Position
Demokratie in Not
Aufruf zum Innehalten
13.09.18
Der Vorstand und die Geschäftsführung der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V. (BKJ) wenden sich mit einem eindringlichen Appell für Humanität und Zivilcourage an die Öffentlichkeit.
„Ob wir getrieben werden in Rudeln,
wir haben's gesehen.“
Marie Luise Kaschnitz
Es ist kalt geworden in Deutschland, Europa und der Welt. Kalt und unheimlich. Und erschreckend grausam. Unser Eigenstes ist bedroht: das Vermögen sprechen zu können. Miteinander. Ohneeinander. Übereinander. Und die Gabe zuzuhören. Wir verlernen es täglich mehr.
Zuhören und Sprechen sind Grundpfeiler der Demokratie. Nach Aristoteles ist es die Auszeichnung des Menschen, dass er sprechen kann. Und Hannah Arendt schrieb uns ins Stammbuch, das Versagen der Sprache sei das Ende der Politik, des Sozialen: „Sofern wir im Plural existieren, und das heißt, sofern wir in dieser Welt leben, […] hat nur das Sinn, worüber wir miteinander oder wohl auch mit uns selbst sprechen können“.
Können wir das nicht mehr, drohen uns Vereinzelung, Identitätsverlust und Gesellschaftskollaps. Mehr oder weniger zu sein, hilft uns allein nicht weiter. Wir müssen etwas tun. Was wir tagtäglich hören, sehen, lesen, zufügen oder erleiden, lässt sich nicht in Fernsehen oder Social Media abschieben oder verarbeiten. Keine Talkshow vertreibt uns den Frost aus der Seele, kein Jahrhundertsommer übertüncht die soziale Eiszeit.
Als Bundesdachverband für Kulturelle Bildung setzen wir uns mit unseren 56 Mitgliedsverbänden dafür ein, Kinder und Jugendliche zu gesellschaftlicher Teilhabe, Souveränität und Haltung zu befähigen. In 10.000 Einrichtungen, 50.000 Projekten, 100.000 Kooperationen suchen wir Tag für Tag durch Geistes- und Herzensbildung dazu beizutragen, dass die Welt ein etwas freundlicherer Ort wird.
Wir sind bestürzt über die offenkundige Gewaltbereitschaft und den eklatanten Mangel an Zivilcourage in der Bevölkerung, der wir selbst angehören. Wir sind entsetzt über das Sprachversagen großer Teile der Politik, über den kalkulierten Opportunismus selbst staatlicher Organe, über die dienstfertige Vergesslichkeit, als gäbe es kein Gestern oder Morgen. Wir rufen auf zum Innehalten. Wir brauchen eine kulturelle Selbstbesinnung. Wir fordern ein zivilisatorisches Minimum an Achtung und Respekt, Solidarität und Empathie.
„Nur um der Hoffnungslosen willen ist uns die Hoffnung gegeben.“ Walter Benjamin, auch ein gewaltvertriebener Flüchtling, hat das in anderen kalten Zeiten gesagt. Wer Menschlichkeit will, muss Flagge zeigen. Wir rufen auf zum Widerstand gegen Gewalt und zum aktiven Engagement für ein wertebasiertes Miteinander.
