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Aus der Praxis

Tür an Tür

Preisträgerprojekt „LUNA PARK macht Schule – eine Künstler*innenresidenz mit Modellcharakter“ im MIXED UP Wettbewerb 2022, Initiative LUNA PARK e. V., Berlin

21.10.22

Wenn die Schüler*innen der Gesundbrunnen-Grundschule eine Frage zu einem Tanz- oder Theaterprojekt haben, gehen sie einfach ins Erdgeschoss des Hauptgebäudes und klopfen. Hier sitzt die Initiative LUNA PARK, ein Verein freier Kunstschaffender.

Von Kristina Simons

Kosmas Kosmopoulos und die Initiative LUNA PARK sind mit der Gesundbrunnen-Grundschule in Berlin-Wedding fest verbunden. Schon seit 2009 engagiert sich der Choreograf und Tanzpädagoge mit seinem Team hier in der künstlerischen Bildung der Kinder. Gemeinsam bringen sie Tanz- und Theaterstücke oder Musicals auf die Bühne. Seit die Initiative LUNA PARK 2019 zum eigenständigen gemeinnützigen Verein wurde, hat sie sogar ihren Sitz an der Offenen Ganztagsgrundschule und Kosmas Kosmopoulos ist inzwischen in Teilzeit bei der Gesundbrunnen-Grundschule angestellt, gleichzeitig ist er Vorsitzender der Initiative LUNA PARK.

Die auch räumlich enge Verbindung ist schon etwas Besonderes. Die Schule und LUNA PARK sind dadurch richtig zusammengewachsen, das schafft für beide Seiten gute Synergien: Es hat meine persönliche Art choreografisch zu arbeiten, auch für ein erwachsenes Publikum, positiv verändert, und auch die Art und Weise, wie die Kinder auf uns zugehen und wie sie miteinander umgehen.

Kosmas Kosmopoulos

Künstlerische Bildung in Berlin-Wedding

Im Viertel rund um die Gesundbrunnen-Grundschule leben überdurchschnittlich viele Bezieher*innen von Transferleistungen, es fehlt an Kultur- und Bildungsangeboten und die Kriminalitätsrate ist besonders hoch. Die 550 Schüler*innen kommen aus 27 Nationen. 97 Prozent von ihnen sind nichtdeutscher Herkunftssprache. Als Manduela Krüger, die damalige Schulleiterin einer anderen Weddinger Grundschule, Kosmas Kosmopoulos und seine Initiative 2009 kennenlernte, habe sie gleich gesehen, wie sich Tanz und Theater stärkend auf die Kinder auswirken. „Als sie dann an die Gesundbrunnen-Grundschule wechselte, hat sie uns quasi mitgenommen“, berichtet der Choreograf und Tanzpädagoge.

Seitdem gehören Tanz-, Theater- und Musikangebote ab der ersten Klasse fest zum Schulalltag, seit 2017 sind sie als Säule im Leitbild der Schule festgeschrieben, wo es heißt: „Tanz und Theater – wir fördern und entwickeln Kompetenzen für Musik, Ästhetik, Sprache, Selbstbewusstsein, Team-, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit.“ Seit 2019 existiert ein Kooperationsvertrag zwischen der Schule und der Initiative.

Während der in Berlin sechsjährigen Grundschulzeit durchläuft jede Klasse einen entsprechenden Kursblock und entwickelt und probt über ein oder mehrere Schuljahre ein Stück. Krönender Abschluss sind dann die – immer gut besuchten – Aufführungen auf der Bühne. LUNA PARK hat darüber hinaus verschiedene alters- und jahrgangsübergreifende Formate entwickelt, die zum Teil innerhalb der Unterrichtszeit, zum Teil am Nachmittag stattfinden, wenn die Hortbetreuung beginnt.

