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„Eine KI geht nicht ins Theater“
Interview

„Eine KI geht nicht ins Theater“

Im Gespräch mit Sandra Anklam, und Horst Pohlmann, Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW, Remscheid

veröffentlicht:
Thema
Digitalität
Schlagworte
Künstliche Intelligenz (KI)
Eine Person, die ein hellrosa gefiedertes Kleidungsstück trägt, streckt ihren rechten Arm aus und zeigt auf einen beigen Hintergrund.
Sandra Anklam

Sandra Anklam und Horst Pohlmann erkunden in welchen theaterpädagogischen und künstlerischen Vermittlungskontexten sich Fachkräfte KI zunutze machen können. Ihre Überzeugung: Wirklich kreativ wird KI nur dort, wo Menschen mit ästhetischem Urteilsvermögen und klaren Ideen die Richtung vorgeben.

Sandra Anklam leitet den Fachbereich Theater an der Akademie der Kulturellen Bildung in Remscheid und ist Dozentin für Theater, Systemische Theaterpädagogik, Künstlerisch-Systemische Therapie und Performancekunst.

Horst Pohlmann leitet den Fachbereich Medien an der Akademie der Kulturellen Bildung in Remscheid und ist als Lehrender und Gastdozent an diversen Hochschulen tätig.

Sie beide haben im September den Kurs Künstlerische Intelligenz x Künstliche Intelligenz gegeben: Mit welchen Erkenntnissen gehen Sie aus der Workshop-Woche?

Horst Pohlmann: Mit dem Kurs wollten wir ein interdisziplinäres Angebot zwischen Medien- und Theaterpädagogik schaffen. Dabei ging es sowohl um das Kennenlernen von KI im Allgemeinen als auch darum, die Tools für konkrete Bedarfe, wie eine Inszenierung, zu verwenden. Von diesem Blick über den methodischen Tellerrand haben sowohl die Medienpädagog*innen, als auch die Theaterpädagog*innen profitiert.

Sandra Anklam: Genau, wie kreativ oder künstlerisch kann die künstliche Intelligenz überhaupt sein? Interessant fand ich die Erkenntnis, um KI für künstlerische Prozesse wirklich nutzen zu können, ist es gut, künstlerisch vorgebildet zu sein. Je klarer man selbst weiß, was man will und je präziser die Prompts sind, desto besser ist das Material, das eine KI generiert.

Vor welche Herausforderungen sehen sich Fachkräfte Kultureller Bildung gestellt, wenn sie sich mit Künstlicher Intelligenz in ihren Angeboten auseinandersetzen wollen?

Horst Pohlmann: Im Bereich der Medienpädagogik fragen sich die Kolleg*innen häufig, wie sie ein Projekt mit Kindern und Jugendlichen so gestalten können, dass die Arbeit mit KI wirklich spannend wird. Wenn man nur vor dem Rechner sitzt und sich das technische Know-how aneignet, funktioniert das nicht. Man braucht einen methodischen Zugang, der passt. Es geht also darum vom Bildschirm wegzukommen und dabei performative Künste, kreative Ansätze, Musik, Literatur oder andere Disziplinen einzubeziehen.

Gleichzeitig braucht es immer einen medienkritischen Blick darauf, was die KI kann, wo ihre Grenzen liegen, wofür sie sich nicht eignet. Kinder und Jugendliche suchen häufig direkt in den KI-Anwendungen, statt klassische Suchmaschinen zu verwenden. Meist stoßen sie dabei auf Falschaussagen oder sogenannte Halluzinationen. Ab da wird es heikel und hier fängt Medienkompetenzvermittlung an: mit einem Blick auf Datenschutz, Privatsphäre, aber auch auf digitalen Kapitalismus. Ein riesiger Berg an Aufgaben, vor dem Akteur*innen der Kulturellen Bildung also stehen.

Sandra Anklam: In der Theaterpädagogik erlebe ich häufig eine Skepsis, fast schon Angst gegenüber Künstlicher Intelligenz. Dieses Gefühl ist mit der Sorge verbunden: Nimmt die KI uns Kreativen künftig die Arbeit weg? Gleichzeitig ist diese Angst oft auch gepaart mit der Lust, Dinge auszuprobieren und ein bisschen damit zu spielen. Ich nenne das „Lungst“: eine Mischung aus Lust und Angst. Auf einer praktischen Ebene kommen auch immer wieder die Fragen auf: Welche Programme kann ich überhaupt mit Kindern und Jugendlichen nutzen, die DSGVO-konform sind?

Wie kann KI in der Theaterpädagogik eingesetzt werden?

Sandra Anklam: In der Inszenierungsarbeit, zum Beispiel beim Bühnenbild oder den Kostümen, kann KI wirklich beeindruckende und ästhetisch anspruchsvolle Vorschläge liefern. Sofern man die Rahmenbedingungen konkretisiert und gut prompted, dem Sprachmodell beispielsweise sagt, dass man nur bestimmte Materialien, wie Kissen, Stühle, eine Leinwand oder Isomatten zur Verfügung hat, wie viel Geld man investieren kann und außerdem Informationen zu einer Szene liefert, dann kann die KI für die Szenografie wirklich eine große Bereicherung sein, finde ich.  KI ist außerdem eine Zeitersparnis bei ganz praktischen Dingen, wie bei der Erstellung von Programmzetteln oder Flyern.

