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Tagungsbericht

Trinationale Fachtagung „Die Kunst der Partizipation - Jugendbeteiligung im internationalen Austausch in und mit den Künsten"

15.-18.10.2015, Paris

06.08.19

Vom 15.-18.10.2015 organisierte die BKJ zusammen mit Ihren Kooperationspartnern eine trinationale Fachtagung zum Thema "Die Kunst der Partizipation - Jugendbeteiligung im internationalenm Austausch in und mit den Künsten".

Odile Bourgeois

Gemeinsam mit den Kooperationspartnern Ligue Française de l´Enseignement, Fédération Régionale des Maisons des Jeunes et de la Culture en Ile-de-France, Sächsische Jugendstiftung und Fundacja ARTE EGO lud die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V. (BKJ) von 15. bis 18. Oktober 2015 zur Deutsch-Französisch-Polnischen Fachtagung „Die Kunst der Partizipation – Jugendbeteiligung im internationalen Austausch in und mit den Künsten“ ein.

Wie funktioniert Partizipation in einer internationalen Partnerschaft? Wie gestaltet man eine partizipative Jugendbegegnung? Wie lässt sich Partizipation in der Kulturellen Bildung umsetzen und mit künstlerischen Qualitätsansprüchen vereinbaren? Welche historisch gewachsenen Strukturen und Institutionen existieren in den drei Ländern und wie wirken sich unterschiedliche Begriffe und Verständnisse von Partizipation und Kulturpädagogik auf die internationale Zusammenarbeit aus? Diesen Fragen ging die trinationale Fachtagung des Netzwerks jugend.kultur.austausch nach und näherte sich – dem Charakter und der Bedeutung der internationalen Jugendaustauscharbeit als Querschnittsaufgabe entsprechend – damit dem BKJ-Jahresthema „Partizipation und Veränderung“ aus dem Blickwinkel des internationalen Jugendkulturaustauschs im Weimarer Dreieck. Ziel der Tagung war es, Akteure der kulturellen und künstlerischen Bildung und der internationalen Arbeit in Deutschland, Polen und Frankreich zu vernetzen und in den Austausch zu bringen, sie zu Ideen- und Knowhow-Transfer anzuregen und dabei für kulturelle Unterschiede und nationale Besonderheiten zu sensibilisieren. Rund 30 Organisationen aus den drei beteiligten Ländern nahmen an der Tagung teil und vertraten dort eine Vielfalt von Kunstsparten und Arbeitsmethoden. 
 

Partizipation im internationalen Jugendkulturaustausch

Dass Partizipation in internationalen Jugendbegegnungen mehr als nur Schlagwort der Antragslyrik ist, betonte Sandra Schmidt, stellvertretende Referatsleiterin für Hochschulbildung beim Deutsch-Französischen Jugendwerk, in ihrem Statement. Sie stellte die neue Strategie für Partizipation und Diversität des Deutsch-Französischen Jugendwerks vor: Nach einer Richtlinienänderung kann das DFJW eine spezielle Förderung für Gruppenaustauschprojekte gewähren, an deren Planung und praktischer Organisation die jugendlichen Teilnehmer*innen eingebunden und konkret beteiligt sind. Zugleich betonte Sandra Schmidt die Bedeutung Polens als Drittland im deutsch-französischen Jugendaustausch.

Partizipation in internationalen Begegnungen ist zugleich Ansatz, Methode und Ziel. Sie findet immer auf unterschiedlichen Ebenen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten statt: Auf institutioneller und personeller Ebene, im Leitungsteam ebenso wie zwischen Organisator*innen und Teilnehmenden vor, nach und während einer konkreten Begegnung. Dies setzt bei allen Beteiligten Kompetenzen voraus und Lernprozesse in Gang. Somit ist Partizipation im internationalen Austausch ein ständiger und langanhaltender Prozess. Sie ist abhängig von den jeweiligen Strukturen vor Ort, wirkt aber zugleich auf diese zurück. Dieses Spannungsfeld nahm die trinationale Fachtagung in den Blick und wollte zeigen, dass internationale Jugendarbeit durch ihre veränderten Rahmenbedingungen und ihre zeitliche Begrenzt- und Strukturiertheit auch als Modell und Experimentierfeld für das Erproben partizipativer Herangehensweisen dienen kann. 
 

