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„Es ist egal, wer da nun miteinander lebt“
Interview

„Es ist egal, wer da nun miteinander lebt“

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Was ist eigentlich Liebe? Kann man nur eine Person lieben oder ist das Gefühl umfassender? Welche kulturellen Vorstellungen, Wertebilder und Erwartungen sind mit der Liebe verbunden? Im Interview erzählt Annegret Hänsel, wie sie im UNIKATUM Kindermuseum Leipzig drauf Antworten gefunden hat.

Annegret Hänsel ist beim Kindermuseum Unikatum in Leipzig verantwortlich für Konzeption und Geschäftsführung. 

Die Ausstellung „Liebe Liebe“ ist nicht nur eine Mitmach-Ausstellung, sondern schon ihre Entstehung war partizipativ. Bitte erzählen Sie uns von diesem Entstehungsprozess!

Unsere erste Aktivität war ein sachsenweiter Kurzgeschichtenwettbewerb. Mitmachen konnten alle – wirklich alle: Wir hatten Beiträge von Kindern ab fünf Jahren, da hat natürlich ein Elternteil geholfen. Unsere älteste Teilnehmerin war 74 Jahre alt. Erlaubt waren auch Bildgeschichten. Vorgegeben war das Thema – eine Geschichte rund um die Liebe – und das Format: nicht mehr als ein A4-Blatt. Erreicht haben uns 63 Beiträge, die wir werten konnten. Eine Jury, darunter Ayleena Jung, die Ehefrau unseres Oberbürgermeisters Burkhard Jung, und Dr. Volker Rodekamp, Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig, hat sich die Arbeiten angeschaut. Entstanden sind sehr berührende, aber auch zum Schmunzeln einladende Beiträge: Da ging es um Freundschaft, um einen abwesenden Papa, um ein Mädchen mit zwei Mamas, den Rückblick eines betagten Ehepaars – sehr persönliche Einblicke in Lebenswelten. Wir haben drei Hauptpreise und zehn Sachpreise vergeben. Diese Preisträgergeschichten wurden animiert, eingesprochen und als Videoclips in die „Geschichtenfernseher“ unserer Ausstellung eingefügt.

Ist die Ausstellung denn jetzt fertig oder kann sie von den Besucher*innen weiter verändert werden?

Annegret Hänsel: Das Gute am Geschichtenwettbewerb ist, dass er weitergeht: Auch 2019 werden wir zu neuen Beiträgen aufrufen, von denen die Besten dann den „Geschichtenfernsehern“ hinzugefügt werden. Doch das ist nicht alles: Eine Riesenmalwand in unserer Ausstellung bildet übliche Fragen ab, die Menschen im Zusammenhang mit der Liebe bewegen: „Wie fühlt sich Liebeskummer an?“ oder „Kann Liebe verboten sein?“ Die Besucher*innen schreiben oder malen auf diese Wand, was sie empfinden, auch dadurch entsteht etwas Gemeinsames. Begleitend dazu erarbeiten Gruppen kleine Trickfilm- und Hörbeiträge, die ebenfalls in die Medienstationen der Ausstellung eingefügt werden können. Da wählen wir natürlich aus, was so gelungen ist, dass es andere inspirieren kann.

Die Ausstellung will zeigen, dass es nicht darauf ankommt, in welcher Konstellation Menschen miteinander leben, sondern wie sie miteinander umgehen. Wie ist es ihnen gelungen, die „Vielfalt der Liebe“ einzufangen?

Wir haben uns am Anfang gefragt, wie wir uns diesem Menschheitsthema Liebe überhaupt nähern können: mit einer Reise in die Kulturgeschichte? Mit dem Vorstellen von Familienformen? Mit dem Versuch zu visualisieren, was Liebe überhaupt ist und was wir von ihr – und wie unterschiedlich, wie ähnlich – erwarten? Das Thema ist einfach riesig. Dann kamen wir darauf, dass das Gelingen jeder Art von Liebe – romantisch-erotische, kameradschaftliche, Freundesliebe, Eltern-Kind-Liebe … – daran geknüpft ist, worin sie „wohnen“ kann, wie sie eingebunden ist in soziales Zusammenleben. Daher haben wir die Liebe als „Wohnung“ mit Zimmern inszeniert. Die „Küche“ etwa steht für das alltägliche Zusammenleben. Darin beschäftigt man sich dann mit Aspekten, die dieser Alltag mit sich bringt: gemeinsame Pflichten, sich Zeit nehmen, gemeinsam essen, Rücksichtnahme, Gemeinsames und Rückzugsmöglichkeiten. Da merkt man, dass es egal ist, wer da nun miteinander lebt: Kinder mit Papa und Mama, ein polyamores Trio, Freunde oder ein Männerpaar mit Kind. Die grundlegenden Werte des Miteinanders sind stets die kleinsten gemeinsamen Nenner.