Regelmäßig wird auch an Wochenenden und christlichen Feiertagen geprobt. „Gerade an Ostern und Weihnachten wissen die muslimischen Schüler*innen sonst oft wenig mit sich anzufangen“, so Kosmas Kosmopoulos. „Durch Tanz, Theater und Musik setzen sich die Kinder aktiv mit sich selbst und mit ihren Lebenswelten auseinander“, ist er überzeugt. Zum Beispiel im Format „Tanz mit mir!“, bei dem das LUNA PARK Team mit den Kindern Kurzchoreografien nach Popmusik und Volksmusik aus den verschiedenen Herkunftsländern erarbeitet. In „Wir spielen Märchen“ inszenieren Schüler*innen der dritten und vierten Klassen ihre ganz eigenen Versionen deutscher Volksmärchen. Damit sind sie sogar schon in den Weddinger Uferstudios und im Centre Français de Berlin aufgetreten. Auch im FEZ in Berlin, auf dem Rampenlichter Festival in München und kürzlich auf dem 9. Deutschen Kinder-Theater-Fest in Lübeck waren die Schüler*innen schon zu Gast.

Positive Wirkungen

Dadurch, dass das Künstlerteam in der Schule verortet ist, erfahren die Künstler*innen direkt und auch durch die Rückmeldungen der Lehrer*innen, wie sich die Tanz- und Theaterprojekte auf die Kinder und deren Teilhabemöglichkeiten auswirken. Beispiel Sprachförderung: „Viele Kinder sprechen kaum oder sogar gar kein Deutsch, wenn sie hier eingeschult werden“, erzählt Kosmas Kosmopoulos. „Bei den Proben lernen sie dann Begriffe wie hüpfen oder springen, Arme oder Beine. Sie entwickeln ein Gefühl für Sprache und es fällt ihnen leichter, Sätze zu bilden und sich auszudrücken.“ Auch für das eigene Körpergefühl seien Tanz und Theater ein Gewinn: „Die Kinder leben oft in sehr beengten Verhältnissen. Hier haben sie Platz, können sich frei bewegen und spielerisch austoben.“ Zusammen zu tanzen oder Theater zu spielen, erfordere zudem sehr viel Arbeit und Disziplin. Wenn die Kinder das Ergebnis dann bei einer Aufführung zeigen, stärke das ihr Selbstbewusstsein und ihre Motivation weiterzumachen. „Ein wichtiger Entwicklungsschritt ist auch die Fähigkeit zu kooperieren, um gemeinsam etwas zu schaffen. Die Kinder lernen, Konflikte zu lösen, Kritik konstruktiv zu äußern und auch auszuhalten.“

Die Beziehung zu den Familien der Kinder hat sich durch die Verankerung von Tanz und Theater im Schulalltag ebenfalls verändert beziehungsweise ist dadurch erst entstanden. „Die Eltern besuchen voller Stolz die Aufführungen ihrer Kinder und finden darüber auch Zugang zur Schule und zu den Klassenlehrer*innen. Anders als früher kommen sie seitdem viel öfter zu Elternabenden.“

Blick über den eigenen Schulhof hinaus

Eine Besonderheit ist die Kooperation mit derzeit fünf Kitas aus der Umgebung. Im seit 2013 bestehenden Format „Tanzt kunterbunt!“ begleitet LUNA PARK Kitakinder beim Übergang in die Schule. Hier tanzen und spielen sie zusammen mit Erstklässler*innen. „Es ist unglaublich, wie leicht ihnen der Start in der Schule fällt, wenn sie die Räumlichkeiten und auch einige Schüler*innen bereits kennen“, betont Kosmas Kosmopoulos die Relevanz dieser Zusammenarbeit.

Offen sind die Tanzperformances zudem für Kinder von Nachbarschulen, z. B. aus der Carl-Kraemer-Grundschule. Darüber hinaus gibt es einen engen Kontakt zum Jugendclub Badstraße, der auch bei Aufführungen und Festen unterstützt: „So kommen wir mit Jugendlichen in Kontakt und bleiben auch mit Ehemaligen unserer Schule in Verbindung.“ Mit dem Träger WeTeK Berlin und dessen Rockmobil werden Musik-Workshops für die Kinder möglich. „Das Highlight ist dann ein Konzert mit E-Gitarre und allem Drum und Dran.“ Die enge Verzahnung mit der Gesundbrunnen-Grundschule sei für derartige Kooperationen extrem hilfreich. „Wir können schneller und unkomplizierter Absprachen treffen, andere Künstler*innen einfacher dazu holen.“

Auch die Nachbarschaft im Kiez will LUNA PARK mit den Tanz- und Theaterprojekten erreichen: „Mit dem dreijährigen Projekt „Tanz & Theater im Quartier“ wollten wir Eltern, Familien und Nachbarschaft einen niedrigschwelligen Zugang zu Bildung und Kultur ermöglichen“, erläutert Kosmas Kosmopoulos.

