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Aus der Praxis

Von der Theater-AG auf die Kinoleinwand

Gemeinschaftliche Projekte der Konrad-Duden-Schule und Schule machen ohne Gewalt (SMOG) e. V., Bad Hersfeld

30.03.23

Mit Kreativität, flexibler Gestaltung und guten Kooperationen ist es an der Konrad-Duden-Schule gelungen, gute Theaterpädagogik dauerhaft zu integrieren und anspruchsvolle Projekte umzusetzen – auch über den Ganztag hinaus.

Von Julia Göhring

Gespannt drücken sich Kinder und Jugendliche tief in die Kinosessel. Riesig sehen sie sich selbst auf der Leinwand. Zu sehen sind zwei Kinder in einem altmodischen Wohnzimmer, Dirk und Gitta, die aufgekratzt vor ihren Geburtstagskuchen zappeln. Die beiden werden wie die anderen Figuren des Films „Von Trabis, Tipis und Weckewerk“ von Kindern und Jugendlichen aus Bad Hersfeld, einer hessischen Kur- und Festspielstadt nahe der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze, dargestellt. Ihr Film erzählt die Geschichte einer Familie im Nachkriegsdeutschland. Der Mauerbau reißt die Kinder auseinander: Dirk wächst in Eisenach, Gitta in Bad Hersfeld auf. Ihre Briefe, in denen sie gemeinsame Fantasieerlebnisse in der Welt der amerikanischen Ureinwohner*innen teilen, sind die einzige Möglichkeit, in Kontakt zu bleiben.

Der künstlerische Blick von außen hilft, die Talente des einzelnen Kindes zu erkennen, musikalisch, tänzerisch, vielleicht gibt es auch eine technische Begabung.

Heide Aust

Viele der jungen Darsteller*innen gehen auf die Konrad-Duden-Schule (KDS), Gesamtschule und eine der fünf ersten KulturSchulen Hessen. Ein Teil der Filmszenen wurde in der Rhön gedreht, die Kinder und Jugendlichen per Bus dorthin transportiert. Die gesamten Dreharbeiten fanden in den Oster- und Herbstferien statt. „Tür auf für die Künste“ heißt das Fach, in dem Schüler*innen der 5. und 6. Klassen zwei Stunden die Woche unterrichtet werden. „Jedes Halbjahr hat einen Schwerpunkt: Kreatives Schreiben, Darstellendes Spiel, Bewegung-Rhythmus-Tanz und das Fach MuseComputer, in dem Schüler*innen zum Beispiel etwas mit Photoshop machen“, berichtet Lehrerin Andrea Exner. Als Leiterin der Theater-AG unterrichtet sie das Fach Darstellendes Spiel.

Schüler*innen und Lehrerin erleben sich neu 

„Wie stehe ich? Wie sage ich etwas, ohne etwas zu sagen, mit Gestik und Mimik?“, mit Körper- und Wahrnehmungsübungen beginnt die Arbeit in der Theater-AG. Sie ergänzt, wie andere Angebote auch, den Unterricht, der in der KDS montags bis donnerstags von 07.45 bis 15.00 Uhr und freitags bis 12:45 Uhr stattfindet. Wer in den Nachmittagsstunden keinen Unterricht hat, kann an einer AG teilnehmen. „Die AGs werden von professionellen Kräften aus Sportvereinen oder Musikschule sowie von Kolleginnen und Kollegen geleitet“, berichtet Pädagogin Andrea Exner. Das Angebot werde gut angenommen, denn viele Familien hätten finanziell nicht die Möglichkeit, private Sport- oder Musikangebote wahrzunehmen. 

Die Theater-AG ist eine Chance für Schüler*innen und Lehrerin, sich einmal anders kennenzulernen. Andrea Exner, die auch Mathematik und Deutsch unterrichtet, meint: „Ich profitiere enorm davon, dass ich die Schülerinnen und Schüler in einem anderen Zusammenhang erlebe. Die Theaterarbeit weckt große Potenziale.“ Für eine vertrauensvolle Atmosphäre ist gesorgt, „für jedes neue Projekt schließen wir gemeinsam einen Vertrag, wie wir miteinander umgehen, die Regeln kommen von den Teilnehmenden selbst.“ 

Außerschulische Netzwerke helfen bei der professionellen Umsetzung

Die Theater-AG der KDS ist die Keimzelle der theaterpädagogischen Projekte, bei denen die Schule mit Partner*innen kooperiert und damit ganz bewusst ihr Angebot durch außerschulische Angebote erweitert. Heide Aust, Geschäftsführerin von Schule machen ohne Gewalt (SMOG), koordiniert die Zusammenarbeit und übernimmt als Verein für die Theaterprojekte auch die Trägerschaft. SMOG bildet seit vielen Jahren die Streitschlichter*innen für die KDS aus. Dabei hat Heide Aust die Erfahrung gemacht: „Es hat große Vorteile, für Projekte aus der Schule rauszugehen. In der Unterrichtszeit steht der Lehrplan im Vordergrund, Lehrer*innen fühlen sich häufig unter Druck, ihn umzusetzen. Man hat mehr Ruhe, wenn man in die Wochenenden geht.“

