht. Freiwilliges Engagement findet in diesem Sinne dort statt, wo Personen konkrete Aufgaben wie z. B. die Leitung einer Tanzgruppe, den Verkauf von Tickets für eine Aufführung oder ein „Ehrenamt“, z. B. als Vorstandsmitglied, übernehmen, ohne dafür entlohnt zu werden (nachfolgend auch kulturelles Engagement genannt).
Im Vergleich der Engagementbereiche gehört der Bereich „Kultur und Musik“– nach „Sport und Bewegung“ und vor dem sozialen Bereich – laut Freiwilligensurvey (2019) zu den größten Engagementbereichen in Deutschland, in denen Engagierte tätig werden. Dieses Interesse bzw. kulturelle Engagement hat sich seit den letzten 20 Jahren auf mehr als das Doppelte erhöht: Neun Prozent der Bevölkerung engagierten sich 2019 sowohl in urbanen als auch ländlichen Räumen für Kultur. Mit Blick auf die Zeit seit 2014 zählt Kultur, neben Sozialem, Umwelt-, Natur- und Tierschutz, damit zu den größten Wachstumsbereichen im Engagementsektor (vgl. Alscher 2022: 15f.).
Im Engagementbereich Kultur gelingt es gut, eine mittelschichtorientierte Zielgruppe anzusprechen: Lebensältere, hoher Bildungsabschluss, ökonomisch wohlsituiert. So ist die Altersgruppe zwischen 30 und 64 Jahren mit 57 Prozent unter den Kultur-Engagierten anteilig am stärksten vertreten. Jünger als 30 Jahre sind 22 Prozent (vgl. hier und im Folgenden Alscher 2022: 29-33).
Zudem sind besonders Menschen mit einem formal höheren Bildungsabschluss im Engagementfeld Kultur aktiv. Aktuell geben mehr als die Hälfte der Kultur-Engagierten eine (Fach-)Hochschulreife als formalen Schulabschluss an. Dieser „Elite-Effekt“ (ebd.: 30) hat sich gegenüber 2014 noch weiter verstärkt und ist in urbanen Räumen deutlich ausgeprägter. Außerdem gilt: Je jünger die Kultur-Engagierten sind, desto höher ihr formales Bildungsniveau. Fragt man die bis 20-jährigen Kultur-Engagierten, welche Schulform sie besuchen, geben etwas mehr als zwei Drittel das Gymnasium an. Der Zugang zu kulturellem Engagement erfolgt also schon in jungen Jahren vorrangig für Menschen mit formal höherer Bildung und definiert aktuell den Nachwuchs im Engagementfeld Kultur.
Der überproportionale Anteil an Engagierten mit Abitur bzw. Hochschulabschluss legt nahe, dass das Engagementfeld Kultur aktuell vor allem Mitglieder der privilegierten Mehrheitsgesellschaft anspricht und einbindet. Tatsächlich schätzen 86 Prozent der zivilgesellschaftlichen Kulturorganisationen ein, dass die Engagierten in ihrem Verein, bezogen auf Muttersprache, Religion und Nationalität, einander ähnlich sind und damit mehrheitlich deutschsprachig, christlich und mit deutscher Staatsbürgerschaft (vgl. BKJ 2019: 39). Arbeitslos ist nur ein geringer Anteil der Kultur-Engagierten (3 Prozent) und damit geringer als der arbeitssuchender Menschen in Deutschland gesamt.
Der „Elite-Effekt“ zeigt sich auch in der Ausübung der Aufgaben. Im Vergleich zu anderen Engagementbereichen übernehmen Kultur-Engagierte häufiger Vorstands- und Leitungsämter sowie anspruchsvolle Organisations- und Kommunikationsaufgaben wie die Vorbereitung und Durchführung eines Konzerts oder einer Lesung (vgl. Alscher 2022: 54-57). Damit kann angenommen werden, dass in Folge auch hohe Ansprüche an das freiwillige Engagement in Kultur bestehen und diese wiederum mögliche Hürden bei der Neugewinnung von Engagierten darstellen.