Internationale Begegnungen

Regelmäßig arbeitet die Initiative mit internationalen Nachwuchstänzer*innen, Choreograf*innen und Theaterpädagog*innen in den Räumlichkeiten, die ihnen die Gesundbrunnen-Grundschule zur Verfügung stellt. Diese beteiligen sich parallel zu ihrer Mitarbeit an zeitgenössischen Tanzproduktionen für Erwachsene auch an Tanzprojekten der Kita- und Grundschulkinder und lernen so die künstlerische Bildungsarbeit kennen. „Dabei entsteht eine positive Wechselwirkung zwischen der professionellen Tanzszene und der Lebenswelt der Kinder“, berichtet Kosmas Kosmopoulos. „Die Schüler*innen lernen von den Tanzschaffenden, erweitern ihr Weltbild und sprechen z. B. auf einmal sogar auch Englisch mit ihnen. Umgekehrt finden sich typische Bewegungen der Kinder in den Stücken der Profis wieder.“ In den kommenden Jahren widmet sich LUNA PARK verstärkt dem Ausbau der „Künstler*innenresidenz“ an der Gesundbrunnen-Grundschule, um das Potenzial des zeitgenössischen Tanzes für Bildung und Teilhabe genau dort nachhaltig zu nutzen und zugleich das künstlerische Profil der Schule weiter zu schärfen.

„LUNA PARK macht Schule –eine Künstler*innenresidenz mit Modellcharakter“ ist Preisträger im MIXED UP Wettbewerb für kreative Kooperationen 2022 in der Kategorie „Konzept und Innovation“.

Die MIXED UP Jury betont, wie wichtig diese strukturelle Verankerung von Tanz im Schulkonzept ist:

Die Künstler*innen bringen stets eigene Perspektiven ein. Das verändert schulische Strukturen und die Schulkultur. Ein innovatives Gesamtkonzept entsteht. Rückkopplungen zum Unterricht und das Aufgreifen thematischer Schwerpunkte, wie z. B. Gesundheit, werden zu verbindenden Elementen, die auch in die Freizeit und den Sozialraum reichen. So werden auch Eltern und neue außerschulische Orte einbezogen. Beispielgebend ist auch die Kooperation mit Kindertagesstätten, um den Übergang in die Schule zu erleichtern. Die Residenz als Exzellenzförderung wird mit dem Ziel, kulturelle Teilhabe zu stärken und Zugänge zu schaffen, modellhaft und wirksam zusammengeführt!

MIXED UP Jury

Der MIXED UP Preis wird seit 2005 gemeinsam vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung ausgelobt. Er zeichnet kreative Projekte und regelmäßige Angebote Kultureller Bildung für Kinder und Jugendliche aus, die durch ein Kooperationsteam umgesetzt werden. Kulturelle Bildungseinrichtungen, Schulen, Kulturinstitutionen, Kindertagesstätten, Jugendgruppen, Künstler*innen, Kulturvereine, Elterninitiativen, Kommunalverwaltungen etc. eröffnen zusammen Räume oder finden neue Wege, um sich mit den Fragen und Interessen der jungen Generation auseinanderzusetzen. Der Wettbewerb zeigt damit auch, wie Kunst, Kultur, Spiel oder Medien das kinder- und jugendgerechte Aufwachsen unterstützen. Dotiert ist der Preis mit einem Preisgeld in Höhe von je 5.000 Euro. www.mixed-up-wettbewerb.de

Zitiervorschlag

BKJ: Tür an Tür
https://www.bkj.de/ganztagsbildung/kuenste-oeffnen-welten/wissensbasis/beitrag/tuer-an-tuer/
Remscheid und Berlin, .

  • Diversität
  • Schule
  • Geflüchtete

BKJ-Inhalt

Typo: 371

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