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Fachbeitrag
Schutz und Sicherheit in der internationalen Jugendarbeit
02.11.22
Kindern und Jugendlichen Schutz zu bieten, ist ein zentrales Anliegen der Kinder- und Jugendhilfe. Umso wichtiger ist es daher, geeignete Schutzkonzepte gegen sexualisierte Gewalt zu haben und in die eigene Arbeit einzubinden – auch im Feld der Internationalen Jugendarbeit.
von Christoph Bruners
Christoph Bruners ist Koordinator des Bereichs „Qualifizierung und Weiterentwicklung der Internationalen Jugendarbeit“ bei IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e. V.
Internationale Jugendarbeit findet in unterschiedlichen Formaten und vor dem Hintergrund verschiedener Organisationsstrukturen und -kulturen statt. Dementsprechend vielfältig ist die Bandbreite von Ansätzen und Maßnahmen zur Prävention von und zum Schutz vor sexualisierter Gewalt. IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V. hat sich daher gemeinsam mit Trägern der Internationalen Jugendarbeit auf den Weg gemacht, Instrumente und Maßnahmen zur Prävention sexualisierter Gewalt zu bündeln und weiterzuentwickeln.
In Europa und weltweit mobil sein: Diese Möglichkeit nutzen jedes Jahr tausende junge Menschen, um im Rahmen von pädagogisch begleiteten Programmen und Projekten andere Länder, Kulturen und Menschen kennenzulernen. Die Formate dieser Auslandsaufenthalte sind dabei genauso verschieden wie das Spektrum der Anbieter. Die Angebote Internationaler Jugendarbeit bieten jungen Menschen Lern- und Erfahrungsräume, bei denen gegenseitiges Verständnis, Toleranz und Offenheit ebenso gefördert werden wie Interkulturelles Lernen, Verantwortungsgefühl und Engagement. Dabei sind die Angebote geprägt von Freiwilligkeit und Beteiligung der Kinder und Jugendlichen.
Das Umfeld für sexualisierte Gewalt in der Internationalen Jugendarbeit
Überall dort, wo sich Jugendliche aufhalten, kann es ihnen gegenüber zu Grenzverletzungen und Übergriffen kommen. Dabei spielen unter anderem strukturelle Risiken eine Rolle. Auch bei internationalen Begegnungen und Austauschen kommt es zu Situationen, durch die nicht nur Freundschaften und Vertrauensverhältnisse entstehen, sondern es auch zu Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen zwischen Teilnehmenden, betreuenden Personen oder auch Gastfamilien kommen kann. Hinzu kommen in bi- und multinationalen Konstellationen oft auch kulturell bedingte Hürden, durch die sich Betroffene erst spät oder gar nicht äußern. Daher haben haupt- und ehrenamtliche Fachkräfte in der Internationalen Jugendarbeit die Aufgabe, in ihren Angeboten für ausreichenden Schutz und bestmögliche Sicherheit der ihnen anvertrauten jungen Menschen zu sorgen und sie vor körperlichem und seelischem Schaden zu bewahren. Das Wissen um sexualisierte Gewalt und der Umgang damit ist deshalb grundlegende Voraussetzung, um jungen Menschen adäquate Unterstützung anbieten zu können, zum Beispiel durch Ansprechpersonen, Präventionsmaßnahmen und Schutzräume.
Beispiele guter Praxis von Trägern Internationaler Jugendarbeit
Insgesamt ist das Bewusstsein in Deutschland für das Thema Sexualisierte Gewalt in den letzten Jahren deutlich gewachsen und entsprechende Maßnahmen wurden ergriffen. Dennoch stellt diese Form der Gewalt gegen junge Menschen weiterhin ein gesellschaftlich relevantes Problem dar. Deshalb sind sowohl eine Thematisierung als auch die (Weiter-)Entwicklung von Maßnahmen zu deren Abwendung zentral. Bei Trägern der Internationalen Jugendarbeit ist die Bandbreite von Ansätzen und Maßnahmen zur Prävention von und zum Schutz vor sexualisierter Gewalt sehr groß. Einige behandeln Präventions- und Schutzkonzepte bereits in Schulungen und Fortbildungen für haupt- und ehrenamtliches Personal. Andere Akteure verfügen über praxisorientierte Arbeitsmaterialien oder haben Gesamtkonzepte oder Leitbilder erarbeitet. Diese Vielfalt wurde auch während eines von IJAB koordinierten und in Zusammenarbeit mit der Deutschen Sportjugend (dsj), der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) e.V. und JUGEND für Europa im Juni 2020 durchgeführten Fachtags deutlich. Es wurden unter anderem Beispiele guter Praxis aus dem Feld der Internationalen Jugendarbeit vorgestellt, wie das seit 2006 bei AJA – Arbeitskreis gemeinnütziger Jugendaustausch gGmbH bestehende „Netzwerk Prävention – gegen sexualisierte Gewalt“. In dessen Rahmen wurde ein Schutzkonzept für Jugendliche entwickelt, die an Schüleraustauschprogrammen teilnehmen. Ein wichtiger Aspekt war dabei die Sensibilisierung für eine unterschiedliche Ansprache von Akteuren vor dem Hintergrund kultureller Unterschiede. Gleichzeitig entwickelte das Netzwerk ein eigenes Evaluationstool, um die Prävention sexualisierter Gewalt auszuwerten und in einem fortlaufenden Prozess immer wieder zu prüfen. Auch die dsj hat ein Muster Schutzkonzept sowie Arbeitshilfen für internationale Jugendbegegnungen im Bereich des Sports entwickelt. Es gibt unter anderem Vorlagen für ein Leitbild zum Thema, Verhaltensregeln für Betreuende, Informationen für Gastfamilien sowie einen Handlungsleitfaden zum Vorgehen bei Verdachtsfällen, den die Mitgliedsorganisationen der dsj für sich anpassen und nutzen können.