Geschätzte 90.000 Kulturvereine prägen neben öffentlichen und staatlichen Einrichtungen sowie gewinnorientierten Betrieben der Kultur- und Kreativwirtschaft das kulturelle Leben in Deutschland. Damit ist Kultur neben Sport und Bildung das drittgrößte Handlungsfeld in der organisierten Zivilgesellschaft (vgl. hier und im Folgenden BKJ 2019).
Kulturvereine sind Zusammenschlüsse von Menschen, die beispielsweise gemeinsam musizieren, Theater spielen oder Brauchtum pflegen. Kulturvereine dienen der Schöpfung, Verbreitung und Bewahrung von materiellen und immateriellen Kulturgütern. In diesem Sinne sind in Kulturvereinen Menschen selbst künstlerisch tätig oder sie schaffen Zugänge in und Teilhabemöglichkeiten an Kultur. Ohne freiwilliges Engagement würde es die meisten dieser Kulturvereine nicht geben. Bei etwa drei Vierteln (77 Prozent) handelt es sich um rein ehrenamtlich arbeitende Organisationen. In 23 Prozent der Kulturvereine arbeiten dagegen (auch) bezahlte Beschäftigte. Für diese stark ehrenamtlich geprägten Vereine kommen die Herausforderungen einer konstruktivenZusammenarbeit von Ehrenamt und Hauptamt zu ihrer eigentlichen Arbeit noch hinzu (vgl. Alscher 2022: 89 sowie Schuhmacher 2015: 208).
Kultur ist ein Engagementbereich mit vergleichsweise vielen Organisationen, die schon sehr lange bestehen. Mehr als jede dritte Organisation (37 Prozent) wurde aber nach der Jahrtausendwende gegründet.
Kulturvereine finden sich sowohl in ländlichen als auch urbanen Räumen.Doch gerade in kleinen Gemeinden und Dörfern bilden Kulturvereine, neben Sport und Bildung, eine der drei wichtigsten zivilgesellschaftlichen Strukturgrößen.
Kulturvereine sind überwiegend kleine Organisationen mit meist weniger als 100 Mitgliedern. Damit ist der Engagementbereich Kultur stärker durch kleinere Vereine charakterisiert als z. B. der Sport, der über die Hälfte an Vereinen ausweist, die mehr als 100 Mitglieder haben (vgl. Priemer et al. 2019: 32). Auch finanziell sind Kulturvereine eher gering ausgestattet. Etwa die Hälfte der Kulturvereine verfügt über max. 10.000 Euro pro Jahr. Ihre Einnahmen stammen vor allem aus Mitgliedsbeiträgen und erwirtschafteten Mitteln. Auch Spenden spielen für viele Organisationen zunehmend eine Rolle. Öffentliche Fördermittel dagegen sind in der Gesamtheit der Kulturvereine keine große Finanzquelle. Mit 60 Prozent erhalten Kulturvereine aber überdurchschnittlich häufig eine nicht-finanzielle Unterstützung wie z. B. die Bereitstellung von Räumlichkeiten durch Kommunen. Insbesondere für kleine Kulturvereine mit geringen finanziellen Ressourcen ist diese nicht-finanzielle Unterstützung eine wichtige Arbeitsgrundlage.
38 Prozent der Kulturvereine stellen explizit Bildungs- oder Betreuungsangebote bereit und damit mehr als die Bereiche Sport oder Freizeit und Geselligkeit (vgl. Priemer/Mohr 2018). Sie sehen sich damit nicht nur als eine Gemeinschaft Gleichgesinnter oder als Mitgliederorganisation, sondern häufig auch als politische Akteure, bei denen Themen wie soziale (Bildungs-) Gerechtigkeit und Verantwortungsübernahme auf der Agenda stehen (vgl. BKJ 2019: 31). Kulturvereine sind somit ausgewiesene Bildungsakteure und wichtige Bildungspartner.
