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Battles in Berlin und Havanna
Aus der Praxis

Battles in Berlin und Havanna

Eine kubanisch-deutsche Begegnung

veröffentlicht:

Die Beziehungen halten auch jetzt. Junge Tänzer*innen ermutigen sich über soziale Medien, weiterzumachen. Mit Sehnsucht denken sie an das große Battle-Festival von Havanna 2019 zurück, als 500 Menschen zusammenkamen, um zu tanzen, zu feiern und einander anzufeuern.

von Kathrin Köller

Begonnen hat diese lebendige globale Partnerschaft vor ein paar Jahren, als Fidan Sirin, eine junge Tänzerin aus Berlin-Neukölln, eine Freundin besuchte, die gerade auf Kuba ihre Bachelorarbeit schrieb. Über die Freundin lernt Fidan, die selbst in Berliner Mädchenzentren das Tanzen gelernt hat, kubanische Street-Tänzer*innen kennen. „Ich fand es interessant, wie motiviert diese Jugendlichen waren“, erzählt Fidan. „Sie haben mir Videos gezeigt von Tänzer*innen, mit denen ich selbst in Deutschland trainiere. Und sie meinten: Unser größter Wunsch, unser Traum ist es, diese Menschen mal zu treffen.“ Ihre Träume treffen auf offene Ohren. Fidan Sirin überlegt, wie sich eine Begegnung von Urban Dance-Tänzer*innen organisieren ließe. Keine kleine Aufgabe – gerade mit einem Land wie Kuba, in dem alles über staatliche Stellen läuft und die Menschen Angst haben, Verträge zu unterschreiben.

Fidan Sirin nimmt Kontakt zu dem kubanischen Jugendzentrum auf, in dem die Tänzer*innen trainieren, zur deutschen Botschaft, gründet den Verein HaBer Projects e.V. und stellt Anträge – u. a. für einen globalen Jugendaustausch im Rahmen des Förderlinie „weltwärts-Begenungen“, der bewilligt wird.

weltwärts-Begegnungen

Diese Förderlinie von Engagement Global wird bei der BKJ durch das Team von jugend.kultur.austausch global begleitet.

Das Engagement der jungen Tänzerin und Projektleiterin, die eigentlich als Erzieherin an einer Schule arbeitet und den Austausch nebenbei organisiert, zahlt sich aus. Bereits vier Mal waren junge Deutsche aus der Urban-Dance-Szene in Kuba und junge kubanische Tänzer*innen in Deutschland. Das Besondere an diesem Austausch: Es sind jeweils nicht nur die 20 aktiven Tänzer*innen eingebunden, sondern über die Teilnahme an Tanz-Festivals auch eine große Anzahl weiterer Menschen.

„Es ist etwas voll Großes für alle, die da kommen. Durch unsere Workshops und die Begegnungen ist eine richtige Tanz-Community gewachsen, die jedes Jahr größer wird. Und gerade in Kuba, wo die Jugendlichen weniger Möglichkeiten haben, bereiten sie sich ein ganzes Jahr lang auf das Festival vor.“

Fidan Sirin

Die internationale Sprache Tanz

Im Zentrum des Geschehens steht der Tanz. Er ist eine Sprache, der es gelingt, über Grenzen hinweg zu verbinden. Wenn Can einen Workshop zum schnellen Freestyle-Tanz Krump gibt, dann überträgt sich seine Energie auf die Teilnehmer*innen um ihn herum, auch wenn er kein Spanisch spricht und sie kein Englisch sprechen. Und genauso geht es Alisha, wenn sie in Havanna neue Latin- und Zumba-Moves lernt, und Lorena, die sich anstecken lässt von der Freude und Positivität, die die kubanischen Teilnehmer*innen ausstrahlen. So unterschiedlich die Jugendlichen aufgewachsen sind, „sie haben ähnliche Interessen, sind super tanzbegeistert und haben viel mit Kunst und Kultur zu tun“, erzählt Fidan Sirin. „Da bleibt der Kontakt nachhaltig.“

