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Interview
Zwischen Medien, Kunst und Bildung: Wie digital ist Kulturelle Bildung?
Im Gespräch mit Mirjam Gaffran, Co-Leiterin des uzwei im Dortmunder U ‒ Zentrum für Kunst und Kreativität und Marten Duck, freier Medienpädagoge
20.08.24
Die digitale Transformation hat auch Kulturelle Bildung verändert. Welche Erfahrungen gibt es, Digitalität zu integrieren und welche Schritte müssen kulturelle Akteur*innen gehen, um Kulturelle Bildung und Digitalität enger zu verknüpfen, insbesondere mit dem Ziel der kulturellen Teilhabe?
Interview: Maxi Süß
Marten Duck arbeitet als freiberuflicher Medienpädagoge. Seine Themenschwerpunkte sind handlungsorientierte Medienbildungsangebote, Digitalisierungsstrategien, mediendidaktische und allgemeine Fachberatung im Kontext von Medien, Bildung und digitaler Transformation.
Foto: Jan Lahitte
Mirjam Gaffran gehört zum Leitungsteam des uzwei im Dortmunder U ‒ Zentrum für Kunst und Kreativität. Mit dem uzwei-Team engagiert sie sich in der Kulturellen Bildung für das Zusammenleben mit Kunst, Digitalität und Experimentierfreudigkeit.
Foto: Hannes Woidich
Wie bewerten Sie das Selbstverständnis der Kulturellen Bildung in Bezug auf die Integration des digitalen Wandels in allen Bildungsprozessen?
Mirjam Gaffran: Der digitale Wandel ist automatisch Teil der Kulturellen Bildung, denn Kulturelle Bildung bezieht sich immer auf die Gesellschaft und auf die Kultur, in der wir leben. Die digitale Entwicklung gehört dadurch schon lange dazu, sei es in unserer Kommunikation, in der Musik, Filmen oder Fotos. Digitalität bringt sehr viele Methoden mit und auch Chancen, die ich als junger Mensch nutzen kann, um von mir zu erzählen, die Gesellschaft mitzugestalten, meinen Beitrag zu leisten. Gleichzeitig kann ich mir dadurch auch Fähigkeiten aneignen, die wichtig für mein weiteres Leben sind.
Marten Duck: Ja, daran kann ich anknüpfen. Medienpädagogik ist eng mit Kultureller Bildung verbunden. Der digitale Wandel, besonders durch die Pandemie beschleunigt, stellt eine Herausforderung dar. Während der Pandemie wurde versucht, digitale Bildung intensiv voranzutreiben, doch postpandemisch stehen wir vor der Aufgabe, zurück in bekannte Strukturen zu finden und gleichzeitig digitale Errungenschaften zu bewahren. Die Kulturelle Bildung muss sich kontinuierlich an die rasanten technologischen Veränderungen anpassen, obwohl das oft schwierig ist. Plötzlich ist da das Thema KI und das ist wiederum eine neue Herausforderung. Ich glaube, Kulturelle Bildung trägt dem digitalen Wandel in Bildungsprozessen durchaus Rechnung, aber in der Geschwindigkeit, in der sich das Ganze vollzieht, kann gerade niemand mithalten – auch die Kulturelle Bildung nicht.
Wie lassen sich die Entwicklungen analog-digitaler Bildungsformate an der Schnittstelle von Kunst und Medien der vergangenen fünf Jahre nachzeichnen? Und was hat sich bewährt oder etabliert?
Mirjam Gaffran: Wir hatten die Corona-Pandemie, in der erzwungenermaßen viel ausprobiert wurde. Aber da ist auch immer dann die Frage: Worauf bezieht sich diese Digitalität? Setze ich damit Dinge um oder ist es das Mittel, einen Workshop durchzuführen, der auch analog funktionieren würde? Die Lehrmethoden passen sich langsam an, wenn wir auf die technische Verbreitung schauen. Computer sind nicht erst seit gestern auf dem Markt, Handys auch nicht, aber erst jetzt haben wir zum Beispiel in Dortmund flächendeckend eine iPad-Versorgung an den Schulen. Die große Herausforderung bleibt, wie diese Technik sinnvoll im Bildungsalltag genutzt werden kann. Studien und langfristige Erkenntnisse fehlen noch. Wir brauchen Menschen, die einen reflektierten Umgang mit den Medien praktizieren, die Kompetenz entwickeln, sich zu regulieren und die Informationsflut, die Medien mit sich führen, durchblicken zu können. Wir als uzwei setzen seit über einem Jahrzehnt auf Kunst und Medien und fördern den Austausch und das Ausprobieren neuer Formate. Die vergangenen Jahre waren geprägt von Experimentieren und Anpassen digitaler Bildungsformate.
