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Position
Bedrohte Infrastruktur Kultureller Bildung schützen – Fachkräfte, Einrichtungen und Angebote absichern
30.03.20
Akteure der Kulturellen Bildung erreichen täglich über fünf Millionen junge Menschen. Diese Infrastuktur ist in ihrer Existenz bedroht. In dieser Stellungnahme fordert die BKJ Unterstützung, damit Angebote Kultureller Bildung jetzt und auch noch in Zukunft Kinder und Jugendliche stärken können.
Foto: Carola68 | Pixabay
Die in der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) zusammengeschlossenen gemeinnützigen Einrichtungen, Träger und Initiativen mit ihren bundesweit engagierten Akteuren, freiberuflich Tätigen sowie bundes- und landesweiten Fachstrukturen gewährleisten mit ihrer Arbeit ein umfassendes Angebot kultureller Kinder- und Jugendbildung. Im außerschulischen Bereich sowie als Partner von Schulen bzw. Ganztagsschulen erreichen sie jeden Tag mehr als fünf Millionen junge Menschen. Diese Infrastuktur ist in ihrer Existenz bedroht und muss unterstützt werden, damit Angebote Kultureller Bildung gerade jetzt und auch noch in Zukunft Kinder und Jugendliche stärken können.
Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder und Jugendliche
Theater spielen, mit der Band Songs schreiben, Breakdance, Ballett oder Jazz-Tanzen, Kinofilme schauen, im Chor singen, Museen, Konzerte, Festivals besuchen … für Kinder und Jugendliche sind kulturelle Ausdrucksformen im Alltag fest verankert: um Position zu beziehen, die Meinung zu sagen – und sich überhaupt erst eine Meinung zu bilden, sich zu orientieren, auch in schwierigen, verunsichernden Zeiten … Junge Menschen erfahren so ihre eigene Kreativität, ihre Stärken, schöpfen Mut und Vertrauen in sich selbst und andere.
Es ist daher gerade heute notwendig, diese grundlegende Infrastruktur der Jugendhilfe und des Kultur- und Bildungsbereichs zu unterstützen, damit sie trotz der existenzbedrohenden Krisensituation jetzt wichtige (digitale und andere kontaktfreie) Angebote für Kinder und Jugendliche machen kann. Die Träger, Einrichtungen und Angebote der Kulturellen Bildung wollen ihrer Verantwortung gerecht werden und neue Strategien entwickeln, die junge Menschen ermutigen und Kindern und Jugendlichen auch in unsicheren und verunsichernden Zeiten Orientierung, Sinn und Lebensfreude bieten.
Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Träger, Einrichtungen und Angebote
Die Mehrheit der gemeinnützigen Träger und Einrichtungen ist nicht oder nur zum Teil institutionell gefördert, sondern über Maßnahmen finanziert. Sie erhalten also für die Durchführung bestimmter Maßnahmen öffentliche Zuschüsse oder veranstaltungsbezogene Projektmittel aus Förderprogrammen.
Gravierender Verlust von Einnahmen durch Schließungen
Vor dem Hintergrund behördlich angeordneter Schließungen, Absagen oder Kontaktverbote fallen in erheblichem Umfang Kosten an, die träger- und einrichtungsseitig nicht gedeckt werden können. So fehlen auch Einnahmen wie Teilnahmebeiträge, Kursgebühren, Eintritte, (Leistungs-)Verträge mit Ganztagsschulen, auf die kulturelle Bildungseinrichtungen zur Deckung ihrer Haushalte angewiesen sind. Dadurch drohen den Trägern gravierende Einnahmeverluste, die nicht nur ihr Programmangebot, sondern die Existenz der Einrichtung bedrohen.
Auch freiberufliche Fachkräfte im Feld der Kulturellen Bildung (Theater-, Tanz-, Zirkus-, Kunst-, Kultur-, Spiel-, Museums-, Medienpädagog*innen etc.) verlieren derzeit ihre Einkommensmöglichkeiten und damit ihre Existenzgrundlage.
Kredite sind keine Lösung für gemeinnütziges Handlungsfeld ohne Rücklagen
Die oftmals prekäre Bezahlung freiberuflicher Fachkräfte verhindert die Bildung von Rücklagen, um Einnahmeausfälle bereits von wenigen Wochen aufzufangen. Überbrückungskredite sind für Solo-Selbständige auch keine Alternative vor dem Hintergrund, dass sie i. d. R. nicht genug verdienen, um diese später zurückzahlen zu können.
Auch Träger und Einrichtungen der Kulturellen Bildung dürfen als gemeinnützig anerkannte Träger keine Gewinne erzielen und nur im begrenzten Umfang Rücklagen bilden. Sie können also weder längere Einnahmeausfälle überbrücken noch Kredite aufnehmen. Ohne kompensatorische Unterstützungsmaßnahmen sind diese Träger gezwungen, von heute auf morgen Personal zu entlassen. Dies ist kontraproduktiv, denn ohne qualifizierte Fachkräfte kann es kein qualitativ hochwertiges und breites Bildungsangebot geben.
Langfristige Folgen für die Handlungsfähigkeit der Infrastrukturen
Vor dem Hintergrund des ohnehin bestehenden Fachkräftemangels besteht die Gefahr, dass diese Leistungsträger nach der Krise nicht wieder zurückgewonnen werden können.