Kulturelle Unterschiede, nationale Besonderheiten 

Unumgängliche Grundvoraussetzung dafür ist im internationalen Bereich eine Begriffsverständigung über unterschiedliche Bedeutungen von „Partizipation“ und „Kultureller Bildung“ ebenso wie Besonderheiten des Feldes in den verschiedenen Ländern. Jedoch entziehen sich die Begriffe in jedem Land und allen drei Sprachen einer eindeutigen Festschreibung. So existiert, wie Philippe Auzet von der Ligue de l'Enseignement darlegte, in Frankreich die Kulturelle (Jugend-)Bildung nicht explizit als solche, vielmehr wird sie als immanenter Teil der éducation populaire gesehen, die als nonformale Bildung für alle Altersgruppen zugleich auch die politische, zivilgesellschaftliche, sportliche und künstlerische Bildung umfasst und stark von den Zielsetzungen der Inklusion und sozialen Kohärenz sowie des lebenslangen Lernens geprägt ist. In Deutschland hat sich, so Katrin Gödeke vom Bundesverband der Deutschen Jugend in Europa, ausgehend von einem erweiterten Kulturbegriff auch ein weitgefasster Begriff der Kulturellen Bildung durchgesetzt, der über die rein künstlerisch-ästhetische Bildung hinaus Teilhabe an der kulturellen Praxis, also dem künstlerisch-kulturellen Geschehen einer Gesellschaft, anstrebt. Kulturelle Bildung als konstitutiver Bestandteil von allgemeiner Bildung vertritt einen produktiven statt rezeptiven pädagogischen Ansatz und ist geprägt von konzeptioneller Vielfalt. In Polen wiederum wird die die Diskussion um eine genaue Begriffsbestimmung und -abgrenzung zwischen edukacja artystyczna und kulturalna bzw. kulturowa (künstlerische vs. kulturelle Bildung), also um einen engen oder weiten Kulturbegriff erst noch geführt. Dagna Gmitrowicz von der Fundacja ARTE EGO zufolge spielt die Frage der Wahrnehmung und Wertung von Hoch- vs. Breiten- und Subkultur(en) dabei eine große Rolle und damit auch die Frage des Zugangs zu (Hoch-)Kultureinrichtungen (und dies nicht nur aus der Perspektive der Rezipienten). Gleichzeitig entsteht mit der dem Aufkommen und der Entwicklung der animacja kultury/społeczno-kulturalna (näherungsweise Kulturpädagogik) ein neuer Typus von Einrichtungen, die oft in einem lokalen Umfeld im Schnittfeld von Kultur- und Sozialarbeit tätig sind. Hier ist eine nachholende Entwicklung bei der Entstehung zivilgesellschaftlicher Strukturen zu konstatieren, zugleich lassen sich interessante Parallelen zur Entstehung des Soziokultur-Begriffes und entsprechender Einrichtungen in den 1970er Jahren in Deutschland ziehen. Die zugehörigen Berufsbilder sind dabei nicht eindeutig voneinander abgegrenzt und noch vergleichsweise wenig professionalisiert, so dass in allen drei Ländern in der Akteursperspektive eine hohe Zahl von Ehrenamtlichen, Quereinsteiger*innen, Honorarkräften in prekären Beschäftigungsverhältnissen, Künstler*innen und anderen „Überzeugungstäter*innen“ zu konstatieren ist. Während jedoch in Frankreich und Deutschland die Landschaft durch starke nationale Dachverbände geprägt ist, die eine Expertenfunktion und Lobbyarbeit übernehmen und dabei als anerkannte Partner für Politik und Verwaltung fungieren, sind in Polen keine entsprechenden Strukturen vorhanden.
 

Diffuse Begriffe

In noch viel stärkerem Maße als Kulturelle Bildung ist Partizipation ein diffuser Begriff. Daher war es weder Aufgabe noch Ziel der Konferenz, hier eine allgemeinverbindliche Definition zu präsentieren oder zu erarbeiten, sondern vielmehr die zahlreichen unterschiedlichen Facetten der beiden Begriffe zu beleuchten und diese praxisnah aus der Perspektive der Jugend(austausch)arbeit zu betrachten. Dementsprechend ist im Feld der Kulturellen Bildung in den drei Ländern wie auch im internationalen Jugendkulturaustausch eine große Bandbreite von Einrichtungen, Ansätzen und Methoden zu beobachten, die sich eindrucksvoll in den Präsentationen der Einrichtungen wie auch der Projekte der Teilnehmer*innen zeigte. Methoden kultureller und künstlerischer Bildung finden Eingang in Vorhaben mit dezidiertem Schwerpunkt in der politischen Bildung oder auch der Entwicklungszusammenarbeit: Die Übergänge zwischen kreativer Partizipation am künstlerischen Prozess und der politischen Partizipation mittels kultureller Ausdrucksformen und künstlerischer Interventionen sind also fließend – als Beispiel sei hier das „Theater der Unterdrückten“ genannt.