„Von Trabis, Tipis und Weckewerk“ ist die sechste Jugendtheater-Produktion, die Heide Aust und Andrea Exner zusammen durchgeführt haben. Alle hatten die Stadtgeschichte Bad Hersfelds zum Thema, zwei wurden wegen Corona als Filmprojekte umgesetzt. „Geschichte lebendig zu machen“, sei das Ziel gewesen, erklärt Andrea Exner. Eine örtliche Buchhandlung und das Mitmachmuseum „wortreich“ waren als Partner mit an Bord. Die gute Vernetzung in Stadt und Region hilft, ambitionierte Pläne auch umsetzen zu können: Das „wortreich“ etwa hat gut ausgestattete Konferenzräume, in denen man proben kann, Busunternehmen kamen bei Preisen entgegen und das Kino stellte den Saal für die Filmpremiere kostengünstig zur Verfügung. 

Freiräume stärken Konzentration und Kreativität

„Wie könnten wir an unser Thema herangehen? Spielt einfach mal, was sich so ergibt!“ Mit kleinen Improvisationen beginnt die inhaltliche Arbeit in der AG, so Andrea Exner. Daraus entwickeln die Schüler*innen Rollensteckbriefe und Dialoge. Aber auch Kinder und Jugendliche, die nicht an der KDS sind, nehmen an den Projekten teil. So werden AG und Theaterprojekte zu einem Begegnungsort, der über den Ganztag hinauswirkt. „Die Aula nutzen wir als Proberaum, auch für Wochenend-Workshops. Da kommen dann auch diejenigen auf das Schulgelände, die keine Schüler*innen der KDS sind“, erklärt Lehrerin Andrea Exner. Die Kinder, die an der Schule sind, träfen sich auch mal in den Pausen, um weiterzuarbeiten.

Während der Corona-Pandemie hat das Projektteam WhatsApp-Gruppen für die Darsteller*innen eingerichtet. Ehemalige Teilnehmende, die der Schule entwachsen sind, unterstützen als Betreuer*innen. Wichtig sei, meint Koordinatorin Heide Aust, für ein Netzwerk von Erwachsenen außerhalb der Schule zu sorgen. Die Theaterarbeit in der Corona-Zeit beinhaltete ganz andere Herausforderungen. „Umso schöner war es, als sich die Kleingruppen wieder treffen konnten, da war man auch überrascht, wie intensiv die Teilnehmenden zu Hause weitergearbeitet haben.“ Heide Aust führt dies darauf zurück, dass die Schüler*innen nun auch außerhalb der Schule Lust haben, sich auf den Inhalt zu konzentrieren. Bei einem außerschulischen Projekt sei zudem der Personalschlüssel besser. Die künstlerische Co-Leitung etwa übernahm der niederländische Choreograf Jurriaan Bles. „Der künstlerische Blick von außen hilft, die Talente des einzelnen Kindes zu erkennen, musikalisch, tänzerisch, vielleicht gibt es auch eine technische Begabung“, unterstreicht Heide Aust. 

Die Projekte stärken die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen, dessen ist sich Projektleiterin Heide Aust sicher: „Die Entwicklung der Kinder mitzuerleben ist das Allertollste! Es sind Kinder dabei gewesen, die hatten anfangs vielleicht kaum Sprachkenntnisse oder eine undeutliche Sprache, die Körperhaltung war nicht theaterkonform. Und nach zwei Jahren sieht man sie in einer Hauptrolle, sie sprechen deutlich, stehen aufrecht und haben keine Scheu, vor 400 Leuten zu sprechen.“ Und als Geschäftsführerin eines Vereins, der sich für Gewaltprävention an Schulen einsetzt, fügt sie hinzu: „Alle, die hier mitgemacht haben, sind jetzt so selbstbewusst ausgebildet, dass ich ihnen auch zutrauen würde, in einer gefährlichen Situation auf ihr Bauchgefühl zu hören und nein zu sagen.“
 

Die Projekte der Theaterarbeit an der Konrad-Duden-Schule in Kooperation mit Schule machen ohne Gewalt (SMOG) e. V., „Medien erzählen Geschichten“ (2015−2017) und „Ein Stück Stadtgeschichte wird lebendig“ (2018−2022), wurden gefördert im Programm „Künste öffnen Welten“ der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) im Rahmen von „Kultur macht stark“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Zitiervorschlag

BKJ: Von der Theater-AG auf die Kinoleinwand
https://www.bkj.de/ganztagsbildung/kuenste-oeffnen-welten/wissensbasis/beitrag/von-der-theater-ag-auf-die-kinoleinwand/
Remscheid und Berlin, .

    BKJ-Inhalt

    Typo: 371

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