Horst Pohlmann: Ein möglicher der KI-Hauptakteur kann ChatGPT sein. Der erste Ansatz wäre ChatGPT eine Story entwickeln zu lassen, an der man dann weiterarbeiten kann. In einem unserer Workshops haben wir zum Beispiel auch versucht ChatGPT zum Mitspielen in einer Szene anzuregen. Das hat ein paar Mal geklappt, dann nimmt ChatGPT aber schnell wieder eine übergeordnete Rolle ein und verlässt die zugeordnete Rolle. Es lohnt sich deshalb durchaus auch mit anderen Anwendungen zu experimentieren, um zu prüfen, welches Tool sich für die eigenen Belange besser eignet. Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass der französische Anbieter MistralAI eine andere Datenbanklage aufweist und darin mehr europäische Kultur berücksichtigt wird als bei Anbietern aus den USA oder China. Auch die Suchmaschine DuckDuckGo, die speziell auf Anonymität und Datenschutz ausgelegt ist, hat ein eigenes DuckAI eingebaut. Für die Bildungsarbeit eignet sich Fobizz, eine Plattform aus Süddeutschland, die DSGVO-konformes Arbeiten mit Schulklassen oder großen Gruppen ermöglicht.

Wo liegen die Grenzen der KI?

Sandra Anklam: Eine KI geht nicht ins Theater. Das ist deutlich spürbar. Sie erlebt nichts, sie kennt keine künstlerischen Prozesse und das markiert auch eine Grenze: Ohne menschliche Kreativität, leiblicher Erfahrung, Kontextwissen und ästhetisches Urteilsvermögen bleibt das, was die KI liefert, oberflächlich. Wenn ich ihr sage: „Mach eine Szene über eine utopische Gesellschaft“, kommt da ziemlich platter Kram raus, richtige Phrasenblasen.

Horst Pohlmann: Zuliefern kann die KI gut. Wenn es aber darum geht, frei zu agieren, zum Beispiel eine eigene Rolle zu spielen, dann kommt schnell die Rückmeldung: Das kann ich nicht. Ich brauche meine Stichwörter.

Wieso kann es sich für Fachkräfte der Kulturellen Bildung lohnen, sich mit Künstlicher Intelligenz auseinander zu setzen?

Sandra Anklam: Wenn man mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, muss man anschlussfähig bleiben. Das bedeutet, ihre Lebenswelten und ihre Perspektiven ernst zu nehmen. Auch wenn ich KI in meiner eigenen Praxis nicht ständig nutze, finde ich es wichtig, sie auszuprobieren, um überhaupt im Dialog zu stehen.

Horst Pohlmann:  Aus medienpädagogischer Perspektive finde ich es wichtig, Computer, Smartphone und KI als Werkzeuge zu begreifen, die mich an bestimmten Stellen unterstützen können. Wenn wir KI einsetzen, haben wir die Chance mit Kindern und Jugendlichen direkt ins Gespräch zu kommen, denn sie nutzen sie ohnehin.

Sandra Anklam: Und mein Apell an alle Vermittler*innen der Kulturellen Bildung: Nutzt KI, um euch das Leben leichter zu machen! Ein bisschen Arbeit an die KI zu delegieren, kann durchaus entlastend sein.

Was empfehlen Sie Fachkräften der Kulturellen Bildung im Umgang mit KI außerdem?

Sandra Anklam: Es ist wichtig, sich eine spielerische Leichtigkeit zu bewahren. Ich beobachte das in unseren Workshops: Arbeitet man länger mit einem KI-Modell, bekommt das Ergebnis eine gewisse Autorität, denn man hat viel Zeit in den Prozess investiert. Wenn zum Beispiel eine KI-generierte Szene in einem Café spielen soll, in der Person A mit Person B spricht, scheint das gesetzt. Sich davon zu lösen und frei zu bleiben, ist aber gerade in künstlerischen Prozessen wichtig. Theaterpädagog*innen bringen diesen spielerischen Zugang meist mit, nehmen KI-generierte Vorschläge an und wandeln sie um: „Es ist doch viel interessanter, wenn wir aus der Szene im Café eine Bewegungssequenz in der Sauna machen.“ Das ist schon fast respektlos – im allerbesten künstlerischen Sinne.

Über den BKJ-Mitgliedsverband:

Logo der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW

Die Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW ist das zentrale Institut für kulturelle Kinder- und Jugendbildung der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Nordrhein-Westfalen. Ihr Kernauftrag ist die kulturpädagogische Fort- und Weiterbildung von Fachkräften der Jugend-, Sozial-, Bildungs- und Kulturarbeit. Diesen Auftrag setzt die Akademie der Kulturellen Bildung durch ein breitgefächertes Angebot in Musik, Rhythmik, Tanz, Theater, Spiel, Literatur und Sprache, Bildende Kunst, Medien und Kommunikation, Sozialpsychologie und Beratung sowie Allgemeiner Kulturpädagogik um. Darüber hinaus verwirklicht die Akademie der Kulturellen Bildung ihren Auftrag durch die Übernahme zahlreicher Aufgaben, die über das Kerngeschäft der Fort- und Weiterbildung hinausgehen. Sie ist Sitz oder Rechtsträger verschiedener Einrichtungen und Verbände der kulturellen Kinder- und Jugendbildung und ist Träger der Arbeitsstelle Kulturelle Bildung NRW.

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