Der Kultur neugierig Türen und dabei sich selbst öffnen
Freiwilligendienst Kultur und Bildung
Freiwilligendienst Kultur und Bildung
Mit der damals bewussten Entscheidung für den Leistungskurs Kunst im Abitur, wuchs für Theresa der Wunsch nach noch mehr Kultur, als man in der sächsisch-provinziellen Heimat erleben konnte. In der Abi-Zeitung hatte sie sich bereits als „hoffentlich irgendwann Kulturtante in der großstädtischen Altbauwohnung“ beschrieben, und so schwang zu Beginn ihres Freiwilligendienstes im Jahrgang 2009/2010 v. a. Neugier darauf mit. Gern sogar erinnert sich Theresa an das damals noch handschriftliche und aufwändige Bewerbungsverfahren, v. a. aber daran, bei der Auftaktveranstaltung auf einen ebenso „motivierten, bunten, planlosen Haufen“ zu treffen: „Da habe ich innerlich aufgeatmet und habe gesehen, es gibt noch mehr Leute, die so ticken wie ich“, sagt sie.
Mit ihrem damaligen Träger, der LKJ Thüringen, steht sie weiterhin in Kontakt und ist als langjährige Co-Teamerin den Freiwilligendiensten Kultur und Bildung auch über ihr eigenes FSJ hinaus treu geblieben. In dieser Rolle konnte sie auf Bildungstagen andere Freiwillige bei dieser schon für sie wertvollen Erfahrung unterstützen, Verbindungen zu anderen zu knüpfen und sich im Rahmen der Kultur selbst auszuprobieren. Direkt zu Beginn ihres Freiwilligenjahres war sie darüber erstaunt, wie kulturelle Projekte verwirklicht werden können: „Selbst wenn man das damals noch nicht alles so kapiert hat in dem Alter, bekommt man durch das Kulturnetzwerk in Thüringen, das einem all die persönlichen Begegnungen im Freiwilligendienst ermöglicht hat, schnell ein Gefühl von ‚Wow – es ist so vielfältig’. Dadurch war immer wieder und ist nach wie vor meine Neugier geweckt, in dieser Kulturlandschaft mitzuwirken.“
Auch wenn sie aufgrund ihres Studiums eine Zeit lang woanders gelebt hat, hat sie den Draht nach Erfurt nie verloren und sich dort weiterhin mit Herzblut in der kulturellen Szene engagiert. Dabei stand für Theresa im Fokus, sichere, offene und kreative (Gedanken-)Räume zu schaffen, wie sie diese im Kulturnetzwerk während ihres FSJ kennengelernt hat. Konkret hieß das beispielsweise einen Verein zu gründen, der leerstehende Räume anmietet und Events darin veranstaltet. Mit dem Ziel, Kultur für alle Menschen zu ermöglichen und erlebbar zu machen ist sie jetzt als Kulturlotsin Bindeglied zwischen Kultur, Verwaltung und Politik. Diese Aufgabe beinhaltet u.a., Beratungsgespräche mit engagierten Bewohner*innen zu Fördermitteln und Veranstaltungsräumen zu führen und kulturelles Schaffen ins Gespräch zu bringen – etwa dann, wenn es z. B. darum geht, eine künstlerische Intervention auf einer Brücke durchzuführen. Nicht selten kann Theresa mit ihrer Arbeit andere damit überraschen, wie vielseitig Kultur an unterschiedliche Bedürfnisse anknüpfen und gegenseitiges Verständnis fördern kann.
Egal wie lang das FSJ her ist, dass man dabei lernt, sich auf Unberechenbarkeiten einzulassen und offen und kreativ aufeinander zuzugehen, bleibt einem erhalten. Ihr erstes eigenes gefördertes Projekt nach dem Freiwilligenjahr beschreibt Theresa als zentrale „Selbstwirksamkeitserfahrung“, und damit unglaublich wichtig für den eigenen Werdegang:
„Kulturelles Engagement ist so sinnvoll, nicht nur für dich, sondern auch für andere Menschen. Für mich ist das eine schöne Art und Weise gesellschaftlich zu wirken und damit automatisch auch politisch zu sein. Kultur schafft Raum zum Entfalten und Ausprobieren.“
Theresa stellt fest, dass man in der Kulturbranche besonders gut erleben kann, wie es ist, für eigene Ideen wertgeschätzt zu werden. Die Mitarbeit an einem Kreativ-Wettbewerb ließe einen z. B. hautnah mitbekommen, dass sich Zeit und Aufwand für ein Ausschreibungsverfahren lohnen.
