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Bildungslandschaft weiterdenken – Kommunale Gesamtkonzepte für Kulturelle Bildung
Interview

Bildungslandschaft weiterdenken – Kommunale Gesamtkonzepte für Kulturelle Bildung

Interview mit Brigitte Schorn

veröffentlicht:

Der Kern von Bildung ist es, Anlässe zur Selbstbildung zu schaffen. Kulturelle Bildung bietet diese vielfach. Damit sich alle mittels der Künste selbst bilden können, können Kommunen Wege ebnen. Ein Gespräch über Kulturelle Bildung in kommunalen Bildungslandschaften.

Brigitte Schorn leitet die Arbeitsstelle Kulturelle Bildung NRW. Sie ist Kulturpädagogin und ihre Arbeitsschwerpunkte sind: Theorie und Praxis Kultureller Bildung, Kulturelle Bildung und Schule bzw. Jugendarbeit, Kulturelle Bildung in regionalen und kommunalen Bildungsnetzwerken.

Sie informieren und beraten Kommunen zur Verankerung Kultureller Bildung in kommunalen Bildungslandschaften: Warum ist Kulturelle Bildung dort unerlässlich?

Kulturelle Bildung ist ein Teil der Allgemeinbildung und findet an den unterschiedlichsten Orten statt. In der Kita, in der Schule, in Kultureinrichtungen, in der Jugendarbeit oder in der sozialen Arbeit. Und das heißt vor Ort: in den Kommunen, Gemeinden, Quartieren. Projekte und Angebote der Kulturellen Bildung bieten für Kinder und Jugendliche vielfältige Anlässe und Möglichkeiten zur Selbstbildung – was ja den Kern von Bildung ausmacht. Hier können sie Fragen an sich selbst und an die Welt stellen und ihre eigenen Positionen finden. Indem sie ein Theater- oder Tanzstück erarbeiten, eine Skulptur gestalten oder einen Film drehen, Songs komponieren oder Spiele erfinden: Sie erleben sich selbst als Gestalter, als Individuen, die Spuren hinterlassen oder andere bewegen.  Und weil in der Kulturellen Bildung aus einer Vielzahl von Künsten gewählt werden kann, ist immer ein Thema, ein Platz, eine Position entsprechend ihren Interessen und Fähigkeiten dabei.

Den kulturellen Reichtum und die vielfältigen Angebote, die in jeder Kommune vorhanden sind, aber auch nutzen zu können, ist nicht selbstverständlich. Es darf nicht vom Elternhaus, von der engagierten Lehrerin oder dem Zufall abhängen, ob Kinder und Jugendliche einen Zugang zu diesen Möglichkeiten erhalten. Die Kommunen müssen die Wege ebnen, die Verbindungen zwischen der Angebotsvielfalt der Kulturellen Bildung und den Kindern und Jugendlichen schaffen und die Türen offenhalten.

In der Regel geht die Vernetzung von der kommunalen Verwaltung aus. Entsprechend sind die städtischen Einrichtungen im Fokus. Die Jugendfreizeiteinrichtungen hingegen, die freien Träger, die freie Szene werden meist vernachlässigt.

Brigitte Schorn

Und was macht Kulturelle Bildung so interessant, für welche Ziele und Ideen in Bildungslandschaften ist sie also besonders anschlussfähig?

Hinter der Idee einer „Bildungslandschaft“ steckt ja der Gedanke, dass alle formalen, non-formalen und informellen Bildungspotenziale wichtig und notwendig sind, dass sie wertvoll sind für das Aufwachsen und dementsprechend gefördert werden müssen. Die Kulturelle Bildung ist ein solches Potenzial. Ihr Praxisfeld findet überall im Alltag der Kinder und Jugendlichen seinen Platz. Gleichzeitig ist es für die Kinder und Jugendlichen aber auch wichtig, an einmal gefundene Interessen anknüpfen zu können, in der Schule aber auch in selbst gestaltbaren Freiräumen: Welche Räume braucht es? Kulturelle Bildung sollte früh beginnen – schon in den Kitas: Wer sorgt dafür, dass Künstler*innen und Kulturpädagog*innen hier tätig werden können? Opern, Theater, Museen suchen Kontakt zu jungem Publikum. Wie gelingt es, dass Jugendarbeit und Einrichtungen der sogenannten Hochkultur enger zusammenarbeiten und partizipativ mit Jugendlichen neue Formate entwickeln? Diese und noch viel mehr Fragen der Vernetzung, der Übergänge, der Freiräume sind Fragen der Kulturellen Bildung, die nur über das bewusste Managen einer Bildungslandschaft wirklich umgesetzt werden können. Das bloße Vorhandensein von Einzelangeboten reicht nicht.

Welche Partner Kultureller Bildung sind aus Ihrer Sicht in den Konzepten und Angeboten schon gut verankert? Und welche werden häufig von den Kommunen bzw. den Netzwerken zu wenig gesehen?