Marten Duck: Die Corona-Pandemie war ein Kickstart für die Digitalisierung. So blöd das klingt. Während der Pandemie hat sich die Kulturelle Bildung schnell an die neuen Umstände angepasst. Digitale Tools und Plattformen wie Zoom und kollaborative Online-Arbeit wurden etabliert und sind nun Teil des Alltags. So ist eine neue Form der Arbeitskultur entstanden, die nicht mehr wegzudenken ist. Auch wenn es jetzt an einigen Stellen wieder Bestrebungen gibt, diese Errungenschaften aufzulösen, haben wir gelernt, eben diese auch in unserer kreativen Freiheit zu schätzen und zu nutzen. Diese Learnings stärker in den Fokus zu nehmen, finde ich spannend.
Wir brauchen Menschen, die einen reflektierten Umgang mit den Medien praktizieren, die die Kompetenz entwickeln, sich zu regulieren und die diese Informationsflut, die Medien mit sich führen, durchblicken können.
Mirjam Gaffran
Inwieweit übernehmen Akteur*innen der Kulturellen Bildung aus Ihrer Sicht die Verantwortung für analog-digitale kulturelle Teilhabe und Barrierefreiheit und was ist der Status Quo?
Mirjam Gaffran: Klar ist, dass Institutionen die Verantwortung tragen, möglichst barrierefrei zu arbeiten und möglichst vielen Menschen Teilhabe ermöglichen. Der Status quo ist da. Eine große Frage ist immer: Wie divers ist mein Publikum? Und wir sind auf dem Weg, mit Initiativen und Vereinen daran zu arbeiten, dass unser Publikum diverser wird. Zusätzlich gibt es andere Herausforderungen, wie besispielsweise der Zugang zur Technik. Ermöglicht man Teilhabe, indem man jemanden per Zoom dazuschaltet? Oder heißt Teilhabe, möglichst viele Menschen zu erreichen und in die kulturellen Einrichtungen zu bringen? Wir bieten nach der Pandemie noch einige digitale Workshops an, aber die Nachfrage ist geringer. Es gibt Bedarf, sich zu sehen und zu treffen.
Marten Duck: Ein wichtiger Aspekt ist auch die Nutzung einfacher Sprache, die sich mittlerweile etabliert hat und die Unterstützung durch KI-Tools, wie Echtzeit-Transkriptionen bei Zoom. Diese technischen Hilfsmittel erleichtern die Teilhabe. Die Herausforderung liegt jedoch in der Individualisierung der digitalen Räume. Früher, in den 90ern hat man seine Zielgruppe an der Bushaltestelle im Dorf gefunden. Junge Menschen bewegen sich jetzt in vielfältigen digitalen Räumen, was es wesentlich komplizierter macht, sie zu finden. Die Kulturelle Bildung muss sich an diese Dynamik anpassen und Wege finden, junge Menschen in ihren Lebensrealitäten zu erreichen.
Ich glaube, Kulturelle Bildung trägt dem digitalen Wandel in Bildungsprozessen durchaus Rechnung, aber in der Geschwindigkeit, in der sich das Ganze vollzieht, kann gerade niemand mithalten – auch die Kulturelle Bildung nicht.
Marten Duck
Welchen Schritt müssen Akteur*innen aus Ihrer Sicht als Nächstes machen, um Kulturelle Bildung, Digitalität und Teilhabe zu verbinden?
Marten Duck: Fortbildung ist essenziell. Wir müssen mit offenen Augen durch die Welt laufen und experimentell und praxisorientiert gucken, was funktioniert. In Zeiten, in denen die Unsicherheiten mit Kriegen, AI, Fake News, Klimakatastrophen, etc. so immens auf die junge Generation einwirken, müssen kulturelle Akteur*innen die Wirksamkeit in den Vordergrund stellen, Handlungsoptionen aufzeigen und damit eine gewisse Selbstsicherheit an die Hand geben.
Mirjam Gaffran: Ich stimme dir da voll zu und ergänzend dazu, finde ich es wichtig im Austausch mit jungen Menschen zu bleiben. Sie sind die Expert*innen ihrer Medien. Wir müssen sie ernst nehmen und können sie animieren, diese Gesellschaft aktiv mitzugestalten. Genau da könnten wir als Kulturelle Bildung unterstützend wirken, wenn wir sie begleiten und ihnen Wege aufzeigen oder auch kreative Perspektivwechsel anbieten.
Marten Duck: Wir sollten uns unbedingt auch vom Begriff „Digital Natives“ verabschieden. Junge Menschen erwerben nicht einfach mit ihrer Geburt eine Medienkompetenz. Was sie aber haben, ist natürlich eine Nutzerkompetenz, zum Beispiel dadurch, dass sie Interessengeleitet handeln. Zusätzlich haben sie mehr Zeit und viel weniger Risikobewusstsein. Im Bildungskontext bedeutet das auch eine neue Hierarchie der Bildung. Wissen ergänzt sich. Die Expertise ist mal hier, mal da. Wir müssen in unsere Bildungsvorstellung von Bildungsräumen, die wir gestalten, mit einbeziehen, dass das durchaus ein Hin und Her und etwas Gegenseitiges ist.
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