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Fachbeitrag
Jugendarbeit ist Beziehungsarbeit – lokal, international und digital
Zugänge zu internationalen Erfahrungen ermöglichen in Jugendarbeit und Jugendbildung
25.06.21
Motivierte Fachkräfte und Organisationen, die Internationale Jugendarbeit lokal verankern – das sind zwei wesentliche Voraussetzungen dafür, dass allen jungen Menschen im Laufe ihres Aufwachsens konkrete Lebenserfahrungen auf europäischer und internationaler Ebene ermöglicht werden können.
von Rolf Witte
Rolf Witte leitet seit 1996 den Bereich Kulturelle Bildung International der BKJ. Seit Ende 2019 ist er Vorsitzender von IJAB – Fachstelle für internationale Jugendarbeit.
Foto: Ida Kammerloch
Haben alte Weisheiten auch im digitalen Zeitalter noch ihre Gültigkeit? Stimmen sie auch noch in unserer globalisierten Welt? Manche ganz sicher nicht mehr. Junge Menschen tun gut daran, sich so manchen Spruch der Altvorderen nicht mehr anzuhören. Aber dass Jugendarbeit vorrangig Beziehungsarbeit ist, daran ändern auch die Tatsachen nichts, dass heute in Echtzeit mit jedem Menschen auf der anderen Seite des Globus kommuniziert werden kann und dass es nur weniger Flugstunden bedarf, um diesen Menschen persönlich zu treffen.
Wer als haupt-, ehren- oder nebenamtliche/r Jugendarbeiter*in keinen intensiven Bezug, also eine Beziehung zu jungen Menschen, ihren Interessen und ihrer Lebenswelt hat, sollte vielleicht besser den Begriff Jugendarbeiter*in aus der Selbstbeschreibung streichen. Und dabei ist es ganz egal, welche konkrete Funktion oder Aufgabe sich hinter dem Containerwort „Jugendarbeit“ verbirgt. Für ehrenamtliche Jugendleiter*innen in kirchlichen Jugendverbänden, für nebenamtliche Übungsleiter*innen im Jugendsport, für hauptamtliche Mitarbeiter*innen in Bildungsstätten genauso wie für viele andere Funktionsträger*innen im weiten Feld der Jugendarbeit und Jugendbildung gilt: Allein die gut gemeinte Absicht reicht bei weitem nicht aus, um ganz gezielt neue jugendliche Zielgruppen zu erreichen – ganz egal, ob es sich dabei um junge Menschen aus einem ‚Brennpunkt‘-Viertel der eigenen Stadt oder aus einer in der eigenen Organisation oder Einrichtung unterrepräsentierten Schulform handeln soll.
Selbst wenn die damit verfolgten Ziele – z. B. die Vielfalt und Diversität unserer Gesellschaft im eigenen Engagement und der eigenen Institution oder Organisation besser abzubilden oder gesellschaftlich benachteiligten jungen Menschen eine aktive Teilhabe zu ermöglichen – sehr ehrenwert und dringend angesagt sind, so können diese Ziele nur durch ein anderes Herangehen als das bisher praktizierte verwirklicht werden. Denn zunächst gilt es, nach einem Erstkontakt einen für beide Seiten glaubhaften und für die jungen Menschen relevanten Bezug herzustellen und dann eine Beziehung mit ihnen zu pflegen, die auf gegenseitigem Interesse, Vertrauen und gemeinsamen positiven Erfahrungen beruht. Ein Prozess, der viel Zeit, Energie und Engagement erfordern kann und der meist nicht ohne Rückschläge und Enttäuschungen vor sich geht.
Mögen diese Überlegungen bis hierher banal oder zumindest so grundlegend klingen, dass sie unter ‚Selbstverständlichkeiten‘ im Repertoire der Jugendarbeiter*innen einsortiert werden: Genau so grundlegend und konsequent müssen wir uns der Frage der Schaffung neuer Zugänge zu den Lern- und Lebenserfahrungen in den verschiedenen Formaten der Internationalen Jugendarbeit nähern.
Die wichtige Rolle der Fachkräfte
Doch bevor wir uns Gedanken über den Zugang von jungen Menschen zu internationalen Begegnungen und anderen grenzüberschreitenden Lernformaten machen, sollten wir uns selbst als haupt-, ehren- und nebenamtliche Fachkräfte in den Blick nehmen.
