Am Anfang einer Bildungslandschaft „von unten“
Frankfurt an der Oder/Brandenburg
Frankfurt an der Oder/Brandenburg
Ansätze, Chancen und Möglichkeiten sind da, jetzt sollten diese ihren Weg in der Kommune finden.
Der Musikverein „Fanfarengarde Frankfurt a. d. Oder e. V.“ ist mit 125 aktiven, musizierenden Mitgliedern und teilweise bis zu 40 Tänzer*innen ein Dreh und Angelpunkt für Kulturangebote junger Menschen der Stadt. Doch der Name „Fanfarengarde“ umfasst bei weitem nicht alles, was Hans-Jörg Laurisch und sein Team aus ehrenamtlich Engagierten an kulturellen Bildungsangeboten in der Stadt gestalten: Blasmusik und Trommeln auf Stadtfesten und Schulfeiern sind zwar der Kern. Hinzu kommen aber die 40 Kinder und Jugendlichen, die Tanz-Choreografien zur Blasmusik einstudieren.
Jetzt müssen wir zu einem „Wir-packen-das-an“-Netzwerk werden.
Hans-Jörg Laurisch, Fanfarengarde Frankfurt an der Oder
„Durch das Programm ‚Kultur macht stark‘ hat sich das Thema Kulturelle Bildung für uns noch weiter geöffnet. Wir wollten den Heranwachsenden mehr Möglichkeiten bieten, sich auszudrücken,“ so Vorstandsmitglied Hans-Jörg Laurisch, der bereits mehrere Projekte im Rahmen von „Kultur macht stark“ auf den Weg gebracht hat. So konnten in den letzten vier Jahren zusätzlich Jugendkulturprojekte entstehen, die die Fanfarengarde niederschwellig und kostenfrei anbietet. Der Verein hat dazu die Tanzschulen für Zumba-, Hiphop- und Breakdancekurse mit ins Boot geholt und organisiert regelmäßig eine „Kinderrevue“ oder „Weihnachtsgala“. Damit die Kinder und Jugendlichen dann auch auf einer Bühne zeigen können, was sie erreicht haben, braucht es die Vernetzung mit engagierten Vereinen der Kulturarbeit und Schulen. Es gibt bereits erste Netzwerke und Kooperationen, z. B. mit dem SMOK – Das Kulturzentrum in Słubice oder mit dem MehrGenerationenHaus MIKADO in Frankfurt Oder. Für die Fanfarengarde, die eine Triebkraft hinter der Vernetzung ist, hat das bisher ganz gut funktioniert. Aber für die jungen Menschen in Frankfurt an der Oder will Hans-Jörg Laurisch noch mehr: „Es gibt eine ganze Menge Angebote für Kulturelle Bildung, außerhalb als auch innerhalb der Schulen, aber es könnte noch viel mehr sein, wenn es ein Gesamtkonzept geben würde.“
Damit sich das umsetzen ließe, brauche es einen Impuls seitens der städtischen Politik und Verwaltung, Kulturelle Bildung als Teil der Bildungslandschaft zu verstehen und in ihr zu verankern, sodass nicht nur die bisherige, sondern auch die kommende Jugendkulturarbeit Anerkennung und Wertschätzung erfährt. Denn die verdiene sie: „Zusammenhalt und Kommunikation fördern, Werte vermitteln, Gemeinschaft durch den Austausch zwischen Erwachsenen und Heranwachsenden schaffen“, zählt Hans-Jörg Laurisch die Potenziale auf. Innerhalb der Fanfarengarde übernehmen Kinder und Jugendliche Verantwortung, wachsen über sich selbst hinaus und werden Teil einer Gemeinschaft. Diese Potenziale könnten durch eine bessere Vernetzung der einzelnen Akteure aus dem Jugendbereich, der Kulturarbeit und dem Bildungsbereich zielgerichteter für Kinder und Jugendliche wirksam werden.
„Wir kommen aber auch an unsere Grenzen, weil die Strukturen nicht nachwachsen,“ erklärt Hans-Jörg Laurisch weiter. Mit ihm als einzigen Festangestellten und mehreren Ehrenamtlichen lässt sich nur eine begrenzte Anzahl an Angeboten gestalten. Ein Gesamtkonzept für eine Bildungslandschaft müsse auch die Schaffung neuer Ressourcen beinhalten, um alle Bildungsakteure beispielsweise in Arbeitsgruppen oder Fachtagen zusammenzubringen und so die Angebote stadtteilübergreifend koordinieren zu können. Mit einer langfristigen Personalstruktur könne man mögliche Förderquellen für die kulturelle Bildungsarbeit gezielt nutzen, um sie zu etablieren und ein stadtweites Netzwerk aus Bildungsakteuren aufzubauen. Solch eine Struktur würde außerdem für Nachhaltigkeit Sorge tragen können. „Die Nachmittags-AGs in den Gesamtschulen brauchen eine Fortführung außerhalb der Schule, wo dem Hobby intensiver nachgegangen werden kann.“ Dafür braucht es auch Netzwerkpartner, die zu Kooperationen bereit sind und verstehen, dass der Austausch in einer Bildungslandschaft für alle Seiten Vorteile bietet.
Das Thema Digitalität steht ebenfalls auf der Agenda. Vernetzung müsse auch digital stattfinden. Denn dadurch sei einerseits ein Austausch unter den einzelnen beteiligten Vereinen, Jugendeinrichtungen und Schulen gezielter möglich, andererseits könnten junge Menschen und Eltern Online-Plattformen nutzen, um einen Überblick über die Angebote in der Stadt zu bekommen, Jugendlichen würde die Partizipation erleichtert.
„Wenn man in Frankfurt über Bildungslandschaft spricht, dann ist der Słubice-Kreis immer mit einbezogen,“ erklärt Hans-Jörg Laurisch. Es gibt bereits ein deutsch-polnisches Kooperationsbüro und die Angebote der Fanfarengarde werden bei Bedarf ebenfalls durch Dolmetscher*innen begleitet. Für eine Region, die mit starker Abwanderung und vermehrtem Rechtspopulismus zu kämpfen hat, ist diese Ausweitung der Bildungslandschaft auf Städte und Regionen außerhalb der Landesgrenzen eine gute Chance, Kindern und Jugendlichen Perspektiven zu öffnen. Doch bisher begrenzt sich dieser Austausch auf Schulkooperationen. Den Bildungsbegriff hier weiter zu fassen und bei der Etablierung einer grenzübergreifenden Bildungslandschaft die kulturelle Kinder- und Jugendbildung aktiv mitzudenken, wäre ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.
Mit der aktuellen Neubesetzung der Position der Dezernentin für Kultur, Bildung, Sport, Bürgerbeteiligung und Europa in der Stadt sieht Hans-Jörg Laurisch die Möglichkeit, Jugendkulturarbeit in eine starke Position innerhalb der Kommunalpolitik zu bringen und gemeinsam die Prozesse in Richtung eines Gesamtkonzeptes voranzubringen. Für das Thema Bildungslandschaft gebe es in der Stadt ja bereits viele Ansatzpunkte. Jetzt müssen die Stränge zusammengezogen und die freien und öffentlichen Träger an einen Tisch gebracht werden, um Strukturen und Netzwerke zu schaffen. „Hier gibt es starke Bildungsakteure“, erklärt Hans-Jörg Laurisch. „Jetzt müssen wir zu einem ‚Wir-packen-das-an‘-Netzwerk werden.“
Text: Maxi Böhme
Der Text ist erstveröffentlicht in der Arbeitshilfe „Bildungslandschaften. Perspektive Kinder- und Jugendarbeit“ der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (2019):
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