Der Engagementbereich Kultur gehörte 2019 zu den Engagementbereichen, in denen überdurchschnittlich viele Vereine von rückläufigen Mitglieder- und Engagiertenzahlen berichten. Insbesondere die Mobilisierung freiwillig Engagierter für dauerhaftes Engagement und für ehrenamtliche Leitungspositionen stellt Kulturvereine, vor allem in ländlichen Räumen, vor besondere Herausforderungen.
Demgegenüber stehen junge Kulturvereine, die es offensichtlich besser schaffen, neue Engagierte zu gewinnen und bereits tätige Engagierte in ihren Reihen zu halten. Auch hauptamtliche Strukturen wirken sich positiv auf die Engagemententwicklung aus, sowohl generell als auch mit Blick auf junge Engagierte (vgl. BKJ 2017: 22).
Neben dem Einfluss von Bestandsdauer und Personalstruktur zeigt sich das Selbstverständnis der Vereine als förderliche Rahmenbedingung für die Gewinnung von Engagierten. So können Kulturvereine, die für ihre Arbeit mit öffentlichen Akteuren zusammenarbeiten, Bildungsangebote für Mitglieder und Nichtmitglieder bereitstellen und/oder sich gezielt an spezielle Zielgruppen richten, besser neue Engagierte gewinnen als andere (vgl. BKJ 2019: 35).
Engagementpotenzial ist bei den Menschen vorhanden, die sich bereits gemeinschaftlich in Kultur einbringen, aber noch kein konkretes Engagement übernommen haben. Da in dieser Gruppe mehr Heterogenität in Bezug auf Alter und Bildungshintergrund vorhanden ist als unter den aktuellen Kultur-Engagierten, können hier zudem erste Schritte zu mehr Diversität ansetzen (vgl. Alscher 2022: 17).
Auf mehr Diversität und Inklusion bei der Gewinnung neuer Engagierter zu setzen, ist nicht nur ein aktuelles politisches Motiv, sondern kann mit Blick auf den demografischen Wandel für Kulturvereine auch überlebenssichernd sein. Ähnlich wie in Bezug auf die Kultur-Engagierten schätzen 81 Prozent der Kulturvereine ein, dass auch ihre Mitglieder, bezogen auf Muttersprache, Religion und Nationalität, sehr homogen sind (BKJ 2019: 25). Demnach scheint es lohnenswert, Menschen mit unterschiedlicher Biografie und Herkunft sowohl als Mitglieder als auch für kulturelles Engagement zu gewinnen.
Viele der in Kultur Engagierten sind sehr regelmäßig und zeitintensiv in ihren Vereinen tätig (vgl. Alscher 2022: 61f.). Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich Kulturvereine noch nicht auf Personen eingestellt haben, die eher für wenige Stunden oder unregelmäßig ihre Arbeit unterstützen. Hier könnten Kulturvereine ansetzen und mit ihren Projekten den Menschen, die sich für eine freiwillige Tätigkeit interessieren, erste Einstiegsmöglichkeiten bieten. Für Menschen, die die „soziale“ Dimension oder den Bildungsaspekt im Engagement schätzen, gilt es, das Soziale im Kulturverein, das gemeinsame Schaffen und Erleben oder den Bildungsauftrag des Vereins in den Vordergrund zu rücken. Aber auch die Motive der aktuell in Kultur Engagierten können einen Hinweis darauf geben, was den Engagementbereich Kultur attraktiv macht: „mit anderen Menschen zusammenkommen“, der Anspruch „Gesellschaft im Kleinen mitzugestalten“ oder „Qualifikationen erwerben“ – Motive, die sich nach Alter und Bildungshintergrund unterscheiden können (vgl. ebd.: 48-50).