Was und wie eng ist unser Bezug zu den Möglichkeiten der Internationalen Jugendarbeit? Gestehen wir uns unsere eigenen Hemmschwellen und Vorurteile gegenüber anderen Formen und Kolleg*innen der Jugendarbeit in anderen Ländern, auf anderen Kontinenten ein?
Rolf Witte
Haben wir nicht selbst Ängste, dass unsere Fremdsprachenkenntnisse nicht ausreichen, um mit neuen Partnern, mit ausländischen Kolleg*innen unter ungewohnten Umständen fruchtbar und professionell kommunizieren zu können? Nur wenn sich Jugendarbeiter*innen diese Fragen offen und ehrlich beantworten, sich ihre eigenen Schwächen und Unzulänglichkeiten auf diesem für sie neuen Feld auch eingestehen, nur dann können sie eine bewusste Entscheidung treffen, die sie später auch von den jungen Menschen in ihrer jeweiligen Zielgruppe erwarten werden: Die Neugier auf das Neue, das Fremde, das Andere überwiegen zu lassen, sich durch Ängste und Unsicherheiten nicht ausbremsen zu lassen und einfach ins kalte Wasser einer ersten internationalen Erfahrung zu springen. Sei es die Teilnahme an einer ersten Fortbildung auf europäischer Ebene, ein bilateraler fachlicher Austausch zu den eigenen Arbeitsschwerpunkten mit Kolleg*innen aus dem Nachbarland oder die Teilnahme an einer kurzen multinationalen Fachkonferenz rund um Themen des eigenen Arbeitsfeldes: Die Möglichkeiten für haupt-, neben- und ehrenamtliche Fachkräfte der Jugendarbeit, eigene erste Schritte auf ‚internationalem Parkett‘ zu tun, sind vielfältig.
Solche eigenen internationalen Erfahrungen sind die beste Grundlage, um glaubhaft Kolleg*innen als auch Jugendlichen weiterzuvermitteln, dass Austausch und die Reflexion neuer Erfahrungen auch ohne perfekte Sprachkenntnisse möglich sind, dass der durch Teilnehmende aus anderen Ländern provozierte Perspektivwechsel in der Betrachtung des eigenen professionellen und auch alltäglichen Handelns die eigene Haltung bewusster werden lässt und dass internationale Begegnungserfahrungen trotz (oder vielleicht gerade wegen) aller Verunsicherungen, die sie mit sich bringen, vor allem spannend sind und die eigene Motivation sowie die Neugier auf die Zusammenhänge in dieser Welt steigern.
Haupt-, ehren- oder nebenamtlich aktive Fachkräfte der Jugendarbeit und Jugendbildung, die selbst eine oder mehrere grenzüberschreitende Lern- und Lebenserfahrungen gemacht haben, können authentisch von mehr spannenden Facetten ‚des Internationalen‘ berichten als nur – wie allgemein üblich – die Plattitüde zu zitieren, dass „Du da was über andere Kulturen lernen kannst“. Viele junge Menschen, egal aus welchem gesellschaftlichen Milieu, sind aufgrund ihrer Lebens- und Entwicklungsphase auch auf ganz andere Sachen neugierig. Sie wollen vorrangig andere junge Menschen kennenlernen, sind oftmals noch auf der Suche nach sich selbst, wollen unterwegs Spaß und anschließend zu Hause etwas Spannendes zu erzählen haben. Wer sich als Jugendarbeiter*in diese jugendliche Neugierde und Erwartungshaltung erhalten und dies auch glaubhaft jungen Menschen vermitteln kann, ist aufgrund seiner eigenen Lebenseinstellung und Lebenserfahrung bereits auf dem besten Weg, jungen Menschen zu ‚denen da draußen, hinter der Grenze unseres Landes‘ erste Zugänge zu ermöglichen.
Internationale Arbeit fest in der Jugendarbeit und Jugendbildung verankern
Aber abgesehen von der persönlichen Motivation und Erfahrung spielt natürlich auch eine wesentliche Rolle, ob meine Institution, meine Organisation, mein Verein, meine Einrichtung der Jugendarbeit überhaupt ein konzeptionelles Interesse daran hat, grenzüberschreitende Formate der Internationalen Jugendarbeit als Teil des eigenen Auftrags zu verstehen. Die Erfahrung zeigt zwar, dass es oft motivierte einzelne Kolleg*innen sind, die europäischen oder bilateralen Austausch als neue Angebotsform in die Institution, in den Verein bringen, aufbauen und etablieren. Aber es sollte eigentlich in der heutigen Zeit der globalen Kommunikation und des weltweiten wirtschaftlichen Handelns keine Vereins- oder Organisationssatzung im Bereich der Jugendarbeit und Jugendbildung mehr geben, die nicht auch grenzüberschreitende Jugendarbeit als Teil des satzungsgemäßen Auftrags definiert.
