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Außerschulische Einrichtungen im Fokus: „Alles ist komplexer geworden“
Interview

Außerschulische Einrichtungen im Fokus: „Alles ist komplexer geworden“

Im Gespräch mit Viola Kelb

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Außerschulische Akteure der Kulturellen Bildung empfinden Kooperationen als bereichernd, ächzen aber unter dem Verwaltungsaufwand. Um ihre Qualitätsansprüche auch in Kooperationen selbstbewusst aufrechterhalten zu können, brauchen sie eine solide Grundfinanzierung, sagt Viola Kelb im Interview.

Viola Kelb ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität zu Köln sowie freiberuflich als Systemische Beraterin tätig. Am Projekt „K² − Kulturnetzwerke in Kommunen und Regionen“ der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel ist sie als externe Prozessbegleiterin beteiligt. Im Auftrag der BKJ hat sie in einer Interviewstudie untersucht, wie sich außerschulische Einrichtungen der Kulturellen Bildung durch den Ausbau von Kooperationen mit Schulen und anderen Partnern in den letzten Jahren verändert haben.

Warum ist es an der Zeit, wie es in der Einführung zur Expertise „Was bleibt nach dem Kooperations-Boom?“ heißt, den Blick auf die Entwicklung der außerschulischen Einrichtungen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung zu lenken, wenn es um Kooperationen geht?

Viola Kelb: Weil es wichtig ist, das Thema aus beiden Perspektiven  – also Schule und außerschulische Einrichtungen – zu reflektieren. Durch den Ganztagsschulausbau wurden vor allem Ansätze verfolgt bzw. sind Programme wie „Kulturagenten für kreative Schulen“ entstanden, bei denen Schule sehr im Fokus der Aufmerksamkeit stand. Zu Recht! Aber hinsichtlich der Organisationsentwicklung sind die außerschulischen Einrichtungen in dieser Zeit nicht systematisch in den Blick genommen worden. Deswegen fand die BKJ, dass es jetzt Zeit ist, Organisationsentwicklungsfragen auch mal auf Seiten der außerschulischen Einrichtungen zu beleuchten. Denn die haben sich durch die Ganztagsschulentwicklung und den Ausbau von Kooperationen selbst auch sehr verändert bzw. verändern müssen. Aber wie konkret? Was hat das mit ihnen gemacht? Das ist bisher nicht systematisch reflektiert worden. Das war das Anliegen dieser Expertise.

Für die Expertise haben Sie am Beispiel ausgewählter außerschulischer Einrichtungen nun erstmals systematisch untersucht, wie sich eine rege Kooperationstätigkeit auf die Einrichtungen auswirkt. Was ist die wichtigste Erkenntnis?

Viola Kelb: Die lässt sich mit dem Satz „Alles ist komplexer geworden“ zusammenfassen. Die Anforderungen an die Träger und Einrichtungen der Kulturellen Bildung sind vielfältiger geworden. Es sind durch Kooperationen und Netzwerke viel mehr Partner hinzugekommen, viel mehr Stellen, an denen man sich vernetzt und austauscht. Hinzu kommen Förderprogramme unterschiedlichster Natur, bei denen Anträge gestellt werden. Dadurch fällt viel mehr Koordinations- und Verwaltungsarbeit an.

Haben die Einrichtungen dafür Lösungsstrategien entwickelt?

Viola Kelb: Die kulturpädagogischen Fachkräfte haben sich ganz viel angeeignet, was Verwaltung, Management, Antragswesen usw. angeht – einfach aus der Notwendigkeit heraus, z. B. im Zusammenhang mit „Kultur macht stark“. Sie haben zwar versucht, auch Gelder für Unterstützung in der Verwaltung zu generieren. Aber das ist oft nicht im notwendigen Ausmaß gelungen. Deshalb steht bei vielen pädagogischen Fachkräften ganz oben auf der Wunschliste, einen besseren Verwaltungsunterbau zu haben, um von diesen Aufgaben entlastet zu werden, die natürlich auf Kosten der inhaltlichen Arbeit gehen.

Heißt das, die Einrichtungen und Fachkräfte wollen gerne kooperieren, bringen hier auch viel Engagement ein, doch das ist nicht durch Strukturen adäquat abgefedert?

Viola Kelb: Genau. Sie sehen, wie bereichernd es auch inhaltlich ist, zu kooperieren, nicht nur mit Schulen, sondern auch mit anderen Trägern z. B. im Bereich „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, also mit ganz neuen Organisationen, die sie vielleicht vorher gar nicht kannten. Aber das bringt einfach eine Menge Aufwand mit sich.

Gibt es Lösungsansätze durch Politik und Verwaltung, das aufzufangen?