In der Regel geht die Vernetzung von der kommunalen Verwaltung aus. Entsprechend sind die städtischen Einrichtungen zunächst im Fokus und damit in die kommunalen Gesamtkonzepte meist von Anfang an integriert. Die Jugendfreizeiteinrichtungen hingegen, die freien Träger, die freie Szene werden meist vernachlässigt. Dabei gehen von diesen Akteuren oft sehr innovative Konzepte aus, die nah daran sind an den Bedürfnissen und Interessen der Kinder und Jugendlichen. Vereine, die oft ehrenamtliche Arbeit leisten, bleiben ebenfalls oft unberücksichtigt. Die Jugendlichen und Kinder selbst einzubeziehen, zu befragen − auf diese Idee kommen viele Kommunen erst sehr spät, wenn überhaupt.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, wenn es darum geht, Kulturelle Bildung noch stärker in kommunalen Bildungslandschaften zu verankern?

Die größte Herausforderung ist es tatsächlich, eine ressortübergreifende Bestandsaufnahme zu machen, die formale, non-formale und informelle Bildungsbereiche berücksichtigt. Davon ausgehend muss es dann darum gehen, unterschiedliche Gelegenheiten und Anlässe zur Vernetzung und Kooperation zu schaffen. Die Intelligenz der Vielen sorgt dafür, dass neue Projekte und Formate gefunden werden. Gemeinsam entsteht Neues, das dazu geeignet ist, die Lücken in der Bildungslandschaft zu schließen. Denn immer gibt es Zielgruppen, die schwer erreicht werden und immer gibt es Stadtteile, die „vergessen“ werden. Diese Prozesse brauchen Zeit und sie brauchen Strukturen, die verbindlich eingeplant werden.

Bei den Verbänden liegt das Wissen über Qualitäten Kultureller Bildung, über Möglichkeiten und Grenzen, über Formate und Akteure, Vielfalt der Angebote, aktuelle Entwicklungen etc. Dieses Wissen sollte in die Gestaltung einer Bildungslandschaft unbedingt einbezogen werden.

Brigitte Schorn

Und was sind entsprechend die zentralen Gelingensbedingungen – in Stadt und Land, bei neueinsteigenden und erfahrenen Kommunen?

Ganz entscheidend ist die Bereitschaft, ressortübergreifend zu denken. Es ist wichtig, die Perspektive von Kindern und Jugendlichen einzunehmen und gemeinsam zu überlegen, wie man optimal zusammenarbeiten kann, um im Sinne der Zielgruppe zu agieren. Viele zu beteiligen, Partizipation auch der Zielgruppen zu ermöglichen, ist essentiell. Die Gestaltung des Prozesses funktioniert nur, wenn Zeit und Raum da ist, damit die einzelnen Akteur*innen miteinander ins Gespräch kommen können. Sie müssen die Gelegenheit haben, ihre eigenen Ziele mit denen eines gemeinsamen kommunalen Gesamtkonzeptes abgleichen zu können. Kommunale Gesamtkonzepte entstehen nicht von heute auf morgen. Sie brauchen Zeit, einen langen Atem, eine ressortübergreifende Strategiegruppe und eine Koordinierungsstelle.

Es gibt auf kommunaler Ebene außerdem viele Netzwerke, z. B. zu den Themen „Nachhaltige Entwicklung“ oder „Digitalisierung“ oder zum Thema „Diversität“. Darüber muss man Bescheid wissen und in der Regel lohnt sich auch hier eine Vernetzung.

Jede Kommune findet ihren eigenen Weg. Dennoch können Kommunen gut voneinander lernen. Wir haben gute Erfahrungen mit interkommunalen Austauschforen gemacht. Die Zahl der Kommunen belassen wir dabei sehr bewusst bei acht bis zehn Kommunen. Diese Gruppen treffen sich unkompliziert digital, aber regelmäßig und bestimmen ihre Themen selbst.

Wofür sind dabei die Verbände bzw. die Fachstrukturen Kultureller Bildung wichtig?

In den Verbänden und Fachstrukturen der Kulturellen Bildung, egal ob auf kommunaler, auf Landes- oder Bundesebene findet man die Expert*innen für dieses Praxisfeld. Bei den Verbänden liegt das Wissen über Qualitäten Kultureller Bildung, über Möglichkeiten und Grenzen, über Formate und Akteure, Vielfalt der Angebote, aktuelle Entwicklungen etc. Dieses Wissen sollte in die Gestaltung einer Bildungslandschaft unbedingt einbezogen werden. Aber nicht nur das spezifische Fachwissen wird von hier eingebracht. Es liegen auch Erfahrungen bezüglich der Kooperation und Vernetzung mit Partnern vor. Dieses Wissen ist insbesondere hinsichtlich der Kooperation mit Schulen und Kitas sehr wertvoll.

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