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Aus der Praxis
Medienbildung für alle
Servicestelle netzwärts des Kulturbüro Rheinland-Pfalz im Trägerverbund der Freiwilligendienste Kultur und Bildung, Lahnstein/Koblenz
22.12.21
Eigentlich fing alles mit einem Missverständnis an. Marten Duck von der Servicestelle netzwärts erinnert sich, wie „Medienkompetenz“ vor ein paar Jahren ins Blickfeld geriet. Diese jungen Leute, die können doch mit Medien, befanden wohlmeinende Politiker*innen.
von Kathrin Köller

Bild: netzwärts

Bild: netzwärts

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Also überlegte man sich, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Man könne doch Medienkompetenz im Rahmen der Freiwilligendienste fördern. Und zwar würden sich die hochmotivierten Freiwilligen in den Einsatzstellen um die Medienbelange kümmern und gleichzeitig den älteren Kolleg*innen die Sache mit der Medienkompetenz beibringen. So stand es 2013 im bundesweiten Koalitionsvertrag. Und so sah Marten Ducks Jobbeschreibung aus, als er 2015 das FSJ digital für das Kulturbüro Rheinland-Pfalz im Trägerverbund der Freiwilligendienste Kultur und Bildung aus der Taufe hob.
Erstmalig konnten Freiwillige in ihren Einsatzstellen ein Projekt rund um neue Medien durchführen. Dazu konnten 1.000 Euro Projektgelder beantragt werden und es gab Unterstützung durch das Kulturbüro. Es entstanden tolle Projekte. Das FSJ digital war gefragt. Und doch konnte das Ziel der Digitalisierung der Einsatzstellen, geschweige denn der Gesellschaft, so nicht funktionieren. Der Medienpädagoge Marten Duck erklärt das gerne mit einer Analogie vom Busfahren: „Also die Freiwilligen, die neun Jahre mit dem Bus zur Schule gefahren sind, haben natürlich ein enormes Mehrwissen in punkto Bus gegenüber denjenigen, die mit dem Fahrrad gefahren sind. Sie wissen, wie man sich im Bus verhält, was man machen muss, wenn man aussteigen will, und vieles mehr. Und doch wird jedem einleuchten, dass es nochmal ein enormer Schritt vom kompetenten Busmitfahren zum Bus selbstfahren ist. Ich muss Verkehrsregeln können, ich brauche einen Führerschein etc.“ Was auf die Medienbildung übersetzt heißt: Natürlich bringen junge Menschen eine große Nutzerkompetenz in punkto Medien mit. Diese Nutzerkompetenz sei aber nur ein Teil der Medienkompetenz und befähige noch lange nicht, den digitalen Medienbus zu fahren, erläutert Marten Duck.
Mediale Bildung der Mitarbeiter*innen
„Daher war für mich sofort klar, dass wir das Ganze größer machen müssen, also auf jeden Fall den Freiwilligen substantiellere Medienkompetenz beibringen müssen, damit sie diese überhaupt weitergeben können.“ Wobei natürlich auch die Erwartungshaltung, dass die Freiwilligen in ihrer kurzen Einsatzzeit, in einem Jahr, mal so nebenbei die fehlende Integration der Medienkompetenz in die Bildungsarbeit alleine ausgleichen, eine grandiose Überforderung darstellt. Dafür braucht es definitiv ein paar mehr Schultern. Eine Folgeförderung macht es zu Beginn des Jahres 2019 möglich, aus dem FSJ digital-Projekt die Servicestelle netzwärts zu gründen. Für Marten Duck ist das der Punkt, an dem endlich möglich wird, auch am anderen Ende anzusetzen und die Mitarbeiter*innen und Träger der Freiwilligendienste mit ins Boot zu holen. Endlich können sich auch diejenigen, die die Freiwilligendienste gestalten, fort- und weiterbilden und Angebote bekommen, wie sie in ihrer Arbeit Medienpädagogik bedenken können.
Es ist schwierig, souverän seine Vorhaben zu konzipieren und Bildungskonzepte zu gestalten, wenn man in dem neuen Medium nicht zu Hause ist.
Marten Duck
Kein Nice-to-Have