Viola Kelb: Viele Einrichtungen hangeln sich von einer Förderung zur nächsten und sie wissen, wenn es z. B. „Kultur macht stark“ irgendwann nicht mehr gibt oder die Anträge nicht mehr bewilligt werden, dann bricht diese ganze Kooperationsstruktur, die sie sich da aufgebaut haben und die mittlerweile ein ganz wesentlicher Teil ihrer Arbeit ist, zusammen. Da ist schon die Politik gefragt, die Landesebne und die Kommunen. Und das Beispiel des TPZAK in Köln zeigt, dass es gehen kann: Uwe Schäfer-Remmele hat sehr eindrücklich beschrieben, wie die jahrzehntelange lokal- und förderpolitische Arbeit dieser Einrichtung dazu geführt hat, dass sie mittlerweile auf eine solide Grundförderung zählen kann. Das eröffnet nicht zuletzt die Möglichkeit, bei Kooperationen auf den eigenen Bildungsprinzipien zu beharren und sich nicht billig zu verkaufen, einfach aus Existenznot heraus.

Sie sagen ganz klar: Wenn die Rahmenbedingungen nicht gegeben sind, zum Beispiel ein bestimmter Honorarsatz für die Honorarkräfte oder bestimmte Gegebenheiten vor Ort, dann verzichten sie auf diese Kooperation. Solche Möglichkeiten würde ich noch viel mehr Trägern wünschen.

Viola Kelb

Worauf kommt es an, wenn sich Kooperationen zwischen Schule und außerschulischen Bildungs- und Kulturpartnern positiv auf die Bildungs- und Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen auswirken sollen?

Viola Kelb: Am allerwichtigsten ist, dass sich eine Win-Win-Situation einstellt: Da, wo alle Seiten einen Mehrwert erfahren, da funktioniert es und da bestehen gute Chancen, dass dabei auch ein qualitativ gutes Angebot herauskommt, das Teilhabe verbessert. Außerdem brauchen Einrichtungen den Raum und die Ressourcen für zielgerichtete Organisationsentwicklungsprozesse. Das passiert viel zu wenig, weil alle viel zu überlastet sind. Aber das wäre sehr wünschenswert, um das vorhandene Potenzial stärker auszuschöpfen. Und wie schon am Beispiel des TPZAK beschrieben, brauchen Einrichtungen eine solide Grundfinanzierung, die es ihnen ermöglicht, ihre Bildungsprinzipien aufrechtzuerhalten.

Wenn die Prinzipien der außerschulischen Bildung in Kooperationen wirklich zum Tragen kommen, dann kommt das natürlich auch den Teilhabechancen der Kinder und Jugendlichen zugute.

Viola Kelb

Wie wirkt es sich auf die Zusammenarbeit der Partner aus, wenn wegen Corona kaum Kinder und Jugendliche an den Kooperationsangeboten teilnehmen können?

Viola Kelb: Es wäre natürlich fatal, wenn der Eindruck entsteht, dass Kooperationen ein Luxus für gute Zeiten sind. Aber dafür sind wir eigentlich viel zu weit. Dafür haben sich die Organisationen schon zu sehr in Richtung Kooperation verändert und sie in ihren Arbeitsalltag integriert. Aber ich habe mich schon gewundert, warum das Potenzial einer lokalen Bildungslandschaft anscheinend bei der Entwicklung von Hygiene-Konzepten kaum gesehen wurde. Es schien immer nur die Alternative zu geben, dass die Schüler*innen entweder in der Schule oder zu Hause sind, aber nicht, dass ein Teil der Jugendlichen ins leere Theater oder Museum geht. Diese dritten Orte wurden offenbar gar nicht genutzt. Offenbar ist die Idee der Bildungslandschaft doch nicht überall so stark verankert, als dass sie im Moment der Krise noch gesehen wird. Obwohl wir ja wissen, dass ganz viele Städte – in NRW z. B. nahezu alle Großstädte – Gesamtkonzepte für Kulturelle Bildung haben. Gerade jetzt sollten Kooperationspartner im Kontakt bleiben. Aber wenn alle mit sich selbst beschäftigt sind, die außerschulischen Träger mit ihrem Überleben und die Schulen mit der Digitalisierung, besteht natürlich die Gefahr, dass das Gegenüber aus dem Blick gerät. Den Austausch anzuregen und aufrechtzuerhalten, könnte auch eine Aufgabe von Fachstrukturen oder von externen Stellen sein.

Weitere Informationen

Herausforderungen für Kooperationen – in der Corona-Krise unterm Brennglas. Gestaltungsauftrag für Fachstrukturen.

Ein Kommentar von Kerstin Hübner

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