Durch eben solche kulturellen Wettbewerbe könnten nämlich Formate zugänglicher werden und leicht freie Akteur*innen beteiligt werden, die kreatives Schaffen erfüllt und für die sonst die Kulturszene weit weg gewesen wäre. Das kann auch bedeuten, dass Menschen etwa durch die Teilnahme an einer Ausschreibung oder an einer dazugehörigen Veranstaltung die eigene Blase verlassen, Empathie für andere Menschen entwickeln und wieder lernen, miteinander zu sprechen. Das erfüllt auch Theresa mit Freude. So sieht sie in der Kultur auch einen Auftrag, gesellschaftlicher Spaltung entgegenzuwirken.
Aus Theresas Erfahrungsberichten wird deutlich, dass kulturelles Engagement gleichzeitig auf mehreren Ebenen wirkt: Für die Gesellschaft und für sie persönlich. Ein kulturelles Projekt im Team zu organisieren, oder nach Rückschlägen neue Strategien und Motivation zu finden, sind Skills, die sie dabei trainiert hat. Rückblickend bemerkt Theresa, dass ihr diese Fähigkeiten auch dabei geholfen haben, über die Jahre das Selbstvertrauen zu stärken und einem vielleicht nicht so typischen Lebenslauf zu folgen, in dem Raum für Engagement und praktische Erfahrung bleiben soll – nicht nur für Studium in Regelzeit und direkt anschließender Vollzeit-Festanstellung. Ihr Engagement für die Kultur war ihr eine Stütze und hat ihr den Sinn und Platz gegeben, den andere oft noch suchen, wenn es vom Studium ins Arbeitsleben geht.
Im Gespräch wird auch Theresas Vision einer „Transformation“ in der Kultur spürbar. Aus der Erfahrung der letzten Pandemie-Jahre zieht sie neben Mitgefühl für bedrohte Existenzen von Kulturakteur*innen so auch Dankbarkeit – dafür, dass wir endlich darüber debattieren, wie relevant kulturelles Leben ist und dass Engagement in der Kultur wertgeschätzt werden sollte. „Was Kultur besonders gut kann, ist auf gesellschaftlichen Wandel kreativ reagieren und damit verbundene Themen verarbeiten und bearbeiten. Gerade in aktuellen Krisen und Heraus- bzw. Überforderung schafft die Ungezwungenheit von Kultur, sich neuen Potenzialen zu nähern und sie zu öffnen, um Teil einer Transformationsbewegung zu werden. Trägere Strukturen kann Kultur dabei mitreißen, und Geschehnisse der heutigen Zeit übersetzen, greifbar machen und mitgestalten,“ sagt sie begeistert. Kulturelles ist für sie dann gleichzeitig soziales Engagement, das mit kreativen Zugängen die Annäherung von schwierigen Themen wagt.
In diesem Sinne ist Theresa u. a.beim Veranstaltungsformat „Tapetenwechsel“ dabei, das in Erfurt bereits achtmal Kultur an ungewöhnlichen Orten erlebbar gemacht hat. Sie ist auch Gründungsmitglied des nochson e. V., der Kunst, Kultur und Bildung fördern will und mit dessen Trägerschaft z. B. eine neue Indie-Stadtkarte von Erfurt gestaltet wurde. Außerdem bietet der Verein verschiedenen Kulturprojekten wie Hebebühnenkonzerten oder einem interkulturellen Filmprojekt ein Zuhause.
Angefangen mit dem Freiwilligendienst hat Theresa in dieser Stadt durch wertvolle Kontakte ihren Platz in der Kulturszene und eine Lebensaufgabe im kulturellen Engagement gefunden – und ist nun selbst zu einer solchen Schlüsselperson für den Werdegang anderer Menschen geworden.
Text: Annemarie Reichenbach