Nicht zuletzt können Ansprechpersonen für freiwilliges Engagement in den Kulturvereinen dazu beitragen, Engagierte zu gewinnen, besser zu informieren und in die nötige Arbeit einzubinden. Es fällt auf, dass insbesondere Kultur-Engagierte mit formal niedrigem Schulabschluss über das Vorhandensein von Ansprechpersonen berichten (vgl. Alscher 2022: 76f.). Das kann bedeuten, dass für diese Kultur-Engagierten und somit für die inklusive Öffnung von Kulturvereinen Ansprechpersonen von großer Bedeutung sind.
Seit 2002 gibt es Freiwilligendienste speziell in Kulturorganisationen. Die meisten jungen Freiwilligen, die sich hier engagieren, wollen neue Erfahrungen sammeln und sich persönlich weiterentwickeln. Ob Freiwillige ihren Freiwilligendienst als eine Form von freiwilligem Engagement wahrnehmen, hängt davon ab, ob sie ihre Tätigkeit als gesellschaftlich sinnvoll und wichtig wahrnehmen und ob sie bei der Ausgestaltung ihres Freiwilligendienstes ausreichend mitbestimmen dürfen. Dann wird das Interesse geweckt oder bestärkt, sich auch nach dem Freiwilligendienst weiter gesellschaftlichzu engagieren (vgl. hier und im Folgenden Krohn 2022).
Laut einer Befragung der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (2022) gibt die Hälfte der ehemaligen Freiwilligen aus den Freiwilligendiensten Kultur und Bildung an, dass der Freiwilligendienst ihre Bereitschaft zum freiwilligen Engagement geweckt bzw. gestärkt hat, ein weiteres Drittel stimmt dem zumindest zum Teil zu. Diese engagementorientierende Wirkung des Freiwilligendienstes wirkt sich nachweislich sowohl auf die Einstellung der Freiwilligen als auch auf ihr Handeln aus: 70 Prozent der Kultur-Freiwilligen möchte sich nach ihrem Freiwilligendienst wieder engagieren und etwa die Hälfte der ehemaligen Kultur-Freiwilligen (mit und ohne eigene Engagement-Vorerfahrungen) war und ist engagiert. Da sich fast die Hälfte der jungen Freiwilligen vor ihrem Freiwilligendienst noch nie engagiert hat, ist der Freiwilligendienst ihre erste Engagementerfahrung und kann als Anstoß für weiteres freiwilliges Engagement wirken. Das kommt dem Engagementbereich Kultur zugute: Zwei Drittel der ehemaligen Freiwilligen, die sich wieder engagieren, wählen ein freiwilliges Engagement in Kultur und Bildung.
Die Freiwilligendienste Kultur und Bildung können demnach ein Anstoß für weiteres kulturelles Engagement sein. Sie sind es auch für Menschen ohne Abitur. Gerade freiwillig Engagierte mit Haupt- und Realschulabschluss nennen ihren Freiwilligendienst häufiger als andere als Anstoß für ihr weiteres Engagement (vgl. Simonson/Vogel/Tesch-Römer 2016: 189). Durch die positiven Engagementerfahrungen, die die Freiwilligendienste Kultur und Bildung (jungen) Menschen ohne Abitur ermöglichen, erhöht sich die Chance, dass sie sich später auch im Kulturengagement wiederfinden und dem „Elite-Effekt“ (Alscher 2022: 30) entgegenwirken. Ein solches positives Ergebnis ergab die Befragung der BKJ: Ehemalige Freiwillige ohne Abitur engagieren sich genauso häufig wie Ehemalige mit Abitur in den Bereichen Kultur und Bildung weiter.