Schwerpunkte einer weiteren Beschäftigung mit der Thematik
Der Fachtag im Juni 2020 war ein erster Aufschlag für eine breitere Auseinandersetzung mit dem Thema Sexualisierte Gewalt in der Internationalen Jugendarbeit. Durch den vertrauensvollen Austausch über die Entwicklung und Umsetzung von Schutzkonzepten von erfahrenen und weniger erfahrenen Trägern wurden unterschiedliche Schwerpunkte und Bedarfe für eine weitere Beschäftigung mit dem Thema erkennbar. Die Besonderheiten der Angebote und Formate der Internationalen Jugendarbeit spielen dabei eine relevante Rolle für die individuelle Ausgestaltung eines Schutzkonzepts. Mit den internationalen Partnern auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten ist besonders wichtig, um das Thema anzugehen. Oft ist die Arbeit zur Prävention von sexualisierter Gewalt bei den Partnerorganisationen im Ausland ein Tabu, weshalb besondere Sensibilität im Umgang mit der Thematik und mit den Partnerstrukturen gefragt ist. Auch weitere Zielgruppen müssen in den Entwicklungs- und Umsetzungsprozessen berücksichtigt und eingebunden werden. Neben Kindern, Jugendlichen, Eltern, Gastfamilien, Betreuenden und Fachkräften sollten auch ehrenamtliche Gremienvertretungen und Einsatzstellen sowie Personen, die vor Ort anleiten, mit in den Fokus genommen werden. Sensibilisierung, Aufklärung und Bewusstseinsbildung bei jungen Menschen sind weitere wichtige Aspekte. Zudem ist die Entwicklung von Fortbildungs- und Coaching- Konzepten für haupt- und ehrenamtliche Fachkräfte maßgeblich. Bereits bestehende Schulungskonzepte sollten angepasst, weiterentwickelt, gebündelt und sichtbar gemacht werden.
Auftakt für einen gemeinsamen Entwicklungsprozess
Vor dem oben dargestellten Hintergrund plant IJAB gemeinsam mit Partnerorganisationen aus dem Feld der Internationalen Jugendarbeit einen zweijährigen Konzeptions- und Entwicklungsprozess. Er hat zum Ziel, die skizzierten Impulse, Schwerpunkte und Bedarfe aufzugreifen und die Träger Internationaler Jugendarbeit bei der Entwicklung von Instrumenten und Arbeitshilfen zur Prävention und dem Umgang mit sexualisierter Gewalt zu unterstützen. Damit diese auch im internationalen Austausch greifen, werden in einem ersten Schritt rechtliche Konsequenzen sowie kulturelle Hintergründe für sexualisierte Gewalt gegenüber jungen Menschen in ausgewählten Ländern gesichtet und eine Übersicht erstellt. Die Ergebnisse dienen als Basis für die gemeinsame Entwicklung eines Toolkits, das die Träger in ihren Präventionsmaßnahmen und bei der Erstellung von Schutzkonzepten unterstützen soll. Begleitet und inhaltlich gesteuert wird dieser Prozess durch eine breit aufgestellte Arbeitsgruppe, die sich aus verschiedenen Trägern und Organisationen sowie Fach- und Förderstellen der Internationalen Jugendarbeit zusammensetzt. Um der internationalen Perspektive Raum zu geben, werden gleichzeitig internationale Partnerorganisationen eingebunden. Starten wird das Projekt im 2. Quartal 2021. Es ist unerlässlich, die Auseinandersetzung mit dem Thema Sexualisierte Gewalt zu einer Daueraufgabe zu machen, entwickelte Instrumente und Maßnahmen immer wieder auf den Prüfstand zu stellen und somit das Handlungsfeld der Internationalen Jugendarbeit in diesem Bereich weiterzuentwickeln.
Gemeinsam mit der Universität Kassel arbeitet IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit mittlerweile im Transferprojekt „SchutzJu“. Die BKJ beteiligt sich am Prozess. Ziel ist die partizipative Erarbeitung von Schutzkonzepten im Feld der Internationalen Jugendarbeit. Das Projekt bietet dabei für Interessierte einiges an Beteiligungsmöglichkeiten. Weitere Informationen auf der Website von IJAB.
Der Beitrag ist erstveröffentlicht im April 2021 unter dem Titel „Schutz und Sicherheit in der internationalen Jugendarbeit“ im infodienst – Das Magazin für Kulturelle Bildung zum Thema „Kinder stärken und schützen“. 139, S. 47/48. Der Beitrag wird mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber LKD NRW/bjke hier veröffentlicht.
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