Medienbildung in Bildungskonzepten zu verankern, lasse sich gar nicht hoch genug aufhängen, meint Marten Duck und denkt dabei auch an die wirtschaftliche Stabilität Deutschlands. Bei den Mitarbeiter*innen der Einsatzstellen, die sich um Bildungsgestaltung kümmern, ist der Fortbildungsbedarf riesig und die Servicestelle netzwärts muss 2020 viele zusätzliche Termine für ihre Fortbildung „Digitale Bildungsräume gestalten“ anbieten. Seit Corona ist die Lage besonders brisant. „Unter dem Strich fällt den Menschen gerade auf die Füße, dass dieses Thema vernachlässigt worden ist“, sagt Marten Duck. „Wenn man jetzt in der Pandemie versucht, Bildungsangebote über Fernlehre zu gestalten und sich mit diesem Thema bisher noch nicht auseinandergesetzt hat, kann es sein, dass man sich ein bisschen hilflos fühlt. Es ist schwierig, souverän seine Vorhaben zu konzipieren und Bildungskonzepte zu gestalten, wenn man in dem neuen Medium nicht zu Hause ist.“
Nur der Weg ist ein anderer
Eine wichtige Aufgabe der Servicestelle netzwärts liegt daher darin, den gestandenen Pädagog*innen ihre Unsicherheit zu nehmen und ihnen ein Stück Souveränität zurück zu geben. Was Marten Duck dabei wichtig ist: Die Fachkräfte brauchen gar nicht an erster Stelle alle möglichen Tipps und Tricks und Tools, sondern vielmehr den Glauben daran, dass sie sich die technologischen Skills aneignen können. Und sie sollen auf gar keinen Fall all das, was sie sich in Jahren der Professionalisierung an Methoden angeeignet haben, über Bord schmeißen. „Es geht darum, jetzt nicht unbedingt optisch das perfekte Feuerwerk, sondern ein solides, in sich schlüssiges pädagogisches Konzept anzubieten, genau wie im analogen Raum auch. Nur der Vermittlungsweg ist ein anderer“, erläutert Marten Duck. Natürlich lernen die Fachkräfte in den Workshops auch Techniken für das digitale Arbeiten, aber die vielleicht wichtigste Aufgabe, die die Servicestelle netzwärts hier übernimmt, ist das Empowerment der Fachkräfte. Und die Erinnerung daran, dass Lernen immer dann gut funktioniert, wenn man sich erlaubt, Neues auszuprobieren und Fehler zu machen.
Eine Win-Win-Win Situation
Und die Freiwilligen? Der Wunsch, dass sie sich einbringen, mit ihrer Nutzerkompetenz digitale Projekte anstoßen und die Medienkompetenz in den Einrichtungen erhöhen, ist geblieben. Die Servicestelle netzwärts betont, dass mit dieser Erwartung aber auch einhergehen muss, Freiräume zu schaffen, die eine Kreativität der Freiwilligen erst zulassen, und gleichzeitig eine Unterstützungs- und Betreuungskultur zu implementieren. Denn die Eigenmotivation der FSJler*innen, Medienprojekte zu konzipieren und organisieren, ist hoch und Berührungsängste bei der Nutzung digitaler Medien haben sie nicht. „Der große Vorteil, den wir bei neuen Medien ja haben, ist, dass es ein Raum ist, indem sich die Zielgruppe gerne bewegt und gerne bereit ist, Neues kennen zu lernen.“ Marten Duck ist es wichtig, die Freiwilligen nicht nur als Innovationsmotor für ihre Einsatzstellen zu betrachten, sondern ihnen im Gegenzug auch etwas zu geben. In Workshops, wie z. B. „Streaming“, „Vom Podcast zum Audioguide“, „Mit Games Filme drehen“ oder „Social Media Marketing“ werden Kenntnisse vermittelt, die für die Projektarbeit z. B. in den gemeinnützigen Bildungs- und Kultureinrichtungen, wichtig sind, aber gleichzeitig bekommen die Freiwilligen einen Einblick in diverse Medienlandschaften, aus denen sich mitunter auch berufliche Perspektiven ergeben. Was wiederum einen Gewinn nicht nur für die Freiwilligen und ihre Einsatzstellen, sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes darstellt.
Der Beitrag ist erstveröffentlicht in: Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (2021): Digital – Jugend Macht Transformation, kubi – Magazin für Kulturelle Bildung. No. 21-2021. Berlin. S. 24 – 27.

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