Viele Kulturfeste, soziokulturelle Häuser, musikalische Umzüge, Amateurtheater, museale Orte, Ereignisse und Institutionen, in denen Kultur verortet ist, gäbe es nicht in dieser Breite und Wirkmächtigkeit ohne kulturelles Engagement. Die Menschen, die sich in einem Kulturverein oder anderweitig kulturell engagieren, setzten sich dabei für eine Sache ein, die ihnen wichtig ist. Sie wollen das eigene Umfeld mitgestalten, andere Menschen kennenlernen und Freude haben. Freiwilliges Engagement in Kultur ist somit eigensinnig, dient der Entfaltung eigener Fähigkeiten und beinhaltet oft künstlerisch-spielerische Elemente – wichtige Aspekte, die einer möglichen Verzweckung von freiwilligem Engagement entgegenstehen (vgl. Röbke 2014: 8).
Freiwilliges Engagement in Kultur ist aber nicht nur die Bündelung von Interessen. Kultur-Engagierte sind in ihren Vereinen auch auf inhaltlicher, politischer, fachlicher und organisatorischer Ebene gemeinsam wirksam. Beispielsweise unterstützen Kulturvereine, insbesondere in ländlichen Räumen, Kommunen in ihrer Verantwortung für die Daseinsvorsorge. Das funktioniert, weil im Kulturverein oder auch in Kulturinitiativen freiwillig Engagierte zusammen mit anderen ihre Themen und Anliegen vor Ort gemeinsam bearbeiten. Diese Verantwortungsübernahme ist, neben Gemeinschaftsinteresse, eine wichtige Motivation für kulturelles Engagement und grundlegend, um Kultur im öffentlichen Raum sichtbar und für alle Interessierten zugänglich zu machen.
Kulturelles Engagement bedarf der gleichen Aufmerksamkeit von Politik und Verwaltung wie andere Engagementbereiche. In ihrer Spezifik und Bedeutung ist es in jeder Engagement- und Kulturpolitik mitzudenken. Der hohe Anteil an Kulturvereinen, der Bildungsangebote bereitstellt, weist zudem darauf hin, dasses wichtig ist, das spezifische Erfahrungs- und Expertenwissen von Kultur-Engagierten auch in die Jugend- und Bildungspolitik einzubinden.
Um seine Wirkung zu entfalten, braucht freiwilliges Engagement in Kultur gute und fördernde Rahmenbedingungen. Stichworte sind hier: Entbürokratisierung, fachliche und rechtliche Beratung, Bereitstellung von Räumlichkeiten und Ausstattung, langfristige Förderung sowie öffentliche Strukturen der Anerkennung und Wertschätzung (vgl. BKJ 2022: 11-12).
Für Kulturvereine selbst ist es wichtig, sich inklusiv auszurichten. Sie müssen leichte Zugänge für neue Engagierte bieten, statt Vorwissen oder Kompetenzen vorauszusetzen. Das Interesse und die Bereitschaft, sich in und für Kultur engagieren zu wollen, sollten ausreichende Voraussetzungen sein. Das kann bedeuten, Wege der Ansprache zu ändern, strukturelle Barrieren in der Gewinnung von neuen Engagierten zu erkennen sowie bisherige Gewohnheiten infrage zu stellen (vgl. BDAT 2021). Diversität und Inklusion gehören deshalb unbedingt auf die Vereinsagenda.
Freiwilliges Engagement in Kultur ermöglicht die Gestaltung von kulturellen Angeboten vor Ort, bietet Freiräume und Lernmöglichkeiten für die Engagierten und hat zudem das Potenzial, Menschen zusammenzubringen und damit Demokratie einzuüben und diese zu befördern. Mit dem Bestreben, sich über die bisherige Mitgliedschaft hinaus in ihr lokales Umfeld zu öffnen, können Kulturvereine und Kulturinitiativen wichtige Signale der Akzeptanz und Offenheit senden.
Ein Beitrag von Maud Krohn, BKJ, veröffentlicht im Handbuch Zivilgesellschaftliches Engagement und Freiwilligendienste, Nomos-Verlag, erschienen: Dezember 2024, mehr dazu auf www.nomos-shop.de.
Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Wenn Sie Interesse an einer Nutzung haben, melden Sie sich gerne unter redaktion@bkj.de.