Denn nur auf einer konzeptionell abgesicherten Basis lassen sich auch längerfristige internationale Partnerschaften mit vergleichbaren Akteuren in verschiedenen Partnerländern aufbauen, die nicht nur vom Engagement einzelner Mitarbeiter*innen abhängen und dementsprechend z. B. bei deren Ausscheiden sang- und klanglos abbrechen.
Rolf Witte
Diese Forderung nach einer Verankerung der internationalen Arbeit als Teil des satzungsgemäßen Auftrags bedeutet aber auch, dass jede lokale Struktur der Jugendarbeit und Jugendbildung aufgefordert ist, darüber nachzudenken, wie denn grenzüberschreitende Aktivitäten mit den eigenen Mitgliedern oder der Zielgruppe der Einrichtung sinnvoll ergänzend in die alltägliche, allwöchentliche Jugendarbeit eingebettet werden können. Das ist mit Sicherheit eine Frage, die nur jede Institution, jeder Verein vor Ort für sich selbst durchdenken, strategisch entwickeln und beantworten kann.
Austausch mit anderen, international schon erfahrenen, vergleichbaren Strukturen der Jugendarbeit oder Beratung durch die eigene Dachorganisation können hierbei jedoch sehr hilfreich sein, vor allem, wenn im Team keine ‚treibende Kraft‘ mit internationalen Vorerfahrungen – wie oben beschrieben – die Überlegungen mit eigenen Anregungen bereichern kann. Um solche Prozesse zur Weiterentwicklung der eigenen Organisation in die Richtung des vielleicht bisher völlig unbekannten Terrains der Internationalen Jugendarbeit gezielt und erfolgreich auf vielen Feldern der lokalen und regionalen Jugendarbeit und Jugendbildung angehen zu können, sollte den Akteur*innen deutlich mehr Unterstützung z. B. in Form der öffentlichen Förderung gecoachter Organisationsentwicklungsprozesse zuteilwerden.
Beispiele aus dem Bereich der Kulturellen Jugendbildung
Sicherlich wäre es möglich, auf allen Feldern der Jugendarbeit und Jugendbildung einzelne Beispiele guter Praxis zu finden, wie jungen Menschen auf unterschiedlichsten Wegen, erstmalig Zugänge zu grenzüberschreitenden Lern- und Begegnungserfahrungen ermöglicht wurden und werden. Und es ist auf jeden Fall auch die Aufgabe aller bundesweiten Dach- und Fachorganisationen der Jugendarbeit und Jugendbildung, solche guten Beispiele in den Reihen der eigenen Mitglieder zu recherchieren und offensiv zu publizieren sowie zur Nachahmung durch Andere vor Ort zu empfehlen. Im Rahmen dieser Publikation sollen Beispiele aus dem Bereich der Kulturellen Jugendbildung stellvertretend kurz beschrieben werden. Bereits diese wenigen Ansätze und Konzepte verdeutlichen, dass es eine Vielzahl unterschiedlichster Herangehensweisen gibt, die sich nur aus der Logik der eigenen Struktur und Inhalte des jeweiligen lokalen oder regionalen Trägers der Jugendarbeit heraus entwickeln können. Immer vorausgesetzt die Jugendarbeiter* innen bringen Mut, Phantasie und die eigene Professionalität oder entsprechendes ehrenamtliches Engagement ein.
Beispiel 1 ist ein Träger aus dem theaterpädagogischen Bereich, der in seiner Stadt im Laufe der Jahre ein ganzes Netzwerk von Theater-AGs und Theatergruppen an vielen Schulen und in praktisch allen vorhandenen Schulformen mit seinen Theaterpädagog*innen aufgebaut hat. Im Rahmen seiner Kooperation mit Schulen vor Ort – ein Ansatz der leider in einigen Bereichen der außerschulischen Jugendarbeit immer noch sehr skeptisch betrachtet wird, wodurch viele Chancen vergeben werden, nichtformale Bildungsansätze der Jugendarbeit in die das formale Bildungssystem einzubringen – hat dieser Träger selbst Zugang zu einer sehr großen Zahl junger Menschen aus allen gesellschaftlichen Milieus der Stadt und kann sehr regelmäßig neben den eigenen außerschulischen Angeboten im eigenen theaterpädagogischen Zentrum mit jungen Menschen auf der Bühne gesellschaftliche und jugendspezifische Themen aufnehmen.