Im Handlungsfeld der Kulturellen Bildung haben Einrichtungen und Akteure in den letzten Jahrzehnten schon am Limit ihrer Leistungsfähigkeit gearbeitet. Aufgrund der Unterausstattung der Infrastrukturen bei gleichzeitigem kontinuierlichen Zuwachs an neuen Aufgabenfeldern wie Ganztag, frühkindliche Förderung, Diversität, Digitalität, Demokratiebildung etc. sind seit langem Belastungsgrenzen erreicht, die nun deutlich überschritten werden. Die existenzbedrohende Coronavirus-Pandemie trifft daher die schon jetzt nicht gut abgesicherte Infrastruktur besonders stark. Neben dringend benötigten Soforthilfemaßnahmen bedarf es daher auch einer langfristigen Unterstützung beim Wiederaufbau der Strukturen.
Gefahr, aus dem Raster der Zuständigkeiten zu fallen
Kulturelle Bildung liegt in der Zuständigkeit verschiedener Ressorts wie Jugend, Bildung und Kultur. Zudem verorten sich Infrastrukturen und Maßnahmen der Kulturellen Bildung in kommunalen, landesweiten oder bundesweiten Förderinstrumenten wie dem Kinder- und Jugendförderplan des Bundes und Förderprogrammen wie z. B. „Kultur macht stark“. Damit besteht die Gefahr, dass Akteure bei konkreten Hilfsprogrammen einzelner Ressorts und Förderebenen aus dem Blickfeld geraten.
Die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung führt derzeit eine Befragung ihrer Mitglieder zu den Folgen der Corona-Krise unter Berücksichtigung der verschiedenen Förderebenen und Zuständigkeiten durch. Es wird schon jetzt davon ausgegangen, dass die Infrastruktur dieses für Gesellschaft, Kultur und Bildung unverzichtbaren Handlungsfeldes in großen Teilen zerstört werden könnte, wenn Rettungsmaßnahmen nicht konkret, schnell und langfristig greifen.
Fazit: Notwendige Unterstützungsmaßnahmen vonseiten der Politik
Zur Rettung des Handlungsfelds bedarf es Soforthilfen. Dabei gilt es zu prüfen, ob die schon auf den Weg gebrachten Hilfsmaßnahmen von Bund und Ländern wirklich kompatibel für das spezifische Feld der Kulturellen Bildung sind. Auch kann aktuell beobachtet werden, dass die einzelnen Förderer in den Ressorts und auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene sich bezogen auf die nachfolgend geforderten Hilfsmaßnahmen sehr unterschiedlich aufstellen.
Dringend notwendig für die Kulturelle Bildung sind:
- Bereits bewilligte Maßnahmen finanzieren, auch wenn sie nicht oder nur in reduziertem Umfang stattfinden können
- Förderverfahren an die aktuelle Notlage anpassen, z. B. vorzeitige Zurverfügungstellung von Mitteln, Verlängerung von Bewilligungszeiträumen etc.
- Förderfähigkeit von begründeten Stornierungskosten und Ausfallhonoraren für Freiberufler vonseiten der Institutionen, Schulen, Vereine u. a. Träger und Einrichtungen
- Bewilligung von laufenden Projektanträgen, wenn Chancen auf eine Durchführung bestehen
- Unkomplizierte Anerkennung neuer/alternativer (digitaler) Formate und damit verbundener Anschaffungs-, Entwicklungs- und Durchführungskosten
- Schaffen von Kompensationsmöglichkeiten für unterjährig noch zu beantragende Maßnahmen, deren Bewilligung in Aussicht stand bzw. üblicherweise erfolgt wäre
- Kompensation ausfallender Drittmittel und Eigenanteile durch einen Hilfsfonds
- Bestehende Hilfsfonds für Solo-Selbstständige so aufstellen, dass sie auch für freiberuflich Tätige in der kulturellen Jugendarbeit/Kulturellen Bildung zugänglich sind
Mit dem Hochfahren des öffentlichen Lebens sollte die Struktursicherung der frei gemeinnützigen Träger politisch mit gleichem Nachdruck betrieben werden wie das von der Bundesregierung angekündigte Konjunkturprogramm für die Wirtschaft. Neben der Notwendigkeit eines Strukturhilfeprogramms für die Stabilisierung der durch die Krise geschwächten Strukturen ist auch sicherzustellen, dass die aktuellen umfangreichen Sofort-Hilfemaßnahmen nicht dazu führen, dass künftige Fördermaßnahmen in Frage gestellt werden. Denn speziell das Feld der Kulturellen Bildung ist auf Finanzierung durch zusätzliche Projektmittel angewiesen. Eine sinnvolle Maßnahme wäre die zeitnahe Implementierung eines zusätzlichen Transformationsfonds für eine zeitgemäße Weiterentwicklung der Kulturellen Bildung, wie beispielsweise die schon lange geforderte Innovationsoffensive für Digitalität. Aufgrund der Coronavirus-Krise wird zur Zeit schon verstärkt mit digitalen Formaten experimentiert. Das Einrichten eines Transformationsfonds für eine Reorganisation der kulturellen Bildungslandschaft in analog-digitale zeitgemäße Strukturen wäre dann nicht nur eine Notmaßnahme, sondern eine Investition in die Zukunft.
- Einrichten eines Strukturhilfeprogramms zum Wiederaufbau des Handlungsfelds nach der Krise
- Einrichten eines Transformationsfonds zur Erweiterung des Felds in eine analog-digitale kulturelle Bildungslandschaft
Berlin/Remscheid, 30. März 2020
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