Remscheid und Berlin, den 13. September 2018
Vorstand und Geschäftsführung der Bundesvereinigung
Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V. (BKJ)
Unterstützer*innen
Liste der Unterstützer*innen des Aufrufs
Kirsten Witt, Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung, Grundsatzreferentin/Stellv. Geschäftsführerin, Remscheid
„Wenn undemokratische Parteien erst einmal demokratisch gewählt wurden, wenn rechtsgerichtete Gruppen erst einmal ihre Vertreter*innen in Entscheidungspositionen platziert haben, dann wird es sehr schwer, der Dynamik ihrer undemokratischen Macht etwas entgegen zu setzen. Darum müssen wir jetzt handeln.“
Alexander Wenzlik, Spielen in der Stadt e. V., Vorstand, München
Jens Redmann, Torgauer Kunst- und Kulturverein, Jugendkunstschule im Leipziger Land, Vorstand, Torgau
„Es ist nicht hinnehmbar, wenn die Erfahrungen aus der jüngeren (deutschen) Geschichte unbeachtet bleiben!“
Juergen Mol, Remscheid
Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur e. V. (GMK), Bielefeld
Uwe Schmidt, BRAKULA, Geschäftsführung, Hamburg
Jugendkunstschule Wanne-Eickel e. V., Herne
Nora Ueberhorst, Leipzig
Christine Brieger, Deutscher Museumsbund e. V., Projektleitung, Berlin
Daniela Fichte, freiberufliche Theaterpädagogin, Hannover
Caroline Skibinski, freiberufliche Kulturmanagerin, Köln
Zirkus gestaltet Vielfalt, Hannover
Anne Lemberg, die gelbe Villa – Stiftung Jovita, Geschäftsführerin, Berlin
Karl Ermert, Arbeitskreis Musik in der Jugend e. V., Ehrenvorsitzender, Wolfenbüttel
„Es ist der Charakter der Deutschen, daß sie über allem schwer werden, daß alles über ihnen schwer wird." – Johann Wolfgang von Goethe
Sven Sauter, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, Akademischer Rat, Ludwigsburg
„Jeder Mensch hat das Recht, Rechte zu haben – das ist nach Hannah Arendt die Perspektive, die es (immer wieder) zu verteidigen gilt. Ohne dieses Recht wird kein Leben in Würde möglich sein und die Versöhnung von Freiheit und Gleichheit kann nur so gelingen ...“
Katja Wickert, Ins Blaue / Kulturwerkstatt – Verein für kulturelle Bewegung e. V., Projektmanagement/bildende Künstlerin Remscheid
„Danke für den Aufruf und die Möglichkeit für entsprechende Projekte Unterstützung zu bekommen. Wir sind dabei!
‚Langsam verbreiten die Kreise die Botschaft.‘ – Arthur Feldmann“
Panama Bildungshaus, Cuxhaven
„Freiheit und Toleranz Andersdenkender ist ein hohes Gut, das in einer Demokratie auch in schwierigen politischen Zeit von uns allen verteidigt werden muss. Die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder steht vielleicht auf dem Spiel. Lasst es uns tun und unsere freiheitlich-demokratischen Grundrechte gegenüber Provokateuren anderer Idiologien verteidigen, indem wir Ihnen öffentlich entgegentreten und gegen Gewalt und Diskriminierung friedlich, aber überzeugend eintreten.“
Gerhard Menrad, Anne-Frank-Gemeinschaftsschule und Realschule, Schulleiter, Stuttgart
Andreas Genschel, Musiker, Leichlingen
Daniela Kniche, FamZ & KiTa Niehler Elternverein e. V., Kita-Leitung, Köln
Barbara Kantel, Theater, Dramaturgin, Hannover
Diana Weishaupt, Oschatz
Andreas Bentrup, Landesverband Theaterpädagogik Niedersachsen e.;nbsp;V., Leitung Projektbüro, Hildesheim
Daniel Deppe, Berlin
LKJ Sachsen e. V., Leipzig
Svenja Lanz, Freiburger SchulprojektWerkstatt, Freiburg i. Br.