Neben diesem zweigleisigen Arbeitsansatz vor Ort ist als weitere Säule des Trägerkonzepts ein internationales Netzwerk von Partnerorganisationen in mehreren europäischen Ländern entstanden, mit denen in unterschiedlichen Abständen, in unterschiedlicher Regelmäßigkeit und in unterschiedlicher Zusammensetzung internationale Jugendbegegnungen mit theaterpädagogischem Schwerpunkt durchgeführt werden. Im Zusammenspiel dieser beiden lokalen und internationalen Netzwerke werden immer wieder einzelne Jugendliche aus der Vielzahl von Theatergruppen und AGs dazu eingeladen, an geplanten internationalen Begegnungen des Trägers teilzunehmen. Aber jede der Theatergruppen oder AGs, oder auch jede der Schulen über die Theater- AG hinaus, hat natürlich zusätzlich selbst die Möglichkeit, die Idee für eine eigene internationale Begegnung einzubringen. In diesen Fällen kann der Träger mithilfe seines internationalen Netzwerkes in vielen Ländern geeignete Partner ausfindig machen und Erstkontakte vermitteln.
So können junge Menschen, die in ihrer Schule zunächst einmal ihrer Neugier und ihrem Interesse am Theaterspielen nachgehen, durch die Kooperation mit dem freien Träger auf einladende Weise für erste internationale Kontakte neugierig gemacht werden.
Rolf Witte
Wohlwissend, dass sie bei diesen Begegnungen auf junge Menschen aus Europa treffen werden, die ihr Interesse am Theater teilen, ist die Hemmschwelle zur Teilnahme nicht sehr hoch. Der Träger bringt in die Zusammenarbeit mit den Schulen natürlich auch seine Erfahrungen mit der Beantragung und Abrechnung von Zuschüssen für internationale Maßnahmen ein. Andererseits können eventuell vorhandene Fördervereine der Schulen in den Fällen angesprochen werden, wenn sich Einzelne auch die durch Zuschüsse bereits günstiger gewordenen Teilnahmebeiträge selbst nicht leisten können.
Beispiel 2 ist ein stadtteilorientiert arbeitender Kinder- und Jugendzirkus in Berlin, der natürlich allein schon durch sein attraktives Domizil mit Zirkuszelten (die übrigens keine Schwellen am Eingang haben!) einen Jung und Alt einladenden Charakter ausstrahlt. Hier treffen sich täglich und wöchentlich die verschiedensten Altersgruppen zum gemeinsamen Zirkustraining in den verschiedenen artistischen Disziplinen. Die verantwortlichen haupt-, neben und ehrenamtlichen Zirkuspädagog*innen sind sich des Standorts ihrer Einrichtung in einem nicht gerade privilegierten Stadtteil der Hauptstadt sehr bewusst. Die Einrichtung wird aufgrund ihres einladenden Charakters von vielen Kindern und Jugendlichen besucht, die weder von ihren Elternhäusern noch von ihrem gesamten sozialen Umfeld auf die Idee gebracht würden, eine ‚Kultureinrichtung‘ im immer noch weit verbreiteten ‚klassischen‘ Verständnis zu besuchen.
Wohl wissend, dass viele der jungen Zirkusbegeisterten ansonsten kaum ihren Stadtteil verlassen, sind partizipativ angelegte internationale Begegnungen u. a. mit einem polnischen Partnerzirkus im nicht allzu weit von Berlin entfernten grenznahen Raum, fester Bestandteil des jährlichen Programmangebots.
Bei diesem in den Sommerferien stattfindenden Ereignis, wollen natürlich sehr viele dabei sein, genauso wie sie möglichst bei jeder Zirkusproduktion vor Ort als wichtiger Teil der Zirkustruppe dabei sein und aktiv mitwirken wollen. Und das obwohl einige von ihnen sicherlich zu Hause am Küchentisch eher abfällige Bemerkungen und Vorurteile über Polen zu hören bekommen. Um auch daran eventuell ein wenig etwas zu ändern, werden die Eltern aller Teilnehmenden des polnischen Partnerzirkus und aus Berlin zu den die Begegnungen abschließenden Zirkus- Shows eingeladen, egal ob die Begegnung im einen Jahr diesseits oder im anderen Jahr jenseits der Grenze stattgefunden hat. An gesetzlichen Vorgaben gescheitert ist der Träger übrigens leider, als er auch jungen Geflüchteten ohne geklärten Aufenthaltsstatus, die regelmäßig im Kinder- und Jugendzirkus aktiv sind, ebenfalls die Teilnahme an der deutsch-polnischen Begegnung wenige Kilometer hinter der polnischen Grenze ermöglichen wollte.
