„Armut ist ein Geisteszustand“
Gespräch über ein ghanaisch-deutsches Tanztheaterprojekt
Gespräch über ein ghanaisch-deutsches Tanztheaterprojekt
Die Projekt-Macher*innen legen großen Wert darauf, das soziale Thema „Armut“ mit künstlerischen Mitteln anzugehen: „Wie geht das, ohne dass daraus Lehrstücktheater wird? Wie kann man Bilder finden, die etwas auslösen, die nicht auf einer erklärenden Ebene bleiben, sondern das Thema auch sinnlich erfahrbar machen? Das ist eigentlich immer die Kunst“, sagt Barbara Kemmler vom Cactus-Theater, die vor „Sisimbom – Lasst uns zusammen lossegeln“ schon an zahlreichen Projekten mit Künstler*innen aus Afrika mitgewirkt hat. „Wir reflektieren ein Thema nicht nur mit Worten, sondern im Tanz, in der Musik, womit Dinge gesagt werden, die man nicht aussprechen kann.“
Wenn die jungen Teilnehmer*innen aus Deutschland sich in einem Land, in dem Armut auf eine ganz andere Art und Weise real sei als zu Hause, gemeinsamen mit jungen Einheimischen mit Armut beschäftigten, werde sich ihre Perspektive ändern, glaubt Kemmler. „Plötzlich ist Armut nicht mehr irgendwo in Afrika. Plötzlich ist da ein Gesicht, ist da eine Person, sind da Menschen mit ihren Erfahrungen.“
Auch Henry Nyadiah vom Tete Adehyemma Dance Theatre wünscht sich einen Bewusstseinswandel beim Thema Armut: „Armut ist ein Geisteszustand. Wenn du kein Geld hast, keine Besitztümer, bedeutet das Armut. Doch die Art, wie du denkst, macht dich zu dem, was du bist. Zum Beispiel unsere afrikanischen Brüder und Schwestern, die so viel Geld bezahlen, um nach Europa zu kommen: Wenn du sie fragst, sagen sie dir, dass sie arm sind. Aber sie haben gearbeitet, sie haben ihre Besitztümer verkauft oder ihre Eltern haben ihnen Geld gegeben, um die Reise nach Europa zu bezahlen. Dabei könnten sie sich mit dem Geld, das sie den Agenten zahlen, um nach Europa zu kommen, in Afrika etwas aufbauen. Aber sie wollen nach Europa, weil sie die Vorstellung im Kopf haben, dass sie arm sind.“ Mit seinen Theaterproduktionen, auch der die im Projekt „Sissimbom“ entstehen wird, will Nyadiah seine Landsleute auf diese Widersprüche aufmerksam machen.
Die weltwärts-Förderbedingungen verlangen, dass die Projekt-Macher*innen aus Nord und Süd bei der Planung, Antragstellung und Durchführung partnerschaftlich zusammenarbeiten. Obwohl sich Barbara Kemmler und Henry Nyadiah lange kennen und schon oft zusammengearbeitet haben, ist das für beide nicht immer einfach. Wenn beispielsweise eine Zuarbeit auf sich warten lässt und Kemmler wiederholt nachfragen muss, sehen beide Seiten manchmal schnell ihre Vorurteile bestätigt.
Solche Irritationen müssten im Gespräch immer wieder reflektiert werden, ohne einander Vorwürfe zu machen, findet Kemmler. Vielmehr gelte es nach den Hintergründen zu fragen. Dann stellt sich etwa heraus: Verzögerungen liegen zum Beispiel daran, dass die Partner die Projekt-Korrespondenz nicht im Internet-Café führen möchten. „Sie wollen nicht, dass Leute mitbekommen, was sie tun, weil Neid oder Leute, die versuchen, sich an das Projekt dranzuhängen, einfach eine Gefahr sind. Die Partner haben schon erlebt, dass ihr Gruppen-Name von Leuten benutzt wurde, die ein Visum bekommen wollten.“
Dabei ist es auch für Henry Nyadiah und seine Mitstreiter*innen keineswegs einfach ein Visum für Aufenthalte in Deutschland zu bekommen. Doch bei allen Missverständnissen und bürokratischen Hürden ist er sich mit Barbara Kemmler einig: Es ist die Mühe wert. Denn eine weltwärts Begegnung biete „die Möglichkeit, von einer anderen Kultur zu lernen: Die Art und Weise, wie sie ihre Dinge tun und wie sie an Dinge herangehen. Es gibt uns eine offene Sicht. Wir erfahren und entdecken mehr voneinander.“
Das Gespräch mit Barbara Kemmler und Henry Nyadiah verdeutlicht: Ein vertrauensvolles Verhältnis der Partner*innen ist entscheidend. Eine verlässliche Partnerorganisation zu finden, sei das A und O für deutsche Fachkräfte, die eine weltwärts Begegnung organisieren wollen, betont Barbara Kemmler. Ihr Tipp lautet deshalb: „Man sollte zunächst einen kleinen Aufenthalt vor Ort durchführen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was dort los ist. Man muss einfach in persönlichen Kontakt kommen. Da gab es ja so eine Reise nach Tansania – solche Dinge sind sehr wichtig. Aber dann ist es immer noch so, dass man sich viel erzählen kann.“ Um nicht an Partner zu geraten, die mehr versprechen, als sie halten können, nur damit ein Projekt zustande kommt, ist ihr zweiter Tipp: „Es ist ganz wichtig, dass man sich Partnerorganisationen aussucht, die eine bestehende Arbeit machen – etwa im Bereich Jugendarbeit –, unabhängig davon, dass es dieses Projekt gibt. Das ist bei Tete Adehyemma so: Die gab es vor uns und die wird es auch nach uns noch geben.“
Das Gespräch fand in deutscher und englischer Sprache statt. Die englischen Zitate wurden von der BKJ übersetzt.