Die klassische Stadttheater-Struktur aufbrechen
Theater Oberhausen
Theater Oberhausen
Florian Fiedler im Gespräch mit Birgit Mandel
Florian Fiedler arbeitet als Intendant und Regisseur am Theater Oberhausen.
Birgit Mandel ist Direktorin des Instituts für Kulturpolitik und Leiterin des Bereichs Kulturmanagement und Kulturvermittlung an der Universität Hildesheim sowie Vize-Präsidentin der Kulturpolitischen Gesellschaft.
Foto: privat
Florian Fiedler: Jede Neuerung löst immer auch Angst bei denen aus, die sich an Liebgewonnenes gewöhnt haben. Diese Angst abzubauen und die Leute NEUgierig zu machen ist eine große Herausforderung. Eine weitere ist es, Leute, die den Weg ins Theater gefunden haben, auch dauerhaft an dieses zu binden. Gerade partizipative Angebote können hier helfen, müssen aber Kontinuität bieten.
Fiedler: Wir versprechen uns viel davon, gerade durch die lang ersehnte Verwirklichung einer nun auch räumlichen Öffnung unseres Theaters auch tagsüber, alle Bewohner*innen Oberhausens zum Verweilen in unserem Theater einladen zu können. Durch das vom Land geförderte Programm „Neue Wege“ haben wir die Möglichkeit, während dieser neuen Öffnungszeiten auch verschiedene kulturelle Bildungsangebote zu machen und so die durch ZukunftsGut geschaffenen Möglichkeiten zu vergrößern. So sollen Menschen den Weg zum Theater finden, die das bisher noch nie getan haben.
Durch die Produktion „Schuld und Sühne“, die in einem ehemaligen Kaufhof stattfand, konnten neue Besucher*innen sowohl aus Oberhausen wie auch aus umliegenden Städten gewonnen werden. Das hat zum einen mit dem besonderen Ort zu tun und mit der hohen Aufmerksamkeit, die die Produktion erfahren hat. Ein guter Schritt war auch, dass die Produktion, nachdem die Nutzung des Kaufhofs nicht mehr möglich war, ins Theater gezogen ist und so kontinuierlich im Angebot ist und neue Besucher*innen in das Theater führt. Andere Angebote im öffentlichen Raum, wie z. B. die jährliche, vom Theater angeführte Prozession von Künstler*innen und Nichtkünstler*innen durch die Innenstadt, erhöhen die Identifikation der Oberhausener*innen mit ihrem Theater, vertiefen die Bindung und machen die Oberhausener*innen auch leichter für das Theater ansprechbar. Ein weiterer, wichtiger Punkt, um die Leute zu halten, sind sowohl partizipative wie auch inhaltliche Angebote, die bestimmte Zielgruppen interessieren, die das Theater sonst nicht betreten, wie z.B. D.ramadan mit Fokus auf Menschen mit muslimischen Hintergrund. Aber auch im weiteren Programm muss es dann Angebote geben, die für diese Zielgruppen interessant sein können, so ist zum Beispiel unser Familienstück in dieser Spielzeit ein deutsch-türkischer Stoff.
Fiedler: Wir haben die künstlerische Leitung personell erweitert und wir haben Arbeitsgruppen eingeführt, die zum Teil auch abteilungsübergreifend arbeiten: Zu allen Sonderveranstaltungen oder besonderen Vorhaben bilden sich Arbeitsgruppen, die auch weitgehend selbst über die Verteilung ihres Etats etc. entscheiden können. Dieses Modell hat sich als wirkungsvoller erwiesen, als wenn alle alles mit allen diskutieren. Das Arbeitsgruppenmodell hat zu mehr Effektivität und höherer Selbstwirksamkeit geführt. Insgesamt ist die klassische Stadttheater-Struktur schon sehr stark in den Köpfen verankert, wo alles auf den Intendanten zuläuft. Das zu verändern dauert sicher einige Jahre und muss in den eigenen Köpfen beginnen. Hierzu erweist es sich immer wieder als absolut notwendig, diese Strukturen klar zu benennen und zu reflektieren.
2018 wurde das Theater Oberhausen mit dem dritten Preis des Wettbewerbs „ZukunftsGut“ ausgezeichnet. Der Wettbewerb richtet sich an öffentliche und private Kulturinstitutionen in Deutschland, die Vermittlung als zentrale gemeinschaftliche Aufgabe für ihre Einrichtung erkannt haben und ausfüllen. Der Preis der Commerzbank Stiftung zeichnet zukunftsweisende Strategien und ihre nachhaltige Verankerung aus. Er möchte dazu beitragen, den Stellenwert von Kulturvermittlung als Kernfunktion in den Einrichtungen zu stärken und Transformationsprozesse zu unterstützen.