Kontakt über die Welten hinweg

Aus den Communitys in Berlin und Havanna ist eine Art Alumni-Netzwerk entstanden, in dem die Tänzer*innen über die Grenzen hinweg den Austausch weiterpflegen und Verantwortung füreinander übernehmen. Selbst im kontaktlosen Jahr 2020 haben ehemalige Teilnehmer*innen im Berliner wannseeFORUM eine Veranstaltung mit Tänzen aus Kuba organisiert: Die Kubaner*innen steuerten Online-Tutorials und Landeskunde-Videos aus erster Hand bei. Der Projektpartner aus Kuba hat für einen Ehemaligen ein Logo entworfen und dieser wiederum druckt gerade T-Shirts für die Community in Kuba.

Fünf Tage Bohnen – na und?

Das große Verständnis für die Welt der Anderen, das die Ehemaligen an den Tag legen und auch in ihre Pläne einfließen lassen, das war nicht immer da. Am Anfang standen bei allen Begegnungen immer Vorurteile, berichtet Fidan Sirin.

„Ich merke das immer wieder, dass wir aus Deutschland da immer mit so einer Arroganz hinkommen. Das ist bei den Teilnehmenden im Kopf drin: Wir sind die Reichen, wir haben mehr Macht.“

Fidan Sirin

Diesen Blick von oben herab will die Tänzerin mit ihrer Arbeit in Frage stellen. Kommen doch die meisten der urbanen Tänzer*innen selbst aus benachteiligten Vierteln und haben keine Eltern, die ihnen etwa den Besuch einer Ballettschule finanzieren können. Kulturelle Vorbereitung ist für Fidan Sirin das A und O, damit den jungen Erwachsenen ein differenzierter Blick auf Kuba gelingt. „Man muss die Teilnehmer*innen darauf vorbereiten, dass es eben sein kann, dass sie mal fünf Tage am Stück Bohnen essen müssen oder dass es auch mal chaotisch sein kann und 15 Uhr letztlich 17 Uhr heißt – und trotzdem heißt das nicht, dass wir besser sind!“

Das SDG muss passen!

Der Projektleiterin gelingt dieser kulturelle Brückenschlag, indem sie gemeinsam mit den jungen Erwachsenen das UN-Nachhaltigkeitsziel (Sustainable Development Goal – SDG) „Weniger Ungleichheiten“ zum Thema macht. „Ich glaube, ein SDG in die globale Begegnung einzubauen, ist gar nicht so schwer, wenn man die Jugendlichen dazu befragt und in die Planung einbindet. Sie haben super Ideen“, erzählt Fidan Sirin begeistert. So machte zum Beispiel einer der Teilnehmer den Vorschlag, sich gegenseitig zuhause zu besuchen und einander den eigenen Alltag zu zeigen. Diese Besuche, die auch in Kuba fortgeführt wurden, sind der Türöffner für Fragen wie: Wie und wovon leben wir hier und dort? Wie gestaltet sich das Tanzleben in beiden Ländern? Kann man vom Tanzen leben?

Im Jahr 2020 kann man das weder in Deutschland noch in Kuba besonders gut. Doch die Menschen in Kuba trifft die Corona-Pandemie und besonders die damit zusammenhängende Versorgungskrise besonders hart. Da bringen die digitalen Kontakte mit den Austauschpartner*innen aus Deutschland zumindest etwas Abwechslung in den Krisenalltag. Doch alle Beteiligten hoffen, dass nach einem Jahr, in dem Kommunikation nur über Social Media gelaufen ist, sich diese lebhafte, gewachsene Community auch bald wieder ganz real battlen kann – auf den Straßen, Dächern und Festivals von Havanna und Berlin.

Weitere Informationen

HaBer Project e. V.