Ulrike Heymann, Theartic e. V., Künstler. Leitung + Geschäftsführung, Emden
Tom Bayer, IB Südwest gGmbH für Bildung und soziale Dienste, Leiter Soziale Arbeit Pfalz/Saarland, Pirmasens
„MenschSein stärken!“
Farsaneh Samadi, Initiative Mehrsprachigkeit e. V., 1. Vorsitzende, Lübeck
Martin Brück, Lehrer und Mitarbeiter am Landesinstitut Hamburg, Hamburg
Olders Consult, Viersen
„Wenn nämlich die Ungerechtigkeit bewaffnet ist, so ist sie am allergefährlichsten.“ – Aristoteles
Dies scheint aktuell insbesondere für „gefühlte, erfundene“ Ungerechtigkeiten zu gelten.“
Inga Voigt, Leipzig
Ursula Togo, Kiel
Porf. Dr. Michael Obermaier, Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Studiengangsleiter Kindheitspädagogik, Köln
Anja Piontek, Würzburg
Klaus Lehmkuhl, Gitarrenlehrer, Hamburg
Alina Dylka, Kiel
Annelie Ohl, Pädagogische Koordination FSJ Kultur Hessen, LKB Hessen e. V., Frankfurt
„Menschenrechte statt rechte Menschen!“
Corinne Eichner, STADTKULTUR HAMBURG, Geschäftsführung, Hamburg
Bundesverband Theater in Schulen e. V., Nürnberg
Gudrun Raschke-Ziegler, Hattersheim am Main
Johannes Köper-Braun, Köln
Petra Adam, Wiesbaden
„Ich bin 1957 geboren, meine Mutter war Flüchtlingskind aus Ostpreußen. Sie wurde damals mit ihrer Mutter nach Mannheim ‚verortet‘. Mein Vater kam nicht gegen seine Mutter an: ‚Das Flüchtlingskind heiratest du mir nicht!‘ Die Flüchtlinge nehmen uns alles weg.“
Lobosch Pannewitz, Berlin
Lars Frick, Lörrach
Maren Ranzau, Kulturschaffende, Mainz
Ulrike Schmid, VHS Regensburger Land e. V., Geschäftsführerin, Neutraubling
Michael Fleckenstein, Bildungsmanager, Aschaffenburg
Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Baden-Württemberg, Stuttgart
„Wir sind dazu aufgefordert, das Denken in ‚Freund‘ und ‚Feind‘ zu überwinden und uns mit unseren Möglichkeiten gemeinsam an die Bearbeitung der drängenden Gesellschaftlichen Fragen zu machen, die aus Globalisierung, Digitalisierung und Individualisierung entstehen.“ – Prof. Dr. Markus Kosuch, 1. Vorsitzender der LKJ Baden-Württemberg im Geleitwort der Publikation „Vom Mut weiterzugehen – Kulturelle Bildung mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg“
Susanne Rehm, Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Baden-Württemberg, Geschäftsführerin, Stuttgart
Agnes Will, Stuttgart
Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Niedersachsen, Hannover
Tobias Schuh, Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung, Referent, Remscheid
Lorenz Overbeck, Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände, Geschäftsführung, Trossingen
„Die Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände, die über die angeschlossenen Mitgliedsstrukturen ca. 2 Millionen Menschen in Deutschland vertritt, die in ihr miteinander musizieren, schließt sich diesem Aufruf an! Denn Musizieren bedeutet zu kommunizieren, zuhören und gegenseitige Rücksichtnahme – über sprachliche Barrieren hinweg. Gleichzeitig sind die meist ehrenamtlich geführten Ensembles demokratisch als Verein organisiert und tragen dazu bei, die Gesellschaft sozial zusammenzuhalten.“
Linda Krockenberger, Stuttgart
Anja Fuhrmann, Stuttgart
Christoph Brammertz, Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung, Referent für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, Remscheid
Horst Schumacher, Lesepate im Kindergarten; ehemals u.a. Politiklehrer, Stade
„Das Interesse, der ‚Demokratie in Not‘ in der Hinsicht zu helfen, dass diese wirklich entsetzliche Not gelindert bzw. möglichst gänzlich beseitigt wird. ist leider, trotz vielen anerkenneswerten Bemühungen von vielen Seiten, nicht besonders ausgeprägt. Ich habe leider auch keine Lösung parat, wie das zu ändern wäre.“
Petra Schmitz, Dokumentarfilminitiative im Filmbüro NW, Filmvermittlerin/Journalistin, Bochum
theaterkunst.koeln, Köln
„Unterschiede sind unser Reichtum
Gemeinsamkeit ist unsere Hoffnung“
Anna Freri, Hildesheim
Bernardo Coloma, Lehrer, Theaterregisseur und Choreograph, Berlin
Marianne Malten, Barsinghausen
„Bei uns im Ort fand kürzlich die Bundesversammlung der AfD-Jugend statt. Wer sind die Jugendlichen, die dort hingehen? Was geht in ihnen vor? Welche Hobbys haben sie? Einen so großen Polizeieinsatz hatte die kleine Stadt noch nicht gesehen. Und eine so bunte Demo selten.