„Das Internationale“ lokal verankern
Dies sind nur zwei Beispiele aus einem Arbeitsfeld der Jugendarbeit- und Jugendbildung, die sicherlich noch durch viele weitere gute Ansätze ergänzt werden können. Aber beiden Vorgehensweisen ist zu eigen,
- dass sie das Interesse der jungen Menschen an einer bestimmten Betätigung aufgreifen,
- dass dadurch gemeinsame Lebenserfahrungen gesammelt werden und eine vertrauensvolle Beziehung entsteht,
- dass das von den jungen Menschen zunächst gar nicht in den Blick genommene ‚Internationale‘ einfach zum Konzept, zum Angebot, zum Programm, zum Selbstverständnis des Trägers gehört,
- dass als fruchtbare Ergebnisse einer längerfristigen Entwicklung der Träger Kinder- und Jugendliche ganz selbstverständlich mit jungen Menschen aus anderen Ländern grenzüberschreitend in Kontakt gebracht und sogar zu einer aktiven künstlerischen Zusammenarbeit motiviert werden.
Ein solches konzeptionell durchdachtes Herangehen fällt natürlich nicht vom Himmel und lässt sich auch nicht von jedem Träger von einem Jahr auf das andere verwirklichen. Hierfür bedarf es bewusster Entscheidungen unter den Mitarbeitenden und in der Leitung von örtlichen Trägern der Jugendarbeit und Jugendbildung, ferner bedarf es eines langen Atems, gepaart mit großer Flexibilität. Denn ein echter Bezug zu bisher nicht erreichten jungen Menschen lässt sich nicht von heute auf morgen herstellen und vor allem wird er unter Berücksichtigung der Interessen der jungen Menschen auch zu anderen Ergebnissen und Arbeitsformen führen, wie ursprünglich aus Trägerperspektive überlegt und wohlmeinend geplant. Dass dies alles Zeit und personellen und finanziellen Einsatz bedeutet ist klar, woraus sich die deutliche Forderung nach einer auskömmlichen und verlässlichen Unterstützung der freien und öffentlichen Trägerstrukturen vor Ort als dringend geboten ableitet. Nur mit dieser Unterstützung können wirklich an vielen Orten und in vielen Formen Kindern und Jugendlichen erstmalige Zugänge zu grenzüberschreitenden Lebens- und Lernerfahrungen als wichtiger Teil ihres Aufwachsens geboten werden.
Gemeinsam alle jungen Menschen erreichen
Neben dieser Forderung an die öffentliche Hand sei zur Erreichung einer realistischen Erwartungshaltung auch deutlich hinzugefügt: Nicht jeder Träger muss mit seinem spezifischen Angebot Zugänge zu internationalen Erfahrungen für alle jungen Menschen aus allen Milieus unserer vielfältigen Gesellschaft schaffen. Das wäre eine völlige Überforderung und dementsprechend sollte in diesem Sinne auch nicht seine öffentliche Förderung an Bedingungen in dieser Richtung gebunden werden. Aber alle Träger der Jugendarbeit und Jugendbildung gemeinsam, die öffentlichen und die freien, die lokalen, regionalen und bundesweiten und auch Schulen und andere Einrichtungen der formalen Bildung, müssen sich gegenseitig ergänzen und sinnvoll aufeinander abgestimmt das Ziel verfolgen (und erreichen!), jedem jungen Menschen in unserem Land im Laufe seines Aufwachsens und seiner schulischen und beruflichen Bildung konkrete Lebenserfahrungen auf europäischer und internationaler Ebene zu ermöglichen.
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in: IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e. V. und Forschung und Praxis im Dialog – Internationale Jugendarbeit (Hrsg.) (2021): Reader „Internationaler Jugendaustausch wirkt. Forschungsergebnisse und Analysen im Überblick“. Bonn/Köln. S. 347-366.
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