Selbstverwaltete, alternative Kultur- und Projekträume entwickeln und erproben offene, hierarchiefreie Entscheidungsfindungsstrukturen und schaffen Raum für Kunst und Kultur „von unten“. Internet und E-tools eröffnen neue Ansätze und Themen in der Medienbildung, verbinden das Lokale mit dem Globalen und sprechen unterschiedliche Altersgruppen gleichermaßen an. Und auch die Kulturelle Bildung muss sich aktuellen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen stellen: Etwa mit Blick auf Inklusion oder den Umgang mit zunehmend heterogenen Gesellschaften. In der Arbeit mit Geflüchteten stellt sich die Frage nach Teilhabe und Mitwirkung der „Betroffenen“ auf Augenhöhe in seltener Deutlichkeit, doch gilt die Maxime einer individuellen Wahrnehmung und Herangehensweise auch in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung oder anderen sogenannten „benachteiligten“ Zielgruppen. 
 

Praktisch und konkret

Fünf praxisorientierte Workshops befassten sich eingehender mit einzelnen Aspekten von Partizipation in der internationalen Jugendkulturarbeit: mit der partizipativen Zusammenarbeit in internationalen Teams, mit der Begegnungsplanung und Programmgestaltung unter Gesichtspunkten, die reale Mitbestimmung ermöglichen, mit sinnvollen e-Tools in der Arbeit mit Jugendlichen, aber auch mit der Frage nach der Vereinbarkeit von Partizipation und künstlerischer Qualität. Hier konnten die Teilnehmenden neue partizipative Methoden entdecken, diskutieren und ausprobieren, die Erfahrungen ihrer eigenen Arbeit reflektieren und realistische, umsetzbare Entwicklungsperspektiven für die Zukunft erarbeiten. Gute Praktiken und unerlässliche Gelingensbedingungen der partizipativen Arbeit mit Jugendlichen standen auch bei der Besichtigung von Pariser Einrichtungen Kultureller Bildung in Mittelpunkt.

Den Abschluss der Tagung bildete ein Open Space zu spezifischen Aspekten von Partizipation in der kulturellen Bildung und internationalen Jugendarbeit. Dabei konnten die Teilnehmenden ihre eigenen Fragestellungen formulieren, diskutieren und bearbeiten. So ging es zum Beispiel um Strategien im Umgang mit Konflikten oder mit geschlossenen Strukturen in Politik und Verwaltung, um die Gestaltung von Angeboten der kulturellen Bildung für und mit der Zielgruppe Geflüchtete, um Grundvoraussetzungen partizipativer Gruppenprozesse und der Evaluation gelungener Partizipation, um Perspektiven für die nachhaltige Sicherung partizipativer Projekte, um die Problematik von Alibi-Partizipation in Jugendprojekten, aber auch um die theoretisch-begriffliche Abgrenzung von künstlerischer Bildung, partizipativen Ansätzen und Sozialarbeit.

Die Ergebnisse der einzelnen Diskussionsgruppen dienten als Ausgangspunkt für die Abschlussdiskussion: „Wie können wir partizipative Jugendarbeit und kulturellen Austausch im Weimarer Dreieck voranbringen?“. Dabei entstanden aus einer praxisorientierten Perspektive konkrete Anregungen für zukünftige internationale Projekte und Arbeitsmethoden in der Kulturellen Bildung, etwa für ein Zirkus-Feriencamp in der deutsch-polnischen Grenzregion, aber auch die Gründung eines Multiplikator*innen-Netzwerkes oder eine Fortbildung für Fachkräfte zum Thema ziviler Ungehorsam. Darüber hinaus bot die Konferenz zahlreiche Gelegenheiten zum informellen Ideen- und Erfahrungsaustausch, die die Teilnehmenden für intensive Gespräche auch im Hinblick auf künftige potentielle Kooperationen zum bilateralen oder trilateralen Jugendkulturaustausch nutzten. In allen drei Ländern ist das Interesse an Austausch, Vernetzung und neuen Kooperationen ungebrochen hoch. Die Tagung leistete somit einen wichtigen Beitrag zur grenzüberschreitenden Aufstellung des Feldes Kultureller Bildung im Weimarer Dreieck.

Die Tagung konnte dank der finanziellen Unterstützung des DFJW und der Sächsischen Jugendstiftung durchgeführt werden.

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Zitiervorschlag

BKJ: Trinationale Fachtagung „Die Kunst der Partizipation - Jugendbeteiligung im internationalen Austausch in und mit den Künsten"
https://www.bkj.de/internationales/deutsch-franzoesischer-jugendkulturaustausch/wissensbasis/beitrag/trinationale-fachtagung-die-kunst-der-partizipation-jugendbeteiligung-im-internationalen-austausc/
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