Wer bin ich, wenn ich mich nicht traue, einen Bettler anzusprechen, um ihn nach seiner Geschichte zu fragen?“
Karl Ermert, Arbeitskreis Musik in der Jugend e. V., Ehrenvorsitzender, Wolfenbüttel
Frank Röpke, Junges Theater Münster, Leitung, Münster
Simone Holt, Kulturvermittlerin und Kuratorin, Wiesbach/Pfalz
Wolfgang Endres, Studienhaus am Dom, Referent in der Lehrerfortbildung, St. Blasien
„Wenn der Wecker schrillt, heißt es aufstehen. Wer den Wecker nicht hört, verpennt. ‚Demokratie in Not‘ ist ein Weckruf.“
Barbara Glock, AsB, Kitaleitung, Frankfurt
Helden wider Willen e. V., Leipzig
„Safe space, create trust, welcome people! Do It Yourself and Do It Together. Democracy now!“
Wolfgang Miller, Schulleiter i.R., München
„Demokratie muss von den Bürgern getragen werden. Die Jugend ist jetzt und wird in Zukunft zahlreichen Angriffen auf die Demokratie ausgesetzt sein. Denen wird sie nur widerstehen können, wenn sie schon in jungen Jahren die Bedeutung erfahren hat und gelernt hat sie zu leben. Ein wichtiger Lernort dazu ist unter anderem die Schule.“
Dahna Menner, MUTIK gGmbH, Studentin, Berlin
Andrea Hingst, Theatermacherin, Hamburg
Lucille Steinhilber, Berlin
Susann Schönburg, Break Art Studios, Kulturwissenschaftlerin, Projektkoordinatorin und Tänzerin, Leipzig
„Gemeinsam Tanzen bedeutet für mich, sich auf Augenhöhe zu begegnen, kennenzulernen, gegenseitig zu inspirieren und gleichzeitig zu respektieren. Mit Worten scheint es viel schwerer geworden zu sein.“
Gunda Wichmann-Zahn, SPIELRÄUME - Spielerisch die Welt begreifen, Projektleiterin und Designerin für die Bildung, Berlin
„Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist. Und er ist nur dort ganz Mensch wo er spielt.“ (Friedrich Schiller)
awa|Begegnungsprojekte, Bremen
Zentrum für Interkulturelle Musik, Kassel
„Für den INTERKULTURELLEN Dialog & (inter-)kulturelle Bildung“
ONG Huenusu, Za-Kpota, Benin
Mailin Choy, Frankfurt am Main
Karin Schröder, Sozialarbeiterin/Demokratieaktivistin, Sundern
Unsere Demokratie ist eine der besten weltweit, doch sie hatte von Anfang an einige Webfehler. Im Zusammenhang mit den negativen Folgen einer verfehlten Politik mit der Privatisierung der staatlichen Daseinsvorsorge, der Globalisierung und der neuen Technologie kommen diese massiv zum Tragen. Unsere Demokratie hat nun sichtbare Löcher. BürgerInnen sind gefordert wie nie mitzudenken und sich für die Weiterentwicklung unserer Demokratie, mithin für das Gemeinwohl, einzusetzen.
C. Thiess, Wannweil
Fokus Tanz, München
Theaterschule Flensburg, Flensburg
Johannes-Albers-Bildungsforum gGmbH, Königswinter
„Verschiedenheit ist kein hinreichender Grund für Ausgrenzung. Ähnlichkeit keine notwendige Voraussetzung für Grundrechte. (...) Menschenrechte sind voraussetzungslos. Sie können und müssen nicht verdient werden.“ – Carolin Emcke, Dankesrede für den Friedenspreis des deutschen Buchhandels, 2016
Büro Freiheit, Köln
Wir sind erst dann Mensch, wenn wir Mensch sind. Mit Hirn, Herz und Knie.
Eva Kirbisch, Langenfeld
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